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Aktuelles


Mobbing am Arbeitsplatz


Am 16.04.2024 fand der letzte Vortrag bei der VHS im Kreis Herford zum Thema "Mobbing am Arbeitsplatz" statt. Bei Fragen zum Thema: Bitte melden!























































https://vhsimkreisherford.de/kurse/sprachen/kurs/Mobbing+am+Arbeitsplatz/nr/24-40114/bereich/details/



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Auch 2024 waren wir wieder dabei!


 

 


Aktuelle Urteile aus dem Arbeitsrecht

Auswahl der Urteile und Texte von Rechtsanwalt Arno Schrader

 

Stand der Rechtsprechung: 01.11.2024


Dann muss das Arbeitszeugnis gut sein
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hat sich ausführlich damit befasst, was ein Arbeitnehmer vortragen muss, um ein gutes Arbeitszeugnis zu erhalten.
Ein Arbeitnehmer war nach seiner Ausbildung vom 06.01.2020 bis zum 13.08.2022 bei seinem Arbeitgeber als Schulbegleiter bzw. Integrationsassistent beschäftigt. Er hatte die Aufgabe, einen Schüler dabei zu unterstützen, dass dieser Konflikte mit Mitschülern ohne Gewalt löst, Grenzen seiner Mitmenschen wahrt, aktiv am Unterricht teilnimmt, Hausaufgaben in sein Hausaufgabenheft schreibt und den Unterricht nicht stört. Von Oktober 2021 bis Januar 2022 war der Arbeitnehmer arbeitsunfähig, nachdem ihm der betreute Junge mehrere Finger gebrochen hatte. Nachdem das Arbeitsverhältnis endete, erteilte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Zeugnis mit einer befriedigenden Leistungs- und Verhaltensbewertung: „… erfüllte seine Aufgaben in der Integrationshilfe immer selbständig, sorgfältig und stets zu unserer Zufriedenheit.“ Hiergegen klagte der Arbeitnehmer. Er war der Ansicht, ihm stehe ein besseres Arbeitszeugnis zu. Dies begründete er im Wesentlichen mit der Behauptung, die Integration des betreuten Kindes sei erfolgreich gewesen. Dies hätten ihm auch dessen Eltern bestätigt.  Die Richter sahen das anders. Die durchschnittliche Beurteilung sei aufgrund der begrenzten Berufserfahrung des Arbeitnehmers nachvollziehbar. Vielfach führe erst eine langjährige Berufserfahrung zu guten und sehr guten Leistungen. Der Arbeitnehmer habe nicht dargelegt, dass er im Hinblick auf Leistung und Verhalten besser als ein durchschnittlicher Schulbegleiter/Integrationsassistent zu bewerten sei. Letzteres wäre jedoch seine Aufgabe gewesen. Er habe zwar durchaus Erfolge bei seinen Hilfezielen erreicht, was ihm der Arbeitgeber auch bescheinigt habe. Jedoch habe er dabei keinen Vergleich zu anderen durchschnittlichen Schulbegleitern gezogen und dargelegt, dass vergleichbare Beschäftigte diese Erfolge nicht oder nicht in dieser Zeit erzielt hätten.
Hinweis: Arbeitnehmer haben nach der Rechtsprechung lediglich Anspruch auf ein befriedigendes Zeugnis. Wollen sie ein besseres Zeugnis erhalten, ist das in der Praxis ausgesprochen schwierig umzusetzen. Etwas einfacher wird es, wenn ein entsprechend gutes Zwischenzeugnis vorliegt. Dann hat der Arbeitgeber darzulegen, weshalb er davon abweicht.
Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 02.07.2024 - 5 Sa 108/23
https://www.mv-justiz.de/gerichte-und-staatsanwaltschaften/fachgerichte/arbeitsgerichte/landesarbeitsgericht/


Schadenersatz nach Datenmissbrauch
Endlich hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) sich mit der Frage auseinandergesetzt, wann ein Datenmissbrauch zu einem immateriellen Schadenersatz führen kann.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand seit dem Jahr 2014. Im Jahr 2020 erfolgten Gespräch über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses, die jedoch nicht erfolgreich waren. Daraufhin verlangte die Arbeitnehmerin Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 15 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie eine Kopie dieser Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Dies lehnte die Arbeitgeberin wie folgt ab: „Mit Ihrem Auskunftsverlangen beeindrucken Sie niemanden. Bitte klagen Sie den Anspruch ein, wenn Ihre Mandantin meint, das Arbeitsverhältnis auf diese Weise fortsetzen zu müssen." Daraufhin kündigte die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis und verlangte nun durch eine Klage wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000 €. Die Arbeitgeberin habe die Auskunft vorsätzlich und böswillig verweigert. Sie hatte behauptet, wegen der Verweigerung der Auskunft keinerlei Möglichkeit der Überprüfung der Datenverarbeitung gehabt zu haben. Dieser Kontrollverlust sei spürbar und erheblich. Die Arbeitnehmerin erhielt jedoch kein Geld. Sie hatte nach Ansicht der Richter schon keinen Schaden dargelegt. Das Erfordernis eines Schadens und der entsprechenden Darlegungslast ist durch die jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hinreichend geklärt. Danach geht aus dem Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO klar hervor, dass das Vorliegen eines Schadens eine wesentliche Voraussetzung ist. Das bloße Berufen auf eine bestimmte Gefühlslage reicht aber nicht aus. Die Frau hatte zwar ihre aus Unkenntnis der Datenverarbeitung resultierenden Befürchtungen zum Ausdruck gebracht. Solche Befürchtungen liegen bei einer nicht oder unvollständig erteilten Auskunft jedoch in der Natur der Sache. Für die Darlegung eines Schadens reicht auch die Hervorhebung besonderer Spannungen mit dem Auskunftsverpflichteten nicht aus.
Hinweis: Wer als Arbeitnehmer nach einem Datenmissbrauch also Schadenersatz erhalten möchte, hat umfangreich darzulegen, worin der Schaden besteht. Dazu können natürlich auch ärztliche Atteste sehr nützlich sein.
Quelle: BAG, Urt. v. 20.6.2024 - 8 AZR 124/23
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Neues zur Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter
Teilzeitbeschäftigte dürfen nicht diskriminiert werden. Das steht schon im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Was das im Einzelnen bedeutet, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.
Eine Arbeitnehmerin war als Produktionshelferin in Teilzeit mit 20 Stunden pro Woche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand ein Tarifvertrag Anwendung, worin unter „Altersfreizeit" geregelt war, dass Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, eine Altersfreizeit von zwei Stunden je Woche erhalten. Diese Regelungen würde allerdings nicht für Teilzeitbeschäftigte und Arbeitnehmer, die Kurzarbeit leisten, gelten. Nach Vollendung des 58. Lebensjahres verlangte die Arbeitnehmerin dann von der Arbeitgeberin die tarifliche Altersfreizeit von einer Stunde wöchentlich und klagte den Anspruch erfolgreich ein. Ein in Teilzeit beschäftigter Arbeitnehmer darf nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer in Vollzeit beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Hier wurde Teilzeitbeschäftigte wegen der Teilzeitarbeit ungleich behandelt, da die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpfte. Die Benachteiligung wegen der Teilzeittätigkeit war auch nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, der die Annahme rechtfertigen könnte, für Arbeitnehmer ab Vollendung des 58. Lebensjahres bestehe eine qualitative Belastung erst ab einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden.
Hinweis: Wenn ein Arbeitnehmer sich diskriminiert fühlt, sollte er möglichst viele Indizieren für diese Diskriminierung sammeln und notieren. Ziehen sich die Diskriminierungen über einen längeren Zeitraum hinweg, ist das Führen eines Tagebuches wichtig.
Quelle: BAG, Urt. v. 09.07.2024 – 9 AZR 296/20
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Ist der Wunsch nach „erster Führungserfahrung" diskriminierend?
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln musste sich einmal wieder mit einer Altersdiskriminierung in einer Stellenanzeige auseinandersetzen.
Eine Arbeitgeberin suchte in einer Stellenausschreibung „eine/n Managementtrainer/-in mit Vertriebsverantwortung (m/w/d)“, wobei „erste Erfahrungen in Führungspositionen" erwünscht waren. Ein 56-jähriger Bewerber erhielt eine Absage und meinte nun, er sei wegen seines Alters diskriminiert worden. Durch die Voraussetzung, dass er „erste Erfahrungen in Führungspositionen" haben solle, fühlte er sich wegen seines Alters diskriminiert. Durch diese Vorgabe habe die Arbeitgeberin einen gewünschten Alterskorridor vorgegeben, wonach die Bewerber ca. 38-42 Jahre alt sein sollten, während alle übrigen Bewerber, die also entweder jünger als der Zielkorridor oder älter seien, direkt aus dem Bewerbungsverfahren aussortiert würden. Deshalb klagte er 10.000 € Schadenersatz ein – vergeblich. Die Richter meinten, die Anforderung  „erste Führungserfahrung" in einer Stellenausschreibung verweist nicht auf einen bestimmten Lebenszeitkorridor und stellt somit kein Indiz für eine Benachteiligung wegen des Alters dar. Erste Führungserfahrungen können in jedem Alter gemacht werden.
Hinweis: Arbeitgeber sollten bei der Veröffentlichung von Stellenanzeigen besonders vorsichtig sein und jede Stellenanzeige nochmals genau prüfen, ob sie eventuell diskriminierend sein könnte. Denn Verstöße gegen das AGG können schnell sehr teuer werden.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 20.06.2024 - 6 Sa 632/23

https://www.lag-koeln.nrw.de/


Es gibt Entschädigung für Bereitschaftsdienste bei der Feuerwehr
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen hat eine wegweisende Entscheidung für Feuerwehrleute im Bereitschaftsdienst gefällt.
Die Alarmbereitschaftszeiten der Feuerwehrleute der Stadt Mülheim an der Ruhr werden als 24-Stunden-Dienste geleistet. Den Feuerwehrleuten wird dabei kein bestimmter Aufenthaltsort vorgegeben, sie dürfen sich aber nur in einem Radius von 12 km bewegen und müssen im Alarmierungsfall „sofort" mit dem zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeug ausrücken. Dabei ist unter „sofort" die in der Alarm- und Ausrückordnung als Ausrückzeit angegebene Zeitspanne von maximal 90 Sekunden zu verstehen. Einige Feuerwehrleute meinte nun, diese Alarmbereitschaftszeiten seinem vollen Umfang als Arbeitszeit zu werten und klagten. Das OVG entschied, dass die von ihnen im sog. Direktions- bzw. Hintergrunddienst geleisteten Alarmbereitschaftszeiten in vollem Umfang als Arbeitszeit im Sinne der europarechtlichen Vorgaben einzustufen sind. Die Einstufung als Arbeitszeit begründet sich im Wesentlichen aus den gravierenden Einschränkungen für die Zeitgestaltung der Feuerwehrleute während der Dienste, die aus dieser kurzen Reaktionszeit resultieren. Durch die Einstufung der Alarmbereitschaftszeiten als Arbeitszeit überstieg die Arbeitszeit der Feuerwehrleute regelmäßig die zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Im Umfang dieser Überschreitung steht Ihnen ein Entschädigungsanspruch zu. Der zunächst auf die Gewährung von Freizeitausgleich gerichtete Anspruch hat sich in einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung umgewandelt, da die Gewährung von Freizeitausgleich nach Angaben der Arbeitgeberin unmöglich ist. Die Entschädigung berechnet sich nach den Stundensätzen der Mehrarbeitsvergütungsverordnung.
Hinweis: Das Urteil wird sicherlich Signalwirkung auch für andere Bundesländer haben. Umzusetzen wird es auf Dauer nur dadurch sein, dass Personal aufgestockt wird. Allerdings kann noch gegen das Urteil die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eingereicht werden.
Quelle: OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 30.09.2024 - 6 A 856/23 u.a.
https://www.ovg.nrw.de/

Kündigung nach Arbeitsverweigerung
Falls ein Arbeitnehmer die Arbeit verweigert, darf der Arbeitgeber häufig kündigen. Und das gilt auch, wenn er nur teilweise geschuldete Arbeiten nicht aus führen will.
Ein Maschinenbediener war jahrelang für drei Maschinen zuständig. Im Jahr 2020 kam eine vierte, einfacher zu bedienende Maschine hinzu. Auch diese bediente er zunächst ohne sich zu beschweren. Dann kam es jedoch zu einer Leistungsbeurteilung, mit der der Mitarbeiter nicht einverstanden war. Er verlangte eine bessere Beurteilung und in der Folge mehr Geld, oder er werde die neue Maschine nicht mehr bedienen. Der Mitarbeiter meinte, die Arbeit an dieser Maschine verweigern zu dürfen, weil die Arbeit daran unter seinem Qualifikationsniveau liege. Schließlich machte der Mitarbeiter seine Drohung wahr und bediente nur die drei alten Maschinen. Auch einer Aufforderung des Vorgesetzten, die neue Maschine zu bestücken und laufen zu lassen, kam er nicht nach. Das wollte sich der Arbeitgeber nicht gefallen lassen und kündigte das Arbeitsverhältnis. Gegen die Kündigung reichte der Arbeitnehmer erfolglos eine Kündigungsschutzklage ein. Das Gericht war der Auffassung, dass es kein Recht auf eine einheitlich anspruchsvolle Arbeit gibt. Weil der Mitarbeiter als Maschinenbediener eingestellt war, durfte der Arbeitgeber ihm auch die Bedienung der neuen Maschine zuweisen. Da der Arbeitnehmer der Aufforderung nicht nachkam, lag eine beharrliche Arbeitsverweigerung durch den Mitarbeiter vor, die an sich eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann – insbesondere da der Arbeitgeber dem Mitarbeiter an seinem letzten Arbeitstag die fristlose Kündigung angedroht und ihn damit vergeblich abgemahnt hatte
Hinweis: Die Interessenabwägung führte allerdings dazu, dass nur die fristgemäße Kündigung wirksam war. Dabei spielte auch eine Rolle, dass der Arbeitgeber am letzten Arbeitstag des Mitarbeiters geäußert hatte, dass der Mitarbeiter bei Bedarf auch Toiletten putzen und die Straße fegen müsse. Diese Provokation minderte nach Auffassung des Gerichts das Verschulden des Mitarbeiters.
Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 17.04.2024 - 12 Sa 747/23
https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/


Kündigung muss Absender erkennen lassen
In diesem Fall hatte der Arbeitgeber wirklich Glück, dass seine Kündigung nicht aus formellen Gründen unwirksam war.
Ein Arbeitnehmer war bei der „P. KG“ beschäftigt und wurde in der Probezeit entlassen. Das Kündigungsschreiben enthielt in der Kopfzeile den Namen und die Anschrift des Arbeitgebers. In der Unterschriftenzeile befand sich der Name des Arbeitgebers ergänzt um den Abdruck eines Firmenstempels der  „P. H. E. GmbH".  Das nahm der Arbeitnehmer zum Anlass, um gegen die Kündigung zu klagen. Er meinte, mit der der  „P. H. E. GmbH" habe er keinen Vertrag gehabt. Durch Verwendung des falschen Stempels sei die Kündigung unwirksam. Der Arbeitnehmer zog vor Gericht, verlor allerdings seine Klage. Der falsche Firmenstempel der „P. H. E. GmbH" machte die Kündigung nicht unwirksam. Denn der Aussteller der Kündigung war über die Kopfzeile und auch das Unterschriftenfeld erkennbar. Zwar wurde offensichtlich der falsche Firmenstempel verwendet, trotzdem war der Aussteller erkennbar. Der Stempel machte die Kündigung nicht unwirksam.
Hinweis: Möchte jemand eine Kündigung aussprechen, sind die Formalien einzuhalten. Das gilt insbesondere für die Schriftform der Kündigung. Jede Kündigung, egal von Arbeitnehmer oder von Arbeitgeber, muss handschriftlich unterschrieben sein.
Quelle: ArbG Suhl, Urt. v. 14.08.2024 - 6 Ca 96/24
https://arbeitsgerichte.thueringen.de/arbeitsgericht/suhl


Der Urlaub in der Elternzeit ist aktiv zu kürzen - sonst besteht er weiterhin!
Dieses Urteil zur Kürzung von Urlaub während der Elternzeit sollten Sie kennen.
Nehmen Arbeitnehmer ihren Urlaub nicht, verfällt er im Regelfall am Jahresende. Das ist anders bei Arbeitnehmerinnen im Mutterschutz. Das Mutterschutzgesetz regelt, dass eine Frau, die ihren Urlaub vor Antritt des Mutterschutzes nicht oder nicht vollständig nehmen konnte, diesen noch nach dem Mutterschutz im laufenden Jahr oder im Folgejahr nehmen kann.  Eine ähnliche Regelung findet sich beim Erziehungsurlaub im Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG). Eine Therapeutin hatte arbeitsvertraglich einen Jahresurlaub von 29 Arbeitstage. Nach mehreren Geburten befand sie sich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im November 2020 in Mutterschutz bzw. Elternzeit. Der Arbeitgeber hatte den Urlaub in der Elternzeit nicht gekürzt. Somit forderte die Therapeutin eine Abgeltung von 146 Urlaubstagen, also rund 25.000 € brutto. Der Arbeitgeber hielt den Urlaub für verfallen. Das BAG urteilte eindeutig: Zwar verfällt Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) grundsätzlich am 31.12. des laufenden Jahres. Die Regelungen im MuSchG und BEEG gehen diesem Grundsatz aber als Spezialregelungen vor, hemmen also den Verfall des Urlaubs. Der Arbeitgeber hatte hier also das Nachsehen und musste die eingeklagte Urlaubsabgeltung an die Therapeutin bezahlen.
Hinweis: Mutterschutz und Elternzeit gehen nicht auf Kosten des Urlaubs der Arbeitnehmer. Während der Elternzeit dürfen Arbeitgeber den Urlaub für jeden vollen Monat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Die Kürzungsabsicht müssen Sie aber ausdrücklich erklären.
Quelle: BAG, Urt. v. 16.04.2024 - 9 AZR 165/23
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Schadenersatz wegen variabler Vergütung
Viele Arbeitnehmer erhalten variable Vergütungen wie Boni oder Prämien.
Ein Arbeitnehmer hatte eine neue Stelle als Director Development im Bereich Schiffe angetreten. Für seine Tätigkeit sollte er ein Grundgehalt sowie eine erfolgsabhängige variable Vergütung erhalten. Sein Arbeitsvertrag, regelte, dass die Ziele, die für das Erreichen der variablen Vergütung erforderlich sind, jedes Jahr neu vom Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer festgelegt werden. Erstmals sollte das entsprechende Gespräch zum Ende der Probezeit geführt werden. Allerdings kam es bereits kurz nach Ende der Probezeit zu Unstimmigkeiten zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer forderte daraufhin seinen Arbeitgeber auf, mit ihm über die Zielvereinbarung zu verhandeln. Die Verhandlungen wurden geführt, kam jedoch zu keinem Ergebnis. Schließlich legte der Arbeitgeber die Ziele nach eigenem Ermessen fest. Sein Vorgehen begründete er mit dem Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers, in dem stand: „Sollten die Kriterien nicht zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden, werden diese seitens der Gesellschaft nach billigem Ermessen vorgegeben.“ Als das Arbeitsverhältnis endete, klagte der Arbeitnehmer auf Schadenersatz. Das Gericht entschied, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von ca. 83.000 € wegen der entgangenen erfolgsabhängigen variablen Vergütung gegenüber seinem Arbeitgeber hat. Damit bestätigte das BAG die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das einen Teil der Klage in Höhe von 14.000 € abgewiesen hatte. In seiner Begründung stellte das Gericht darauf ab, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht, die Ziele mit dem Arbeitnehmer zu verhandeln und eine Zielvereinbarung für das Jahr abzuschließen, unstreitig nicht nachgekommen sei. Die Richter stellten klar, dass der Arbeitgeber die Ziele nicht einseitig festlegen durfte. Denn die entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag sei unwirksam. Sie benachteilige den Arbeitnehmer nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, da sie dem Arbeitgeber ermögliche, die vertraglich vereinbarte Rangfolge von Zielvereinbarung und Zielvorgabe zu unterlaufen.
Hinweis: haben sich die Vertragsparteien im Arbeitsvertrag verpflichtet, die Ziele gemeinsam festzulegen, hat sich auch der Arbeitgeber daran zu halten. Er sei in einem solchen Fall verpflichtet, mit dem Beschäftigten Verhandlungen zu führen.
Quelle: BAG, Urt. v. 03.07.2024 - 10 AZR 171/23
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Whistleblower aus EU-Parlament erhält Entschädigung
Hier kommt der erste Fall zum neuen Hinweisgeberschutzgesetzes.
Ein parlamentarischer Assistent hatte das Fehlverhalten seines Vorgesetzten, eines EU-Abgeordneten gemeldet. Konkret beschwerte er sich über Mobbing-Verhaltensweisen und finanzielle Unregelmäßigkeiten, die sich auf den Abgeordneten bezogen. Sein Chef reagierte umgehend als er davon erfuhr. Er sorgte dafür, dass der Arbeitnehmer einem anderen Abgeordneten zugewiesen wurde. Nach angeblichen Vergeltungsmaßnahme wurde er allerdings anschließend von seiner Aufgabe freigestellt. Zudem wurde sein befristeter Vertrag, der Basis des Beschäftigungsverhältnisses war, nicht verlängert. Damit war der Beschäftigte nicht einverstanden. Er forderte eine Entschädigung in Höhe von 200.000 €. Diese begründete er damit, dass er sich nicht nur in den unzureichenden Schutzvorgaben verletzt, sondern auch die Vertraulichkeit seiner Identität. Der Arbeitnehmer hatte mit seiner Klage teilweise Erfolg. Das Gericht hob die stillschweigende Ablehnung ergänzender Schutzmaßnahmen auf. Zudem sprach es dem Beschäftigten eine Entschädigung in Höhe von 10.000 € zu. Das Gericht stellte fest, dass das Parlament ohne Zustimmung den Status des Betroffenen als Hinweisgeber offengelegt und ihn damit der Gefahr von Repressalien ausgesetzt habe. Das Parlament habe deshalb den Status des Assistenten als Hinweisgeber nicht anerkannt. Das hätte es aber tun müssen, genauso wie es ihn vor Vergeltungsmaßnahmen schützen musste. Der Arbeitnehmer habe insoweit glaubwürdige Anhaltspunkte dafür geliefert, dass er aufgrund der Neuzuweisung einen Schaden erlitten habe. Deshalb hätte das Parlament ihm gegenüber eine Schutzpflicht gehabt.
Das Gericht stellte in seiner Begründung zudem klar, dass die Nichtverlängerung des Vertrags des Betroffenen grundsätzlich im Einklang mit den geltenden Vorschriften stehe. Der Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Verlängerung.
Hinweis: Der Arbeitgeber ist den Nachweis schuldig geblieben, dass er alle Vorkehrungen getroffen hat, um dem Betroffenen nicht aufgrund seines Hinweises Schaden zuzufügen. Das sollten Arbeitgeber künftig beachten.
Quelle: EuG, Urt. v. 11.09.2024 - T-793/22
https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de/

Nur dann sind betriebsbedingte Kündigungen erfolgreich
Mit diesem Urteil wird sehr gut deutlich, welchen Vortrag der Arbeitgeber liefern muss, um bei einer reinen Einsparung von Personal vor dem Arbeitsgericht erfolgreich zu sein.
Ein 61-jähriger Arbeitnehmer war bei einem Hotel als einziger Hausmeister beschäftigt. Dann kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist aus betriebsbedingten Kündigungsgründen. Durch den Geschäftsführer sei eine Unternehmensentscheidung zur Kostenreduzierung, insbesondere zur Reduzierung der Personalkosten, getroffen worden. In Umsetzung dieser Kostenreduzierung sei der Beschäftigungsbedarf des Arbeitnehmers weggefallen. Einige Tätigkeiten des Arbeitnehmers seien eingestellt oder outgesourct worden. Die verbliebenen Arbeiten könnten unproblematisch auf die anderen Mitarbeiter verteilt werden. Diese hätten immer Freiräume zur Übernahme zusätzlicher Arbeiten. Das wollte sich der Arbeitnehmer so nicht gefallen lassen und legt eine Kündigungsschutzklage ein. Insbesondere behauptete er, die von ihm erledigten Tätigkeiten könnten nicht ohne weiteres auf andere Arbeitnehmer übertragen werden. Dabei würden Überstunden bei anderen Arbeitnehmern anfallen. Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht und meinte ebenfalls, die Kündigung sei sozialwidrig. Erschöpfe sich die unternehmerische Entscheidung im Wesentlichen darin, Personal einzusparen, so sei diese vom Kündigungsentschluss selbst kaum zu unterscheiden. Der Arbeitgeber hätte seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen müssen. Nur so könne das Gericht prüfen, ob der Arbeitsplatz wirklich weggefallen sei. Der Arbeitgeber habe jedoch schon nicht konkret dargelegt, mit welchen Zeitanteilen der Arbeitnehmer seine Aufgaben wahrgenommen hat. Der Vortrag hierzu sei viel zu pauschal und für das Gericht nicht nachprüfbar gewesen. Auch fehlte es an konkretem Vortrag, welche der bisherigen Aufgaben von anderen Mitarbeitern in welchem Umfang übernommen wurden.
Hinweis: Es hätte das Arbeitsvolumen der bisherigen Mitarbeiter dargestellt werden müssen, um zu prüfen, ob die anfallenden Arbeiten von diesem Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden könnten. Der Arbeitgeber hatte hier entweder gar nichts dazu vorgetragen oder nur pauschal behauptet, die Tätigkeiten seien von den übrigen Mitarbeitern ohne obligatorischen Arbeit zu erledigen gewesen. So konnte der Arbeitgeber die Kündigungsschutzklage nicht gewinnen.
Quelle: ArbG Erfurt, Urt. v. 23.04.2024 - 6 Ca 40/24
https://arbeitsgerichte.thueringen.de/arbeitsgericht/erfurt


Neues zum Mindestlohn
In einem Yoga Ashram können selbstverständlich auch Arbeitnehmer tätig werden.
Ein gemeinnütziger und eingetragener Verein betrieb mehrere Zentren und Seminarhäuser. Es ging letztendlich um Yoga-Ashrams. Dort waren Mitarbeiter als sogenannte Sevakas tätig. Diese lebten für einige Zeit in einem Ashram des Vereins und verrichteten sogenannte Sevadienste. Dabei handelte es sich um Tätigkeiten in der Küche, im Haushalt, im Garten, in der Gebäudeunterhaltung, in der Werbung und in der Buchhaltung. Auch der Yoga-Unterricht und die Leitung von Seminaren gehörten zu den Aufgaben. Eine der Mitarbeiterinnen war ursprünglich Volljuristin, dann als Sevaka tätig. Sie machte nun nach Austritt aus dem Verein geltend, es hätte sich um ein Arbeitsverhältnis gehandelt und sie müsse eine Vergütung rückwirkend erhalten. Der Verein hatte bis dahin nur ein „Taschengeld“ gezahlt. Das Landesarbeitsgericht entschied, dass der Verein für dreieinhalb Jahre insgesamt rund 42.000 € brutto nachzuzahlen habe. Maßgeblich seien die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sowie weitere Zeiten mit Vergütungspflicht. Hierfür falle der gesetzliche Mindestlohn an. Der Verein könne sich nicht darauf berufen, dass der Dienst für eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft erbracht worden sei. Diese Ausnahme sei nicht gegeben, vielmehr bestehe ein Arbeitsverhältnis. Auch die Vereinsautonomie stehe dem Zahlungsanspruch nicht entgegen.
Hinweis: Falls Ihnen der Fall bekannt vorkommt, könnte das daran liegen, dass sich bereits das Bundesarbeitsgericht damit auseinandersetzen musste. Das hatte entschieden, dass hier keine Ausnahme hierfür eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft gemacht werden durften und hatte die Angelegenheit an das Landesarbeitsgericht Hamm zurückverwiesen, dass nun die Angelegenheit entschieden hat.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 14.05.2024 – 6 Sa 1128/23
https://www.lag-hamm.nrw.de/


Wenn Urlaub, dann auch richtig
Wenn ein Arbeitnehmer an mehreren Tagen im Jahr einfach einmal frei hat, heißt das noch lange nicht, dass der Arbeitgeber dafür Urlaubstage anrechnen darf.
Ein Arbeitnehmer war in Teilzeit in einem Barbershop beschäftigt. Er arbeitete sehr unregelmäßig. An einzelnen Tagen kam er auf viele Überstunden, dann hatte er wiederum an mehreren Arbeitstagen hintereinander frei. Eine nachvollziehbare Aufstellung darüber führten weder er noch sein Arbeitgeber. Dann wurde das Arbeitsverhältnis beendet und, wie so häufig, verlangte der Arbeitnehmer die Ausbezahlung seines Urlaubs, die sogenannte Urlaubsabgeltung. Er war nämlich der Auffassung, dass er noch seinen vollen Urlaubsanspruch in Höhe von 30 Tagen habe, da ihm Urlaub zu keinem Zeitpunkt gewährt worden sei. Schließlich klagte er die Abgeltung der 30 Tage ein. Der Arbeitgeber meinte dagegen, der Arbeitnehmer habe immer wieder freie Arbeitstage gehabt und damit sei der Urlaubsanspruch erledigt gewesen. Die Richter stellten sich hinter den Arbeitnehmer und der Arbeitgeber wurde zur finanziellen Abgeltung von 30 Urlaubstagen verurteilt. Eine Urlaubsgewährung setzt stets voraus, dass der Arbeitnehmer auch erkennen kann, dass seine Freistellung gerade der Erfüllung des Urlaubsanspruchs diene, und nicht etwa als Freizeitausgleich für Überstunden. Der Arbeitgeber hatte aber nie eindeutig Urlaub gewährt, sodass der Urlaubsanspruch noch in voller Höhe bestand.
Hinweis: Das Bundesurlaubsgesetz geht davon aus, dass der Arbeitnehmer den Urlaub beantragt und der Arbeitgeber ihn dann, sofern keine dringenden betrieblichen Gründe oder Urlaubswünsche andere Arbeitnehmer bestehen, den Urlaub genehmigt. Und das sollte der Arbeitgeber stets durch eine eindeutige Erklärung tun.
Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 19.03.0024 – 5 Sa 68/23
https://www.mv-justiz.de/gerichte-und-staatsanwaltschaften/fachgerichte/arbeitsgerichte/landesarbeitsgericht/


Nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied fordert mehr Gehalt
Die Vergütung von freigestellten Betriebsräten führt in der Praxis immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern.
Der Arbeitnehmer, ein Unternehmensberater bei einer großen Beratungsfirma, arbeitete im Projektgeschäft und war gleichzeitig nicht freigestelltes Mitglied im Betriebsrat. Seine Betriebsratstätigkeit hatte zur Folge, dass er in der internen Projektzuteilung immer häufiger leer ausging. Die Folge davon war, dass der Arbeitnehmer in den jährlich stattfindenden Beförderungsrunden keine Berücksichtigung fand. In seiner Klage berief sich der Beschäftigte auf den Entgeltschutz für Betriebsräte nach § 37 Abs. 4 BetrVG. Er verlangte eine höhere Bezahlung. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass er entsprechend seiner Vergleichsgruppe höher eingestuft werden müsse. Das begründete er damit, dass seine vergleichbaren Kollegen wesentlich kürzer auf den jeweiligen Stellen geblieben sind bevor sie befördert wurden. Das Gericht entschied zu Gunsten des Arbeitnehmers. Es verpflichtete den Arbeitgeber zu einer höheren Einstufung des Arbeitnehmers. Außerdem verurteilte das Gericht den Arbeitgeber, dem Beschäftigten, die entstandene Differenz nachzuzahlen. Die Richter stellten klar, dass der Anspruch nicht aus der Betrachtung der Vergleichsgruppe nach § 37 Abs. 4 BetrVG hergeleitet werde.  Denn Voraussetzung dafür sei, dass der Arbeitnehmer eine konkrete Person benenne mit der er vergleichbar sei. Diese müsse im Wesentlichen gleich qualifizierten Tätigkeiten bei ähnlicher fachlicher und persönlicher Qualifikation nachgehen. Daran fehlte es hier. Das hatte der Beschäftigte nicht konkret dargelegt. Die Richter wiesen darauf hin, dass allgemeine Kennzahlen wie die durchschnittliche Verweildauer von Beratern auf einer Karrierestufe die konkreten Vergleichspersonen nicht ersetzen können. Das Gericht hielt den Anspruch auf Beförderung allerdings dennoch für gegeben. Denn die Richter waren davon überzeugt, dass der Arbeitnehmer gerade nur wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht in den Genuss eines weiteren beruflichen Aufstiegs gekommen sei. Für den Beschäftigten bestehe deshalb ein Anspruch auf eine fiktive Beförderung nach § 78 Satz 2 BetrVG.
Hinweis: Die Reform der Betriebsratsvergütung ist Ende Juli 2024 in Kraft getreten. Seitdem ist das Benachteiligungsverbot durch einen Mindestvergütungsanspruch ergänzt worden. So darf das Arbeitsentgelt von Betriebsräten nicht geringer bemessen werden, als das Entgelt vergleichbarer Kolleginnen und Kollegen mit betriebsüblicher Entwicklung.
Quelle: LAG Hessen, Urt. v. 17.03.2023 – 10 Sa 923/22
https://arbeitsgerichtsbarkeit.hessen.de/arbeitsgerichte-und-landesarbeitsgericht/hessisches-landesarbeitsgericht


Fristlose Kündigung bei sexueller Belästigung eines Azubis
Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Arbeitnehmer vor sexuellen Belästigungen zu beschützen.
Ein Arbeitnehmer war zunächst als Leiharbeiter im Bereich Lagerlogistik tätig. Er wurde im Jahr 2022 vom Entleiher unbefristet in ein Arbeitsverhältnis übernommen. Mehrere Arbeitskolleginnen informierten am 28.08.2023 den direkten Vorgesetzten darüber, dass der Arbeitnehmer eine Auszubildende mehrfach sexuell belästigt habe. Der Arbeitgeber leitete Ermittlungen ein und hörte die Auszubildende und den Arbeitnehmer an. Die Auszubildende schilderte, dass sie mehrfach von dem Arbeitnehmer am Bein, Hintern, der Brust und im Schritt berührt worden sei. Er habe auch ihre Hand an seinen Schritt gelegt. Sie habe zwar andere Kolleginnen gewarnt, sich jedoch nicht getraut, den Arbeitnehmer bei Vorgesetzten zu melden. An einem anderen Tag habe der Arbeitnehmer sich an ihr gerieben und sie zum Oralverkehr aufgefordert. Aus Angst habe sie mitgemacht. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich sowohl als Tat- als auch als Verdachtskündigung. Der Arbeitnehmer klagte hiergegen und bestritt sämtliche Anschuldigungen. Diese seien frei erfunden und strafbare Verleumdungen. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die fristlose Tatkündigung sei wirksam. Der Arbeitgeber habe den Sachverhalt umfassend ermittelt. Er habe Protokolle der Gespräche mit der Auszubildenden, weiteren Kollegen und WhatsApp-Chat-Protokolle vorgelegt. Aus diesen hätten sich nachvollziehbar und glaubhaft mehrere sexuelle Belästigungen durch den Arbeitnehmer ergeben. Dieser habe die Angst und Unsicherheit der Auszubildenden sowie seine Machtposition ausgenutzt. Anderslautende Erklärungen oder Darstellungen des Arbeitnehmers seien nicht glaubhaft und bloße Schutzbehauptungen. Er habe sogar versucht, sich als Opfer darzustellen. Eine Einsicht in Fehlverhalten und eine Entschuldigung seien nicht erfolgt
Hinweis: Liegt nach langjähriger Tätigkeit im Betrieb ein erstmaliges geringeres Fehlverhalten vor, ist eine Kündigung ohne Abmahnung nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Zu welchen Mitteln ein Arbeitgeber greifen sollte, hängt auch vom so genannten Nachtatverhalten ab.
Quelle: ArbG Solingen, Urt. v. 11.04.2024 - 2 Ca 1497/23
https://www.arbg-solingen.nrw.de/

Der Vorgesetzte haftet nicht für Fehler von Mitarbeitern
Die Kündigung des Falls, die einen Vorgesetzten betraf, war nicht rechtmäßig.
Ein Arbeitnehmer war seit 7 Jahren bei seinem Arbeitgeber als stellvertretener Filialleiter eines Discounters beschäftigt. In seine Zuständigkeit fiel auch die Frischetheke. Bei einer Kontrolle entdeckte die Regionalleitung in der Frischetheke verdorbene Ware. Dafür mahnte die Regionalleitung den Arbeitnehmer ab. Als sich der Vorfall wiederholte und bei einer weiteren Kontrolle wieder verschimmeltes Obst und Gemüse in der Frischetheke gefunden wurde, kündigte der Arbeitgeber dem stellvertretenden Filialleiter fristlos. Der legte daraufhin eine Kündigungsschutzklage ein und berief er sich darauf, dass er die Frischetheke des Supermarktes immer stichprobenartig kontrolliert habe. Dabei sei ihm allerdings nichts aufgefallen. Zudem habe er ihm disziplinarisch unterstellte Kolleginnen und Kollegen angewiesen, nach verdorbener Ware zu suchen. Auch den Kolleginnen und Kollegen sei dabei keine verschimmelte Ware aufgefallen. Das Gericht sah dies genauso. Dies begründete das Gericht damit, dass der Arbeitnehmer berechtigt gewesen sei, die Warenkontrolle auf Mitarbeiter zu übertragen, die ihm disziplinarisch unterstellt seien. Schließlich könne ein stellvertretener Filialleiter nicht alle Aufgaben selbst wahrnehmen. Dies habe zur Folge, dass der Arbeitnehmer seinerseits nur Stichprobenkontrollen habe durchführen müssen. Das der stellvertretene Filialleiter die stichprobenartigen Kontrollen nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe, sei nicht nachgewiesen worden.
Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Vieles spricht jedoch für die Richtigkeit. Vorgesetze müssen in der Regel nicht für Fehler persönlich einstehen.
Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 26.06.2024 - 3 Ca 386/24
https://www.arbg-siegburg.nrw.de/


Neues zur Klagefrist gegen eine Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerin
Grundsätzlich muss binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Klage vor dem Arbeitsgericht eingegangen sein. Was aber, wenn eine schwangere Arbeitnehmerin gar nicht wusste, dass sie schwanger ist? Dann muss sie nach dem Gesetz binnen zwei Wochen nach Kenntnis von der Schwangerschaft die Klage einreichen. Doch ist diese Frist lang genug?
Die Angestellte eines Pflegeheims klagte gegen ihre Kündigung. Als sie ihre Kündigungsschutzklage eingereicht hatte, war die 3-wöchige Frist zum Einreichen der Klage bereits überschritten. Das lag daran, dass sie erst danach von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangt hatte. Sie hatte aber auch die weitere Frist von zwei Wochen für den Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage verpasst. Nun wollte das deutsche Gericht vom Europäischen Gerichtshof wissen, ob diese Frist nicht zu kurz sei und ob sie mit der EU-Richtlinie über schwangere Arbeitnehmerinnen vereinbar sei. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass die deutsche 2-Wochen-Frist mit dem europäischen Recht nicht vereinbar ist. Das begründeten die Richter damit, dass sie dem Effektivitätsgrundsatz nicht genüge. Nach der deutschen Regelung verfüge eine schwangere Arbeitnehmerin, die zum Zeitpunkt ihrer Kündigung Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, über eine Frist von 3 Wochen, um Klage zu erheben und ihre Rechte geltend zu machen. Hingegen habe eine Arbeitnehmerin, die aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund vor Verstreichen dieser Frist von ihrer Schwangerschaft nicht weiß, nur 2 Wochen Zeit, um zu beantragen, eine solche Klage zu erheben. Welche Frist genau anzusetzen ist, muss nun das deutsche Gericht entscheiden. Zwei Wochen sind jedoch zu kurz.
Hinweis: Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist, Fristen einzuhalten. Eine Kündigungsschutzklage muss im Regelfall binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht erhoben worden sein.
Quelle: EuGH, Urt. v. 27.06.2024 - C-284/23https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de/


Befristete Arbeitszeiterhöhung kann rechtswidrig sein
Arbeitgeber kommen manchmal auf merkwürdige Ideen. So auch in diesem Fall, in dem eine Erhöhung der Arbeitszeit befristet vereinbart wurde.
Ein Arbeitnehmer bei der Stadt Köln als „Call-Center-Agent Bürgerdienste“ angestellter Mann hatte die unbefristete Erhöhung seiner Arbeitszeit um 25% beantragt. Die Stadt Köln bietet seit dem Jahr 2013 grundsätzlich nur unbefristete Teilzeit- und keine Vollzeittätigkeiten an. Den Kolleginnen und Kollegen werden stattdessen regelmäßig befristete Arbeitszeiterhöhungen angeboten, um dann bei einer Bewährung eine unbefristete Vollzeitstelle zu ermöglichen. Der Arbeitgeber war aber mit der Qualität der Arbeit seines Mitarbeiters nicht einverstanden und nahm das zum Anlass, dem Beschäftigten nur eine  befristete Arbeitszeiterhöhung anzubieten. Daraufhin klagte der Arbeitnehmer. Er meinte, die Ablehnung der unbefristeten Arbeitszeiterhöhung ohne sachlichen Grund sei unwirksam. Das sah das Gericht genauso. Das Gericht entschied, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine unbefristete Beschäftigung von 100% bei einer tariflichen Arbeitszeit von 39 Wochenstunden habe. Zur Begründung berief sich das Gericht darauf, dass der Arbeitgeber einen sachlichen Grund vorweisen müssen, wenn er die Arbeitszeit eines unbefristeten Teilzeitarbeitsverhältnisses dauerhaft für einen befristeten Zeitraum um mindestens 25% aufstocke. Das sei notwendig, damit nicht eine unzulässige Umgehung des gesetzlichen Befristungsrechts drohe, indem der Grundarbeitsvertrag nur mit einem relativ geringen Stundenanteil geschlossen werde, faktisch allerdings eine Vollzeittätigkeit ausgeübt wird, deren Verlängerung der Arbeitgeber sich aber immer wieder erneut vorbehält. Das sah das Gericht hier als gegeben an.
Hinweis: Die befristete Erhöhung der Arbeitszeit bringt also für den Arbeitgeber stets Risiken mit sich. Im Zweifel kann der Rechtsanwalt des Vertrauens weiterhelfen: auf beiden Seiten.
Quelle: ArbG Köln, Urt. v. 25.04.2024 - 8 Ca 423/24

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Lieferdienstfahrer dürfen Betriebsrat wählen
Eine wichtige Entscheidung zur Gründung eines Betriebsrats bei Arbeitnehmern, die per App eingesetzt werden, hat das Arbeitsgericht Aachen gefällt.
Die Fahrer eines Lieferdienstes für das Liefergebiet Aachen wählten im Mai 2023 einen Betriebsrat bestehend aus 3 Personen. Der Arbeitgeber hielt die Betriebsratswahl für unwirksam und er focht die Betriebsratswahl vor Gericht an. Er meinte, dass das Liefergebiet Aachen über keine hinreichende organisatorische Selbstständigkeit verfüge. Er ging vielmehr davon aus, dass die Fahrer aus Aachen einen einheitlichen Betrieb mit denen aus Köln bildeten. Das Gericht war andere Auffassung, lehnt die Wahlanfechtung ab und stellte klar, dass auch in einem qualifizierten Betriebsteil wie dem Liefergebiet Aachen ein eigenständiger Betriebsrat gewählt werden könne. Das begründete das Gericht damit, dass das Liefergebiet Aachen gegenüber dem Kölner Hauptgebiet in organisatorischer und räumlicher Hinsicht abgrenzbar sei. Dafür spreche die Ausübung des Weisungsrechts. Es genüge insoweit, dass im Rahmen der digitalen App alle Arbeitnehmer der abgrenzbaren Einheit in Aachen den Weisungsrechten einer Leitungsmacht unterstehen, die für die Einheit zuständig sei. Das war hier der Fall. Ein weiterer Punkt war, dass es keinen Austausch von Beschäftigten zwischen Aachen und Köln gebe.
Hinweis: Fahrer eines Lieferdienstes, die mittels App eingesetzt werden, können nach dieser Entscheidung also für ein abgrenzbares Liefergebiet einen eigenständigen Betriebsrat wählen.
Quelle: ArbG Aachen, Beschl. v. 23.04.2024 - 2 BV 56/23
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Die Gleichheit der Bezahlung
Frauen verdienen weniger als Männer. Das ist bekannt. Rechtlich interessant wird es dann, wenn die Positionen, auf denen Mann und Frau arbeiten, vergleichbar sind. Dann darf es nämlich gerade keinen Unterschied in der Bezahlung geben.
Eine Angestellte begehrt mit einer Klage unter Berufung auf das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) eine höhere Vergütung. Die Abgrenzung der einschlägigen männlichen Vergleichsgruppe und die Höhe von deren Vergütung standen fest. Demnach waren jedenfalls die Gehaltsbestandteile Grundgehalt und Dividendenäquivalent bei der Frau geringer als beim Median ihrer männlichen Vergleichsgruppe. Das reichte den Richtern aus. Eine festgestellte Vergütungsdifferenz zwischen dem Arbeitsentgelt einer Arbeitnehmerin und dem der männlichen Vergleichsgruppe ist ein Indiz für eine Verletzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit. Die entsprechende Vermutung muss der Arbeitgeber widerlegen. Die Arbeitgeberin hatte sich zwar darauf berufen, dass die männlichen Kollegen durchschnittlich etwas länger im Unternehmen beschäftigt seien und dass die Frau unterdurchschnittlich „performed" hätte. Damit hatte sie jedoch die von ihr angewandten Differenzierungskriterien nicht hinreichend konkret dargestellt. Denn aus ihren Angaben ging nicht hervor, wie sie die Kriterien „Berufserfahrung", „Betriebszugehörigkeit" und „Arbeitsqualität" im Einzelnen bewertet und wie sie diese Kriterien zueinander gewichtet hat.
Hinweis: Es wird für Arbeitgeber also schwieriger, unterschiedliche Löhne zu begründen, wenn keine schlichten Gründe greifbar sind.
Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 19.06.2024 - 4 Sa 26/23
https://landesarbeitsgericht-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite

Besonderer Kündigungsschutz von Initiator einer Betriebsratswahl begrenzt
Gewählte Mitglieder des Betriebsrats genießen besonderen Kündigungsschutz. Das gleiche gilt aber auch für Initiatoren einer Betriebsratswahl, die unter Umständen später gar nicht gewählt werden oder schon gar nicht zur Wahl stehen.
Der Arbeitgeber war ein Unternehmen im Bereich der Cybersicherheit. Das Unternehmen unterhielt keinerlei Büros o. ä. Alle Arbeitnehmer waren ausschließlich im Home Office tätig. Schließlich wollte ein Arbeitnehmer einen Betriebsrat gründen. Der Arbeitnehmer verdiente 135.000 € zuzüglich Provisionszahlungen jährlich. Er gab eine öffentlich beglaubigte Erklärung ab, dass er als ein sogenannter Vorfeld-Initiator Vorbereitungshandlungen für eine Betriebsratswahl vornehmen wird. Insbesondere wollte er eine erste Wahlversammlung vorbereiten und dazu einladen. Drei Tage später erhielt er eine Kündigung durch seinen Arbeitgeber und wurde mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung freigestellt. Der Arbeitnehmer erhob eine Kündigungsschutzklage und stellte zudem auch einen sogenannten Weiterbeschäftigungsanspruch. In dem hier nun entschiedenen Verfahren ging es zunächst um den Weiterbeschäftigungsanspruch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes. Der Arbeitnehmer war der Ansicht, das für Vorfeld-Initiatoren geltende Kündigungsverbot in § 15 Absatz 3b KSchG erlange nur dann tatsächliche Wirksamkeit in der Betriebspraxis, wenn es ohne zeitliche Verzögerung mit einem durchsetzbaren Beschäftigungsanspruch flankiert würde. Deshalb sei er auch vor einer Entscheidung über die Kündigung weiter zu beschäftigen. Das Gericht war anderer Auffassung als der Arbeitnehmer. Die besonderen Kündigungsschutzregelungen für bestimmte Personengruppen im Rahmen der Betriebsverfassung sollen in erster Linie die Wahl der Betriebsverfassungsorgane und die Kontinuität ihrer Arbeit sichern. Der § 15 KSchG dient damit nicht primär den persönlichen Interessen des erfassten Personenkreises, sondern den kollektiven Interessen des Betriebsrats.
Hinweis: Arbeitnehmer sollten sich durch dieses Urteil nicht davon abschrecken lassen, einen Betriebsrat zu gründen. Denn den Kündigungsschutz gibt es ja auch weiterhin.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 19.01.2024 - 7 GLa 2/24
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Die Farbe der Arbeitskleidung bestimmte Arbeitgeber
Gerade beim Thema Arbeitskleidung gehen häufig die Geschmäcker und Vorstellungen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber auseinander.
In einem Betrieb gab es eine Kleiderordnung. Die Arbeitgeberin stellte für alle betrieblichen Tätigkeiten in Montage, Produktion und Logistik Arbeitskleidung zur Verfügung, wozu unter anderem rote Arbeitsschutzhosen gehörten. Das gefiel einem Arbeitnehmer gar nicht. Er erschien auch nach zwei Abmahnungen weiterhin nicht der roten Arbeitslose, sondern eine schwarzen. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis gekündigt, wogegen der Arbeitnehmer klagte. Die Kündigungsschutzklage wurde jedoch abgewiesen. Die Arbeitgeberin hatte ein Weisungsrecht, rote Arbeitslosen vorzuschreiben. Maßgeblich war dabei die Arbeitssicherheit. Die Arbeitgeberin hatte Rot als Signalfarbe gewählt, weil unter anderem auch der Kläger in Produktionsbereichen arbeitete, in denen Gabelstapler fuhren. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers musste dagegen zurücktreten.
Hinweis: Das Leben ist eben nicht immer ein Wunschkonzert. Arbeitnehmer müssen in der Regel den Anweisungen des Arbeitgebers Folge leisten. Natürlich gibt es auch dabei Grenzen und Arbeiten, die der Arbeitgeber nicht anordnen darf. Doch davon waren wir in diesem Fall sicherlich weit entfernt.
Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 21.05.2024 - 3 SLa 224/24
https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/


Angriff auf Israel und die Kündigung des Azubis
Auszubildende in der Probezeit sollten besonders vorsichtig sein. Ihnen kann der Arbeitgeber auch ohne Vorliegen eines Grundes kündigen.
Ein Auszubildender begann im September 2023 eine Ausbildung zum Mediengestalter im Springer-Konzern. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 07.10.2023 stellte der Azubi auf der Plattform „Teams" als Profilbild den Text „I don’t stand with Israel" ein. Auf YouTube veröffentlichte er unter Verwendung von Bildmaterial seiner Arbeitgeberin ein Video mit dem Titel „Wie entsteht eine Lüge" zur Berichterstattung der Arbeitgeberin über den Angriff der Hamas auf Israel. Der Verlag bewertete dies als Angriff auf die Unternehmenswerte und sprach innerhalb der vereinbarten Probezeit zwei fristlose Kündigungen des Ausbildungsverhältnisses aus. Der Azubi klagte dagegen. Die Klage wurde abgewiesen. Zwar war die erste Kündigung aufgrund einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung unwirksam, das galt aber nicht für die zweite Kündigung. Denn ein Ausbildungsverhältnis kann während der Probezeit jederzeit und ohne Angabe eines Grundes gekündigt werden. Die Kündigung stellte auch keine verbotene Maßregelung dar, sondern lediglich eine berechtigte Wahrnehmung der unternehmerischen Interessen. Auch die grundsätzlich geschützte Meinungsäußerungsfreiheit rechtfertigte das eingestellte Video nicht.
Hinweis: Ist die Kündigungszeit eines Auszubildenden erst einmal vorbei, wird es für den Arbeitgeber viel schwieriger, sich von ihm zu trennen. Dann muss schon ein wichtiger Grund vorliegen, damit gekündigt werden kann. Je mehr sich die Ausbildung dem Ende entgegen neigt, desto wichtiger und schwerwiegender muss der Kündigungsgrund sein.
Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 22.05.2024 - 37 Ca 12701/23
https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/


Die Stufenlaufzeit nach dem TVöD während der Elternzeit
Endlich hat das Bundesarbeitsgericht darüber entschieden, wie sich die Elternzeit auf eine tarifliche Höhergruppierung auswirkt.
Eine Arbeitnehmerin war seit März 2006 als Sachbearbeiterin der Leistungsgewährung aus dem Sozialgesetzbuch II (Bürgergeld und Grundsicherung) beschäftigt. Auf der Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für die kommunalen Arbeitgeber (VKA) sowie die diesen ergänzenden Tarifverträge Anwendung. Nun stritten die Parteien über die Stufenzuordnung der Arbeitnehmerin in der Entgeltgruppe 9b TVöD (VKA) im Zeitraum 2017 bis 2022 vor dem Hintergrund in Anspruch genommener Elternzeiten. Die Arbeitnehmerin  meinte nämlich, sie sei in der Entgeltgruppe 9b TVöD (VKA) seit dem 1.10.2017 nach der Stufe 5 zu vergüten. Die tarifliche Regelung, wonach eine Höhergruppierung zu einem Wegfall bereits absolvierter Stufenlaufzeit führe, verstoße gegen höherrangiges Recht. Sie habe die Stufenlaufzeit vor dem Überleitungszeitpunkt am 1.1.2017 nur wegen der Inanspruchnahme von Elternzeiten nicht vollenden können. Bei der Stufenzuordnung sei daher die vor dem 1.1.2017 absolvierte Stufenlaufzeit zu berücksichtigen. Das sah das Bundesarbeitsgericht anders. Der Arbeitgeber war nicht verpflichtet, eine Vergütung nach der Stufe 5 der Entgeltgruppe 9b TVöD (VKA) zu zahlen. Die Hemmung der Stufenlaufzeit während der Inanspruchnahme von Elternzeiten durch § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT war insbesondere mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Arbeitnehmerin wurde durch die Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT nicht wegen ihres Geschlechts diskriminiert. Diese Bestimmung entfaltet weder unmittelbar noch mittelbar geschlechtsdiskriminierende Wirkung. Auch die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG gebietet nicht die Berücksichtigung der Elternzeit für den Stufenaufstieg im Entgeltsystem des TVöD. Die Tarifvertragsparteien müssen nicht für einen Ausgleich der Nachteile sorgen, die sich für die Beschäftigten daraus ergeben, dass nach der gesetzlichen Ausgestaltung das Arbeitsverhältnis in der Zeit des Erziehungsurlaubs ruht. Wenn die Hemmung der Stufenlaufzeit während der Elternzeit nicht gegen § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG verstieß, verletzte auch die Zuordnung der Klägerin zur Stufe 4 statt zur Stufe 5 nach ihrer Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9b TVöD (VKA), die nach dem Stufenfindungssystem des TVöD allein die Konsequenz der aus dieser Hemmung folgenden kürzeren Stufenlaufzeit in der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) ist, nicht § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG.
Hinweis: Es gab also keine Diskriminierung wegen des Geschlechts, wohl aber eine Schlechterstellung durch die Elternzeit. Das Urteil wird wohl dazu führen, dass insbesondere Männer auch weiterhin wesentlich seltener und geringere Elternzeit beanspruchen als Frauen.
Quelle: BAG, Urt. v. 22.02.2024 - 6 AZR 126/23
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Inflationsausgleichsprämie auch während der Elternzeit
Dieses Urteil beantwortet die Frage, welche betrieblichen Leistungen Arbeitnehmern zustehen, deren Hauptleistungspflichten ruhen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn sie sich in Elternzeit befinden.
Eine Arbeitnehmerin war seit 2019 beschäftigt. In der Zeit von 2022 bis Sommer 2024 war sie in Elternzeit. Die Arbeitgeberin zahlte an Sie, solange sie sich in Elternzeit befand und keine Teilzeittätigkeit ausübte, keine Inflationsausgleichsprämie. Andere Arbeitnehmer erhielten Zahlungen nach dem für die Branche einschlägigen „TV Inflationsausgleich“. Nun fordert die Frau ihre Arbeitgeberin auf, die Auszahlung nachzuholen und machte gleichzeitig Ansprüche wegen einer Diskriminierung wegen des Geschlechts geltend. Das Gericht differenzierte: Die Inflationsausgleichsprämie erhielt die Arbeitnehmerin. Der Ausschluss von Arbeitnehmern in Elternzeit von der Zahlung eines tariflichen Inflationsausgleichs verstieß gegen das Willkürverbot. Der Tarifvertrag war an dieser Stelle rechtswidrig und die Arbeitnehmerin konnte verlangen, so gestellt zu werden, als zähle sie zum Kreis der Begünstigten.
Verstößt nämlich ein Tarifvertrag insoweit gegen höherrangiges Recht, als er in gesetzes- bzw. verfassungswidriger Weise Personengruppen von einer Leistung ausschließt, so ist nicht die gesamte begünstigende Regelung unwirksam, sondern nur die Ausschlussklausel. Die leistungsgewährenden Tarifvertragsbestimmungen sind in diesem Fall auf diejenigen Personen zu erstrecken, die rechtswidrig ausgeschlossen wurden. Allein die Schlagworte „ruhendes Arbeitsverhältnis“ und „Leistungsstörung“ sind nicht ausreichend, um einen sachlich vertretbaren Differenzierungsgrund zu bilden. Vielmehr war zu prüfen, worin die inhaltlichen Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede konkret bestanden. Während der längerfristig erkrankte Arbeitnehmer und derjenige, dessen Kind erkrankt ist, Krankengeld von seiner Krankenkasse beziehen, bezieht ein Arbeitnehmer in Elternzeit typischerweise Elterngeld von der öffentlichen Hand. Alle drei Gruppen sind in gleicher Weise von gestiegenen Lebenshaltungskosten betroffen.
Allerdings stand der Arbeitnehmerin kein Entschädigungsanspruch wegen einer möglichen Diskriminierung aus § 15 Abs. 2 AGG zu. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hätte. Grobe Fahrlässigkeit bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen ist dann anzunehmen, wenn sich der diskriminierende Charakter der Regelung aufdrängt. Dies war vorliegend nicht der Fall. Vielmehr handelte es sich um eine schwierige Rechtsfrage. Die Frage, ob die Tarifvertragsparteien beim Kreis der Anspruchsberechtigten einer Sozialleistung wie der Inflationsausgleichsprämie die streitgegenständliche Differenzierung vornehmen dürfen, ist nicht ausreichend höchstrichterlich geklärt und betrifft eine Vielzahl von Arbeitnehmern.
Hinweis: Wer nun meint, noch Ansprüche geltend machen zu können, sollte sich beeilen. Auch im Arbeitsrecht gilt die 3-jährige Verjährungsfrist. Hinzu kommen häufig Ausschlussklauseln in Arbeits- oder Tarifverträgen
Quelle: ArbG Essen, Urt. v. 16.04.2024 - 3 Ca 2231/23
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Überraschung: So groß muss das Betriebsratsbüro sein
Eine Antwort auf die Frage, wie groß ein Betriebsratsbüro sein muss, kommt vom LAG Köln.
Der Arbeitgeber des Falls hatte rund 70 Filialen, in denen 3.500 Mitarbeiter beschäftigt waren. Für einen Teilbetrieb mit 125 Mitarbeitern bestand ein 7-köpfiger Betriebsrat. Der Betriebsrat hatte ein Büro von 21 Quadratmetern. Das war ihm zu klein, er hätte gerne 28 Quadratmeter und zog deshalb vor das Arbeitsgericht – vergeblich. Maßstab für die Größe des Betriebsratsbüros ist nach den Richtern die Anzahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder des Betriebs, denn diese werden regelmäßig dort arbeiten. Nach § 3a Abs. 1 ArbStättVO in Verbindung mit der ASR A 1.2 muss jeder Arbeitsraum bei einem Arbeitsplatz mindestens eine Bürofläche von 8 qm aufweisen. Für jeden weiteren Arbeitsplatz müssen weitere 6 qm zur Verfügung stehen. Für Büro- und Bildschirmarbeitsplätze ergibt sich bei Einrichtung von Büros als Richtwert ein Flächenbedarf von 8 bis 10 qm je Arbeitsplatz einschließlich Möblierung und anteiliger Verkehrsflächen im Raum. Bei einer Arbeitnehmerzahl des Betriebs von 125 ergibt sich nach § 38 Abs. 1 BetrVG ein Anspruch auf Freistellung für ein Betriebsratsmitglied. 21 Quadratmeter waren damit vollkommen ausreichend bzw. sogar viel zu groß.
Hinweis: Das Betriebsratsbüro muss so groß sein, dass Freigestellte hier arbeiten können. Es muss nicht groß genug für Betriebsratssitzungen oder Sprechstunden sein. Hier müssen dann andere Räume zur Verfügung gestellt werden.
Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 09.02.2024 - 9 TaBV 34/23
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Wenn ein Plagiat zur Kündigung führt
Vertrauensbruch ist ein absoluter Kündigungsgrund. Und manchmal, wiegt der Kündigungsgrund so schwer, dass Arbeitgeber fast gar nicht anders können, als sich von einem Arbeitnehmer zu trennen. In diesem Fall handelte es sich um eine Professorin der Universität Bonn.
Die angestellte Professorin im Fachbereich Politikwissenschaften wurde zum 31.3.2023 entlassen. Ihr wurde vorgeworfen die Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis nicht eingehalten zu haben, indem sie in insgesamt drei ihrer Publikationen jeweils an verschiedenen Stellen plagiiert habe. Die Professorin meinte, es handele sich nur um Zitierfehler in Schriften mit popularwissenschaftlichem Charakter. Sie klagte deshalb gegen die Kündigung, scheiterte aber vor Gericht. Sie hatte jedenfalls in einer ihrer Publikationen, welche sie im Rahmen ihrer Bewerbung vorlegte, die Grundsätze der wissenschaftlichen Redlichkeit vorsätzlich nicht eingehalten. Das stellte in einem Bewerbungsverfahren um einen universitären Lehrstuhl eine wesentliche Pflichtverletzung dar.
Hinweis: Wegen der Schwere der Verletzung in einem Kernbereich der Pflichten einer Professorin war auch eine vorherige Abmahnung als milderes Mittel ausnahmsweise nicht erforderlich.
Quelle: ArbG Bonn, Urt. v. 24.04.2024 - 2 Ca 345/23
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Keine Ersetzung der Zustimmung zur Verdachtskündigung eines Betriebsratsvorsitzenden
Wenn ein Mitglied des Betriebsrats gekündigt werden soll, muss das Betriebsratsgremium vor der Kündigung zustimmen. Tut er das nicht, kann der Arbeitgeber versuchen, die Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen.
Ein Maschinenbau-Unternehmen beabsichtigte, dem für Betriebsratsarbeit freigestellten Vorsitzenden des Betriebsrats eine außerordentliche Verdachtskündigung auszusprechen. Es berief sich auf den dringenden Verdacht der unzutreffenden Dokumentation der Arbeitszeiten und einen dadurch bei ihr aufgrund der Auszahlung von Vergütung für Mehrarbeitsstunden entstandenen Vermögensschaden. Der Betriebsrat erteilte die Zustimmung zum Ausspruch der beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Verdachtskündigung nicht. Deshalb beantragte das Unternehmen, die Zustimmung des Betriebsrats zum Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Verdachtskündigung des Betriebsratsvorsitzenden ersetzen zu lassen. Dem kam das Gericht jedoch nicht nach. Es bestanden zwar Verdachtsmomente, jedoch kein für den Ausspruch einer beabsichtigten Verdachtskündigung erforderlicher dringender Verdacht der Pflichtverletzung. Sind auch andere Geschehensabläufe denkbar, die den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht rechtfertigen würden, so fehlt es an einem wichtigen Grund zur Rechtfertigung der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung.
Hinweis: Betriebsräte sind durch das Kündigungsschutzgesetz besonders vor einer Kündigung geschützt. Das ist auch richtig und gut, denn andernfalls könnten sie ihren gesetzlichen Aufgaben aus dem Betriebsverfassungsgesetz nicht ordnungsgemäß nachkommen.
Quelle: LAG Hamm, Beschl. v. 10.05.2024 - 12 TaBV 115/23
https://www.lag-hamm.nrw.de/


Neuer Fehler bei der Betriebsratswahl
Wenn eine Betriebsratswahl nicht ordnungsgemäß abläuft, wird sie meistens angefochten.
In diesem Fall ging es um ein großes Einzelhandelsunternehmen mit bundesweit 17 Niederlassungen. Durch einen Zuordnungstarifvertrag waren Betriebsratsregionen gebildet worden. Die Betriebsratsregion Ost umfasste 870 Filialen mit ca. 14.500 Mitarbeitern. In dieser Region wurde dann eine Betriebsratswahl durchgeführt. Der Wahlvorstand fertigte einen Wahlausschreiben und versandte es auf elektronischem Weg in die Filialen. Dort ließ er das Wahlausschreiben ausdrucken und aufhängen. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch mindestens 292 Mitarbeiter unter anderem wegen Mutterschutz, Elternzeit und Erkrankungen dauerhaft nicht in den Filialen beschäftigt. Nach Ablauf der Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen versandte der Wahlvorstand das Wahlausschreiben auch an die dauerhaft abwesenden Mitarbeiter, allerdings erst zusammen mit den Unterlagen für die Briefwahl. Dann wurde gewählt und der Wahlvorstand gab das Wahlergebnis bekannt. Eine ganze Reihe von Arbeitnehmern erklärten daraufhin vor dem Arbeitsgericht die Anfechtung der Wahl. Das ArbG gab dem Antrag statt und erklärte die angefochtene Betriebsratswahl für unwirksam. Die Versendung des Wahlausschreibens an die zum Zeitpunkt der Wahl voraussichtlich nicht präsenten Arbeitnehmer sei zu spät erfolgt. Der § 3 Abs. 4 Satz 4 der Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO) verpflichtet den Wahlvorstand das Wahlausschreiben unmittelbar nach seinem Erlass den Personen zugänglich zu machen, von denen ihm bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden. Die Versendung des Wahlausschreibens an den von § 24 Abs. 2 WO erfassten Personenkreis erst mit den Briefwahlunterlagen nach Ablauf der Fristen für Einsprüche gegen die Wählerliste und Einreichung von Wahlvorschlägen ist ein grundsätzlich zur Wahlanfechtung berechtigender Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren.
Hinweis: Alle Beteiligten sollten bei einer trieb Betriebsratswahl möglichst die geltenden Gesetze versuchen einzuhalten. Denn dann werden unangenehme Wahlwiederholungen vermieden.
Quelle: Thüringer LAG, Beschl. v. 27.03.2024 - 4 TaBV 13/23
https://arbeitsgerichte.thueringen.de/thueringer-landesarbeitsgericht


Die Folgen der unwirksamen Kündigung
Stellen Sie sich vor, Sie erhalten eine Kündigung von Ihrem Arbeitgeber und klagen dagegen. In der Zeit des Verfahrens arbeiten Sie bei einem anderen Arbeitgeber, haben aber erhöhte Fahrtkosten. Können Sie die nun ersetzt verlangen?
Mit Schreiben vom 13.09.2021 kündigte eine Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer fristlos. Der Arbeitnehmer legt eine Kündigungsschutzklage ein und gewann in der ersten und zweiten Instanz. Mit Schreiben vom 27.06.2023 machte er deshalb umfangreiche Annahmeverzugsansprüche geltend. Während des vom 13.09.2021 bis zum 15.06.2023 dauernden Annahmeverzugs bezog zunächst Arbeitslosengeld. Dann verdiente er bei einem anderen Arbeitgeber vom 01.12.2021 bis zum 15.06.2023 insgesamt 64.000 € brutto. Die Arbeitgeberin zahlte dem Arbeitnehmer etwas über 20.000 € brutto Annahmeverzugsvergütung. Dann stritten sich die Parteien noch weiter über Zahlungen und dabei insbesondere auch über folgendes: Der Arbeitsweg des Arbeitnehmers zu dem Arbeitsplatz bei der Arbeitgeberin betrug 13 km bis 16 km (einfache Strecke). Der Arbeitsweg des Arbeitnehmers zu dem Arbeitgeber, bei dem er anderweitigen Erwerb erzielte, betrug 45 km bis 46 km für die kürzeste Straßenverbindung (einfache Strecke). Der Arbeitnehmer fuhr regelmäßig 57 km bis 62 km u.a. über die Autobahnen 1 und 61 (einfache Strecke). Der Arbeitnehmer war nun der Ansicht, dass die Arbeitgeberin ihm die zusätzlichen Fahrtkosten für die Erzielung anderweitigen Erwerbs im Wege des Schadensersatzes zu ersetzen habe. Dieser Auffassung war das Arbeitsgericht jedoch nicht. Spricht der Arbeitgeber eine unwirksame Kündigung aus und hat der Arbeitnehmer zur Erzielung anderweitigen Verdienstes während des Annahmeverzugszeitraums höhere Fahrtkosten als bei einem fortgeführten Arbeitsverhältnis, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Arbeitgeber, der auf den Ersatz dieser Fahrtkosten gerichtet ist. Die Fahrtkosten während des Annahmeverzuges hat der Arbeitnehmer freiwillig auf sich genommen. Es handelte sich nach den Richtern also um Aufwendungen, die nicht zu ersetzen sind.
Hinweis: Ob diese Entscheidung Bestand haben wird, wird sich zeigen. Sicherlich kann mit genauso guten Argumenten die Geltendmachung des Schadens befürwortet werden. Es wird abzuwarten sein, wie eine höhere Instanz die Angelegenheit beurteilen wird. Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage sollten aber zunächst versuchen, die Kosten trotz dieses Urteils durchzusetzen.
Quelle: ArbG Bonn, Urt. v. 24.04.2024 - 5 Ca 1149/23
https://www.arbg-bonn.nrw.de/

Neues zur Betriebsratswahl
Was passiert eigentlich, wenn es bei einer Betriebsratswahl weniger Kandidaten als Sitzen gibt? Kann die Wahl dann trotzdem stattfinden?
Die Arbeitgeberin des Falls betreibt eine Klinik mit 170 Arbeitnehmern. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz ist in einem solchen Fall ein 7-köpfiger Betriebsrat zu wählen. Als dann der Betriebsrat gewählt werden sollte, kandidierten allerdings nur drei Arbeitnehmerinnen, die auch gewählt wurden. Die Arbeitgeberin hat die Wahl für nichtig gehalten und einen entsprechenden Antrag beim Arbeitsgericht eingereicht. Damit kam er aber nicht durch. Bewerben sich bei einer Betriebsratswahl weniger Arbeitnehmer um einen Betriebsratssitz als Betriebsratsmitglieder zu wählen sind, kann ein kleinerer Betriebsrat errichtet werden. Es steht der Wahl eines Betriebsrats nicht entgegen, wenn sich nicht genügend Bewerber für das Betriebsratsamt finden. Bei der Betriebsratsgröße ist in der Konstellation von weniger Kandidaten als zu besetzenden Betriebsratssitzen auf die (jeweils) nächstniedrigere Stufe so lange zurückzugehen, bis die Zahl von Bewerbern für die Errichtung eines Gremiums mit einer ungeraden Anzahl an Mitgliedern ausreicht.
Hinweis: Eine Wahl zum Betriebsrat kann also auch stattfinden, wenn sich nicht genügend Kandidaten finden. Der Arbeitgeber kann die Wahl deshalb nicht verbieten lassen.
Quelle: BAG, Beschl. v. 24.04.2024 – 7 ABR 26/23
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Das Risiko der Befristung des Arbeitsverhältnisses
Im öffentlichen Recht hat der Arbeitgeber bei befristeten Arbeitsverhältnissen ganz besondere Pflichten. Häufig werden Arbeitsverhältnisse mit dem Sachgrund der Haushaltsbefristung nur befristet abgeschlossen. Die Rechtsprechung hat jedoch auch dafür Regelungen aufgestellt. So ist von einem Rechtsmissbrauch dann auszugehen, wenn die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zehn Jahre überschreitet oder mehr als 15 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder wenn mehr als zwölf Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als acht Jahren vorliegen.
Es ging um einen schwerbehinderten Arbeitnehmer, der insgesamt bereits sieben befristete Arbeitsverträge mit einem Universitätsklinikum eingegangen war. Aktuell war er aufgrund eines weiteren befristeten Vertrags beschäftigt. Dann schrieb die Universitätsklinik eine Stelle für einen technischen Assistenten aus. Auch diese Stelle war für zwei Jahre befristet. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer bewarb sich auf diese Stelle, erhielt sie jedoch nicht. Das Universitätsklinikum meinte, aufgrund der Vorbeschäftigungszeiten sei ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis an der Universität nicht mehr zumutbar. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts würde es sich der Gefahr aussetzen, dass eine Befristung unrechtmäßig wäre. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer meinte dagegen, er hätte Anspruch auf die Stelle, da er der am besten geeignete Bewerber sei. Er verklagte das Universitätsklinikum, die Stelle mit ihm zu besetzen. Durchaus überraschend hat das Gericht die Klage abgewiesen. Die Entscheidung eines öffentlichen Arbeitgebers, nur Bewerber in die Auswahl für eine befristet zu besetzende Stelle einzubeziehen, bei denen nicht die naheliegende Möglichkeit besteht, dass eine weitere Sachgrundbefristung rechtsmissbräuchlich wäre, ist in Ordnung. Der Arbeitgeber muss nicht warten, bis die “Voraussetzungen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs“ erfüllt sind. Vielmehr ist seine Entscheidung Teil des vom Grundgesetz garantierten Auswahlverfahrens.
Hinweis: Der öffentliche Arbeitgeber darf also das Risiko einer Klage gegen eine Befristung dadurch umgehen, dass er den entsprechenden Mitarbeiter erst gar nicht einstellt.
Quelle: BAG, Urt. v. 29.2.2024 – 8 AZR 187/23
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Pflicht zur stufenweisen Wiedereingliederung
Die Wiedereingliederung nach einer langen Krankheitsphase kann ein Arbeitgeber grundsätzlich ablehnen. Doch bei schwerbehinderten Menschen könnte ab jetzt etwas anderes gelten.
Ein Arbeitnehmer erkrankt an einem Hirntumor. Die Krankheit wurde erfolgreich therapiert. Er hatte allerdings einen Grad der Behinderung von 90. Am Ende der Krankheitsphase schlug die Hausärztin eine stufenweise Wiedereingliederung vor und erstellte einen ersten Wiedereingliederungsplan. Der Arbeitnehmer beantragte daraufhin die Zustimmung zur Durchführung dieser Maßnahme bei seinem Arbeitgeber. Der lehnte jedoch ab. Die Hausärztin erstellte daraufhin einen neuen Wiedereingliederungsplan und nun verlangte der Arbeitnehmer im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, die stufenweise Wiedereingliederung durchzuführen. Er habe ein überragendes Interesse daran, die Wiedereingliederung in das Berufsleben und die Rückkehr an seinen Arbeitsplatz möglichst zeitnah im Anschluss an den Abschluss seiner Therapie zu beginnen. Die Arbeitgeberin dagegen weinte, es gäbe keine sinnvollen Aufgaben, die der Arbeitnehmer mit einer Beschäftigungsdauer von zwei oder vier Stunden täglich erledigen könnte. Die geschuldete Tätigkeit lasse sich nicht ohne Fahrten mit dem Auto umsetzen. Damit kann die Arbeitgeberin aber nicht durch. Der Arbeitnehmer hatte einen Anspruch auf eine stufenweise Wiedereingliederung. Den Anspruch auf Beschäftigung entsprechend den Angaben im ärztlichen Wiedereingliederungsplan aus § 164 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX kann die schwerbehinderte oder gleichgestellte behinderte Person auch im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens verfolgen. Die notwendige Eilbedürftigkeit folgt aus dem Beschäftigungsinteresse der schwerbehinderten Person, welches aufgrund ihres Anspruchs auf Teilhabe am Erwerbsleben aus § 164 Abs. 4 SGB IX grundsätzlich überwiegt. Zwar besteht nach der BAG-Rechtsprechung grundsätzlich kein Anspruch auf Mitwirkung des Arbeitgebers an einer stufenweisen Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in das Erwerbsleben, insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Vielmehr ist das Wiedereingliederungsverhältnis ein Vertragsverhältnis eigener Art, zu dessen Begründung es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf, wobei für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit gilt. Etwas anderes gilt jedoch, wenn es um die stufenweise Wiedereingliederung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten behinderten Beschäftigten in das Erwerbsleben geht. Der Arbeitgeber kann nämlich gegenüber einer schwerbehinderten oder gleichgestellten behinderten Person nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB IX verpflichtet sein, an einer Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben mitzuwirken und den Arbeitnehmer entsprechend den Anlagen im ärztlichen Wiedereingliederungsplan zu beschäftigen. Der Anspruch setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung seines behandelnden Arztes vorlegt, aus der sich Art und Weise der empfohlenen Beschäftigung, Beschäftigungsbeschränkung, Umfang der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit sowie die Dauer der Maßnahme ergeben. Die Bescheinigung muss eine entsprechende Prognose enthalten. Eine solche Bescheinigung lag hier vor.
Hinweis: Es bleibt abzuwarten, ob sich die Meinung der Richter durchsetzt. Vieles spricht jedoch dafür, dass dieses Urteil auch von höheren Instanzen abgesegnet werden könnte.
Quelle: ArbG Aachen, Beschl. v. 12.3.2024 – 2 Ga 6/24
https://www.arbg-aachen.nrw.de/


Streit über die Zusammenrechnung von Befristungen
Befristete Arbeitsverträge dürfen nach der Rechtsprechung nur in bestimmten Grenzen verlängert werden. Doch was ist, wenn das Arbeitsverhältnis zwei Jahre unterbrochen war?
Die Arbeitgeberin des Falls war ein Institut für Bio-Geo-Chemie mit 230 Beschäftigten. Eine Arbeitnehmerin war zunächst von 2007-2010 beschäftigt. In diesem Zeitraum fielen sieben Befristungen. Im Zeitraum von 2010-2012 bestand dann allerdings für über zwei Jahre kein Arbeitsverhältnis. Die Arbeitnehmerin hat in dieser Zeit ein Kind geboren und war in Elternzeit gewesen. Danach war sie dann bei dem Institut erneut für knapp zehn Jahre tätig. In diesem Zeitraum fielen elf Befristungen. Dann ließ sich die Arbeitnehmerin seit Mai 2013 in den Betriebsrat wählen. Seit 2020 war sie Betriebsratsvorsitzende. Die letzte Befristung sollte dann auslaufen und dagegen klagte die Arbeitnehmerin. Sie meinte, sie sei mit Daueraufgaben beschäftigt gewesen und die Befristung sei willkürlich erfolgt. Die Ketten Befristung ihres Arbeitsverhältnisses halte einer Missbrauchskontrolle nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht stand. Im Zeitraum von 14 Jahren seit sie 18 mal befristet beschäftigt gewesen. Außerdem liegt eine Benachteiligung aufgrund ihrer Betriebsratstätigkeit vor. Die Befristung war jedoch tatsächlich zulässig. Die der Arbeitnehmerin übertragenen Tätigkeiten stellten keine Daueraufgabe dar. Auch eine Missbrauchskontrolle führte nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Befristung. Zwar lag eine Kettenbefristung vor. Die Klägerin konnte sich aber nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr Arbeitsverhältnis habe insgesamt 14 Jahre bestanden und sei 18-mal befristet worden. Denn das Arbeitsverhältnis war über zwei Jahre unterbrochen. Dann ist eine Zusammenrechnung der befristeten Arbeitsverhältnisse ausgeschlossen. Letztlich lag auch kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen der Betriebsratstätigkeit konnte vom Gericht nicht festgestellt werden. Dafür hatte die Arbeitnehmerin keinerlei nähere Angaben gemacht.
Hinweis: Bei befristeten Arbeitsverhältnissen muss der Arbeitgeber alles richtig machen. Unterlaufen Fehler, geht das zu seinen Lasten und der Arbeitnehmer kann dann geltend machen, sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu befinden. Wichtig dabei: Eine entsprechende Klage ist binnen drei Wochen nach Ablauf der Befristung einzureichen.
Quelle: ArbG Gera, Urt. v. 13.3.2024 – 4 Ca 490/23
https://arbeitsgerichte.thueringen.de/arbeitsgericht/gera


So wird die Weiterbeschäftigung vollstreckt
Wer seinen Kündigungsschutzprozess gewonnen hat, hat einen Anspruch beschäftigt zu werden.
Ein Produktionsleiter hatte von seiner Arbeitgeberin die Kündigung bekommen. Dagegen hatte eine Kündigungsschutzklage eingelegt und in der ersten Instanz gewonnen. Das Gericht hatte die Arbeitgeberin auch verurteilt, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Produktionsleiter weiter zu beschäftigen. Und genau hierin lag das Problem: Er sei zwar zunächst wieder eingesetzt worden, dann aber zwei Wochen später nicht mehr beschäftigt worden. Er habe die Produktion nicht betreten dürfen. Ihm fehle der Zugang zu Informationen sowie ein externer Telefonanschluss und vor allen Dingen ein Zugriff zum Server und zur Software. Auch einen dienstlichen E-Mail-Account habe er nicht gehabt. Lediglich ein Drucker sei ihm zur Verfügung gestellt worden. Deshalb beantragte der Produktionsleiter die Verhängung eines Zwangsgelds gegen die Arbeitgeberin als Zwangsvollstreckungsmaßnahme aus dem ergangenen Urteil. Das Gericht verhängte ein Zwangsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehalts des Arbeitnehmers, nämlich 9.500 €. Die Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer nicht als Produktionsleiter. Es war schon nicht ersichtlich, dass er für seine Tätigkeiten einen ordnungsgemäß ausgestatteten Arbeitsplatz erhalten hatte. Auf die Einwände des Arbeitnehmers, dass ihm kein E-Mail-Account eingerichtet worden sei und er keinen Zugriff auf den Server erhalte, war die Arbeitgeberin erst gar nicht eingegangen. Es war davon auszugehen, dass zumindest ein eigener E-Mail-Account sowie der Serverzugang bislang zur Arbeitsmittelausstattung als Produktionsleiter gehörten und bei lebensnaher Betrachtung zur Erfüllung der Tätigkeiten eines Produktionsleiters auch erforderlich waren. Somit wurde er nicht ordnungsgemäß beschäftigt.
Hinweis: In Kündigungsschutzprozessen ist es für Arbeitnehmer stets wichtig, einen sogenannten Weiterbeschäftigungsanspruch zu stellen, der dann auch vollstreckt werden kann.
Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 11.03.2023 – 4 Ta 21/24
https://www.lag-koeln.nrw.de/

Betriebsrat: kein Verweis auf Webinar möglich
Betriebsräte müssen sich weiterbilden und schulen lassen. Bezahlt wird es vom Arbeitgeber. Doch kann der Arbeitgeber den Betriebsrat auf ein kostengünstiges Webinar verweisen?
Bei einer Luftverkehrsgesellschaft war eine Personalvertretung gebildet worden. Die Personalvertretung wollte zwei in Düsseldorf und Köln wohnende Mitglieder zu der Präsenzschulung „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ in Binz auf Rügen entsenden. Die Arbeitgeberin schlug aus Kostengründen ortsnähere Seminarorte oder – im gewählten Zeitraum – ein Webinar vor. Daraufhin beschloss die Personalvertretung die beiden Mitglieder zur Schulung "Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ in Potsdam zu entsenden. Es fielen für beide Teilnehmer zusammen ca. 1.800 € brutto für die Schulung und ca. weitere 1.300 € brutto an Übernachtungs- und Verpflegungskosten an. Die Arbeitgeberin weigerte sich, die Schulungs-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten zu übernehmen. Dies begründete sie vor allem damit, dass die Mitglieder der Personalvertretung an einem zeit- und inhaltsgleich angebotenen mehrtägigen Webinar desselben Schulungsanbieters hätten teilnehmen können. Daraufhin klagte die Personalvertretung. Die Entscheidung: Gemäß § 40 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz hat die Arbeitgeberin die Kosten zu tragen, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Ebenso wie ein Betriebsrat hat die Personalvertretung bei der Beurteilung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsendet, einen gewissen Spielraum. Dieser umfasst grundsätzlich auch das Schulungsformat. Dem steht nicht von vornherein entgegen, dass bei einem Präsenzseminar im Hinblick auf die Übernachtung und Verpflegung der Schulungsteilnehmer regelmäßig höhere Kosten anfallen als bei einem Webinar.
Hinweis: Nach dem Betriebsverfassungsgesetz haben Betriebsräte also Anspruch auf für die Betriebsratsarbeit erforderliche Schulungen. Die Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen. Davon können also Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein auswärtiges Präsenzseminar auch dann erfasst sein, wenn derselbe Schulungsträger ein inhaltsgleiches Webinar anbietet.
Quelle: BAG, Beschl. v. 07.02.2024 – 7 ABR 8/23
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


ChatGPT und die Mitbestimmung des Betriebsrats
Bei Software im Betrieb, die das Verhalten der Mitarbeiter überwachen kann, bestimmt der Betriebsrat mit. Und wie ist das bei künstlicher Intelligenz?
Ein Hersteller von Medizintechnik hatte seinen Beschäftigten die Nutzung des KI-Systems ChatGPT erlaubt. Seinen Betriebsrat hatte er zuvor nicht gefragt. Der Arbeitgeber veröffentlichte dann im Intranet eine Richtlinie sowie ein Handbuch mit Vorgaben zur Nutzung der KI. Danach sollten die interessierten Mitarbeiter zur Nutzung des Tools einen eigenen, privaten Account auf dem Server des jeweiligen Anbieters anlegen. Sie sollten zudem etwaige anfallende Kosten selbst tragen. Der Betriebsrat verlangte daraufhin vom Arbeitgeber, die Nutzung der Systeme so lange zu untersagen, bis eine Konzernbetriebsvereinbarung zum Thema KI abgeschlossen worden sei. Er war der Ansicht, dass auch der geförderte, freiwillige Einsatz von ChatGPT bei der Arbeit seiner Mitbestimmung unterfiel. Er berief sich auf sein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung einer Software, die dazu geeignet ist, das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu überwachen nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz. Seiner Ansicht nach fand durch die Datenverarbeitung eine Verhaltens- und Leistungskontrolle statt. Außerdem wendete er ein, dass auch sein Mitbestimmungsrecht beim Arbeits- und Gesundheitsschutz aus zum Tragen käme, da psychische Belastungen durch die Maßnahmen drohen.  Das Arbeitsgericht entschied, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht betroffen war. Die KI-Systeme stellen ein Arbeitsmittel dar. Sie betreffen deshalb das Arbeitsverhalten und gerade nicht das Ordnungsverhalten. Die Entscheidung darüber, ob, wann und wie die vertraglich zugesagte Arbeit zu erledigen sei, falle gerade nicht unter den Mitbestimmungstatbestand. Die nähere Bestimmung von Art und Weise der Arbeitserbringung sei allein Sache des Arbeitsgebers. Er kann diese kraft seines arbeitgeberseitigen Weisungsrechts konkretisieren. Auch Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG kam nicht in Betracht. Eine Nutzung von ChatGPT ist nur über den Browser möglich. Für die Nutzung des Browsers gab es jedoch bereits eine Konzernbetriebsvereinbarung, der der Betriebsrat zugestimmt hatte. Außerdem sah das Gericht keine konkreten Gefährdungen für die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Hinweis: ChatGPT & Co. wird noch für viele Gerichtsverfahren sorgen. Denn kaum etwas ist so unsicher wie die Frage, wie sich die künstliche Intelligenz entwickeln und unser Leben beeinflussen wird.
Quelle: ArbG Hamburg, Beschl. v. 16.01.2024 – 24 BVGa 1/24
https://justiz.hamburg.de/gerichte/arbeitsgericht-hamburg


Neues zur 3-Wochen-Frist bei Kündigungsschutzklagen
Eigentlich müssen Klagen gegen eine Kündigung binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung eingereicht werden. Doch es gibt auch Ausnahmen.
Der Arbeitgeber des Falls hatte einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gekündigt. Der hatte sich daraufhin mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung gewehrt. Der Arbeitgeber meinte aber nun, der Arbeitnehmer hätte die Klage nicht binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung eingereicht. Er war der Auffassung, dass diese damit verspätet sei. Der Arbeitgeber hatte allerdings nicht die notwendige Zustimmung des Integrationsamts nach § 168 Sozialgesetzbuch (SGB) IX eingeholt. Das Gericht urteilte, dass der Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage rechtzeitig eingereicht hatte. Sie war zudem erfolgreich. Das Gericht erklärte die Kündigung zudem aus anderen Gründen für unwirksam. Benötiget der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamts, läuft die 3-wöchige Frist für die Kündigungsschutzklage erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde. Außerdem drohen I Ansprüche wegen einer Diskriminierung aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Hinweis: Am sichersten ist es natürlich für Arbeitnehmer, eine Kündigungsschutzklage spätestens drei Wochen nach Erhalt der Kündigung einzureichen. Diese Frist sollte, wenn irgendwie möglich, eingehalten werden. Eine nachträgliche Zulassung ist nur in sehr seltenen Fällen möglich.
Quelle: ArbG Iserlohn, Urt. v. 24.10.2023 – 4 Ca 675/23
https://www.arbg-iserlohn.nrw.de/


Arbeitgeberbewertungen im Internet
Bislang konnten Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber im Internet bewerten, ohne dass dieser sich dagegen wehren konnte. Das hat sich nun geändert.
Eine Arbeitgeberin hatte mehrere negative Bewertungen auf der Plattform Kununu erhalten. Sie zweifelte an, dass die Bewertungen überhaupt von Personen verfasst worden waren, die bei ihr gearbeitet hatten oder arbeiten. Deshalb forderte die Arbeitgeberin das Portal Kununu auf, Identitätsnachweise vorzulegen. Kununu führte eine interne Plausibilitätsprüfung durch und teilte mit, dass die Urheber bei der Arbeitgeberin gearbeitet hätten. Die Arbeitgeberin verlangte trotzdem die Löschung und schaltet das Gericht ein. Die Richter entschieden, dass Arbeitgeber ein Recht darauf haben, die Löschung von Kununu-Rezensionen zu verlangen, wenn die Plattform die bewertende Person dem Arbeitgeber gegenüber auf seine Rüge hin nicht ausreichend individualisiert. Kununu sei dazu verpflichtet, die Bewertungen nicht weiter öffentlich zugänglich zu machen. Eine andere Bewertung war auch nicht deshalb berechtigt, weil Arbeitnehmer, die sich nach einer Beanstandung ihrer Rezension gegenüber dem Arbeitgeber zu erkennen geben, möglicherweise Repressalien ausgesetzt seien. Auch das Datenschutzrecht führte hier nicht zu einer anderen Bewertung. Zweck des Datenschutzrechts sei nicht die Verbreitung anonymer Bewertungen.
Hinweis: In Bezug auf den Datenschutz ist festzuhalten, dass der Arbeitnehmer stets das Recht hat, anonym zu bleiben und eine Offenlegung zu verweigern. Der Plattformbetreiber ist dann allerdings verpflichtet, die Rezension zu löschen. Arbeitgeber haben mit diesem Beschluss nun die Möglichkeit, gegen schlechte Bewertungen im Internet vorzugehen. Denn jeder muss in einem Rechtsstaat die Möglichkeit haben, sich gegen Angriffe zu verteidigen.
Quelle: Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 08.02.2024 – 7 W 11/24
https://justiz.hamburg.de/gerichte/oberlandesgericht


Wenn der Busfahrer ausrastet
Straftaten am Arbeitsplatz gefährden das Arbeitsverhältnis. Das war schon immer so.
Es ging um einen seit 25 Jahren bei den Göttinger Verkehrsbetrieben beschäftigten Busfahrer. Dieser hatte einen Fahrgast gewaltsam von seinem Sitz gezogen und aus dem Bus geworfen. Nachdem er auf den Boden gefallen und wieder aufgestanden war, soll er ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Dafür hatte der Busfahrer eine fristlose Kündigung erhalten. Der Busfahrer verteidigte sich damit, dass der Fahrgast alkoholisiert gewesen sei und eine junge Frau belästigt habe. Außerdem habe er sich geweigert, einen Fahrausweis zeigen und ihn beleidigt. Nach Aufforderung habe er den Bus nicht verlassen. Deshalb habe er ihn rausgeworfen. Nach dem Rauswurf habe der Fahrgast mit einer Getränkedose in der Hand eine Bewegung auf ihn zu gemacht und sich ihm drohend genähert. Daraufhin habe er im Affekt eine Abwehr-/Schlagbewegung vollführt. Seine Auffassungen wurden durch die Überwachungskameras im Wesentlichen bestätigt. Deshalb klagte er gegen die Kündigung – vergeblich. Das Verhalten des Busfahrers stellte eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung dar. Dabei erkannte das Gericht zwar an, dass schwierige Fahrgäste für Busfahrer eine große Belastung darstellen. Vorliegend hätte der Fahrer aber, nachdem der Fahrgast den Bus nicht freiwillig verlassen wollte, die Leitstelle oder die Polizei anrufen können und auch müssen. Eine vorherige Abmahnung war hier ebenfalls nicht erforderlich. Deshalb wies das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage ab.
Hinweis: Der Busfahrer kann gegen das Urteil noch Berufung einlegen. Vieles spricht jedoch dafür, dass das Urteil arbeitsrechtlich korrekt ist. Die Rechtsordnungen der Bundesrepublik sieht ein Notwehrrecht nur in sehr engen Grenzen vor. Wenn irgendwie möglich, sollte die Polizei verständigt werden.
Quelle: ArbG Göttingen, Urt. v. 23.01.2024 – 1 Ca 219/23
https://arbeitsgericht-goettingen.niedersachsen.de/startseite/

Die Entfristung des Arbeitsverhältnisses
Bei befristeten Arbeitsverhältnissen müssen sämtliche formellen Voraussetzungen erfüllt werden. Nur dann sind sie für Arbeitgeber von großem Vorteil.
Ein angestellter Lehrer war als Lehrkraft bei einer privaten Schule auf Basis eines befristeten Arbeitsvertrags angestellt. Der Arbeitsvertrag war auf 23 Monate befristet und sollte im Juli 2023 enden. Im Februar 2023 wendete sich der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber mit der Bitte um eine Bescheinigung über den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Sein Verlangen begründete er damit, dass er die entsprechende Bescheinigung benötige, um sie einer Behörde vorzulegen. Der Arbeitgeber stellte dem Lehrer eine Arbeitsbescheinigung aus, aus der ersichtlich war, dass sich dieser in einem befristeten Arbeitsverhältnis befand. Das reichte dem Arbeitnehmer jedoch nicht. Er bat seinen Arbeitgeber daraufhin, ihm eine Bescheinigung über ein unbefristetes Arbeitsverhältnis auszustellen. Auch diese Bescheinigung erteilte der Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer nahm die zweite Bescheinigung zum Anlass, sich darauf zu berufen, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis entfristet habe und klagte. Dem hielt der Arbeitgeber entgegen, dass er die Bescheinigung aus reiner Freundlich- bzw. Gefälligkeit ausgestellt habe. Das Gericht entschied, dass das Beschäftigungsverhältnis mit der Befristung endete und nicht fortbestand. Allein aus der Arbeitsbescheinigung, die dem Arbeitnehmer erteilt wurde und den Umständen des Zustandekommens war nicht davon auszugehen, dass der Arbeitgeber sich dadurch mit dem Mitarbeiter auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag einigen wollte.
Hinweis: Passieren bei der Befristungsabrede Fehler, ist die Befristung oftmals unwirksam und ein unbefristeter Vertrag entstanden. Dann muss der Vertrag erst gekündigt werden und der Arbeitnehmer kann sich gegen eine solche Kündigung wehren.
Quelle: ArbG Bremen-Bremerhaven, Urt. v. 14.12.2023 – 8 Ca 8266/23
https://www.arbeitsgericht.bremen.de/startseite-1459


Kann ein Schwerbehindertenvertreter den Renteneintritt nach hinten verlegen?
Was passiert eigentlich, wenn der Schwerbehindertenvertreter im Betrieb in Rente geht? Dann ist er sein Amt los. Kann er stattdessen die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses verlangt?
Das Arbeitsverhältnis eines Schwerbehindertenvertreter der Freien und Hansestadt Hamburg sollte durch das Erreichen des Pensionsalters enden. Der Mann wollte jedoch sein Amt fortführen. Das geht aber eben nur dann, wenn das Beamten- oder Arbeitsverhältnis weiterläuft. Und genau dieses hat er versucht auf dem Gerichtsweg zu erreichen. Sein Hauptargument war, dass auch sein Vertreter seinen Rücktritt angekündigt hatte. Das Hamburgische OVG hat den Antrag auf Verlängerung des Beschäftigungsverhältnisses abgewiesen. Das Interesse an einer Weiterführung eines Amtes einer gewählten Interessenvertretung ist von vornherein nicht geeignet, ein dienstliches Interesse für das Hinausschieben des Ruhestandes zu begründen. Die Interessenvertretungen nimmt ihre gesetzlichen Aufgaben unabhängig wahr und entscheidet, wie sie ihre Aufgaben sinnvoll, notwendig und effizient erfüllen. Bei der Vertretung der Interessen schwerbehinderter Beschäftigter handelt es sich um ein Wahlamt, das nur für bestimmte Zeiträume übertragen wird.
Hinweis: Ein Interessenvertreter schwerbehinderter Menschen hat zur Weiterführung dieses Amtes also keinen Anspruch auf Hinausschieben seines Ruhestandes. Dies hat das Gleiches wird auch für den Betriebs- oder Personalrat gelten.
Quelle: Hamburgisches OVG, Beschl. v. 23.11.2023 – 20 E 4656/23
https://justiz.hamburg.de/gerichte/oberverwaltungsgericht


Unwirksame Kündigung nach vermeintlicher Bedrohung mit Messer
Anhand dieses Falls ist gut erkennbar, wie schwer Kündigungssachverhalte manchmal zu fassen sind.
Ein Industriemechaniker arbeitete seit 2019 für seinen Arbeitgeber. Im Juni 2022 setzte ihn sein Arbeitgeber gemeinsam mit einer Kollegin an einem Probierstand ein. Dabei kam es zu einer Situation, in der sich die Kollegin von dem Beschäftigten bedroht fühlte. Sie behauptete, dass der Kollege ihr ein 20 cm langes Fischfiletiermesser sehr nah auf Höhe des Halses gehalten habe. Die Arbeitnehmerin beschwerte sich beim Arbeitgeber über das Verhalten des Kollegen. Das nahm der Arbeitgeber zum Anlass, dem Arbeitnehmer nach einer entsprechenden Anhörung des Betriebsrats fristlos und hilfsweise ordentlich zu kündigen. Der Arbeitgeber begründete seine Kündigung allerdings nicht mit einem strafrechtlich relevanten Verhalten des Arbeitnehmers. Er stützte sich vielmehr auf eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung. Das Gericht entschied, dass die Kündigung unwirksam ist. Das begründeten die Richter damit, dass der Arbeitnehmer seiner Kollegin nicht ernsthaft gedroht hatte. Das Gericht stellt klar, dass eine ernst gemeinte Drohung grundsätzlich ein wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung sei kann. Hier sah es nach der Beweisaufnahme jedoch danach aus, als hatte weder der Arbeitnehmer den Willen, seine Kollegin zu bedrohen, noch dass die Kollegin die Drohung als ernst gemeint aufgefasst habe.  Gegen die Ernsthaftigkeit der Drohung sprach, dass die Kollegin Zeugenaussagen zu Folge nach dem Vorfall gelacht habe. Zudem habe sie sich erst viel später hilfesuchend an den Betriebsrat gewendet.
Hinweis: Wer einen Kollegen oder eine Kollegin ernsthaft bedroht, sollte sofort eine Kündigung erhalten. Es muss sich eben nur um eine wirklich ernsthafte Bedrohung handeln.
Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 13.07.2023 – 5 Sa 5/23
https://www.schleswig-holstein.de/DE/justiz/gerichte-und-justizbehoerden/LAG/lag_node.html


Es kommt auf die behördliche Zustimmung an
Kündigt Ihr Arbeitgeber einem schwerbehinderten Kollegen, muss er in der Regel vorher die Zustimmung des Integrationsamtes einholen.
Der Arbeitgeber hatte einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gekündigt. Der schwerbehinderte Beschäftigte hatte sich daraufhin mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung gewehrt. Die wollte der Arbeitgeber nicht gelten lassen. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass diese verspätet eingereicht worden sei. Der Arbeitgeber hatte allerdings nicht die notwendige Zustimmung des Integrationsamts eingeholt. Diese wäre jedoch nach § 168 Sozialgesetzbuch (SGB) IX erforderlich gewesen. Der Arbeitnehmer argumentierte, dass deshalb nicht nur die Kündigung unwirksam sei, sondern auch die Frist für die Kündigungsschutzklage nicht begonnen habe. Deshalb sei die Kündigungsschutzklage noch rechtzeitig erhoben worden. Das Gericht entschied, dass der Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage rechtzeitig eingereicht habe. Sie war zudem erfolgreich. Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam. Das begründete das Gericht damit, dass die 3-wöchige Klagefrist erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beginnt (§ 4 KSchG). Diese Bekanntgabe gab es jedoch nicht, da es den Antrag auf Zustimmung nicht gab. Deshalb sei die Klagefrist nicht verstrichen. Das Gericht wies im Zusammenhang mit der Entscheidung auch darauf hin, dass sich der Beschäftigte auch nicht unbegrenzt Zeit lassen durfte. Schließlich verwirke das Klagerecht irgendwann. Das Gericht verwies hierzu auf § 5 KSchG, wonach gekündigte Kolleginnen und Kollegen die Zulassung einer verspäteten Klage beantragen können, wenn sie zum Beispiel wegen Krankheit an einer rechtzeitigen Klage gehindert waren. Der Antrag sei allerdings nur innerhalb von 6 Monaten ab Ablauf der 3-Wochen-Frist möglich. Diese 6-Monats-Frist gelte ebenso für die Verwirkung.
Hinweis: Ohne Zustimmung des Integrationsamts darf ein Arbeitgeber nur dann kündigen, wenn das Beschäftigungsverhältnis noch keine 6 Monate existiert oder der schwerbehinderte Arbeitnehmer bzw. die schwerbehinderte Beschäftigte das 58. Lebensjahr vollendet hat und Anspruch auf eine Sozialplanabfindung hat.
Quelle: ArbG Iserlohn, Urt. v. 24.10.2023 – 4 Ca 675/23
https://www.arbg-iserlohn.nrw.de/


Wenn der Betriebsrat Anspruch auf eine höhere Vergütung hat
Für den Arbeitgeber ist es nicht immer leicht, die richtige Höhe der Vergütung für Betriebsratsmitglieder zu finden.
Der Arbeitgeber des Falls hatte die Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds reduziert, nachdem der Bundesgerichtshof in einem strafrechtlichen Untreue-Verfahren ranghoher Führungskräfte des Unternehmens eine entsprechende Entscheidung getroffen hatte. Für die Monate Oktober 2022 bis Januar 2023 sollte der Betriebsrat jeweils gut 500 € weniger im Monat erhalten. Der Arbeitgeber forderte die entsprechende Differenz von ihm zurück. Der Arbeitnehmer zahlte den entsprechenden Betrag daraufhin unter Vorbehalt zurück. Darüber hinaus bezahlte der Arbeitgeber den Betriebsrat seitdem nach der niedrigeren Eingruppierung. Der Arbeitnehmer zog daraufhin vor Gericht. Dort verlangte er, einerseits die von ihm gezahlte Vergütungsdifferenz zurück und begehrte zudem die Feststellung, dass der Arbeitgeber weiterhin verpflichtet sei, ihm monatlich ein Gehalt entsprechend der höheren zuvor geleisteten Eingruppierung zu zahlen. Das Gericht entschied, dass der Beschäftigte Anspruch auf die höhere Vergütung hatte. Das begründeten die Richter damit, dass der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für eine hypothetische Karriereentwicklung dargelegt hatte. Der Arbeitgeber habe die entsprechende Darlegung nicht ausreichend bestritten. Es sei deshalb davon auszugehen, dass der Beschäftigte ohne die Tätigkeit im Betriebsrat die höhere Entgeltgruppe bereits erreicht hätte.
Hinweis: Unter Umständen muss in dieser Sache noch das Bundesarbeitsgericht entscheiden. Jedenfalls kann ein freigestellter Betriebsrat grundsätzlich die gleiche Vergütung verlangen, wie andere nicht freigestellte Kollegen im Betrieb.
Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 08.02.2024 – 6 Sa 559/23
https://landesarbeitsgericht.niedersachsen.de/startseite/

Wenn die Kündigungsfrist und die Arbeitsunfähigkeit zusammenfallen
Das Bundesarbeitsgericht hat bereits vor längerem entschieden, dass das Zusammenfallen einer Kündigung mit der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründet. Nun gibt es dazu einen neuen Fall: Der Arbeitnehmer war bereits vor Zugang der Kündigung erkrankt.
Ein Arbeitnehmer war bei seinem Arbeitgeber als Helfer beschäftigt. Am 02.05.2022 legte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 06.05.2022 vor. Mit Schreiben vom 02.05.2022, das dem Arbeitnehmer am 03.05.2022 zuging, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2022. Der Arbeitnehmer legte daraufhin Folgebescheinigungen vom 06.05.2022 bis zum 31.05.2022 vor. Ab dem 01.06.2022 war der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig und nahm direkt eine neue Beschäftigung auf. Der Arbeitgeber verweigerte daraufhin die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei erschüttert. Der Arbeitnehmer erwiderte, die Arbeitsunfähigkeit habe bereits vor dem Zugang der Kündigung bestanden. Während das LAG dem Arbeitnehmer recht gab, sah es das BAG anders. Das LAG habe zwar richtigerweise erkannt, dass der Beweiswert der ersten Krankschreibung nicht erschüttert ist, weil kein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit und dem Zugang der Kündigung gegeben sei. Hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ab dem 06.05. sei der Beweiswert dagegen erschüttert. Es bestünde nämlich gerade der zeitliche Zusammenhang aufgrund der passgenauen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der Kündigungsfrist. Der Arbeitnehmer habe zudem unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufgenommen.
Hinweis: Die Entscheidung des BAG hat zur Folge, dass nunmehr der Arbeitnehmer für die Zeit vom 07.05. bis zum 31.05.2022 die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Entgeltfortzahlungsanspruch trägt. Der elektronische „gelbe Schein“ reicht nicht mehr aus.
Quelle: BAG, Urt. v. 13.12.2023 – 5 AZR 137/23
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Kein Entschädigungsanspruch bei verspäteter Auskunft nach der Datenschutz-Grundverordnung
Arbeitnehmer haben nach Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) ein Recht darauf, von ihrem Arbeitgeber zu erfahren, ob er und wenn ja zu welchem Zweck und in welchem Umfang Daten von ihnen verarbeitet. Erteilt der Arbeitgeber eine entsprechende Auskunft nicht, kann der Arbeitnehmer Schadenersatz fordern.
Ein Arbeitnehmer war für einen Monat bis Ende 2016 bei einem Unternehmen beschäftigt. Ca. vier Jahre später forderte er von seinem ehemaligen Arbeitgeber eine Auskunft nach Art. 15 DS-GVO hinsichtlich seiner personenbezogenen Daten. Die entsprechende Auskunft wurde ihm erteilt. Danach verlangte er dann gut 2 Jahre später im Oktober 2022 einen Antrag auf Auskunft sowie eine Datenkopie auf Grundlage von Art. 15 DS-GVO. Der Arbeitgeber ließ mehrere Fristen verstreichen, antwortete zunächst unvollständig und dann nach mehreren weiteren Aufforderungen erteilte er erst eine vollständige Auskunft. Der Arbeitnehmer klagte und verlangte eine Geldentschädigung, die allerdings nicht niedriger als 2.000 € sein sollte. Sein Verlangen begründete er damit, dass sein Auskunftsverlangen mehrfach verletzt worden sei. Das LAG wies die Klage ab. Es stellte klar, dass der Arbeitgeber zwar gegen die DS-GVO verstoßen hatte. Das führte jedoch nicht dazu, dass der ehemalige Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Geldentschädigung nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO hatte. Die Richter meinten, dass ein bloßer Verstoß gegen die Vorschriften der DS-GVO nicht ausreiche, um eine Geldentschädigung wegen eines immateriellen Schadens, auszulösen.
Hinweis: Eine Entschädigung für einen immateriellen Schaden, zum Beispiel ein nicht erteiltes Auskunftsrecht, setzt voraus, dass die betroffenen Arbeitnehmer darstellen können, einen Schaden erlitten zu haben. Gelingt ihnen das, hat der Arbeitgeber in der Regel zu zahlen. Arbeitgeber sollten also stets geltend gemachte Ansprüche nach der DS-GVO ernst nehmen.
Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.11.2023 – 3 Sa 285/23
https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/


Wenn der Arbeitnehmer seine Kollegin verklagt
In diesem Fall musste eine Arbeitnehmerin für das Weiterleiten von Fotos eine Entschädigung zahlen.
Ein kaufmännischer Angestellter teilte sich das Büro mit einer Kollegin. Es gab über diverse Angelegenheiten Streit zwischen den beiden. Schließlich leitete die Arbeitnehmerin intime Fotos ihres Arbeitskollegen an eine andere Kollegin weiter. Es handelte sich um Video-Screenshots von ihrem Kollegen mit erotischem oder teilweise pornografischem Inhalt. Die Bilder hatte die Beschäftigte über eine Facebook-Gruppe erhalten, in der sie und ihr Kollege Mitglied waren. Der Arbeitnehmer wollte das nicht hinnehmen und zog gegen seine Kollegin vor das Arbeitsgericht. Er verlangte Schadenersatz. Das LAG sprach dem Arbeitnehmer einen Schadenersatzanspruch von 3.000 € zu. Durch das Weiterleiten intimer, erotischer oder sogar pornografischer Fotos an Kollegen oder Dritte ohne Zustimmung der abgebildeten Person wird deren Persönlichkeitsrecht verletze. Die Richter stellten klar, dass sich der Entschädigungsanspruch aus dem Grundrecht auf Menschenwürde, und den Persönlichkeitsrechten ergebe. Das Gericht wies in seiner Entscheidung zudem darauf hin, dass ein hierauf gestützter Entschädigungsanspruch einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht voraussetze. Dafür wann ein solcher gegeben sei und wann nicht, komme es auf eine Gesamtbetrachtung im jeweiligen Einzelfall an. Hier hielt das Gericht den Anspruch für gegeben und belastete vor allem den bloßstellenden, erniedrigenden und demütigenden Charakter der Übersendung der Fotos zu Lasten des Arbeitnehmers.
Hinweis: Auch arbeitsrechtlich kann ein solches Verhalten übrigens Konsequenzen haben. Der Arbeitgeber kann sehr wohl eine fristlose Kündigung Betracht ziehen.
Quelle: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 08.08.2023 – 8 Sa 332/22
https://lagrp.justiz.rlp.de/


Keine Leistung im Homeoffice
Das Thema Homeoffice ist in aller Munde. Doch was passiert, wenn es im Home-Office zu Leistungsmängeln kommt?
Eine seit Ende 2021 in einer Pflegeeinrichtung beschäftigte Arbeitnehmerin sollte das Qualitätshandbuch und andere für das Pflegemanagement erforderliche Unterlagen überarbeiten. Nach der Arbeitszeiterfassung verbrachte die Beschäftigte 300 von insgesamt 720 Arbeitsstunden in den Monaten Dezember 2021 und März 2022 zu Hause im Homeoffice. Im Anschluss erkrankte die Arbeitnehmerin für einen längeren Zeitraum. Der Arbeitgeber kündigte ihr deshalb noch während der Probezeit das Arbeitsverhältnis. Für die letzten beiden Monate zahlte er nichts mehr die Mitarbeiterin. Er verlangte vielmehr die Rückzahlung von etwa 7.000 € brutto für die 300 Arbeitsstunden im Homeoffice. Er erklärte die Aufrechnung gegen die noch offenen Gehaltsansprüche. Seine Begründung: Der Mitarbeiterin stehe keine Vergütung für die Homeofficestunden zu. Schließlich habe sie hierzu keine objektivierbaren Nachweise vorgelegt. Die Arbeitnehmerin klage daraufhin das Geld ein. Das Gericht war der Auffassung, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Vergütung nachzuzahlen und keinen Anspruch auf eine Rückzahlung hat. Die Arbeitnehmerin hatte während der Arbeit im Homeoffice zumindest teilweise gearbeitet. Das ergab sich aus diversen E-Mails, in denen sie überarbeitete Verfahrensanweisungen an ihre Kollegen geschickt hatte. Hinzu kam, dass der Arbeitgeber nach Ansicht des Gerichts nur pauschal behauptet hatte, dass die Arbeitnehmerin im Homeoffice nicht gearbeitet hatte. Den entsprechenden Beweis konnte er nicht erbringen.
Hinweis: Dass die Beschäftigte eventuell zu langsam gearbeitet hatte, spielte keine Rolle. Denn Arbeitnehmer sind grundsätzlich nur verpflichtet unter angemessener Ausschöpfung ihrer Leistungsfähigkeit zu arbeiten.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 28.09.2023 – 5 Sa 15/23
https://www.lag-hamm.nrw.de/


Kündigung nach einem Arbeitszeitbetrug
Arbeitnehmern, die ganz bewusst nicht arbeiten, droht eine fristlose Kündigung.
Es ging um zwei Beschäftigte beim Bürgertelefon bei einem Betrieb der Freien Hansestadt Bremen. Der Arbeitgeber warf ihnen vor, in der Zeit von März bis Mai 2023, Telefonanrufe nur in besonders geringem Maß entgegengenommen zu haben. Der Arbeitgeber kündigte den beiden Beschäftigten fristlos wegen eines Arbeitszeitbetrugs. Gegen die Kündigung legten die beiden Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage ein und beriefen sich auf eine Schlechtleistung. Sie hätten allenfalls unterdurchschnittliche Leistungen erbracht. Einen Arbeitszeitbetrug wollen sie nicht begangen haben. Das sah das Arbeitsgericht allerdings anders. Es hielt die fristlosen Kündigungen für wirksam. Das begründeten die Richter damit, dass die Beschäftigten ihren Telefondienst in einem Umfang geleistet hatten, der auf eine vorsätzliche vertragswidrige Vernachlässigung der Arbeitspflicht schließen ließ. Dieser sei durch eine bloße Minderleistung nicht erklärbar. Das Gericht legte konkret dar, dass Telefonzeiten im Umfang von 60% der dienstplanmäßigen Arbeitszeit an einem Tag veranschlagt gewesen seien. Die Beschäftigten hätten an den überprüften Tagen nur 30 bis 35% bzw. zwischen 16 bis 33% der Zeit telefoniert.
Hinweis: Das Gericht räumte ein, dass die Auswertung zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern untersagt ist. Hier hatte der Personalrat der Auswertung allerdings zuvor zugestimmt hatte. Das Gericht entschied jedoch nicht darüber, ob die Daten rechtswidrig gewonnen waren oder nicht. Es berief sich insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nach der „Daten, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen, selbst dann verwertbar sind, wenn die Gewinnung der Daten nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht.
Quelle: ArbG Bremen-Bremerhaven, Urt. v. 14.12.2023 – 2 Ca 2206/23 und 2 Ca 2207/23
https://www.arbeitsgericht.bremen.de/startseite-1459

Ärzte im zahnmedizinischen Notdienst
Gut, dass es Ärzte gibt, die sich im Notfalldienst engagieren. Ob diese Ärzte dann immer auf selbstständiger Basis tätig sind, ist eine Frage des Einzelfalls.
Ein Zahnarzt hatte seine Praxis verkauft und war nicht mehr für die vertragszahnärztliche Versorgung zugelassen. Trotzdem übernahm er gelegentlich und überwiegend am Wochenende Notdienste. Diese Notdienste waren von der Kassenärztlichen Vereinigung organisiert. Sie fanden in sogenannten Notdienstzentren der Kassenärztlichen Vereinigung statt, die auch das übrige Personal und die Sachmittel stellte. Der Zahnarzt erhielt für seine Notdiensttätigkeit ein festes Stundenhonorar. Er rechnete also nicht individuell patientenbezogen ab. Die Deutsche Rentenversicherung war der Auffassung, dass der Zahnarzt tatsächlich als Selbstständiger tätig geworden ist. Gegen diese Meinung der Deutschen Rentenversicherung klagte der Zahnarzt bis zum Bundessozialgericht, das ihm Recht gab. Nach den Richtern ist stets eine Gesamtabwägung der konkreten Umstände vorzunehmen. Hier war der Zahnarzt in die organisierten Abläufe eingegliedert. Er hatte keinen unternehmerischen oder organisatorischen Einfluss. Insbesondere hatte er auch keine Abrechnungsbefugnis, die für das Vertragszahnarztrecht eigentlich typisch ist. Deshalb unterlag der Zahnarzt der vollen Versicherungspflicht. Er war nicht als Selbständiger tätig geworden.
Hinweis: Dieses Urteil des Bundessozialgerichts beschäftigt sich mit Ärzten im Notdienst. Es ist jedoch auch für andere „Schein-Selbstständige“ von großem Interesse.
Quelle: BSG, Urt. v. 24.10.2023 – B 12 R 9/21 R
https://www.bsg.bund.de/DE/Home/home_node.html


Die Anhörung des Betriebsrats in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses
Die ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses bestehen in der Regel aus einer Probezeit. Rechtlich fällt diese Probezeit häufig mit der sogenannten Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz zusammen. Denn erst nach sechs Monaten findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung und erst dann benötigt der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund.
Ein Arbeitnehmer war seit Anfang März in einem größeren Betrieb beschäftigt worden. Mitte August entschied sich die Arbeitgeberin, den Arbeitnehmer zu kündigen. Sie hörte dazu auch den bei ihr bestehenden Betriebsrat an. In dem Anhörungsschreiben stand unter anderem folgendes: „Auf das Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz noch keine Anwendung. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist nicht in unserem Interesse.“ Der Betriebsrat nahm Stellung und meinte, dass ein Beschäftigungsbedarf vorhanden sei und es deshalb nicht tragbar wäre, dem Arbeitnehmer zu kündigen. Der Arbeitgeber kündigte trotzdem und der Arbeitnehmer klagte dagegen. Insbesondere war er der Ansicht, dass die Kündigung nach § 102 BetrVG unwirksam wäre, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Es sei auch während der Wartezeit nicht ausreichend, dem Betriebsrat lediglich mitzuteilen, „dass“ eine Kündigung ausgesprochen werden solle, sondern es müsse auch angegeben werden, „warum“ an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kein Interesse mehr bestehe. Die Kündigung war wirksam. Bei einer Kündigung in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses, also in der Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz, ist die Erklärung des Arbeitgebers allein an den Umständen zu messen, aus denen er subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet.
Hinweis: Anders hätte es schon wieder ausgesehen, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat Kündigungsgründe genannt hätte. Klar ist aber auch, dass schon viele Kündigungen wegen einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung unwirksam waren.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 08.09.2023 – 13 Sa 20/23
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Keine Erstattung von Anwaltskosten
Vor dem Arbeitsgericht trägt jede Partei in der ersten Instanz ihre Rechtsanwaltskosten selbst. In der Berufungsinstanz dagegen muss derjenige die Anwaltskosten auch der Gegenseite zahlen, der verliert.
Ein Arbeitnehmer hatte sich von der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten lassen. Da es sich dabei nicht um Rechtsanwälte handelt, müssen die Kosten der DGB Rechtsschutz GmbH im Falle des Unterliegens vor dem Landesarbeitsgericht auch nicht vom Arbeitgeber erstattet werden. Gleiches gilt übrigens im umgekehrten Fall, wenn sich der Arbeitgeber von einem Arbeitgeberverband vertreten ist. In dem Fall ging es um eine Kündigung, gegen die der Arbeitnehmer klagt. Das Arbeitsgericht wies die Klage zurück und der Arbeitgeber ging in Berufung. Auch für die Berufungsinstanz wählte der Arbeitnehmer die DGB Rechtsschutz GmbH als Prozessvertreter. Diese legte die Berufung ein und begründete sie. Im Juni bestimmte das Landesarbeitsgericht den Termin zur mündlichen Verhandlung auf einen Novembertag. Nach Eingang der Berufungserwiderung beauftragte der Arbeitnehmer zusätzlich einen Rechtsanwalt, der sich im Juli zum weiteren Prozessbevollmächtigten bestellt. Der Rechtsanwalt reichte im Laufe des Verfahrens mehrere Schriftsätze ein und nahm gemeinsam mit einem Vertreter der DGB Rechtschutz GmbH an den beiden mündlichen Verhandlungen vor der Berufungskammer teil. Die Berufung war erfolgreich und der Arbeitnehmer gewann. Daraufhin beantragte der Arbeitnehmer, die ihm im Berufungsverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von über 2.500 € gegen den Arbeitgeber festzusetzen. Gegen eine entsprechende Entscheidung legte die Arbeitgeberin Beschwerde ein. Die Kosten des Rechtsanwalts musste die Arbeitgeberin nicht erstatten. Die Mandatierung eines Rechtsanwalts als zusätzlichen Prozessbevollmächtigten neben einem Gewerkschaftsvertreter ist im Berufungsverfahren grundsätzlich nicht mehr als zweckentsprechend anzusehen, wenn sie nach Eingang der Berufungsbegründung und der Berufungserwiderung und nach Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung erfolgt.
Hinweis: Es wurde die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde zugelassen. Manchmal ist es aber einfach wichtig, einen weiteren Rechtsanwalt an seiner Seite zu haben.
Quelle: LAG Hamm, Beschl. v. 04.10.2023 – 17 Ta 252/23
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Befristete Verträge sind nicht kündbar, aber…
Befristete Verträge sind grundsätzlich nicht kündbar sind. Einzige Ausnahme: Die Möglichkeit der Kündigung des befristeten Arbeitsvertrages wird durch die Parteien vereinbart. Und das war in diesem Fall streitig.
Ein Basketballprofi aus der 1. Basketball-Bundesliga hatte einen sogenannten Fördervertrag im August 2022 unterschrieben. Darin hatten sich der Spieler und der Club auf eine Vertragslaufzeit bis zum 30.06.2024 geeinigt. Auch sollte der Vertrag für die 2. Bundesliga gelten. Eine Möglichkeit zur vorherigen Kündigung sah der Vertrag nicht vor. Trotzdem kündigte der Spieler mit Schreiben vom 31.5.2023 zum 30.6.2023. Er meinte, es sei keine wirksame Befristung vereinbart worden und außerdem wäre der Vertrag unter der Bedingung geschlossen worden, dass die Mannschaft in der 1. Bundesliga spielen würde. Ferner hätte er auch ein Recht für eine außerordentliche Kündigung gehabt, da der Club ihm nicht den gesetzlichen Mindestlohn zahlen würde. Als der Sportclub den Spieler nicht gehen lassen wollte, beantragte dieser den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Richter waren auf der Seite des Arbeitgebers. Sie gingen davon aus, dass der Vertrag wirksam befristet worden war. Auch der Abstieg der Mannschaft in die 2. Basketball-Bundesliga und ein dem Spieler vorliegendes Angebot einer Mannschaft aus der 1. Liga änderte diese Rechtsauffassung nicht.
Hinweis: Eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen des Verstoßes gegen die Zahlung des Mindestlohns hatte der Spieler schon gar nicht ausgesprochen. Außerdem war dieser Vortrag nicht weiter untermauert worden und deshalb für die Richter unerheblich.
Quelle: Hessisches LAG, Urt. v. 18.10.2023 – 6 SaGa 882/23
https://arbeitsgerichtsbarkeit.hessen.de/arbeitsgerichte-und-landesarbeitsgericht/hessisches-landesarbeitsgericht


Kein Fehler des Betriebsrats
In diesem Fall monierte der Arbeitgeber eine Entscheidung des Betriebsrats.
Der Betriebsrat und der Arbeitgeber des Falls stritten über eine Eingruppierung einer Assistenz des Betriebsrats. Diese war aufgrund einer Stellenausschreibung eingestellt worden und sollte die Organisation des Betriebsratsbüros mit allen damit zusammenhängenden Tätigkeiten einschließlich der Öffentlichkeitsarbeit durchführen. Der Arbeitgeber gruppierte die Assistenz des Betriebsrats nach dem Tarifvertrag ein. Der Betriebsrat war damit jedoch nicht einverstanden und meinte, die Assistenz müsse anders eingruppiert werden und sie müsse mehr verdienen. Der Betriebsrat fasste daraufhin den Beschluss, der Eingruppierung nicht zuzustimmen und die Angelegenheit landete vor dem Arbeitsgericht. Dort meinte der Arbeitgeber insbesondere, dass der Betriebsrat auf seiner Sitzung die Versagung der Zustimmung zur Eingruppierung nicht ordnungsgemäß beschlossen habe. Der Punkt habe nicht auf der Tagesordnung gestanden. Das sahen die Richter anders: Eine mangels Übermittlung der Tagesordnung verfahrensfehlerhafte Ladung zu einer Betriebsratssitzung kann durch die ordnungsgemäß geladenen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats in der Betriebsratssitzung geheilt werden. Der Betriebsrat muss allerdings beschlussfähig sein und die Anwesenden müssen einstimmig beschließen, über einen Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen.
Hinweis: Nicht erforderlich war zudem, dass an der Sitzung alle Betriebsratsmitglieder teilnehmen. Hierbei ist es nicht notwendig, über die Ergänzung der Tagesordnung getrennt abzustimmen. Vielmehr ist es ausreichend, dass niemand der Beschlussfassung über den neuen Tagesordnungspunkt widerspricht.
Quelle: Thüringer LAG, Beschl. v. 24.10.2023 – 1 TaBV 25/21
https://arbeitsgerichte.thueringen.de/thueringer-landesarbeitsgericht

Das Zeugnis auf Geschäftspapier
Fast alle Arbeitgeber verwenden Geschäftspapier mit dem eigenen Briefkopf. Ist das der Fall, muss das Arbeitszeugnis auch auf solchem Geschäftspapier ausgestellt werden.
Ein Arbeitnehmer hatte nach nur fünf Jahren sein Arbeitsverhältnis gekündigt und verlangten ein Zeugnis, das er auch erhielt. Neben inhaltlichen Änderungen verlangte er dann auch, dass das Zeugnis nicht nur auf der ersten Seite auf Firmenbriefpapier auszustellen sei, sondern auf sämtlichen. Mit dieser Forderung zog er bis vor das LAG Köln. Die Klage wurde insoweit jedoch abgewiesen. Soweit der Arbeitgeber Firmenpapier verwendet, ist auch ein Arbeitszeugnis hierauf zu erstellen. Dies bezog sich vorliegend jedoch nur auf die erste Seite. Die Arbeitgeberin hatte nämlich vorgetragen, dass sie üblicherweise die zweite Seite bei der Korrespondenz mit Dritten nicht auf Firmenpapier ausstellt. Dies erschien für das Gericht auch nachvollziehbar zu sein, da eine derartige Vorgehensweise nicht unüblich ist. Insofern konnte die Arbeitgeberin nunmehr nicht dazu verpflichtet werden, das Zeugnis des Arbeitnehmers „vollständig“ auf Geschäftspapier zu erteilen. Dieser Anspruch beschränkte sich auf die erste Seite.
Hinweis: Auch für die Erteilung von Zeugnissen gibt es Fristen, wenn auch keine starren. Arbeitnehmer sollten sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zügig um die Erteilung eines Zeugnisses kümmern. Finden Ausschlussfristen Anwendung, kann es sein, dass der Anspruch schon nach drei Monaten ausgeschlossen ist.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 12.9.2023 – 4 Sa 12/23
https://www.lag-koeln.nrw.de/


Neues zu Überstundenzuschlägen von Teilzeitkräften
Teilzeitkräfte haben nun die Chance, wesentlich häufiger Überstundenzuschläge als bisher zu bekommen.
Bisher sehen viele Arbeits- und Tarifverträge vor, dass Teilzeitkräfte erst dann Überstundenzuschläge erhalten, wenn sie die regelmäßige Arbeitszeit einer Vollzeitkraft überschreiten. Doch das sieht der Europäische Gerichtshof kritisch. Nach dem Tarifvertrag der Lufthansa CityLine steigt der Stundenlohn des Cockpitpersonals im Kurzstreckenbetrieb ab der 106. Flugdienststunde eines Monats bzw. im Langstreckenbetrieb ab der 93. Flugdienststunde eines Monats. Ein in Teilzeit beschäftigter Pilot meinte, hierdurch unzulässig benachteiligt zu werden: Die Auslösegrenzen für den höheren Stundenlohn müssten entsprechend seiner Teilzeitquote sinken. Der Arbeitgeber meinte hingegen, die einheitlichen Auslösegrenzen seien sachlich gerechtfertigt, weil die sogenannte Mehrflugvergütung dem Ausgleich einer besonderen Arbeitsbelastung diene. Schließlich wurde geklagt und das Bundesarbeitsgericht legte den Fall dem EuGH vor. Dieser bestätigte, dass die tarifliche Regelung Teilzeitkräften für die gleiche Zahl geleisteter Arbeitsstunden insgesamt dasselbe Gehalt sichert wie Vollzeitkräften. Dennoch benachteilige die Regelung Teilzeitkräfte, weil diese im Verhältnis zu ihrer vertraglichen Arbeitszeit mehr Flugdienststunden leisten müssen, um in den Genuss der Mehrflugvergütung zu kommen. Und eine sachliche Rechtfertigung sahen die Richter nicht.
Hinweis: Vorausgesetzt, Arbeitgeber zahlen Zuschläge für Überstunden, dürften diese nun auch in aller Regel für Teilzeitkräfte zu zahlen sein, wenn diese ihre individuelle persönliche Arbeitszeit überschreiten und damit Überstunden leisten.
Quelle: EuGH, Urt. v. 19.10.2023 – C-660/20
https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de/


Neues zur Arbeit auf Abruf
Die Arbeit auf Abruf ist im Gesetz geregelt. Wird die Dauer der wöchentlichen Arbeit bei einem solchen Arbeitsverhältnis nicht festgelegt, gilt grundsätzlich nach § 12 Abs. 1 Satz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart.
Bereits seit 2009 war eine Arbeitnehmerin in der Druckindustrie als „Abrufkraft Helferin Einlage" beschäftigt. Im Arbeitsvertrag stand nichts über den Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit. In den Jahren 2017 bis 2019 wurde sie durchschnittlich zu 103,2 Stunden pro Monat herangezogen. Ab dem Jahr 2020 war es dann wesentlich weniger und sie verlangte für die Jahre 2020 und 2021 ihre bisherige Vergütung aus den Grundsätzen des Annahmeverzugs des Arbeitgebers. Das BAG hat zunächst auf die gesetzliche Regelung hingewiesen, nach der eine Arbeitszeit von 20 Stunden fingiert wird, wenn es keine vertragliche Regelung gibt. Die Richter wiesen jedoch auch darauf hin, dass im Wege der Vertragsauslegung auch grundsätzlich etwas anderes möglich sei. Dafür gab es jedoch in diesem Fall keine Anhaltspunkte. Allein das Abrufverhalten des Arbeitgebers in einem bestimmten Zeitraum reicht nicht für einen rechtsgeschäftlichen Willen aus. Auch die Bereitschaft der Arbeitnehmerin, zu einem bestimmten Zeitraum mehr als die 20 Stunden zu arbeiten, stellt keinen Rechtsbindungswillen darf. Deshalb hat die Arbeitnehmerin die Klage verloren.
Hinweis: Klare Absprachen im Arbeitsvertrag zur Arbeitszeit und zum Verdienst sind für beide Parteien wichtig. So können Unklarheiten und teure und aufwendige Rechtsstreitigkeiten im Vorfeld vermieden werden.
Quelle: BAG, Urt. v. 18.10.2023 – 5 AZR 22/23
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Keine Haftung bei privaten Äußerungen von Mitarbeiter
Dieser Fall hatte es in sich: Wenn sich auf Social-Media-Plattformen Arbeitnehmer äußern, kann das natürlich Auswirkungen auf den Arbeitgeber haben.
Es ging um zwei Unternehmen, die im Wettbewerb standen. Beide boten unter anderem digitale Unternehmensberatungen im Bereich des Onlinemarketings an. Ein Mitarbeiter des einen Unternehmens hatte sich in einer Gruppe seiner Facebook-Freunde an einer Diskussion über Spam-Nachrichten zur Krise von Neukunden beteiligt. Dazu postete er über die Geschäftsführer der Konkurrentin: „Die B. Brüder haben wegen diesen und einigen anderen Methoden bereits einige Strafverfahren bekommen.“ Die Konkurrentin mahnte daraufhin den Arbeitgeber des Mitarbeiters wegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens ab. Es verlangte insbesondere die Unterlassung und klagte. Das OLG Hamburg wies die Klage ab. Denn Unternehmen haften nicht für private Äußerungen von Mitarbeitern gegenüber der Konkurrenz auf Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram und Linkedin. In solch einem Fall fehlt es an einer wettbewerbswidrigen Handlung des Mitarbeiters, die dem jeweiligen Unternehmen zugerechnet werden könnte. Dies gilt auch dann, wenn die Kommunikation öffentlich ist.
Hinweis: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten von ihrem Arbeitgeber darauf hingewiesen werden, wie sie sich auf betrieblichen Social-Media-Plattformen zu verhalten haben. So können Unstimmigkeiten vermieden werden.
Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 31.08.2023 – 5 U 27/22
https://justiz.hamburg.de/gerichte/oberlandesgericht


Neues zur Abmahnung
Abmahnungen sind für Arbeitnehmer ärgerlich, insbesondere, wenn sie zu Unrecht erfolgen. In solchen Fällen können Arbeitnehmer die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Bisher war das allerdings nicht möglich, wenn das Arbeitsverhältnis endete. Das könnte sich nun ändern.
Es ging um einen Auszubildenden zum Sport- und Gesundheitstrainer sowie zum Sport- und Fitnesskaufmann. Kurz vor Beendigung der Ausbildung erhielt er eine Abmahnung. Der Auszubildende hielt diese für falsch und klagte auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Der Arbeitgeber hielt dem neben inhaltlichen Argumenten unter anderem entgegen, dass eine Entfernung Abmahnung aus der Personalakte nicht mehr verlangt werden könne, da das Arbeitszeugnis beendet sein. Der ehemalige Auszubildende hätte kein Rechtsschutzinteresse mehr. Letzteres sahen die Richter ähnlich, zogen jedoch einen anderen Schluss daraus. Nach Ende des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses sind Abmahnungen für den Zweck, für den sie in der Personalakte gespeichert worden sind, grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Da das Arbeitsverhältnis beendet ist, haben Abmahnungen, die grundsätzlich zur Rüge eines beanstandenden Verhaltens dienen und gegebenenfalls eine Warnfunktion im Hinblick auf eine drohende Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthalten keinerlei Bedeutung mehr. Trotzdem musste die Abmahnung entfernt werden. Ein Anspruch ergab sich aus Art.17 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Das Gericht stellte fest, dass auch Abmahnungen personenbezogene Daten sind, da sie bestimmte Verhaltensweisen des Auszubildenden enthielten. Diese würden vor allem dafür dienen, den Arbeitnehmer vor einer potentiellen Kündigung zu warnen – ein Zweck der sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich erledigt. Damit sind Abmahnungen nach § 17 DSGVO „nicht mehr notwendig“ und damit auf Antrag zu löschen.
Hinweis: Das Urteil weicht von anderen gerichtlichen Entscheidungen ab. Es ist zu erwarten, dass das Bundesarbeitsgericht sich in Kürze damit befassen wird. Ungerechtfertigte Abmahnungen sollten Arbeitnehmer jedoch niemals einfach hinnehmen. Dafür steht zu viel auf dem Spiel. Es muss nicht gleich eine Klage gegen die Abmahnung sein, auch das Verfassen einer Gegendarstellung kann in manchen Fällen helfen.
Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 28.07.2023 – 9 Sa 73/21
https://landesarbeitsgericht-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite

Die Impfunfähigkeitsbescheinigung aus Internet
Eine Pflegeassistentin war bei einem Pflegeheim beschäftigt. Sie war nicht gegen Corona geimpft. Deshalb war sie gesetzlich verpflichtet, einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis, ein ärztliches Zeugnis über eine Schwangerschaft oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus geimpft werden kann, bis zum 15.3.2022 vorzulegen. Die Arbeitnehmerin erhielt über eine Website eine Bescheinigung über eine vorläufige Impfunfähigkeit und ein Anschreiben zur Vorlage bei Ihrem Arbeitgeber. Zuvor musste sie formularmäßige Fragen verneinen, zum Beispiel, ob sie ausschließen könne, gegen einen der Bestandteile der Impfstoffe allergisch zu sein. Sowohl die Impfunfähigkeitsbescheinigung als ob das Anschreiben waren von einer Dr. E. unterschrieben worden. Beide Dokumente legte die Pflegeassistentin ihrem Arbeitgeber vor. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Behauptung, die Pflegeassistentin haben eine unrichtige Impfunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Gegen die Kündigung klagte die Frau erfolgreich. Nach Auffassung des Gerichts kann auch die Vorlage irreführender ärztlicher Bescheinigungen zwar eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht darstellen, die den Arbeitnehmer trifft. Deshalb kann insbesondere eine solche „vorläufige Impfunfähigkeitsbescheinigung“, die ohne ärztliche Untersuchung erstellt wurde und den falschen Eindruck erweckt, auf den individuellen Verhältnissen des Arbeitnehmers zu beruhen, eine Kündigung rechtfertigen. Hier war die Bescheinigung inhaltlich irreführend. Sie erweckt den Eindruck, es habe ein persönlicher Kontakt zwischen der Klägerin und der ausstellenden Ärztin bestanden und die ärztliche Stellungnahme beruhe auf den individuellen Besonderheiten der Arbeitnehmerin. Die notwendige Interessenabwägung viel aber zugunsten der Arbeitnehmerin aus. Es war für die Arbeitgeberin zumutbar, das Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen. Zur Vermeidung künftiger Vertragsstörungen wäre der Ausspruch einer Abmahnung ausreichend gewesen.
Hinweis: Jeder Fall ist im Arbeitsrecht gesondert zu betrachten. Das zeigt dieses Urteil ganz besonders. Bei Straftaten und Täuschungshandlungen sollten Arbeitnehmer jedoch stets bedenken, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses auf dem Spiel steht.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 30.03.2023 – 18 Sa 1048/22
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Betriebsrat muss wissen, wer schwerbehindert ist
Eine Schwerbehinderung möchte der ein oder andere Arbeitnehmer gerne für sich behalten. Wenn es allerdings Betrieb bekannt ist, hat auch der Betriebsrat Rechte.
Der Betriebsrat eines Entsorgungsunternehmens verlangte vom Arbeitgeber Auskunft über die Zahl und Namen der schwerbehinderten Mitarbeiter im Unternehmen. Wegen datenschutzrechtlicher Bedenken bat der Arbeitgeber die betroffenen Mitarbeiter um ihre Zustimmung zur Weitergabe ihres Namens, die jedoch einige Mitarbeiter nicht erteilten. Der Arbeitgeber verweigerte daraufhin die Übermittlung einer Namensliste. Er teilte dem Betriebsrat jedoch mit, dass mindestens 5 schwerbehinderte Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt seien, sodass eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen sei. Der Betriebsrat beharrte jedoch auf der Vorlage der Namensliste und zog vor das Arbeitsgericht. Nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und § 176 Sozialgesetzbuch (SGB) IX überwacht der Betriebsrat, ob der Arbeitgeber seine Pflichten gegenüber schwerbehinderten Mitarbeitern erfüllen. Das gilt auch in Bezug auf schwerbehinderte leitende Angestellte. Denn der Sprecherausschuss, der ansonsten die Interessen der leitenden Angestellten vertritt, hat diese Aufgabe nicht. Der Betriebsrat kann diese Aufgabe nur wahrnehmen, wenn er die Namen aller schwerbehinderten Arbeitnehmer kennen. Auf die Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter kommt es dabei nicht an. Die Klage des Betriebsrats war daher erfolgreich und der Arbeitgeber musste ihm die Namensliste aushändigen.
Hinweis: Niemand muss im Betrieb seine Schwerbehinderung offenbaren. Wer das nicht möchte, kann allerdings auch nicht die Vorzüge wie den Zusatzurlaub für sich in Anspruch nehmen.
Quelle: BAG, Beschl. v. 09.05.2023 – 1 ABR 14/22
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Wesentliche Erleichterungen für diskriminierte Bewerber
So kommen diskriminierte Bewerber noch schneller an eine Entschädigungszahlung.
Der schwerbehinderte Bewerber bewarb sich auf eine im Internet ausgeschriebene Stelle. Er wies in der Bewerbung auf seine Schwerbehinderung hin. Nachdem der potentielle Arbeitgeber dem Bewerber eine Absage erteilt hatte, machte dieser einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend. Der Bewerber rügte pauschal, dass weder Betriebsrat noch Schwerbehindertenvertretung über seine Bewerbung informiert worden seien. Der Arbeitgeber meinte, der Bewerber hätte nicht über alle in der Stellenanzeige genannten Kriterien und Qualifikationen verfügt und deshalb wäre er nicht eingestellt worden. Zu einer fehlerhaften Beteiligung von Betriebsrat oder Schwerbehindertenvertretung äußerte er sich nicht. Ein großer Fehler, wie sich später herausstellte. Das BAG hat dem schwerbehinderten Bewerber einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 7.500,00 € zugesprochen. Denn nach § 22 AGG sind bei Diskriminierungen Erleichterungen bei der Darlegungslast und auch eine Umkehr der Beweislast vorgesehen. Kann ein Bewerber konkrete Anhaltspunkte darlegen, die seine Benachteiligung im Sinne des AGG vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass gerade kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat, sondern die Nichteinstellung andere sachlich begründete Ursachen hatte. Hier reichte es, dass der nicht berücksichtigte schwerbehinderter Bewerber vorgetragen hat, dass der potentielle Arbeitgeber gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen habe. Das hat er hier dadurch ganz konkret getan, da er behauptete, dass der Betriebs- oder Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung nicht nach § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX über die Bewerbung unterrichtet wurde. Er muss insoweit keine konkreten Tatsachen vortragen, wenn sie ihm tatsächlich nicht bekannt sind. Der Arbeitgeber hätte nun also konkret darlegen müssen, dass die Arbeitnehmervertretungen korrekt beteiligt wurden. Bei das unterlassen hat, musste der Arbeitgeber 1,5 Gehälter zahlen.
Hinweis: Um Diskriminierungsindizien darzulegen, genügt künftig die bloße Vermutung, dass der Arbeitgeber den Betriebs- oder Personalrat oder die Schwerbehindertenvertretung über die Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen nicht unterrichtet hat. Mit diesem Urteil hat das BAG dafür gesorgt, dass nun Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung tatsächlich informiert werden. Andernfalls kann es für das Unternehmen richtig teuer werden.
Quelle: BAG, Urt. v. 14.06.2023 – 8 AZR 136/22
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Das Mitbestimmungsrecht bei Personalfragebogen
Bei der Verwendung von Personalfragebögen bestimmt der Betriebsrat mit.
In einer Gießerei mit knapp 1000 Mitarbeitern gab es einen 15-köpfigen Betriebsrat. Als eine Stelle ausgeschrieben wurde, verwendete die Arbeitgeberin Interviewbogen. Darin waren Punkte für einzelne Kriterien aufgeführt, die zu einer aufgeführten Gesamtpunktzahl führten. Ebenso befanden sich in den Bogen weitere Erläuterungen zu den einzelnen Bewerbern. Eine Zustimmung des Betriebsrats zur Verwendung der Interviewbogen lag nicht vor. Nach den Gesprächen entschied sich die Arbeitgeberin für einen bestimmten, bereits bei ihr beschäftigten Mitarbeiter, der die Stelle bekommen sollte. Sie beantragte deshalb beim Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters auf den neuen Posten. Sie teilte dem Betriebsrat den Ablauf des Bewerbungsverfahrens mit und fügte die ausgefüllten Interviewbogen bei. Der Betriebsrat verweigerte jedoch seine Zustimmung zur geplanten Versetzung. Er war der Ansicht, er sei bereits nicht unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen unterrichtet worden. Die Verwendung der Bogen in dem Bewerbungsgespräch verletze seine Mitbestimmungsrechte aus § 94 BetrVG. Danach bedürfen Personalfragebogen der Zustimmung des Betriebsrats. Daraufhin beantragte die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats. Das Gericht hat dem Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Mitarbeiters J. in die Position als Koordinator Elektrotechnik zu Recht ersetzt. Es lag kein Zustimmungsverweigerungsgrund vor. Zwar hatte sich der Betriebsrat in genügender Weise auf einen Verstoß gegen § 94 BetrVG bezogen. Ein solcher Verstoß begründet aber keinen Zustimmungsverweigerungsgrund zu einer Versetzung oder Einstellung. Verwendet die Arbeitgeberin bei der Stellenbesetzung nicht mitbestimmte Personalfragebogen oder Beurteilungsgrundsätze begründet dies kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats.
Hinweis: Es ist also eindeutig klar, dass der Betriebsrat bei der Verwendung von Personalfragebogen und Beurteilungsgrundsätzen zu beteiligen ist. Wird das unterlassen, kann der Betriebsrat dagegen vorgehen. Ein Verstoß führt aber eben nicht zu einem Zustimmungsverweigerungsgrund des Betriebsrats bei einer Versetzung oder Einstellung.
Quelle: LAG Düsseldorf, Beschl. v. 02.08.2023 – 12 TaBV 46/22
https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/


Die Kündigung nach dem Osterfeuer
Straftaten im Betrieb führen häufig zu Kündigungen. Doch das muss nicht in jedem Fall so sein.
Es ging um einen seit über zehn Jahren beschäftigten Produktionsleiter, der knapp 10.000 € verdiente und Vater von drei Kindern war. Der Produktionsleiter hatte den Abtransport von drei Holzpaletten veranlasst, um diese später auf dem Sportplatz eines örtlichen Fußballvereins für das dort stattfindende Osterfeuer als Brennholz zu verwenden. Zuvor waren alle Beschäftigten vom Arbeitgeber darüber informiert worden, dass das Lager ausgemistet werde. Allerdings sollten ausschließlich Plastikboxen und Kisten frei weggegeben werden. Der Produktionsleiter wurde im Rahmen eines Personalgesprächs zum Vorwurf des Diebstahls angehört. Er äußerte darin, dass es sich bei den drei Paletten um wertlosen Schrott gehandelt hätte, der zum Verbrennen bestimmt gewesen sei. Daraufhin wurde der Betriebsrat zu einer fristlosen Kündigung angehört. Dieser widersprach der Kündigung. Es sei im Betrieb bisher üblich gewesen, dass Einweg-Paletten und beschädigte Paletten als Brennholz mit nach Hause genommen werden durften. Trotzdem wurde das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt, wogegen der Produktionsleiter eine Kündigungsschutzklage einlegt – erfolgreich. Das Gericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die außerordentliche Kündigung war unverhältnismäßig. Der Pflichtverletzung des Produktionsleiters hätte mit einer Abmahnung erfolgversprechend begegnet werden können. Eine Abmahnung war auch nicht im Hinblick auf eine etwaige Schwere des Vorwurfs entbehrlich. Dafür war der Wert der Paletten zu gering, dafür zeigte sich bei der Tat zu wenig kriminelle Energie, dafür war die Tatbegehung zu wenig heimlich und dafür war das Gesamtbild der Tat, nämlich das Verbrennen von Verpackung beim Osterfeuer, zu banal. Eine einschlägige Abmahnung lag hier nicht vor. Die außerordentliche Kündigung erwies sich daher jedenfalls wegen des Fehlens einer Abmahnung als unverhältnismäßig. Auch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ist das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden. Auch vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung ist die Verhältnismäßigkeit zu prüfen und damit die Tatsache, ob nicht weniger einschneidende Tatsachen geeignet sind, die durch die Vertragspflichtverletzung eingetretene Störung des Vertrauensverhältnisses zu überwinden. Hier galt das oben zur fristlosen Kündigung Ausgeführte entsprechend: Vor Ausspruch einer Beendigungserklärung war als milderes Mittel eine Abmahnung auszusprechen.
Hinweis: Der Arbeitnehmer des Falls hat Glück gehabt. Arbeitnehmer sollten stets im Umgang mit fremdem Eigentum, nämlich dem des Arbeitgebers, vorsichtig sein. Schneller als gedacht ist hier oftmals eine Kündigung im Raum.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 06.07.2023 – 6 Sa 94/23
https://www.lag-koeln.nrw.de/

Dann sind Abmahnungen erforderlich
Der Arbeitgeber dieses Falls meinte wohl, er wäre durch den Ausspruch mehrerer Abmahnungen auf der sicheren Seite. War er aber nicht.
Ein Kirchenmusiker war bei einer Kirchengemeinde seit mehr als 25 Jahren beschäftigt. Wegen seiner langjährigen Beschäftigung und dem daraus resultierenden Sonderkündigungsschutz konnte ihm nicht mehr ordentlich gekündigt werden. Er erhielt in 2022 bereits drei Abmahnungen. Im Dezember 2022 sagte der Kirchenmusiker gegenüber dem Gemeindebüro verbindlich die musikalische Begleitung einer vier Tage später stattfindenden Trauerfeier zu. Noch am gleichen Tage sprach der zuständige Pastor die für die Trauerfeier vorgesehene Liederauswahl auf den Anrufbeantworter des Musikers. Dieser erschien aber nicht zur Trauerfeier und war auch telefonisch nicht erreichbar. Einer Bitte des Pastors um Rückruf kam er auch nicht nach. Drei Tage später entschuldigte er sich per E-Mail und begründete sein Fehlen mit einem seit Tagen anhaltenden Dauereinsatz für ein Kindermusical. Die Kirchengemeinde ging von einem vorsätzlichen Verhalten aus und kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Dagegen klagte der Kirchenmusiker. Das Arbeitsgericht gab dem Musiker recht und der Kündigungsschutzklage statt. Die Richter konnten keinen Vorsatz beim verpassen des Termins feststellen. Alleine das fahrlässige übersehen der Trauerfeier, die fehlende Erreichbarkeit und das Verhalten im Nachhinein waren zwar gravierende Vertragsverstöße, reichten aber nicht für eine außerordentliche Kündigung. In ihr wären einschlägige Abmahnungen erforderlich gewesen. Die gegenüber dem Kirchenmusiker bereits ausgesprochenen Abmahnungen bezogen sich aber auf ganz andere Themen und konnten deshalb nicht zur Begründung der Kündigung herangezogen werden.
Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, es spricht aber vieles dafür, dass sie richtig ist. Vor den meisten verhaltensbedingten Kündigungen ist zunächst eine Abmahnung erforderlich. Doch nicht jede Abmahnung taugt als Vorbereitung für eine Kündigung.
Quelle: ArbG Lübeck, Urt. v. 15.06.2023 – 6 Ca 1410/22
https://www.schleswig-holstein.de/DE/justiz/gerichte-und-justizbehoerden/LAG/Arbeitsgerichte/_documents/Arbeitsgericht_luebeck.html


Die Inflationsausgleichsprämie und der Gleichheitsgrundsatz
Wenn ein Arbeitnehmer eine Zahlung bekommt, heißt das noch lange nicht, dass anderen auch ein solcher Anspruch zusteht.
Seit dem Jahr 2009 war eine Verkäuferin in Teilzeit beschäftigt. Die Arbeitgeberin hatte allen bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern den Abschluss neuer Arbeitsverträge angeboten. Die Verkäuferin hatte das Angebot nicht angenommen. Im Jahr 2022 bekam sie keine Jahressonderleistung. Sie klagte die Zahlung ein und die Arbeitgeberin zahlte daraufhin. Der Rechtsstreit wurde für erledigt erklärt. Wenige Zeit später wurden die Mitarbeiter dann darüber informiert, dass an alle Mitarbeiter, die keine Sonderleistungen erhalten hatten, aufgrund der steigenden Inflation eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.000 € netto ausgezahlt werde. Teilzeitkräfte erhielten diese entsprechend anteilig. Die Verkäuferin erhielt keine Zahlung und sie klagte wieder. Unter Berücksichtigung ihrer Teilzeittätigkeit verlangte sie 666 €. Sie meinte, sie hätte einen Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Gericht hat ihre Klage auf Zahlung der anteiligen Inflationsausgleichsprämie abgewiesen. Die Arbeitgeberin durfte nach sachlichen Gründen differenzieren, welcher Arbeitnehmergruppe sie einen Inflationsausgleich zukommen lassen wollte und welcher nicht. Es ging der Arbeitgeberin um eine Angleichung der Arbeitsbedingungen. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zudem nicht deshalb benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass eine rechtswidrige Benachteiligung durch den Arbeitgeber beseitigt wird. Die Beseitigung kann nur dadurch erfolgen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so stellt, wie er ohne die Maßregelung stünde. Die Rechtsausübung durch die Verkäuferin war aber nicht kausal für die von der Arbeitgeberin vorgenommene Maßnahme. Denn die Verkäuferin hatte ja nicht deshalb kein Geld bekommen, als sie keinen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben hatte. Grund für die Zahlung war die Inflation. Hier hatte die Arbeitgeberin bei der Verteilung zulässig zwischen Arbeitnehmern, die bereits die Sonderzahlung erhalten hatten und Arbeitnehmern, die keine Sonderzahlung erhalten hat, differenziert.
Hinweis: Gleiches muss gleich behandelt werden und Ungleiches ungleich. Es sei denn, es gibt einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung. Und das war hier eben der Fall gewesen.
Quelle: ArbG Paderborn, Urt. v. 06.07.2023 – 1 Ca 54/23
https://www.arbg-paderborn.nrw.de/


Die Dankesformel im Arbeitszeugnis
Unter jedem Zeugnis sollte am Ende folgender Satz stehen: „Wir bedauern das Ausscheiden sehr, bedanken uns für die stets gute Arbeit und wünschen in privater und beruflicher Hinsicht alles Gute.“ Tatsächlich findet sich ein solcher Satz jedoch längst nicht unter jedem Zeugnis.
Eine Arbeitnehmerin hatte selbst gekündigt und ein insgesamt sehr gutes Arbeitszeugnis erhalten. Dieses enthielt eine Schlussformel, in der der Arbeitgeber ihr für ihre Arbeit dankte, ihren Weggang bedauerte und ihr für die Zukunft alles Gute wünschte. Dennoch verlangte sie eine bessere Bewertung, die der Arbeitgeber auch vornahm. Aber in diesem zweiten Zeugnis hatte die Mitarbeiterin noch einzelne Formulierungen zu beanstanden. Per Anwaltsschreiben verlangte sie deren Korrektur unter Fristsetzung sowie Androhung „weiterer rechtlicher Schritte“. Selbst diese Änderungen nahm der Arbeitgeber noch vor. In dieser Zeugnisfassung ließ er aber die Schlussformel mit Dank, Bedauern und guten Wünschen weg, weshalb die Mitarbeiterin klagte – zu Recht. Die Tatsache, dass ein Mitarbeiter eine Zeugnisänderung wünscht, berechtigt den Arbeitgeber nicht, das Arbeitszeugnis zu verschlechtern. Sonst würde der Arbeitgeber gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstoßen. Auch die Streichung einer Dankes- und Bedauernsformel bedeutet eine Verschlechterung. Der Arbeitgeber musste diese deshalb wieder ins Zeugnis aufnehmen.
Hinweis: Ist also in einem Arbeitszeugnis einmal eine Schlussformulierung enthalten, darf diese bei Korrekturen nicht mehr fehlen.
Quelle: BAG, Urt. v. 06.06.2023 – 9 AZR 272/22
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Die Missstände im Unternehmen
Missstände müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor einer Veröffentlichung prüfen.
Ein in einer Klinik beschäftigter Therapeut war überzeugt, dass sein Arbeitgeber mit für den Tod eines Patienten verantwortlich sei. Der Patient hatte ihm vor seinem Tod mitgeteilt, dass er mehrfach vergeblich um eine Untersuchung durch einen Facharzt gebeten habe. Außerdem sei seine Patientenakte entfernt und manipuliert worden. Der Mitarbeiter veröffentlichte diese Vorwürfe im Internet auf einer Gedenkseite, die er für den Patienten eingerichtet hatte. Außerdem prangerte er den Arbeitgeber in einem Internetartikel sowie in einem Brief an. Letzterer war adressiert mit „Fachklinik für Bossing & Mobbing inkl. Verleumdungen und Datenschutzverletzungen“. Der Arbeitgeber kündigte deshalb fristlos, wogegen der Mitarbeiter vergeblich klagte. Der Mitarbeiter hatte sich mit seinen Vorwürfen allein auf die Aussagen des Patienten verlassen, ohne diese irgendwie zu prüfen. Hierzu wäre er aber verpflichtet gewesen.
Hinweis: Auch nach Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) im Juli 2023 dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine leichtfertigen Anschuldigungen erheben. Sie sind zudem verpflichtet, sich vor einer Veröffentlichung an eine interne oder externe Meldestelle zu wenden.
Quelle: LAG Thüringen, Urt. v. 19.04.2023 – 4 Sa 269/22
https://arbeitsgerichte.thueringen.de/


Die nackte Brust berührt
Wieder einmal wurde ein Arbeitsverhältnis aufgrund einer sexuellen Belästigung beendet.
Eine Arbeitnehmerin hatte über Rückenschmerzen geklagt. Mit ihrer Einwilligung berührte ein Kollege, der hinter der Arbeitnehmerin saß, zunächst ihren Rücken, der nach Hochschieben ihrer Oberbekleidung und Öffnen des BH unbekleidet war, um diesen abzutasten. Dann soll der Arbeitnehmer ohne Einverständnis der betroffenen Kollegin seine Hände unter deren BH geschoben und auf ihre unbekleideten Brüste gelegt. Daraufhin erhielt er eine fristlose Kündigung, gegen die der Arbeitnehmer klagte. Tatsächlich hat er seine Klage der ersten Instanz verloren. Denn nach einer persönlichen Anhörung des Arbeitnehmers und der Vernehmung der betroffenen Kollegin als Zeugin wurde die Angabe des Arbeitnehmers, es habe sich um ein unbeabsichtigtes seitliches Streifen der Brüste bei dem Versuch, den BH wieder zu schließen, gehandelt, für eine Schutzbehauptung gehalten. Die Schilderung der Kollegin war hingegen glaubhaft. Anhaltspunkte dafür, die Kollegin wolle den Kläger zu Unrecht einer sexuellen Belästigung bezichtigen, waren nicht zu erkennen. Auch eine Abmahnung war wegen der Schwere der Pflichtverletzung entbehrlich. Dem Arbeitnehmer half auch die 19-jährigen Dauer des Arbeitsverhältnisses nichts.
Hinweis: Gegen das Urteil ist noch eine Berufung möglich. Es ist schwer abzuschätzen, wie das LAG entscheiden wird. Letztendlich steht Aussage gegen Aussage. Aber wir sind hier nicht im Strafrecht. Es geht um eine Klage gegen eine Kündigung. Und der Arbeitgeber hat eine Zeugin für das Fehlverhalten, nämlich die belästigte Frau.
Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 06.09.2023 – 22 Ca 1097/23
https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/

Muss der Laptop des Betriebsrats fest montiert sein?
Dieser Fall zeigt, dass sich Betriebsrat und Arbeitgeber über viele Dinge streiten können, der Streit völlig unsinnig ist und der Arbeitgeber letztendlich das gesamte Verfahren zahlt.
Der Betriebsrat dieses Falls hatte in einem Verfahren einen Beschluss des Arbeitsgerichts erwirkt, wonach ihm ein funktionsfähiges Laptop zur Verfügung zu stellen ist. Die Filialdirektorin der Arbeitgeberin erklärte daraufhin dem Betriebsratsvorsitzenden, sie händige das Laptop nur unter der Voraussetzung aus, dass man ihr sage, wo sie das Laptop befestigen könne. Die Arbeitgeberin meint, mit der Verpflichtung zur Überlassung eines Laptops sei nicht der standortunabhängige Einsatz verbunden. Zudem habe sie ein Interesse daran, das Laptop durch die Befestigung vor Verlust oder Beschädigung zu sichern. Der Betriebsrat wollte daraufhin die Entscheidung des Arbeitsgerichts durch eine Zwangsvollstreckung umsetzen. Dagegen wiederum zog die Arbeitgeberin vor die Gerichte. Ihre sofortige Beschwerde wurde allerdings zurückgewiesen. Die Richter entschieden, dass die Überlassung eines Laptops unter der Bedingung, dieses im Betriebsratsbüro zu befestigen, den Anspruch des Betriebsrats nicht erfüllt. Ein Laptop ist ein Mobilgeräte und damit standortunabhängig verwendbar. Eine Befestigung würde damit der definitionsgemäßen Verwendungsmöglichkeit entgegenstehen. Der pflegsame Umgang mit überlassenen Sachmitteln gehört zu den Rücksichtnahmepflichten des Betriebsrats nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Anhaltspunkte dafür, dass hier eine berechtigte Besorgnis besteht, der Betriebsrat würde dem nicht entsprechen, bestanden nicht.
Hinweis: Ein Arbeitgeber, der verpflichtet ist, seinem Betriebsrat ein Laptop zur Verfügung zu stellen, kommt dieser Verpflichtung nicht nach, wenn er auf der festen Montage des Geräts besteht. Anhand dieses Falls ist gut erkennbar, wohin Streitigkeiten zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat führen können
Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 05.06.2023 – 5 Ta 26/23
https://www.lag-koeln.nrw.de/


Kein lebenslanges Fahrverbot möglich
Dieser Fall hat weniger mit Verkehrsrecht als mit Arbeitsrecht und der Berufsausübung Freiheit zu tun.
Ein Busfahrer war bei einem privaten Busunternehmen angestellt. Dieses wiederum war als Subunternehmerin für eine GmbH tätig, die ihrerseits von einer Verkehrsgesellschaft einer Stadt beauftragt worden war. Der Busfahrer war auf einer der Linie der Verkehrsgesellschaft gefahren. Ein Fahrgast hatte ihn bei der Handynutzung während der Fahrt gefilmt und die Verkehrsgesellschaft darüber informiert. Diese sperrte den Busfahrer für die Zukunft auf allen ihren Linien. Das als Subunternehmen tätige Busunternehmen kündigte daraufhin dem Busfahrer aufgrund der Sperre fristlos das Arbeitsverhältnis. Gegen die lebenslange Sperre klagte nun der Busfahrer: Die Verkehrsgesellschaft missbrauche durch die zeitlich unbefristete Sperre ihre Marktmacht. Er würde in erreichbarer Entfernung von seinem Wohnort keine Anstellung mehr als Busfahrer im Liniennahverkehr so finden. Die Verkehrsgesellschaft würde als marktbeherrschendes Unternehmen fast das gesamte Nahverkehrsbusnetz betreiben. Selbst die Straßenverkehrsordnung sähe allenfalls ein Fahrverbot im schlimmsten Fall von maximal drei Monaten vor. Auch das Oberlandesgericht ging von einem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung aus. Die lebenslange Sperre war nicht gerechtfertigt. Auch wenn die Benutzung eines Handys während der Fahrt einen erheblichen Verkehrs- und Pflichtenverstoß darstellt, war die Sperre unverhältnismäßig und damit unzulässig.
Hinweis: Natürlich dürfen gerade Busfahrer am Steuer kein Handy benutzen. Trotzdem hat der Arbeitgeber mit der gebotenen Verhältnismäßigkeit auch auf solche Vorfälle zu reagieren.
Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.08.2023 – VI-6 U 1/23 (Kart)
https://www.olg-duesseldorf.nrw.de/


Keine Haftung des Geschäftsführers für Mindestlohn
Wenn Arbeitnehmer wegen einer Insolvenz kein Geld erhalten, ist das sehr ärgerlich.
Ein Arbeitnehmer erhielt teilweise monatelang verspätet sein Geld. Deshalb machte er in einem Monat im von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch. Er arbeitete nicht, wollte aber trotzdem die Bezahlung von insgesamt 176 Stunden erhalten. Der Arbeitgeber, eine GmbH, zahlte nicht, sondern meldete einige Monate später Insolvenz an. Nun klagte der Arbeitnehmer gegen die Geschäftsführer. Er wollte für den Monat Juni Geld in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns je Stunde erhalten. Er meinte, dass die Geschäftsführer würde dafür persönlich haften. Denn immerhin sei ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz eine Ordnungswidrigkeit. Das sah das BAG anders. Geschäftsführer einer GmbH haften nicht gegenüber den Arbeitnehmern auf Schadenersatz. Denn für eine Haftung ist ein sogenanntes Schutzgesetz erforderlich. Das sahen die Richter allerdings im Mindestlohngesetz im Verhältnis zu den Geschäftsführern der Gesellschaft nicht. Nach der gesetzlichen Wertung ist die Haftung von Geschäftsführern einer GmbH grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt. Außenstehenden Dritten haften Geschäftsführer grundsätzlich nicht persönlich.
Hinweis: Für Geschäftsführer ist die Entscheidung des BAG wichtig. Sie haften gerade nicht persönlich gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für unterbliebene Zahlungen des Mindestlohns.
Quelle: BAG, Urt. v. 30.03.2023 – 8 AZR 120/22
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Bei der Arbeitsbekleidung bestimmt der Arbeitgeber ohne Betriebsrat
In diesem Fall hatte der Arbeitgeber keine Arbeitskleidung vorgeschrieben, sondern nur bestimmte Kleidung verboten.
Es ging um einen Arbeitgeber, der Kunststoffteile herstellte. Er hieß früher M + H-GmbH und sowie M + H-Automotive GmbH. Nach Übernahme durch einen Konkurrenten hängt dieser im Betrieb ein Schreiben aus, dass das Tragen von Arbeitskleidung mit M + H-Logo oder Logos anderer Arbeitgeber nicht mehr gestattet sei. Dagegen beantragte der Betriebsrat den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Er war der Ansicht, dass die Aushänge ein Eingriff in sein Mitbestimmungsrecht seien. Das Tragen von Arbeitskleidung unterfiele der Mitbestimmungspflicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Ordnung und das Verhalten im Betrieb seien betroffen. Das war das Arbeitsgericht anders Dem Betriebsrat stand weder ein Verfügungsanspruch, noch ein Verfügungsgrund zur Seite. Außerdem waren keine wesentlichen Nachteile erkennbar, die eine Eilentscheidung gerechtfertigt hätten. Zunächst hatte der Betriebsrat nicht schnell genug reagiert. Er hatte einen Monat abgewartet und das ist für ein einstweiliges Verfügungsverfahren aller Regel zu lange. Aber auch inhaltlich sahen die Richter es anders als der Betriebsrat. Der Arbeitgeber ist berechtigt Regelungen zu erlassen, die das Verhalten der Beschäftigten im Betrieb beeinflussen und koordinieren sollen. Das ergibt sich aus dem sogenannten Weisungsrecht aus § 106 GewO. Die Anweisung, Arbeitsbekleidung mit firmenfremdem Logo nicht tragen zu dürfen, betrifft nicht das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer und ist deshalb nicht mitbestimmungspflichtig. Das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer ist nur dann berührt, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers auf die Gestaltung des kollektiven Miteinanders oder die Gewährung und Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des Betriebes zielt.
Hinweis: Arbeitgeber dürfen das Tragen von Arbeitskleidung mit Logos anderer Arbeitgeber auf dem Betriebsgelände ohne Beteiligung des Betriebsrats verbieten.
Quelle: ArbG Suhl, Beschl. v. 27.07.2023 – 4 BVGa 2/23
https://arbeitsgerichte.thueringen.de/arbeitsgericht/suhl


Die Bitte um Aufstockung der Arbeitszeit
Wann Arbeitgeber eine Bitte um Aufstockung der Arbeitszeit von Teilzeitkräften zu beachten haben, zeigt dieser Fall.
In einem Einzelhandelsunternehmen gab es verschiedene Teilzeitmodelle. Sechs der Teilzeit-Verkäuferinnen beantragten beim Arbeitgeber eine Erhöhung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit. Das Aufstockungsvolumen sollte bei einer Mitarbeiterin 15 Stunden pro Woche betragen, bei vier Mitarbeiterinnen 10 Stunden und bei einer Mitarbeiterin 5 Stunden. Statt auch nur einem dieser Wünsche nachzukommen, wollte der Arbeitgeber befristet für 1 Jahr eine neue Verkäuferin mit 20 Stunden pro Woche einstellen. Das rief den Betriebsrat auf den Plan. Er verweigerte seine Zustimmung zur geplanten Einstellung und meinte, der Arbeitgeber hätte zunächst die gewünschten Arbeitszeiterhöhungen vornehmen müssen, bevor er eine neue Teilzeitstelle schafft. Der Arbeitgeber beantragte die Ersetzung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht und kam damit durch. Die Einstellungen waren zulässig und die Zustimmung des Betriebsrats wurde durch das Arbeitsgericht ersetzt. Denn die Wünsche der Teilzeitmitarbeiterinnen waren kein konkretes Vertragsangebot. Es hätte mindestens eine der Mitarbeiterinnen anbieten müssen, auf die neue Stelle zu wechseln oder diese zusätzlich zu ihrem bisherigen Arbeitszeitvolumen zu übernehmen. Weil jedoch keine Mitarbeiterin ein solches Angebot unterbreitet hatte, stand dem Betriebsrat kein Grund zur Seite, die Zustimmung zur Neueinstellung zu verweigern.
Hinweis: Wenn eine Teilzeitkraft ihre Arbeitszeit aufstocken möchte, muss der Arbeitgeber den Wunsch mit ihr erörtern, sie über entsprechende freie Arbeitsplätze informieren und bei deren Besetzung bevorzugt berücksichtigen. So steht es in den §§ 7 und 9 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)).
Quelle: ArbG Mannheim, Beschl. v. 28.06.2023 – 2 BV 2/23
https://arbeitsgericht-mannheim.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite

Lehrer veröffentlicht Video mit „Impfung macht frei"
Dieser Lehrer wird auch vorher gewusst haben, was einem Vergleich zu Gräueltaten aus dem Dritten Reich für arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen werden können.
Ein beim Land Berlin angestellter Lehrer war nicht mit der Corona-Politik der Bundesregierung im Jahr 2021 einverstanden. Deshalb veröffentlichte er auf YouTube ein Video, das mit der Darstellung des Tores eines Konzentrationslagers begann. Der Originalschriftzug des Tores „Arbeit macht frei" war durch den Text „Impfung macht frei" ersetzt. Das Land kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß. Es war der Auffassung, der Lehrer setze in dem Video das staatliche Werben um die Impfbereitschaft in der Pandemie mit der Unrechtsherrschaft und dem System der Konzentrationslager gleich. Das komme einer Verharmlosung der Unrechtstaten der Nationalsozialisten gleich und missachte die Opfer. Da das Land Berlin eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Lehrer nicht mehr erkennen konnte, beantragte es zudem für den Fall der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung nach Maßgabe der §§ 9 und 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) aufzulösen. Der Lehrer sah dagegen keinen Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis und klagte gegen die Kündigung. Die Richter meinten, dass die Kündigung unwirksam war. Das Arbeitsverhältnis wurde dennoch zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.3.2022 gegen Zahlung einer Abfindung von 72.000 € aufgelöst. Denn das Land Berlin hatte einen schwerwiegenden Verfahrensfehler gemacht. Es hatte dem Personalrat nur den Screenshot des Eingangsbildes des Videos als Kündigungsgrund genannt. Daher konnte es sich im Verfahren auch nur darauf berufen. Außerdem war eine Überschreitung des Grundrechts auf Meinungsäußerung deshalb nicht eindeutig festzustellen. Trotzdem war dem Land Berlin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wegen der Äußerungen im Video nicht zuzumuten.
Hinweis: Jegliche Verharmlosung von Taten während der Hitler-Diktatur können bei Beschäftigten im öffentlichen Dienst zur Beendigung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses führen. Das ist seit langem bekannt und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Beamtinnen und Beamte sollten sich daran halten.
Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.06.2023 – 10 Sa 1143/22
https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/


Die Krankheit während der Kündigungsfrist
Es wird stets problematisch, wenn eine Arbeitsunfähigkeit mit der Kündigungsfrist zusammenfällt. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer alles richtig gemacht.
Ein Arbeitgeber wurde von einem seiner Arbeitnehmer auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verklagt. Der Arbeitnehmer meldete sich am 2. Mai krank und legte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seines behandelnden Arztes für den Zeitraum vom 2. Mai bis zum 31. Mai mit unterschiedlichen Diagnosen vor. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2. Mai zum 31. Mai. Das Kündigungsschreiben ging dem Arbeitnehmer am 3. Mai zu. Die Arbeitgeberin verweigerte die Entgeltfortzahlung, da die Krankschreibung und die Kündigungsfrist identisch seien. Das sahen die Richter nicht so und der Arbeitnehmer hat den Rechtsstreit gewonnen. Meldet sich zunächst der Arbeitnehmer krank und erhält er erst dann eine arbeitgeberseitige Kündigung, fehlt es in der Regel an dem für die Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung notwendigen Kausalzusammenhang.
Hinweis: Fällt die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers mit der Kündigungsfrist zusammen, ist der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Das sollten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedenken.
Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 08.03.2023 – 8 Sa 859/22
https://landesarbeitsgericht.niedersachsen.de/startseite/


Die Vermittlungsprovisionen für einen Arbeitnehmer
Häufig werden Arbeitnehmer erst durch einen Personalvermittler gefunden. Doch muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die gezahlte Provision für die Vermittlung ersetzen, wenn er kurz nach Abschluss des Arbeitsvertrags kündigt?
Ein Arbeitnehmer startet einen neuen Arbeitgeber durch die Vermittlung eines Personaldienstleisters. Der neue Arbeitgeber des Arbeitnehmers zahlt an den Personaldienstleister 4.500 € Provision und sollte, wenn die Probezeit überstanden ist, weitere 2.230 € zahlen. Im Arbeitsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber war der Arbeitnehmer verpflichtet worden, die gezahlten Provisionen zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht mindestens ein dreiviertel Jahr bestehen sollte. Dann kündigte der Arbeitnehmer nach vier Monaten das Arbeitsverhältnis fristgerecht. Der Arbeitgeber behielt 800 € netto von der letzten Vergütung ein. Dagegen zog der Arbeitnehmer vor das Arbeitsgericht. Im Zuge der Widerklage verlangte der Arbeitgeber weitere 3.700 €. Der Arbeitnehmer bekam Recht. Eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, ihm gezahlte Vermittlungsprovisionen zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist beendet, war unwirksam. Das ergibt sich aus § 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Arbeitgeber hat grundsätzlich das unternehmerische Risiko dafür zu tragen, dass sich Aufwendungen für die Personalbeschaffung nicht „lohnen“, weil der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beendet. Es besteht deshalb kein rechtmäßiges Interesse der des Arbeitgebers, solche Kosten auf den Arbeitnehmer zu übertragen.
Hinweis: Für die Vermittlung eines Arbeitnehmers muss grundsätzlich nur der Arbeitgeber zahlen, wenn er das mit einem Personalvermittler zuvor vereinbart hat. Kündigt der Arbeitnehmer kurze Zeit später, hat er Pech gehabt.
Quelle: BAG, Urt. v. 20.06.2023 – 1 AZR 265/22
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Kündigung nach illegaler Videoüberwachung
Dass auch eine illegale Videoüberwachung zu einer Kündigung führen kann, zeigt dieser Fall.
Ein Arbeitnehmer war in einer Gießerei beschäftigt. Dort gab es eine Videoüberwachung, auf die auch durch entsprechende Schilder hingewiesen wurde. Der Arbeitnehmer betrat an einem Tag das Betriebsgelände offensichtlich in der Absicht, diesen Tag bezahlt zu bekommen. Auf einen anonymen Hinweis hin sah sich der Arbeitgeber die Aufzeichnungen an und musste feststellen, dass der Arbeitnehmer noch vor Schichtbeginn das Werksgelände wieder verlassen hatte. Das hielt er für einen Arbeitszeitbetrug und kündigte.  Der Arbeitnehmer legt dagegen eine Kündigungsschutzklage ein und meinte, dass er an dem Tag gearbeitet habe und die Videos aus der Videoüberwachung einem Beweisverwertungsverbot unterlägen und einem Kündigungsschutzprozess nicht berücksichtigt werden könnten. Das Bundesarbeitsgericht verwies die Angelegenheit an die Vorinstanz zurück. In einem Kündigungsschutzprozess besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot für solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Das gilt auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht.
Hinweis: Das BAG bleibt seiner bisherigen Rechtsprechung treu. Der Rechtsverstoß des Arbeitnehmers wiegt wesentlich schwerer als der „kleine“ Datenschutzverstoß.
Quelle: BAG, Urt. v. 29.06.2023 – 2 AZR 296/22
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Faschismusvergleich führt zur Kündigung
Es ist immer wieder erstaunlich, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst sich zu Vergleichen mit der Nazidiktatur hinreißen lassen. Faschismus gab es ursprünglich nur in Italien, der Begriff wurde dann ab den 1920er Jahren auf alle nationalistischen Bewegungen, die nach dem Führerprinzip organisiert waren und die Abschaffung der parlamentarischen Demokratien forderten, übertragen.
Eine Arbeitnehmerin war bei einer vom Freistaat Bayern errichteten Stiftung des öffentlichen Rechts als Referentin für Rundgangführungen in der KZ-Gedenkstätte Dachau beschäftigt. Die Arbeitnehmerin trat aber auch bei „Anti-Corona-Bewegungen" als Rednerin auf. Wörtlich sagte sie bei einer Demonstration auf dem Münchner Königsplatz Ende Januar 2022: „Wir haben es hier mit der schärfsten Faschisierung im Staat und Gesellschaft zu tun. Seit der Gründung der Bundesrepublik. ... Und ihr seht die Ignoranz dieses Staates, dieses reaktionär faschistoiden Staates, der meint, er kann sich abschütteln." Der Arbeitgeber kündigte ihr ordentlich zum 30.06.2022, wogegen die Arbeitnehmerin klagte – erfolglos. Wer Führungen in einer KZ-Gedenkstätte wie Dachau macht und die Besucher betreut, darf seinen demokratisch gewählten, staatlichen Arbeitgeber nicht mit einem Faschistenstaat gleichstellen. Dadurch wird die Demokratie herabgewürdigt. Die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses war dem Arbeitgeber unzumutbar.
Hinweis: Wer für den Staat tätig ist und die Bundesrepublik Deutschland als „reaktionär faschistoiden Staat“ bezeichnet, muss mit einer Kündigung rechnen. Und das zu Recht.
Quelle: LAG München, Urt. v. 18.07.2023 – 7 Sa 71/23
https://www.lag.bayern.de/muenchen/lag/

Der Saisonabbruch im Fußball wegen Corona
Der vorzeitige Abbruch einer Spielsaison wegen Corona hatte auch bei Spielern konkrete wirtschaftliche Folgen.
Ein Fußballer schloss mit einem Verein einen für die Zeit vom 01.09.2019 bis 30.06.2020 befristeten Arbeitsvertrag als Profifußballer und Vertragsspieler für dessen in der Regionalliga Südwest spielende 1. Mannschaft. Nach einer Regelung im Vertrag sollte sich dieser Vertrag um eine weitere Spielzeit verlängern, wenn der Spieler auf mindestens 15 Einsätze von mindestens 45 Minuten in Meisterschaftsspielen kommt. Bis zum 15.02.2020 absolvierte der Profi zwölf Einsätze. Danach wurde er aufgrund einer aus sportlichen Gründen getroffenen Entscheidung des neu berufenen Trainerteams nicht mehr eingesetzt. Ab Mitte März 2020 fand pandemiebedingt kein Spielbetrieb mehr statt. Am 26.05.2020 wurde die ursprünglich mit 34 Spieltagen geplante Saison vorzeitig beendet. Der Fußballer war nun der Auffassung, dass sich sein Vertrag um eine Spielzeit bis zum 30.06.2021 verlängert habe. Die vereinbarte Bedingung hierfür sei angesichts des ungeplanten Saisonabbruchs bereits aufgrund seiner zwölf Spieleinsätze eingetreten. Hätten die Parteien das pandemiebedingte vorzeitige Ende der Spielzeit vorhergesehen, hätten sie eine an die tatsächliche Zahl von Spieltagen angepasste verringerte Mindesteinsatzzahl oder auch nur eine Mindesteinsatzquote vereinbart. Sämtliche Arbeitsgerichte sahen das anders. Die entsprechende Klausel ist in Arbeitsverträgen mit Profifußballern üblich. Die Klausel musste jedoch nicht wegen der Pandemie korrigiert oder angepasst werden.
Hinweis: Ob die Klausel überhaupt wirksam war, haben die Richter nicht entschieden. Nach ihrer Ansicht lagen schon die Voraussetzungen für die Vertragsverlängerung auf 15 Einsätze nicht vor.
Quelle: BAG, Urt. v. 24.05.2023 – 7 AZR 169/22
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Die Mitbestimmung bei der Kürzung des Gehalts des Betriebsratsvorsitzenden
Hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Kürzung der Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden?
Hintergrund dieses Verfahrens ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs von Anfang des Jahres, wonach die Vergütung von Betriebsräten bei Volkswagen viel zu hoch gewesen ist. Nun ging es um ein Großkraftwerk mit 500 Arbeitnehmern. Es gab einen elfköpfigen Betriebsrat. Der Vorsitzende des Betriebsrats wurde bereits 1994 in den Betriebsrat gewählt und seit dem Jahr 1998 war er von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Vorsitzender des Betriebsrats wurde er im März 2002. Bis zu seiner Freistellung war er als Schlosser tätig und wurde nach dem Haustarifvertrag eingruppiert und bezahlt. Seit 2006 wurde er als außertariflicher Angestellter geführt und vergütet. Im Jahr 2011 erhielt er sogar noch einen Dienstwagen mit privater Nutzungsmöglichkeit. Mitte letzten Jahres kürzte das Unternehmen dann die Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden und entzog ihm im Dienstwagen. Die Vergütung ist nach Auffassung des Arbeitgebers auf Grundlage der Vergütungsentwicklung derjenigen Arbeitnehmer zu ermitteln, die mit dem Betriebsratsvorsitzenden vor dessen Amtsantritt als Betriebsrat vergleichbar gewesen sind. Außerdem sind die Regelungen aus dem Haustarifvertrag zu beachten. Das Betriebsratsgremium meinte nun, dass es sich bei der Vergütungskürzung um eine Umgruppierung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes handeln würde. Bei Umgruppierungen ist der Betriebsrat jedoch zu beteiligen. Daher legt er ein Beschlussverfahren ein und verlangte, dass er bei der Kürzung der Vergütung seines Vorsitzenden mitzubestimmen hätte. Das Gericht sah es anders. Das Unternehmen musste den Betriebsrat nicht beteiligen. Der Betriebsratsvorsitzende übte schon keine Tätigkeiten aus, die in Anwendung einer einschlägigen kollektiven Vergütungsordnung im Sinne einer Eingruppierung bzw. Umgruppierung bewertet werden könnten. Die Ermittlung des Vergleichsentgelts und die hierauf erfolgte Vergütungskürzung beruhen vielmehr auf einer bloßen Durchschnittsberechnung der von anderen Arbeitnehmern bezogenen Vergütung.
Hinweis: Ausdrücklich hat das Gericht nicht über die Frage entschieden, ob die Kürzung des Gehalts und der Entzug des Dienstwagens rechtmäßig waren. Das wird vermutlich Gegenstand eines weiteren Gerichtsverfahrens zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden und dem Unternehmen sein.
Quelle: LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.05.2023 – 12 TaBV 1/23
https://landesarbeitsgericht-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite


Das Verbot der Sonntagsbeschäftigung
Grundsätzlich ist in Deutschland die Arbeit an Sonn- und Feiertagen verboten. Doch Unternehmen dürfen in Ausnahmefällen entsprechende Genehmigungen beantragen.
Ein Online-Möbelhaus beschäftigte über 1.600 Mitarbeiter, davon 215 im Kundendienst. Der Kundenservice wird derzeit auch an Sonn- und Feiertagen durchgeführt, dann allerdings durch deutschsprachige Beschäftigte in Callcentern in Polen und Irland. Nun beantragte das Online-Möbelhaus ausnahmsweise die Sonn- und Feiertagsarbeit für bis zu 14 Beschäftigte im Kundenservice im Home-Office in Sachsen zu bewilligen. Als das Landesamt für Arbeitsschutz diesen Antrag ablehnte, klagte das Möbelhaus. Es meinte, Kunden seien es gewohnt, den Kundenservice auch sonntags zu erreichen. Andernfalls würden die Kunden zu Konkurrenten abwandern. Mit dem Argument kam das Möbelhaus beim Verwaltungsgericht nicht weiter. Zwar erlaubt das Arbeitszeitgesetz ausnahmsweise Sonn- und Feiertagsbeschäftigung. Das geht aber nur, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt ist. Außerdem muss durch die Genehmigung der Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden können. Hier konnten die Richter dem Antrag nicht stattgegeben, da das Arbeitszeitgesetz eindeutig dagegen sprach. Das Online-Möbelhaus nutzte nicht die zulässige Betriebszeit aus. Die Argumente des Möbelhauses, dass es nicht sinnvoll sei, telefonischen Kundenservice nachts anzubieten, weil es dann keine Anfragen gebe, ließen sie nicht gelten.
Hinweis: Ein Onlinehändler darf also Arbeitnehmer im Kundenservice in Deutschland an Sonn- und Feiertagen nicht beschäftigen. Für ihn gilt nichts anderes, als für andere Händler auch.
Quelle: VG Berlin, Urt. v. 27.04.2023 – VG 4 K 311/22
https://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/


Scheinselbstständige Rechtsanwälte
Immer wenn es um Scheinselbstständige geht, wird es für den Auftraggeber/Arbeitgeber meistens im Nachhinein richtig teuer. Dieses Mal hat es einen Rechtsanwalt getroffen.
Ein seit 1982 niedergelassener Rechtsanwalt beschäftigte in seiner Kanzlei als alleiniger Kanzleiinhaber zwölf Anwälte als selbständige freie Mitarbeiter. Vor Beginn ihrer Tätigkeit in der Kanzlei schloss er mit den Rechtsanwälten einen schriftlichen Vertrag über eine Zusammenarbeit sowie eine weitere schriftliche Zusatzvereinbarung. Im Mitarbeitervertrag war geregelt, dass der Rechtsanwalt seine Sozialabgaben selbst abführte, eigenes Personal beschäftigen und selbst werben durfte sowie berechtigt war, das vereinbarte Jahresgehalt in monatlichen Teilbeträgen abzurufen. Die Zusatzvereinbarung sah dann aber vor, dass die Beschäftigung eigenen Personals und die Bearbeitung von Mandaten außerhalb der Kanzlei der Zustimmung der Kanzlei bedurften und Werbemaßnahmen abzustimmen und zu genehmigen waren. Sofern sie keine Termine wahrzunehmen hatten, arbeiteten die Anwälte in den Kanzleiräumen. Sie waren nur für den Kanzleiinhaber tätig, der ihnen auch die zu bearbeitenden Mandate zuwies. Das vorinstanzliche Landgericht verurteilte den Anwalt wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 189 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Daneben hat es eine Gesamtgeldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 200 € verhängt sowie die Einziehung der Taterträgen in Höhe von ca. 120.000 € angeordnet. Vom Bundesgerichtshof wurde das Urteil bestätigt. Es bestanden zwischen dem Rechtsanwalt und seinen zwölf angestellten Anwälten sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Die vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere aber die tatsächlichen Gegebenheiten und das Fehlen jedweden unternehmerischen Risikos belegen, dass die Rechtsanwälte ihre Tätigkeit nicht als selbständige freie Mitarbeiter, sondern als abhängig Beschäftigte ausgeübt hatten.
Hinweis: Der Rechtsanwalt hatte sich also strafbar gemacht. Neben den strafrechtlichen Folgen und der Abschöpfung des Gewinns muss er auch noch befürchten, Sozialversicherungsbeiträge für die angestellten Anwälte zahlen zu müssen.
Quelle: BGH, Urt. v. 08.03.2023 – 1 StR 188/22
https://www.bundesgerichtshof.de/DE/Home/home_node.html


Die generelle Zustimmung einer Gleichstellungsbeauftragten zur Einstellung
In vielen Bundesländern müssen neben dem Personalrat auch die Gleichstellungsbeauftragten bei Einstellungen zustimmen.
Ein in Nordrhein-Westfalen befristet beschäftigter Lehrer klagte gegen die letzte Befristung seines Arbeitsverhältnisses. Er meinte, die Befristung wäre unwirksam, da insbesondere die Gleichstellungsbeauftragte bei seiner Einstellung nicht beteiligt worden wäre. Deshalb sei die Befristung unwirksam und er unbefristet zu beschäftigen. Grundsätzlich ist es richtig, dass in Nordrhein-Westfalen neben dem Personalrat auch die Gleichstellungsbeauftragte einer Einstellung zustimmen muss. Hier hatte das zuständige Dezernat der Bezirksregierung jedoch mit den Gleichstellungsbeauftragten aller Schulformen eine Vereinbarung geschlossen. Danach erteilten die Gleichstellungsbeauftragten die im Einzelfall widerrufliche Zustimmung. Außerdem bestand jederzeit eine Rückholrecht im Einzelfall. Das Gericht hielt die Befristung für rechtmäßig und wies die Klage ab. Nach dem nordrhein-westfälischen Recht sind solche Verfahrensvereinbarungen ausdrücklich vorgesehen. Alleine der Umstand, dass die Gleichstellungsbeauftragte im konkreten Fall nicht von der Befristung des Arbeitsvertrags unterrichtet wurde, stand der Wirksamkeit der Befristung angesichts der generellen Zustimmung zu auch befristeten Einstellungen nicht entgegen.
Hinweis: Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Vieles spricht jedoch dafür, dass die Entscheidung richtig ist.
Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 19.05.2023 – 7 Sa 770/22
https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/

Der Arbeitszeitbetrug des Betriebsrats
Auch Betriebsräte müssen sich an Regeln halten.
Ein Betriebsratsvorsitzender eines bekannten Logistikunternehmens war mit anderen Betriebsratsmitgliedern gemeinsam auf Kosten des Arbeitgebers zum Deutschen Betriebsrätetag nach Bonn gereist war. Er nahm jedoch nur am ersten Veranstaltungstag teil. Dann fuhr er aus privaten Gründen nach Düsseldorf. In seinem Arbeitszeitnachweis gab er trotzdem an, Betriebsratsarbeit geleistet zu haben. Er behauptete letztendlich, tatsächlich für den Betriebsrat während der Abwesenheitszeiten tätig gewesen zu sein. Der Arbeitgeber benötigt für die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats die Zustimmung des Gremiums. Diese hat er nicht bekommen. Daher wandte er sich an das Arbeitsgericht Lüneburg und beantragte, die Zustimmung ersetzen zu lassen. Bereits das Verlassen des Betriebsrätetags war eine schwerwiegende Pflichtverletzung durch den Betriebsratsvorsitzenden. Darüber hinaus bestand nach Auffassung der dringende Verdacht, dass er in seinem Arbeitszeitnachweis bewusst falsche Angaben gemacht hatte. Seine Aussage, er habe in der fraglichen Zeit andere Betriebsratsarbeit erledigt, glaubten die Richter nicht. Sie ersetzten daher die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Nach Rechtskraft der Entscheidung kann der Arbeitgeber die Kündigung aussprechen.
Hinweis: Mitglieder des Betriebsrats sind eben gerade nicht unkündbar. Nur die ordentliche Kündigung ist für eine gewisse Zeit ausgeschlossen
Quelle: ArbG Lüneburg, Beschl. v. 05.04.2023 – 2 BV 9/22
https://arbeitsgericht-lueneburg.niedersachsen.de/startseite/


Dann dürfen Arbeitgeber einen Antrag auf Elternteilzeit ablehnen
Arbeitnehmer sollten bei einem Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit sämtliche Formalien einhalten.
Eine Rezeptionistin war in einem Hotel beschäftigt. Sie beantragte nach der Geburt ihres im Dezember 2019 geborenen Kindes für die ersten 2 Lebensjahre des Kindes Elternzeit. Sie schrieb: „Nach Ablauf des ersten Jahres, ab dem 25.12.2020, möchte ich wieder wie in der letzten Elternzeit auf Teilzeit (24 Stunden) arbeiten. Hierzu setze ich mich frühzeitig mit Ihnen in Verbindung, um die Modalitäten zu klären.“ Der Arbeitgeber lehnte die Elternteilzeit schriftlich ab, weil ihm der Antrag zu unbestimmt war. Die Rezeptionistin verlangte später für die Dauer der beantragten Elternteilzeit die Vergütung für 24 Stunden pro Woche, insgesamt 25.000 € brutto plus Zinsen und klagte. Der Zusatz im Antrag „Hierzu setze ich mich frühzeitig mit Ihnen in Verbindung, um die Modalitäten zu klären.“ machten den gesamten Antrag unwirksam. Die Mitarbeiterin hatte mit ihrem Schreiben lediglich Elternzeit beantragt und einen Antrag auf Elternteilzeit angekündigt. Denn sie wollte die Modalitäten der Elternteilzeit erst später klären. Damit lag kein Antrag vor, den der Arbeitgeber einfach annehmen konnte. Durch die gewünschte spätere Klärung hatte die Rezeptionistin die Verteilung ihrer verringerten Arbeitszeit aber weder selbst bestimmt noch dem Direktionsrecht des Arbeitgebers überlassen. Die Mitarbeiterin erhielt deshalb kein Geld.
Hinweis: Bei einem Antrag auf Elternteilzeit müssen Arbeitnehmer alles genau richtig machen. Sonst dürfen Arbeitgeber einen solchen Antrag ablehnen.
Quelle: LAG München, Urt. v. 09.02.2023 – 3 Sa 194/22
https://www.lag.bayern.de/muenchen/lag/


Kündigung wegen „wilder Streiks“
Arbeitnehmer sollten sich niemals an einem wilden Streik beteiligen.
Der Lieferdienst Gorillas bezeichnete seine Lieferanten als Rider. Im Oktober 2021 versammelte sich eine Vielzahl von als Rider beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu Protesten vor einzelnen Filialen des Lieferdienstes. Der Zugang zu den Filialen wurde blockiert und Lieferfahrräder auf den Kopf gestellt. Die Fahrer verlangten bessere Arbeitsbedingungen. Der Lieferdienst hatte daraufhin fristlose Kündigungen gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgesprochen, die nach seiner Einschätzung an der als „wilder“ Streik bezeichneten Aktion beteiligt waren. Mehrere Arbeitnehmer klagten gegen die Kündigung mit wenig Erfolg. Denn wie schon fast zu erwarten, ist die Beteiligung an „wilden Streiks“ eine erhebliche arbeitsrechtliche Pflichtverletzung. Streiks müssen stets von Gewerkschaften ausgerufen werden. Nicht gewerkschaftlich organisierte Protestaktionen sind keine zulässige Ausübung des Streikrechts nach dem Grundgesetz. Deshalb waren die Kündigungen wirksam.
Hinweis: Die Grenze zwischen einem rechtmäßigen und einem unrechtmäßigen Streik ist oft schwer zu ziehen. Immer dann, wenn nicht einmal eine Gewerkschaft beteiligt ist, wird ein wilder Streik vorliegen. Daran dürfen sich Arbeitnehmer nicht beteiligen, sonst droht ihnen die Kündigung.
Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 25.04.2023 – 16 Sa 868/22
https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/


Die Arbeitsunfähigkeit in der Altersteilzeit
Während der Altersteilzeit kann es immer wieder Probleme geben.
Ein Arbeitnehmer war von 1986 bis Ende September 2019 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Im Jahr 2012 hatten die Parteien ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis vereinbart. Der Arbeitnehmer sollte bis Ende Mai 2016 arbeiten und dann bis Ende September 2019 freigestellt werden, also in die passive Phase der Altersteilzeit gehen. Kurz vor Ende der aktiven Phase der Altersteilzeit wollte er im Mai 2016 seinen Urlaub nehmen, erkrankte jedoch. Im Jahr 2019 legte der Arbeitnehmer nun eine Klage auf Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage aus Mai 2016 ein. Die Angelegenheit ging bis zum Bundesarbeitsgericht. Die Bundesrichter setzten das Verfahren aus und legten dem Europäischen Gerichtshof die Angelegenheit zur Vorabentscheidung über die Auslegung der entsprechenden EU-Richtlinien vor. Der EuGH war eindeutig auf Seiten des Arbeitnehmers. Es ist mit dem EU-Recht nicht vereinbar, dass Urlaub verfällt, wenn ein Arbeitnehmer wie in diesem Fall vor der Freistellungsphase wegen Krankheit daran gehindert war, seinen Urlaub zu nehmen.
Hinweis: Der EuGH bestätigte zudem ausdrücklich, dass dies auch dann gilt, wenn es sich nicht um eine lange Abwesenheit gehandelt hatte.
Quelle: EuGH, Urt. v. 27.04.2023 – C‑192/22
https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de/


Teilkündigung über Home-Office-Arbeitsplatz nur ausnahmsweise wirksam
Streitigkeiten entstehen häufig dann, wenn Arbeitnehmer aus dem Home-Office zurückkehren sollen. Dabei gibt es drei Grundsätze:
Ein Sales Account Manager war für ein Software-Unternehmen tätig. Im Jahr 2016 hatten die Parteien eine schriftliche Zusatzvereinbarung über die Tätigkeit im Home-Office vereinbart. Es war ein durchaus umfangreicher Vertrag, der auch Regelungen für die Beendigung der Arbeit im Home-Office vorsah. Ausdrücklich war eine Kündigungsmöglichkeit für beide Parteien vorgesehen. Mitte des Jahres 2021 erkrankte der Arbeitnehmer und Ende Januar 2022 kündigte die Arbeitgeber daraufhin die Zusatzvereinbarung zum Home-Office zum 01.04.2022. Das wollte sich der Arbeitnehmer allerdings nicht bieten lassen und zog vor Gericht. Dem Sales Account Manager stand kein vertraglicher Anspruch auf die Home-Office-Arbeit mehr zu. Die Arbeitgeberin hatte wirksam eine Kündigung dieser Zusatzvereinbarung ausgesprochen. Die Teilkündigung war auch rechtlich zulässig, da beiden Parteien dieses Recht durch den Vertrag eingeräumt worden war.
Hinweis: Grundsätzlich kann der Ort der Home-Office-Arbeitsleistung vom Arbeitgeber bestimmt werden. Er kann also jederzeit einen Arbeitnehmer aus dem Home-Office wieder in die Firma zurückversetzen. Anders sieht es aus, wenn vertraglich eine entsprechende Vereinbarung zur Arbeit aus dem Home-Office getroffen wurde. Dann benötigt der Arbeitgeber grundsätzlich eine Kündigung. Teilkündigungen von Arbeitsverträgen sind jedoch in aller Regel unwirksam. Insoweit ist das nur möglich, wenn solche Teilkündigungen rechtswirksam vereinbart worden.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 16.03.2023 – 18 Sa 832/22
https://www.lag-hamm.nrw.de/

Die teure Stellenabsage mit „flinken Frauenhänden“
Stellenanzeigen sollten geschlechtsneutral sein. Aber auch bei der Absage von Bewerbern müssen Arbeitgeber aufpassen.
Ein Mann hatte sich auf eine Stelle als Bestücker für Digitaldruckmaschinen beworben. In der schriftlichen Absage wurde ihm dann von dem Arbeitgeber mitgeteilt, dass „die sehr kleinen, filigranen Teile“ … „eher etwas für flinke Frauenhände“ wären. Der Mann fühlte sich wegen seines Geschlechts benachteiligt und legte eine Klage auf eine Entschädigungszahlung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern ein. Der Klage wurde stattgegeben, allerdings hat der Mann lediglich 1,5 Bruttomonatsentgelte als Entschädigung erhalten. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechtes liegt vor, wenn einem männlichen Bewerber um eine Stelle abgesagt wird mit der Begründung, „unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände". Die unterschiedliche Behandlung war auch nicht zulässig wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit. Folglich hatte die Arbeitgeberin die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine Benachteiligung wegen des Geschlechts stattgefunden hat. Das Gegenteil konnte sie naturgemäß nicht beweisen. In der Höhe war eine Entschädigung in Höhe des 1,5fachen des Bruttomonatsentgelts für die Richter ausreichend. Denn die Benachteiligung war weder strukturell verfestigt noch von längerer Dauer.
Hinweis: Auch bei der Absage von Bewerbern ist für Arbeitgeber höchste Vorsicht geboten. Es kann nur geraten werden, möglichst keinen Grund für die Absage zu nennen.
Quelle: LAG Nürnberg, Urt. v. 13.12.2022 – 7 Sa 168/22
https://www.lag.bayern.de/nuernberg/lag/


Schlechte Späße unter Kollegen
„Späße“ am Arbeitsplatz können sehr unpassend sein und die Kündigung kann drohen.
Ein Maurer hatte eine Tür des Autos eines Arbeitskollegen auf gemacht, dann seine Hose geöffnet und im Fahrzeug seine Notdurft verrichten wollen. Als er bemerkte, dass er dabei beobachtet wurde, brach er sein Vorhaben ab. Sein Arbeitgeber erfuhr von dem Vorfall und kündigte dem Mitarbeiter außerordentlich fristlos. Dagegen wehrt sich der Maurer mit einer Kündigungsschutzklage. Er habe sich zwar tatsächlich an das Auto gestellt, die Tür vorher geöffnet und so getan, als ob er die Hose öffnen und reinpinkeln wollte. Dies sei aber nur eine Gaudi bzw. einfach ein derber Spaß gewesen. Der Maurer habe weder seine Hose geöffnet, noch vorgehabt, sie zu öffnen und er habe natürlich auch nicht in das Fahrzeug pinkeln wollen. Die Richter sahen das anders. Zwar war die fristlose Kündigung unwirksam, die fristgemäße Kündigung hat jedoch das Arbeitsverhältnis beendet. Es lag grundsätzlich in dem Verhalten des Maurers ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung. Aber im Rahmen der Interessenabwägung kamen die Richter zu dem Urteil, dass eine fristgemäße Kündigung in diesem Fall angemessen gewesen wäre. Das Entblößen der Genitalien und das Berühren der Fahrerinnentür des Pkw bewerteten die Richter als sexuelle Belästigung. Zugunsten des Maurers war zu bewerten, dass er nicht heimlich vorging und sein eigentliches Vorhaben nicht umsetzen wollte.
Hinweis: Was für den einen ein Spaß ist, stellt für den anderen eine Beleidigung oder manchmal sogar eine sexuelle Belästigung dar. Das dürfen Arbeitgeber nicht tolerieren und müssen einschreiten. Deshalb sollten sich Arbeitnehmer genau überlegen, wie weit sie mit ihren „Späßen“ am Arbeitsplatz gehen.
Quelle: ArbG Weiden, Urt. v. 13.03.2023 – 3 Ca 556/22
https://www.lag.bayern.de/nuernberg/gerichte/weiden/index.php


Wenn die Freistellung von der Arbeitsleistung nach hinten losgeht
Wenn Arbeitgeber Mitarbeiter loswerden möchten, heißt das noch lange nicht, dass sie damit einverstanden sind, wenn ein Arbeitnehmer zur direkten Konkurrenz wechselt.
Ein Unternehmen bekam eine neue Geschäftsführerin. Diese entband quasi über Nacht ihre Stellvertreterin von ihren Aufgaben und untersagte ihr die Kommunikation mit Mitarbeitern und Geschäftspartnern. Als Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag erfolglos blieben, verlangte die kaltgestellte Arbeitnehmerin durch ihren Anwalt, vertragsgemäß beschäftigt zu werden. Der Arbeitgeber hatte jedoch bereits seine Geschäftspartner und Mitarbeiter informiert, dass die ehemals stellvertretende Geschäftsführerin von ihren Aufgaben entbunden sei. Diese kündigte deshalb außerordentlich fristlos und wechselte zur Konkurrenz. Das wiederum wollte der Arbeitgeber ihr bis zum Ablauf der hier maßgeblichen Kündigungsfrist von 6 Monaten per Gericht untersagen. Damit kam der Arbeitgeber jedoch nicht durch. Ein sofortiger Wechsel war zu lässig. Der Arbeitgeber hatte seine arbeitsvertraglichen Pflichten grob verletzt, indem er sich weigerte, die Mitarbeiterin vertragsgemäß zu beschäftigen. Deren außerordentliche Kündigung war deshalb wirksam. Und sobald ein Arbeitsverhältnis beendet ist, sind Konkurrenztätigkeiten grundsätzlich erlaubt.
Hinweis: Arbeitgeber sind in aller Regel zu einer Freistellung von der Arbeitsleistung berechtigt, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt ist. Andernfalls gibt es nicht nur ein Recht auf Beschäftigung für Arbeitnehmer, sondern auch die Pflicht zur Beschäftigung für den Arbeitgeber.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 24.01.2023 – 4 SaGa 16/22
https://www.lag-koeln.nrw.de/


Die Kündigungsrücknahme gar nicht so einfach
Ein Arbeitnehmer hat sein Arbeitsverhältnis gekündigt und überlegte es sich dann kurzfristig anders. Kann er die Kündigung zurücknehmen?
Ein langjährig beschäftigter Arbeitnehmer kündigte sein Arbeitsverhältnis mit den folgenden Worten: „Hiermit kündige ich zum nächstmöglichen Zeitpunkt unter Einhaltung der vertraglich festgelegten Frist meine Anstellung in Ihrem Unternehmen. ...". Elf Tage später wandte er sich per E-Mail an die Personalabteilung des Arbeitgebers: „Ich ziehe hiermit meine Kündigung …zurück…Sag mir bitte Bescheid, ob es Okay ist für die Geschäftsleitung und sie die Rücknahme akzeptieren." Wenige Tage später schrieb er nochmals. Auf beide E-Mails antwortete der Arbeitgeber nicht. Wenige Tage vor dem Beendigungstermin bestätigte der Arbeitgeber dann die Kündigung. Der Arbeitnehmer klagte auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Mit wenig Erfolg. Das Arbeitsverhältnis war durch die Arbeitnehmer-Kündigung beendet worden. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses darüber hinaus wurde nicht vereinbart. Auch die Rücknahme der Kündigung ändert daran nichts, da diese als einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung nicht einseitig zurückgenommen werden kann.
Hinweis: Arbeitnehmer sollten sich also vor dem Ausspruch einer Kündigung genau zu überlegen, ob das wirklich der richtige Schritt ist. Ein Zurück gibt es in den seltensten Fällen.
Quelle: LAG Thüringen, Urt. v. 17.01.2023 – 5 Sa 243/22
https://arbeitsgerichte.thueringen.de/


Die unwirksame Kündigung
Spricht der Arbeitgeber eine Kündigung aus, kann er auch danach viele Fehler machen. So wie in diesem Fall.
Ein Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit seinem technischen Leiter per Änderungskündigung fristlos. Statt der Anstellung als technischer Leiter sollte der Arbeitnehmer fortan als Softwareentwickler mit einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.750 € statt der ursprünglichen 5.250 € beschäftigt werden. Das Kündigungsschreiben regelte zudem, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten sowohl im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung als auch im Fall der Annahme des Angebots zum Arbeitsantritt erwartet. Der Beschäftigte lehnte das Änderungsangebot ab, erschien allerdings dennoch nicht zum vorgesehenen Termin zur Arbeit. Das nahm der Arbeitgeber zum Anlass, dem Arbeitnehmer erneut zu kündigen. Darauf reagierte der Arbeitnehmer nicht. Stattdessen zog er vor Gericht. Grund dafür war vor allem, dass er zu diesem Zeitpunkt noch keine neue Arbeit gefunden hatte und sein Arbeitgeber ihm lediglich einen kleinen Teil seines Gehalts weiterzahlte. Damit war der Beschäftigte nicht einverstanden. Er machte geltend, dass sein Arbeitgeber ihm bis zur Aufnahme eines neuen Beschäftigungsverhältnisses sein Gehalt schulde. Darüber hinaus berief sich der Arbeitnehmer darauf, dass eine Weiterbeschäftigung nicht zumutbar sei. Schließlich habe der Arbeitgeber ihn zur Begründung der fristlosen Kündigung in umfangreichen Ausführungen zu Unrecht mannigfaltiges Fehlverhalten seiner Person vorgeworfen und seine Person herabgewürdigt. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber das mit der Änderungskündigung verbundene Angebot nicht ernst gemeint habe. Die Richter sahen das ähnlich. Sie hielten die Kündigungen für unwirksam. Kündigt ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis fristlos mit der Begründung, dass ihm die Weiterbeschäftigung bis zum Ende der Kündigungsfrist nicht mehr zuzumuten sei, verhält er sich widersprüchlich, wenn er den Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses gleichzeitig zu unveränderten Bedingungen weiterbeschäftigt. Denn in einem solchen Fall lässt sich vermuten, dass der Arbeitgeber es mit der Kündigung nicht ernst meinte.
Hinweis: Kündigt der Arbeitgeber also fristlos, führt ein Angebot auf eine Weiterbeschäftigung während des Prozesses meistens zur Unwirksamkeit der Kündigung. Wer also fristlos kündigt, darf nicht gleichzeitig die Weiterbeschäftigung anbieten. Das sollten Arbeitgeber bedenken.
Quelle: BAG, Urt. v. 29.3.2023 – 5 AZR 255/22
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Die Bewerbung einer nichtbinären Person
Die Geschlechterzugehörigkeit in Deutschland wird auch bei Bewerbungsverfahren in der Zukunft eine immer größere Rolle spielen.
Eine Hochschule hatte eine Stelle als Gleichstellungsbeauftragte ausgeschrieben. Das Niedersächsische Hochschulgesetz (NHG) sieht für die Besetzung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten eine Frau vor. Ein Bewerber, der sich keinem Geschlecht zugehörig ansah, bewarb sich hierauf und beschrieb sich in seiner Bewerbung als nichtbinäre Person. Der Bewerber wurde von der Hochschule für die Stellenbesetzung nicht berücksichtigt. Die Hochschule sah sich durch § 42 NHG schon formell an der Einstellung einer nicht weiblichen Bewerberin gehindert. Der Bewerber wollte daraufhin eine Entschädigung erhalten und klagte. Die Entschädigungsklage wurde abgewiesen. Zwar kann ein Mann grundsätzlich in gleicher Weise wie eine Frau an der Gleichberechtigung von Männern und Frauen mitwirken und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickeln. Dies gilt jedoch nicht, wenn für einen Teil der Tätigkeiten das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung ist. Das ist etwa der Fall, wenn Gleichstellungsbeauftragte insbesondere als Ansprechpartnerin bei sexuellen Belästigungen, deren Hauptbetroffene Frauen sind, dienen. Das war hier der Fall.
Hinweis: Dieser Fall hat sich zwar im öffentlichen Dienst zugetragen, er zeigt jedoch, auf was sich Arbeitgeber einzustellen haben. Eine nichtbinäre Person darf bei der Stellenbesetzung einer Gleichstellungsbeauftragten ungleich behandelt werden.
Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 24.02.2023 – 16 Sa 671/22
https://landesarbeitsgericht.niedersachsen.de/startseite/

Die Anpassung der betrieblichen Altersvorsorge
Die Umgehungsmöglichkeiten von Zahlungen der betrieblichen Altersvorsorge sind einfacher als gedacht.
In einem Konzern schloss ein Unternehmen mit dem herrschenden Unternehmen einen Gewinnabführungsvertrag ab. Danach wurden die erwirtschafteten Jahresüberschuss und Jahresfehlbeträge von dem herrschenden Unternehmen übernommen. Nun verlangte ein Arbeitnehmer die Anpassung seiner Betriebsrente. Er war der Auffassung, dass die Rente entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindex anzupassen sei. Insbesondere standen keine wirtschaftlichen Gründe einer Anpassung seiner Betriebsrente entgegen. Aus den Bilanzen der letzten Jahre ergeben sich ausreichende Eigenkapitalverzinsungen und insgesamt eine positive Tendenz. Erst nach dem Abschluss des Gewinnabführungsvertrags sei diese negative Tendenz ersichtlich. Diese habe letztendlich ihre Ursache in dem Gewinnabführungsvertrag. Deshalb müsse nun ein so genannter „Berechnungsdurchgriff“ auf die wirtschaftliche Lage der herrschenden Gesellschaft erfolgen. Das Gericht sah es anders. Der Arbeitnehmer hatte keinen Anspruch auf Anpassung seiner laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz - BetrAVG). Die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin stand der Anpassung der Betriebsrente entgegen. Die Voraussetzungen für einen Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der beherrschenden Gesellschaft lag nicht vor.
Hinweis: Dieser Fall dürfte für alle Unternehmen von Interesse sein, die eine betriebliche Altersvorsorge gewähren, die von der Unternehmensleistung abhängig ist.
Quelle: BAG, Urt. v. 15.11.2022 – 3 AZR 505/21
https://www.bundesarbeitsgericht.de/

Die tägliche und die wöchentliche Ruhezeit
In diesem Fall geht es um Ruhezeiten von Arbeitnehmern.
Ein Lokführer klagt vor einem ungarischen Gerichtshof gegen die Entscheidung seiner Arbeitgeberin, ihm keine tägliche Ruhezeit von mindestens elf zusammenhängenden Stunden zu gewähren. Die Arbeitgeberin verweigerte diese Ruhezeit, wenn sie einer wöchentlichen Ruhezeit oder einer Urlaubszeit vorausgeht oder dieser nachfolgt. Auf das Arbeitsverhältnis fand ein Tarifvertrag mit einer wöchentlichen Ruhezeit Anwendung. Der ungarische Gerichtshof wollte nun vom Europäischen Gerichtshof wissen, ob nach der Richtlinie eine mit einer wöchentlichen Ruhezeit zusammenhängend gewährte tägliche Ruhezeit Teil der wöchentlichen Ruhezeit ist. In seinem Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass die tägliche Ruhezeit und die wöchentliche Ruhezeit zwei autonome Rechte sind, mit denen unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Die tägliche Ruhezeit ermöglicht es dem Arbeitnehmer, sich für eine bestimmte Anzahl von Stunden aus seiner Arbeitsumgebung zurückziehen. Die wöchentliche Ruhezeit ermöglicht es dem Arbeitnehmer, sich pro Siebentageszeitraum auszuruhen. Folglich ist den Arbeitnehmern die tatsächliche Inanspruchnahme beider Rechte zu gewährleisten.
Hinweis: Die tägliche Ruhezeit muss also unabhängig von der Dauer der wöchentlichen Ruhezeit gewährt werden. Die tägliche Ruhezeit kommt zur wöchentlichen Ruhezeit hinzu, auch wenn sie dieser unmittelbar vorausgeht. Dies ist auch dann der Fall, wenn die nationalen Rechtsvorschriften den Arbeitnehmern eine wöchentliche Ruhezeit gewähren, die länger ist als unionsrechtlich vorgegeben.
Quelle: EuGH, Urt. v. 02.03.2023 – C-477/21
https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de/

Ein Sturz beim Kaffee-Holen ist ein Arbeitsunfall
Ist der Gang zum Kaffeeautomaten im Betrieb versichert?
Eine Verwaltungsangestellte eines Finanzamts wollte sich einen Kaffee holen. Im Sozialraum des Finanzamts stand der Kaffeeautomat. Sie rutschte auf dem Weg auf nassem Boden aus und erlitt einen Lendenwirbelbruch. Sie beantragte nun, Ihr Missgeschick als Arbeitsunfall anzuerkennen, da sie auf dem Weg zum Getränkeautomaten während ihrer Arbeitszeit unfallversichert sei. Die Unfallkasse Hessen lehnte den Antrag ab. Sie meinte, der Versicherungsschutz ende regelmäßig mit dem Durchschreiten der Kantinentür. Deshalb klagte die Verwaltungsangestellte. Das LSG erkannte den Sturz als Arbeitsunfall an. Das Zurücklegen eines Wegs, um sich einen Kaffee an einem im Betriebsgebäude aufgestellten Automaten zu holen, hat im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden. Ein Beschäftigter sei auf dem Weg, um sich Nahrungsmittel zum Verzehr am Arbeitsplatz zu besorgen, grundsätzlich gesetzlich unfallversichert. Der Unfallversicherungsschutz auf dem Weg zum Getränkeautomaten endet auch nicht an der Tür des Sozialraums, der sich innerhalb des Betriebsgebäudes befinde. Dieser Raum gehört auch als Pausen- oder Freizeitraum eindeutig in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers.
Hinweis: Ein Sturz einer Angestellten auf dem Weg zu einem Getränkeautomaten im Betriebsgebäude ist demnach als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Möglichkeit der Revision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen. Vieles spricht jedoch dafür, dass das Urteil richtig ist.
Quelle: LSG Hessen, Urt. v. 07.02.2023 – L 3 U 202/21
https://sozialgerichtsbarkeit.hessen.de/sozialgerichte-und-landessozialgericht/landessozialgericht-darmstadt

Unfallversicherungsschutz beim „Luftschnappen“
Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz wird ausgeweitet.
Ein Arbeitnehmer hielt er sich in einem Pausen- und Raucherbereich auf dem Betriebsgelände seines Unternehmens auf. Er wollte frische Luft schnappen. Dann fuhr ihn ein Gabelstapler an. Er erlitt eine Unterarmfraktur und eine Kniegelenksdistorsion. Der Arbeitnehmer wollte den Unfall als Arbeitsunfall anerkennen lassen. Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte das jedoch ab. Sie meinte, der Arbeitnehmer habe zur Zeit des Unfalls lediglich private Dinge erledigt. Es lag für die Richter eine spezifische betriebliche Gefahr und damit ein Betriebsunfall vor. Die erhöhte Gefährlichkeit von Gabelstaplern ist nachgewiesen und Gegenstand besonderer Unfallverhütungsvorschriften. Ein Beschäftigter darf darauf vertrauen, während seiner Pausen auch in einem vom Arbeitgeber ausgewiesenen Bereich keinen gegenüber dem allgemeinen Leben erhöhten Gefahren ausgesetzt zu sein. Für die Richter lag auch eine spezifische betriebsbezogene Gefahr vor, auch wenn der Unfall nicht in unmittelbarer Nähe des konkreten Arbeitsplatzes stattgefunden hat.
Hinweis: Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz besteht also auch, wenn ein Arbeitnehmer beim „Luftschnappen“ in einem ausgewiesenen Pausenbereich von einem Gabelstapler angefahren wird. Allerdings wurde die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Vieles spricht jedoch dafür, dass die Entscheidung korrekt ist.
Quelle: LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 27.02.2023 – L 1 U 2032/22
https://landessozialgericht-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite


Der gefälschte Impfpass
In Corona-Zeiten kann die Vorlage gefälschte Impfpässe beim Arbeitgeber häufiger vor.
Ein Mann war seit 2002 beschäftigt und einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Dann forderte seine Arbeitgeberin sämtliche Beschäftigten auf, im Rahmen der „3G-Regelung“ vor Dienstantritt einen vollständigen Impf-, Genesenen- oder Testnachweis vorzulegen. Der Arbeitnehmer legte einen Impfausweis vor. Danach war er mit der Impfcharge COMIRNATY Ch.-B.: EX9661 und mit der Impfcharge COMIRNATY Ch.-B.: EX9117 geimpft worden. Beide Impftermine waren mit folgendem Stempel versehen: "Impfzentrum Duisburg Im auftrag des Landes NRW" und trugen dieselbe Unterschrift. Kurz darauf kündigte die Arbeitgeberin nach Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung sowie nach eingeholter Zustimmung des Inklusionsamts das Arbeitsverhältnis des Messwärters fristlos und hilfsweise fristgerecht. Sie behauptet, der Impfausweis sei gefälscht. Der Arbeitnehmer legte dagegen eine Kündigungsschutzklage ein und behauptete, der Ausweis sei nicht gefälscht. Die Kündigungsschutzklage wurde durch das Arbeitsgericht (ArbG) abgewiesen. Dagegen zog der Arbeitnehmer noch vor das Landesarbeitsgericht. Nach einem Hinweis des Landesarbeitsgericht, dass seine Klage kaum Aussicht auf Erfolg habe, nahm der Arbeitnehmer seine Berufung zurück. Das Landesarbeitsgericht hat in einer umfangreichen Beweisaufnahme festgestellt, dass es die Impfchargen von COMIRNATY gar nicht gab und sie in keinem Fall zu der angegebenen Zeit verimpft worden waren. Die Beweislage war danach erdrückend. Die Zeugen hatten zudem bekundet, dass aufgrund des Rechtschreibfehlers („Im auftrag") im verwendeten Stempel sowie in Anbetracht von Qualität, Design und Größe von einer nicht im Impfzentrum Duisburg verwendeten Fälschung auszugehen war. Die Vorlage eines gefälschten Impfausweises stellt eine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar. Die Verletzung wiegt so schwer, dass sie geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Hinweis: Straftaten im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis führen ganz häufig zur Kündigung. Das sollten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wissen.
Quelle: LAG Düsseldorf, Beschl. v. 02.02.2023 – 11 Sa 433/22

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Der exakte juristische Zeitpunkt des Beginns einer Schwangerschaft
Einer schwangeren Arbeitnehmerin darf nicht ohne weiteres gekündigt werden. Die Zustimmung einer Behörde ist dabei erforderlich. Und wann die Schwangerschaft genau beginnt, hat das Bundesarbeitsgericht nun festgelegt.
Ein Arbeitgeber kündigte nach ca. fünf Wochen das Arbeitsverhältnis mit einer Mitarbeiterin innerhalb der Probezeit. Die Beschäftigte wehrte sich gegen die Kündigung. Insbesondere behauptete sie ca. vier Wochen später, dass sie in der sechsten Woche schwanger sei. Der voraussichtliche Geburtstermin sei Anfang August des Folgejahres. Deshalb sei die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot des § 17 Abs. 1 MuSchG unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Kündigung der Arbeitnehmerin tatsächlich unwirksam war. Das begründeten die Richter damit, dass die Vorinstanz bei der Berechnung der Schwangerschaft fehlerhaft die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer von 266 Tagen zugrunde gelegt habe. Richtig wäre eine Berechnung auf Basis von 280 Tagen gewesen. Denn die 280 Tagen seien die äußerste zeitliche Grenze bei der bei normalem Zyklus eine Schwangerschaft vorliegen könne.
Hinweis: Stellt eine Arbeitnehmerin die Schwangerschaft erst nach Erhalt einer Kündigung fest, ist der Schwangerschaftsbeginn errechnet werden. Dazu macht das Bundesarbeitsgericht klare Vorgaben. Im Zweifel sollten Arbeitgeber mit 280 Tagen rechnen.
Quelle: BAG, Urt. v. 24.11.2022 – 2 AZR 11/22
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Neues zur Bildschirmarbeitsplatzbrille
Dieser Fall des Europäischen Gerichtshofs hat sich ursprünglich in Rumänien abgespielt. Die Entscheidung gilt jedoch auch in der Bundesrepublik.
Ein Mitarbeiter verlangte die Übernahme der Kosten für eine neue Korrekturbrille. Diese sei erforderlich geworden, weil sich sein Sehvermögen aufgrund seiner Bildschirmarbeit und anderer Faktoren verschlechtert habe. Zunächst lehnte die Krankenkasse die Übernahme der Kosten ab, dann auch die Arbeitgeberin. Gegen die Entscheidung seiner Arbeitgeberin klagte der Mann. Das Gericht in Rumänien setzte das Verfahren aus und fragte beim Europäischen Gerichtshof nach, wie die Richtlinie 90/270/EWG über Mindestvorschriften hinsichtlich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten auszulegen sei. In der Richtlinie geht es um „spezielle Sehhilfen". Das schließt Korrekturbrillen ein, die spezifisch darauf gerichtet sind, Sehbeschwerden im Zusammenhang mit einer Arbeit, bei der ein Bildschirmgerät involviert ist, zu korrigieren und diesen vorzubeugen. Die Sehbeschwerden müssen zwar bei Untersuchungen festgestellt worden sein, um einen Anspruch auf Bereitstellung einer speziellen Sehhilfe entstehen zu lassen, die Bildschirmarbeit muss jedoch nicht unbedingt die Ursache für diese Beschwerden sein.  Es ist Pflicht des Arbeitgebers, eine Bildschirmarbeitsplatzbrille zur Verfügung zu stellen. Das kann dadurch geschehen, dass entweder dem Arbeitnehmer die Sehhilfe vom Arbeitgeber unmittelbar zur Verfügung gestellt wird, oder die vom Arbeitnehmer getätigten notwendigen Aufwendungen erstattet werden. Die Zahlung einer allgemeinen Gehaltszulage reicht nicht aus.
Hinweis: Arbeitnehmer können sich so auch erst eine Bildschirmarbeitsplatzbrille besorgen und dann beim Arbeitgeber nach Erstattung der Kosten fragen. Um Ärger zu vermeiden empfiehlt sich jedoch der andere Weg: erst fragen und dann kaufen.
Quelle: EuGH, Urt. v. 22.12.2022 – C-392/21
https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de/


Der Zugang zum Personalratsbüro
Die allgemeinen Zugangszeiten zum Dienstgebäude gelten auch für den Personalratsvorsitzenden.
In einer Kreisverwaltung wurde ein einheitliches System zur Erfassung der Arbeitszeiten eingeführt. Der Landrat legte fest, dass außerhalb der in einer Dienstvereinbarung geregelten Gleitzeiten nur noch die Verwaltungsspitze, die Fachbereichsleitungen und das Funktionspersonal im Bedarfsfall Zugang zu den Dienstgebäuden nehmen dürfen. Dem Personalratsvorsitzenden wurde der Zutritt zum Hauptgebäude, in dem sich die Personalratsräume befinden in den Gleitzeiten von Montag bis Donnerstag von 6.30 Uhr bis 19 Uhr und freitags von 6.30 Uhr bis 14 Uhr sowie samstags von 6.30 Uhr bis 14 Uhr gestattet. Damit war der Personalratsvorsitzenden nicht einverstanden. Er machte einen zeitlich unbeschränkten Zugang an allen Wochentagen zu jeder Uhrzeit geltend. Schließlich klagte er und legte einen Antrag beim VG Mainz ein. Mit seinem Antrag kam er allerdings nicht durch. Der Landrat hatte innerhalb des ihm zustehenden Organisationsermessens rechtmäßig gehandelt. Er durfte die auf einem Sicherheitskonzept beruhende Zugangsregelung für die Gebäude der Behörde treffen: sowohl gegenüber den Beschäftigten als auch gegenüber dem Vorsitzenden des Personalrats. Er durfte die zu der Zeit noch das notwendige Maß beschränken und nur noch ein an den vereinbarten Freizeiten angepasstes Zeitfenster für den Zugang zu dem Personalratsbüro gestatten.
Hinweis: Was in diesem Fall für den Personalrat gilt, dürfte entsprechend auch für jeden Betriebsrat gelten. Die entsprechenden Gesetze sind sehr ähnlich aufgebaut.
Quelle: VG Mainz, Beschl. v. 10.01.2023 – 5 K 353/22.MZhttps://vgmz.justiz.rlp.de/de/startseite/


Ältere Arbeitnehmer erhalten nur geringere Abfindungen
Älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern steht bei betriebsbedingten Kündigungen über einen Sozialplan unter Umständen eine niedrigere Abfindung zu als jüngeren Kollegen.
Ein Arbeitgeber einigte sich mit seinem Betriebsrat auf einen Sozialplan zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile bei Entlassungen. Dieser enthielt eine Abfindungsregelung, nach der von einer Kündigung betroffene Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten sollten, deren Höhe sich nach Betriebszugehörigkeit und Bruttomonatsverdienst berechnete. Bis zur Vollendung des 61. Lebensjahr sollte eine Abfindung mit dem Faktor 1 gezahlt werden. Ab der Vollendung des 62. Lebensjahres war der Faktor mit nur 0,25 festgelegt. Zudem legte die entsprechende Regelung Obergrenzen fest. Für Beschäftigte bis zur Vollendung des 61. Lebensjahres waren es 70.000,00 € brutto. Ältere Arbeitnehmer sollten maximal 35.000,00 € brutto erhalten. Bei einem 62-jährigen Arbeitnehmer errechnete der Arbeitgeber eine Abfindung von nur 9.249,00 €. Der Arbeitnehmer erhielt die Abfindungsregelung für altersdiskriminierend und forderte eine Abfindung von knapp 37.000 €, die er einklagte. Die Richter meinten jedoch, die Regelung im Sozialplan sei wirksam. Die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters kann gerechtfertigt sein, wenn die entsprechende Abfindungsregelung im Sozialplan berücksichtigt, dass die Betroffenen mindestens das 62. Lebensjahr vollendet haben und sie nach dem Bezug von Arbeitslosengeld eine Rente in Anspruch nehmen können, wie in diesem Fall.
Hinweis: Sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus einem Sozialplan Geld bekommen, sollten diese Regelungen stets von einem Rechtsanwalt geprüft werden. Fast immer ist die Zahlung einer Abfindung mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbunden. Das sollte stets rechtlich begleitet werden.
Quelle: LAG Nürnberg, Urt. v. 19.01.2022 – 8 Sa 164/22
https://www.lag.bayern.de/nuernberg/lag/

Neues zur Bildschirmarbeitsplatzbrille
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf eine Bildschirmarbeitsplatzbrille.
Ein Arbeitnehmer verlangte die Übernahme der Kosten für eine neue Korrekturbrille. Diese sei erforderlich geworden, weil sich sein Sehvermögen aufgrund seiner Bildschirmarbeit und anderer Faktoren verschlechtert habe. Die Arbeitgeberin lehnte das ab und gegen die Entscheidung seiner Arbeitgeberin klagte der Mann. Das zuständige Gericht setzte das Verfahren aus und fragte beim EuGH nach, wie die Richtlinie 90/270/EWG über Mindestvorschriften hinsichtlich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten auszulegen sei. In der Richtlinie geht es um "spezielle Sehhilfen". Das schließt Korrekturbrillen ein, die spezifisch darauf gerichtet sind, Sehbeschwerden im Zusammenhang mit einer Arbeit, bei der ein Bildschirmgerät involviert ist, zu korrigieren und diesen vorzubeugen. Die Sehbeschwerden müssen zwar bei Untersuchungen festgestellt worden sein, um einen Anspruch auf Bereitstellung einer speziellen Sehhilfe entstehen zu lassen, die Bildschirmarbeit muss jedoch nicht unbedingt die Ursache für diese Beschwerden sein. Es ist Pflicht des Arbeitgebers, eine entsprechende Bildschirmarbeitsplatzbrille zur Verfügung zu stellen.
Hinweis: Der Arbeitgeber kann seiner Pflicht dadurch nachkommen, dass entweder dem Arbeitnehmer die Brille vom Arbeitgeber unmittelbar zur Verfügung gestellt wird, oder die vom Arbeitnehmer getätigten Aufwendungen werden erstattet.
Quelle: EuGH, Urt. v. 22.12.2022 – C-392/21
https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de/


Keine Party während der Krankheit
Wer krank ist, sollte nicht feiern.
Eine Pflegeassistentin war für ein Wochenende zum Spätdienst eingeteilt. Für die Dienste meldete sie sich bei ihrer Arbeitgeberin arbeitsunfähig krank. In der Nacht von Samstag auf Sonntag fand dann eine „White Night Ibiza Party“ statt. Es wurden Fotos auch von der Pflegeassistentin gemacht, auf der sie feiernd zu sehen war. Die Fotos fanden sich in ihrem WhatsApp-Status und auf der Homepage des Partyveranstalters. Die Arbeitgeberin sprach daraufhin die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Dagegen klagte die Arbeitnehmerin. Das Arbeitsgericht gab der Arbeitgeberin Recht und wies die Kündigungsschutzklage ab. Für das Arbeitsgericht hatte die Arbeitnehmerin ihre Erkrankung nur vorgetäuscht und damit das für den Bestand des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen zerstört.
Hinweis: Eine Arbeitsunfähigkeit und der Besuch einer White Night Ibiza Party rechtfertigen eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dabei muss ein Arbeitnehmer während einer Krankheit nicht unbedingt zu Hause bleiben. Er muss allerdings alles das unterlassen, was einer Wiederherstellung der Gesundheit zuwiderläuft.
Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 16.12.2022 – 5 Ca 1200/22
https://www.arbg-siegburg.nrw.de/


Die verbale Gewalt am Arbeitsplatz
Eine Kündigung droht nicht nur, wenn es zu Handgreiflichkeiten am Arbeitsplatz kommt.
Ein Hochschullehrer hatte an seine Kollegen und Vorgesetzten seit mehreren Monaten aggressiven und herablassende E-Mails gesendet. Im Gespräch erlebten sie ihn verwirrt und sprunghaft und befürchteten teilweise, dass die verbale Gewalt in physische umschlägt. Die Hochschule als Arbeitgeber stellte ihn deshalb von der Arbeit frei und verbot ihm das Betreten der Hochschule. Der Hochschullehrer wollte sich das nicht bieten lassen und zog mit einem Eilantrag vor das Verwaltungsgericht. Die aggressiven und herablassenden Äußerungen konnten jedoch durch zahlreiche E-Mails nachgewiesen werden. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit war somit nach den Richtern nicht mehr möglich. Außerdem bestand die Gefahr, dass der Hochschullehrer seine Äußerungen auf den Kreis der Studenten ausweiten würde. Auch wenn das Verhalten des Professors möglicherweise auf einer Erkrankung beruht, müssen die Kollegen und Vorgesetzten vor weiteren Angriffen geschützt werden. Das Arbeits- und Betretungsverbot war deshalb zumindest so lange gerechtfertigt, bis geklärt ist, ob eine Erkrankung vorliegt und wie damit umzugehen ist.
Hinweis: Gewalt am Arbeitsplatz führt fast immer zu einer Kündigung. Das Arbeitsverhältnis kann allerdings auch bereits durch eine verbale Gewalt gefährdet sein. Aggressive Mitarbeiter haben am Arbeitsplatz nichts zu suchen.
Quelle: VG Mainz, Beschl. v. 20.12.2022 – 4 L 682/22.MZ
https://vgmz.justiz.rlp.de/de/startseite/


Der Annahmeverzugslohn im Kündigungsschutzverfahren
Wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer eine Kündigung erhält, wird häufig dagegen eine Kündigungsschutzklage eingereicht. Wird diese Klage gewonnen, hat der Arbeitgeber sie wieder einzustellen und den gesamten Lohn nach zu zahlen. Dieser Lohn wird dann auch Annahmeverzugslohn genannt. Doch ganz so einfach geht es nicht mehr.
Ein Arbeitgeber hatte einem Arbeitnehmer gekündigt. Die Rechtsstreitigkeiten zogen sich über vier Jahre hin. In dieser Zeit hatte der Mitarbeiter nicht gearbeitet und kein Gehalt erhalten. Nun hatte der Arbeitnehmer seinen Rechtsstreit gewonnen und musste wieder eingestellt werden. Er verlangte deshalb von seinem Arbeitgeber die ausstehenden Gehaltszahlungen als Annahmeverzugslohn, was der Arbeitgeber verweigerte. Schließlich klagte er die Zahlungen in einem weiteren Verfahren ein. Nach § 11 Kündigungsschutzgesetz muss der Mitarbeiter sich auf den Annahmeverzugslohn anrechnen lassen, was er anderweitig verdient hat oder was er hätte verdienen können, wenn er eine ihm zumutbare Stelle angenommen hätte. Deshalb verlangte nun der Arbeitgeber vom Mitarbeiter Auskunft über die ihm gemachten Vermittlungsvorschläge der Arbeitsagentur bzw. des Jobcenters und was daraus geworden war. Der Arbeitnehmer gab die Antwort und von den 23 Vermittlungsvorschlägen standen nur wenige und zudem unzureichende Bewerbungen gegenüber. Deshalb musste der Arbeitgeber den Annahmeverzug so nicht bezahlen. Weil der Mitarbeiter sich aber nicht ernsthaft um eine neue Stelle bemüht hatte, erhielt er auch kein Geld, sondern musste (nur) wieder eingestellt werden.
Hinweis: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten also in vergleichbaren Fällen die nach dem Ablauf der Kündigungsfrist erhaltenen Angebote der Bundesagentur für Arbeit und die Bewerbungen darauf aufbewahren und vorlegen können.
Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.09.2022 – 6 Sa 280/22
https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/


Der Verfall des Urlaubs
In diesem Fall ging es um die Frage, ob ein Urlaubsanspruch verfällt, wenn ein Arbeitnehmer in dem Jahr, aus dem er noch Urlaubsansprüche geltend macht, gearbeitet hat und nicht nur krank war.
Ein Arbeitnehmer war schwerbehindert. In der Zeit von Dezember 2014 bis August 2019 konnte er wegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit seine Arbeitsleistung nicht erbringen und deshalb auch den ihm zustehenden Urlaub nicht nehmen. Nun meinte er, ihm stünde noch Resturlaub aus dem Jahr 2014 zu. Dieser sei nicht verfallen. Schließlich sei der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass Urlaubsansprüche grundsätzlich nur dann am Ende eines Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zuvor die Möglichkeit gegeben hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Außerdem muss er ihn ausdrücklich darauf hingewiesen und aufgefordert haben, den ausstehenden Urlaub zu nehmen. Der Arbeitnehmer muss den Urlaub also aus freien Stücken trotz entsprechender Aufforderungen nicht genommen haben. Die Richter entschieden zudem, dass Besonderheiten bestehen, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen konnte. Bis vor Kurzem gingen die gesetzlichen Urlaubsansprüche in einem solchen Fall bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nach 15- monatiger Frist unter. Nach der neueren Rechtsprechung verfällt der Urlaubsanspruch weiterhin nach der 15-Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahr aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. In einem solchen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen im Hinblick auf entsprechende Hinweise nachkommt. Denn in diesem Fall hätte der Arbeitgeber nichts dazu beitragen können, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub tatsächlich nimmt. Anders sieht es allerdings wie hier aus, wenn der Arbeitnehmer in dem entsprechende Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er arbeitsunfähig erkrankte. In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber den Beschäftigten auf die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubs hinzuweisen und darauf hinzuwirken, dass dieser ihn nimmt. Da der Arbeitgeber diese Mitwirkungspflichten hier außer Acht gelassen hatte, führte das hier dazu, dass dem Arbeitnehmer der Urlaub aus dem Jahr 2014 weiterhin zustand.
Hinweis: Resturlaubsansprüche verjähren nur noch dann, wenn der Arbeitgeber auf den Verfall ausdrücklich und nachweisbar hingewiesen hat.
Quelle: BAG, Urt. v. 20.12.2022 – 9 AZR 245/19
https://www.bundesarbeitsgericht.de/

Die Betriebsratsschulung als Webinar
Mitglieder des Betriebsrats dürfen sich auf Kosten des Arbeitgebers weiterbilden. Nun kommt es immer häufiger vor, dass Arbeitgeber Betriebsräte auf kostengünstige Seminare verweisen wollen. Doch dürfen sie das?
Die Personalvertretung einer Luftverkehrsgesellschaft plante für zwei in Düsseldorf und Köln wohnende Mitglieder eine Entsendung zu einem Seminar „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ in Binz auf Rügen. Die Arbeitgeberin schlug aus Kostengründen nähere Seminarorte vor oder eben ein Webinar. Daraufhin beschloss die Personalvertretung die Mitglieder nach Potsdam zu einem Seminar zu schicken. Für beide Teilnehmer zusammen fielen Kosten von 1.800 € für die Schulungen und ca. 1.300 € für Übernachtungs- und Verpflegungskosten an. Die Arbeitgeberin weigerte sich, die Kosten zu übernehmen und so wurde geklagt. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat die Arbeitgeberin die Kosten zu tragen, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Auf ein Webinar musste die Personalvertretung sich nicht verweisen lassen. Zwar hat eine Personalvertretung auch die Kosten für den Arbeitgeber im Auge zu behalten. Allerdings hat sie auch einen weiten Beurteilungsspielraum.
Hinweis: Gegen den Beschluss ist die Beschwerde zum Bundesarbeitsgericht möglich. Vieles spricht jedoch dafür, dass die Entscheidung korrekt ist. Denn gerade der Austausch von Betriebsratsmitgliedern aus verschiedenen Betrieben ist enorm wichtig.
Quelle: LAG Düsseldorf, Beschl. v. 24.11.2022 – 8 TaBV 59/21

https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/


Dann dürfen Arbeitgeber ein Kopftuch und andere religiöse Symbole verbieten
Der EuGH hat seine Rechtsprechung zu religiösen Symbolen am Arbeitsplatz bestätigt. Arbeitgeber dürfen religiöse Symbole wie ein Kopftuch verbieten, wenn sie es durchgängig und gegenüber allen Religionen so handhaben.
Eine Belgierin bewarb sich um einen Praktikumsplatz, den sie nicht erhielt. Grund für die Ablehnung war, dass sie während des Gesprächs geäußert hatte, dass sie sich weigere, ihr Kopftuch während der Arbeit abzunehmen. Dem Tragen eines Kopftuchs am Arbeitsplatz stand eine interne Regel des Unternehmens jedoch entgegen, die das sichtbare Tragen religiöser, weltanschaulicher oder spiritueller Zeichen verbietet. Alle Mitarbeiter mussten deshalb darauf achten, dass sie ihre religiösen, philosophischen und politischen Weltanschauungen weder durch Worte noch durch Kleidung zum Ausdruck bringen. Einen Monat später bewarb sie sich erneut bei demselben Arbeitgeber. Im Zusammenhang mit dieser Bewerbung schlug sie eine andere Art von Kopfbedeckung vor. Auch diese Bewerbungen wurde abgewiesen. Dieses Mal wies der Arbeitgeber ausdrücklich darauf hin, dass der Beschäftigten kein Praktikumsplatz angeboten werden könne, da im Betrieb keinerlei Kopfbedeckung erlaubt sei. Die Bewerberin zeigte daraufhin bei der für die Bekämpfung der Diskriminierung zuständigen unabhängigen öffentlichen Einrichtung eine Diskriminierung an und erhob sodann beim Arbeitsgericht von Brüssel eine Unterlassungsklage. Sie warf dem Arbeitgeber vor, gegen die Bestimmungen des allgemeinen Antidiskriminierungsgesetzes verstoßen zu haben. Das belgische Arbeitsgericht fragte beim Europäischen Gerichtshof nach. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass das Kopftuchverbot am Arbeitsplatz zulässig sein kann. Voraussetzung dafür ist, dass es eine interne Regel gibt, die es verbietet, religiöse, weltanschauliche oder spirituelle Zeichen offen sichtbar zu tragen. Außerdem muss eine entsprechende Regel ohne Unterschiede auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angewendet werden.
Hinweis: Ein Arbeitgeber, der religiöse Symbole wie ein Kopftuch oder ein Kreuz im Betrieb verbieten will, sollte also stringent gegenüber jeglicher politischen, weltanschaulichen oder religiösen Weltanschauung vorgehen.
Quelle: EuGH, Urt. v. 13.10.2022 – C-344/20
https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de/


Die einrichtungsbezogene Impfpflicht
In vielen Betrieben wie insbesondere in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeheimen wurde während der Pandemie eine sogenannte einrichtungsbezogene Impfungspflicht eingeführt. Arbeitnehmer, die geimpft waren, durften nicht mehr beschäftigt werden. Doch waren sie trotzdem zu bezahlen?
Ein Wohnbereichsleiter und eine Pflegekraft eines Seniorenwohnheims waren nicht gegen SARS-CoV-2 geimpft und wollten es auch nicht. Sie weigerten sich auch noch, als es ihre gesetzliche Pflicht wurde. Der Arbeitgeber stellte beide mit Wirkung ab Mitte März 2022 von ihrer Arbeit frei. Die Vergütung zahlte er während der Zeit der Freistellung nicht weiter. Die Arbeitnehmer gingen sowohl gegen die Freistellung als auch gegen die Nichtbezahlung gerichtlich vor. Das Gericht entschied, dass die Freistellung und auch das Aussetzen der Fortsetzung der Vergütung rechtmäßig waren. Der Arbeitgeber musste den ungeimpften Mitarbeitern nichts bezahlen. Dem Pflegepersonal fehlt es nach Ansicht des Gerichts ohne die Immunisierung an der erforderlichen Leistungsfähigkeit für die arbeitsrechtlich geschuldete Tätigkeit. Denn nach dem nicht zu beanstandenden Hygienekonzept der Arbeitgeberin könne eine Tätigkeit in der Pflegeeinrichtung nur von Personen ausgeübt werden, die über einen nach § 20 a IfSG vorgesehen Immunisierungsstatus verfügen.
Hinweis: Hoffen wir, dass die Pandemie endgültig beendet wird. In der Vergangenheit musste jedenfalls der Arbeitgeber, der seine ungeimpften Mitarbeiter nicht beschäftigen durfte, diese auch nicht bezahlen
Quelle: ArbG Gießen, Urt. v. 08.11.2022 – 5 Ca 119/22 und 5 Ca 121/22
https://arbeitsgerichtsbarkeit.hessen.de/arbeitsgerichte-und-landesarbeitsgericht/arbeitsgericht-giessen


Ordnungsgeld bei Kündigung ohne Betriebsratsanhörung
Vor jeder Kündigung muss der Arbeitgeber seinen Betriebsrat anhören. Unterlässt er das, kann das schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen.
Ein Arbeitgeber hatte einem Arbeitnehmer ohne vorherige Betriebsratsanhörung gekündigt. Der Betriebsrat hatte die Pflichtverletzung daraufhin beanstandet. Der Arbeitgeber begründete sein Vorgehen damit, dass er dem Wunsch des Betroffenen nachgekommen sei, die Arbeitnehmervertretung nicht zu informieren. Schließlich habe es sich um eine Abwicklungsvereinbarung gehandelt. Wenige Monate später erklärte der Arbeitgeber dann sechs krankheitsbedingte Kündigungen – ebenfalls ohne den Betriebsrat vorher einbezogen zu haben. Der Arbeitgeber entschuldigte das Fehlverhalten mit einem versehentlichen Fehler des zuständigen Sachbearbeiters in der Personalabteilung. Der Betriebsrat beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht, dass der Arbeitgeber verpflichtet werden soll, keine weiteren Kündigungen auszusprechen ohne vorherige Betriebsratsanhörung. Außerdem forderte er, dem Arbeitgeber für den Fall einer weiteren Pflichtverletzung, ein Ordnungsgeld anzudrohen. Das LAG entschied, dass der Arbeitgeber durch sein Verhalten grob gegen seine Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz verstoßen hatte. Die Richter stellten zudem klar, dass ihm das Verhalten seiner Mitarbeiter zurechenbar sei. Entsprechend § 23 Abs. 3 BetrVG gab das Gericht dem Arbeitgeber auf, es künftig zu unterlassen, Kündigungen auszusprechen, ohne zuvor den Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören. Ferner drohte es dem Arbeitgeber an, dass im Fall einer Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 € fällig würde.
Hinweis: Die unterlassene Anhörung des Betriebsrats führt also nicht nur dazu, dass eine Kündigung eines Arbeitnehmers unwirksam ist, sondern kann auch zur Verhängung eines Ordnungsgeldes führen.
Quelle: Hessisches LAG, Beschl. v. 08.08.2022 – 16 TaBV 191/21
https://arbeitsgerichtsbarkeit.hessen.de/arbeitsgerichte-und-landesarbeitsgericht/hessisches-landesarbeitsgericht


Urlaub: Hinweis auf Urlaubsanspruch und Verfallfristen erforderlich
Auch das BAG hat sich nun auf die Seite des EuGH gestellt und die Anforderungen an den Arbeitgeber zur Urlaubsgewährung konkretisiert.
Eine Arbeitnehmerin war in der Zeit vom 1.11.1996 bis zum 31.7.2017 beschäftigt. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte der Arbeitgeber der Beschäftigten zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen 3.201,38 € brutto. Die Arbeitnehmerin fordert allerdings zusätzlich die Abgeltung von weiteren 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren. Dieser Forderung kam der Arbeitgeber jedoch nicht nach, so dass die Arbeitnehmerin klagte. Die Vorschriften über die Verjährung finden zwar auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Hier hatte die Arbeitgeberin die Mitarbeiterin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums. Auch war keine Verjährung eingetreten.
Hinweis: Erfüllt ein Arbeitgeber nicht seine Hinweispflichten zu Urlaubsansprüchen, kann ein Arbeitnehmer unabhängig von irgendwelchen Fristen seine Ansprüche noch geltend machen. Arbeitgeber werden also künftig Personalakten ausgeschiedener Arbeitnehmer länger aufbewahren müssen.
Quelle: BAG, Urt. v. 20.12.2022 – 9 AZR 266/20
https://www.bundesarbeitsgericht.de/

Wenn die Zahl der Schwerbehinderten im Betrieb sinkt
Was passiert eigentlich mit der Schwerbehindertenvertretung, wenn die Anzahl der Schwerbehinderten im Betrieb sinkt?
In einem Betrieb mit 120 Mitarbeitern wurde eine Schwerbehindertenvertretung gewählt. Einige Monate später sank die Zahl der schwerbehinderten Menschen in dem Betrieb allerdings von 5 auf 4 schwerbehinderte Menschen. Die Arbeitgeberin informierte daraufhin die Schwerbehindertenvertretung darüber, dass sie nun nicht mehr existiere. Die Schwerbehindertenvertretung klagte daraufhin bis zum Bundesarbeitsgericht. Die Richter entschieden, dass die Schwerbehindertenvertretung bestehen bleibt. Zwar wird sie in Betrieben mit wenigstens fünf schwerbehinderten Menschen für eine Amtszeit von regelmäßig vier Jahren gewählt. Das bedeutet aber nicht, dass die Amtszeit vorzeitig endet. Im Gesetz ist das schlicht und ergreifend nicht vorgesehen und würde auch dem Sinne und Zweck des Schwellenwerts widersprechen.
Hinweis: Schwerbehindertenvertretungen sollten sich also keine allzu großen Sorgen machen. Auch wenn der Schwellenwert unter fünf sinkt, bleibt die gewählte Schwerbehindertenvertretung bestehen.
Quelle: BAG, Beschl. v. 19.10.2022 – 7 ABR 27/21
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Die Bahncard für den Betriebsrat im Eilverfahren
Selbst wenn sich der Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung zur Zurverfügungstellung einer BahnCard 100 für den Betriebsrat verpflichtet hatte, stellt sich die Frage, ob der Betriebsrat seine Rechte im Eilverfahren durchsetzen kann.
Es ging um einen Betriebsrat, der für Beschäftigte in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland gewählt worden war. Der Betriebsrat und der Arbeitgeber hatten sich in einer Betriebsvereinbarung darauf geeinigt, dass der Arbeitgeber freigestellten Betriebsratsmitgliedern entweder eine BahnCard 100 zur Verfügung stellt oder die tatsächlich entstandenen Reisekosten erstattet. Der Betriebsratsvorsitzende wollte nun die BahnCard 100 erhalten, die ihn jedoch nicht vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wurde. Daraufhin beantragte er den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Die Arbeitsrichter sahen keine Eilbedürftigkeit der Angelegenheit. Der Betriebsratsvorsitzende könnte auch den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abwarten. Insbesondere entsteht dem Betriebsratsvorsitzenden kein Schaden, wenn er die BahnCard 100 nicht sofort erhält. Es besteht auch die Möglichkeit, die Reisekosten vorzustrecken und sich diese von der Arbeitgeberin erstatten zu lassen. Denn die BahnCard 100 würde zu keinem finanziellen Vorteil führen. Vielmehr müsste der Betriebsratsvorsitzende die BahnCard 100 als geldwerten Vorteil versteuern. Nach Berechnung des Gerichts würde die Minderung seines Nettoeinkommens durch die zusätzliche Steuerbelastung die bisher für die Bahnkarten aufgewendeten Kosten deutlich übersteigen.
Hinweis: Gegen den Beschluss des LAG kann noch eine Revision vor dem Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Vieles spricht jedoch dafür, dass der Beschluss richtig ist und eine Eilbedürftigkeit nicht besteht.
Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 28.07.2022 – 6 TaBVGa 4/22
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Wer zahlt nicht für Streitigkeiten innerhalb der Schwerbehindertenvertretung?
Für die Schwerbehindertenvertretung gelten viele Regelungen des Betriebsrats analog. Doch nicht auf jede gesetzliche Regelung trifft das zu.
In einem Krankenhaus wurde eine Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung gewählt. Außerdem gab es eine stellvertretende Vertrauensperson. Nun entstanden Streitigkeiten über die Rechte der stellvertretenden Vertrauensperson. Als eine betriebsinterne Klärung scheiterte, beauftragte die stellvertretende Vertrauensperson einen Rechtsanwalt, der auch gleich ein Beschlussverfahren einleitete. Vor Gericht einigten sich die Vertrauensperson und ihr Stellvertreter auf ein bestimmtes Verfahren der Zusammenarbeit. Daraufhin nahm der Rechtsanwalt seinen Antrag zurück. Nun sollten allerdings die Kosten des Rechtsanwalts erstattet werden. Darüber musste das Arbeitsgericht einen Beschluss fassen: Der Arbeitgeber musste keine Kosten übernehmen. Zwar trägt nach § 179 Abs. 8 Satz 1 SGB IX die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten der Arbeitgeber. Es handelte sich in diesem Fall jedoch hier nicht um durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstandene Kosten. Die Schwerbehindertenvertretung besteht nur aus der Vertrauensperson für Schwerbehinderte. Damit sind aber auch die Regelungen zur Kostentragungspflicht des Arbeitgebers bei Streitigkeiten zwischen einem einzelnen Betriebsratsmitglied und dem Betriebsrat nicht anwendbar.
Hinweis: Die Schwerbehindertenvertretung ist kein Kollegialorgan wie der Betriebsrat. Es gibt eben nur eine Vertrauensperson mit eventuell mehreren Stellvertretern. Das sollte, wenn möglich, nicht auch noch Streit zwischen den (wenigen) Personen bestehen.
Quelle: ArbG Herne, Beschl. v. 19.07.2022 – 2 BV 7/22

https://www.arbg-herne.nrw.de/


Die Kündigung der Initiatorin einer Betriebsratswahl
Leider gibt es noch immer Arbeitgeber, die die Rechte von Betriebsräten massiv beschneiden.
Eine Arbeitnehmerin lud zur Wahl des Wahlvorstands ein. Daraufhin geschah Folgendes: Zunächst erhielt die Arbeitnehmerin eine fristlose und hilfsweise fristgerechte erste Kündigung, weil sie an vier Tagen zu spät zur Arbeit erschienen. Die Arbeitnehmerin meinte dazu, dass bei sämtlichen Arbeitsantritt die Rechner besetzt gewesen sein und sie sich nicht hätte einstempeln können. Dann gab es die zweite Kündigung, weil die Arbeitnehmerin angeblich für die Betriebsversammlung einen zu kleinen Raum angemietet haben soll. Die Arbeitnehmerin meinte dazu, dass der Raum gar nicht durch sie, sondern durch einen Gewerkschaftssekretär gebucht worden sei. Im Anschluss gab es die dritte Kündigung. Die Arbeitnehmerin hatte trotz vorheriger fristloser Kündigung und ohne Absprach mit der Arbeitgeberin den Backoffice-Bereich einer Filiale betreten und dort eine neue Einladung zu einer Wahlversammlung ausgehängt. Die Arbeitgeberin sah in dem Verhalten einen Hausfriedensbruch. Auch diesem Vorwurf widersprach die Arbeitnehmerin und klagte gegen alle drei Kündigung. Sämtliche Kündigungen waren unwirksam. Bei der ersten Kündigung hätte es einer (erneuten) Abmahnung bedurft. Bei der zweiten Abmahnung lag schon kein Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten vor. Der etwaige Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten berechtigte nicht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Außerdem hatte die Arbeitnehmerin Sonderkündigungsschutz als Initiatorin der Betriebsratswahl. Bei der dritten Kündigung, dem angeblichen Hausfriedensbruch, lag zwar ein Kündigungsgrund vor. Denn fristlos gekündigte Mitarbeiter dürfen nicht die Räumlichkeiten des Arbeitgebers betreten. Hier fiel jedoch die Interessenabwägung zugunsten der Arbeitnehmerin aus. Wenn die Arbeitnehmerin trotz fristloser Kündigung nochmals versucht hatte, zur Wahlversammlung einzuladen, rechtfertigte dies keine Kündigung.
Hinweis: Wer eine Betriebsratswahl initiiert, sollte eigentlich keine Angst vor Repressalien durch den Arbeitgeber haben. Die Wirklichkeit in Deutschland sieht jedoch gelegentlich anders aus. Dafür gibt es Gerichte, die das Recht wiederherstellen.
Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 08.11.2022 – 8 Sa 243/22
https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/


Auskunft über die Arbeitszeiten auch bei Vertrauensarbeitszeit möglich
Wer in Vertrauensarbeitszeit arbeitet, erfasst seine Arbeitszeiten in der Regel nicht. Das könnte aber nicht korrekt sein. Jedenfalls kann der Betriebsrat eine Auskunft über die Arbeitszeiten verlangen.
Zwischen einem Betriebsrat dessen Arbeitgeber war es zum Streit über die Auskunftsrechte des Betriebsrats hinsichtlich der Arbeitszeit gekommen. Die Arbeitnehmer im Außendienst des Betriebs arbeiteten auf Basis der Vertrauensarbeitszeit. Dabei wurden die Arbeitszeiten bislang vom Arbeitgeber nicht festgehalten und nicht kontrolliert. Der Betriebsrat verlangte unter Berufung auf sein Überwachungsrecht Auskunft über die Arbeitszeiten dieser Außendienstler. Er stützte sein Verlangen darauf, dass der Arbeitgeber ihn konkret über den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit, Über- bzw. Unterschreitungen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sowie über jede an Sonn- und Feiertagen geleistete Arbeitsstunde in Kenntnis setzen müsse. Nur so könne er die Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhezeiten überwachen. Das Gericht entschied, dass der Betriebsrat Auskunft über die Arbeitszeiten der Vertriebsaußendienstmitarbeiter erhalten muss. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, dem Gremium den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit mitzuteilen, genauso wie Über- und Unterstunden sowie die Arbeitszeiten an Sonn- und Feiertagen. Schließlich habe Betriebsrat die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zu überwachen.
Hinweis: Die Richter stellten außerdem fest, dass der Arbeitgeber die Auskunft nicht mit der Begründung verweigern konnte, dass er die Arbeitszeiten dieser Mitarbeiter nicht erfasst. Denn die Informationen liegen bei den Mitarbeitern vor und können durch den Arbeitgeber bei diesen abgefragt werden.
Quelle: LAG München, Beschl. v. 11.07.2022 –4 TaBV 9/22
https://www.lag.bayern.de/muenchen/lag/

Keine Änderung der Dankesklausel bei Korrektur im Arbeitszeugnis
Dieses Urteil sollten alle Arbeitnehmer und alle Arbeitgeber kennen. Die Mitarbeiterin des Falls erhielt nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ein Arbeitszeugnis, das mit einem Dank für ihre wertvolle Mitarbeit endete. Sie verlangte daraufhin eine bessere Bewertung ihres Arbeits- und Sozialverhaltens und erhielt ein neues Zeugnis. Dann ging sie zu einem Rechtsanwalt und dieser beanstandete auch das nunmehr übersandte Zeugnis. Er erhielt eine dritte Version mit verbesserter Bewertung, allerdings nun ohne die Dankesformel und die Äußerung des Bedauerns über ihr Ausscheiden. Dagegen klagte die ehemalige Mitarbeiterin mit Erfolg. Grundsätzlich besteht zwar kein Anspruch auf eine Schlussformulierung, doch hatte sich der Arbeitgeber selbst gebunden. Aus dem Maßregelungsverbot aus § 612a BGB folgt nämlich, dass der Arbeitgeber nicht befugt war, die nicht beanstandeten Teile grundlos zu ändern. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.
Hinweis: Gegen die Entscheidung wurde Revision eingelegt. Alles spricht jedoch dafür, dass das Urteil korrekt ist. Wenn Arbeitgeber also eine entsprechende Wunsches-, Dankes- und Bedauernsformel im Arbeitszeugnis erst einmal aufgenommen haben, dürfen Sie diese auch bei späteren Korrekturen nicht ohne weiteres zulasten des Arbeitnehmers wieder ändern
Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 12.07.2022 – 10 Sa 1217/21
https://landesarbeitsgericht.niedersachsen.de/startseite/


Gesamtbetriebsrat bei unternehmenseinheitlicher Software zuständig
Unternehmen können aus mehreren Betrieben bestehen. In jedem Betrieb gibt es einen Betriebsrat und für das gesamte Unternehmen ist dann der Gesamtbetriebsrat zuständig.
In einem Unternehmen sollte unternehmensweit in allen Betrieben Microsoft Office 365 eingeführt werden. Der Gesamtbetriebsrat stimmte dem zu. Das gefiel jedoch dem Betriebsrat eines einzelnen Betriebs nicht. Denn nicht alle Programmeinstellungen würden zentral vorgegeben werden, sondern in den einzelnen Betrieben erfolgt. Das sah das Bundesarbeitsgericht anders. Anknüpfungspunkt war der § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Mitbestimmungspflichtig sind alle EDV-Programme, die arbeitnehmerbezogene Eingaben erfassen und speichern. Denn mit ihrer Hilfe kann das Verhalten einzelner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überwacht werden. Für die Ausübung der Mitbestimmung ist zwar grundsätzlich der örtliche Betriebsrat zuständig. Sind aber mehrere Betriebe eines Unternehmens von einer solchen neuen Softwareeinführung betroffen, hat der Gesamtbetriebsrat mitzubestimmen.
Hinweis: Der Gesamtbetriebsrat bleibt nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts übrigens auch zuständig, wenn in den einzelnen Betrieben Programmeinstellungen möglich sind, die nicht zentral vorgegeben wurden. Bei Problemen ist dann der Gesamtbetriebsrat hinzuzuziehen und nicht der örtliche Betriebsrat.
Quelle: BAG, Beschl. v. 08.03.2022 – 1 ABR 20/21
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Der Prozessbetrug durch den Betriebsrat
In diesem Fall ist es für den Betriebsrat selbst gefährlich geworden, als er in einem Verfahren nicht bei der Wahrheit geblieben ist.
Ein Betriebsrat hatte die Einstellung von Arbeitnehmern abgelehnt. Nun behauptete er, die Ablehnungen seien per Einwurf-Einschreiben in einem kleinen Umschlag an die Arbeitgeberin abgesandt worden. Tatsächlich befanden sich die Widersprüche jedoch in einem großen DIN A4 Umschlag, der nach Ablauf der Widerspruchsfrist des Betriebsrats und damit verspätet abgesandt worden war. Außerdem waren die Ablehnungsschreiben nicht geknickt. Der Arbeitgeber wies den Betriebsrat darauf hin, dass seine Behauptungen zum Einwurf-Einschreiben nicht richtig sein können. Trotzdem blieb der Betriebsrat bei seiner Auffassung, auch während eines Gerichtsverfahrens. Daraufhin beantragte der Arbeitgeber die Auflösung des Betriebsrats und zog vor das Arbeitsgericht. Der Betriebsrat wurde nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten aufgelöst. Mit dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit war es unvereinbar, in einem gerichtlichen Verfahren gegen den Arbeitgeber einen bewusst unwahren Sachvortrag zu halten oder nicht zu korrigieren, obwohl der Arbeitgeber entgegenstehenden Tatsachenvortrag liefert, bei dem es sich geradezu aufdrängt, dass der zuvor erfolgte Vortrag des Betriebsrats nicht zutreffend sein konnte.
Hinweis: Das falsche Verhalten des Betriebsrats kann allerdings nicht dazu führen, dass einzelne Mitglieder eine Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses erhalten. Denn sie hatten in ihrer Eigenschaft als Betriebsrat gehandelt.
Quelle: Hessisches LAG, Beschl. v. 23.08.2021 – 16 TaBV 3/21
https://arbeitsgerichtsbarkeit.hessen.de/arbeitsgerichte-und-landesarbeitsgericht/hessisches-landesarbeitsgericht


Die mündliche Einstellungszusage
Die meisten Verträge in Deutschland werden mündlich geschlossen. Und nur in ganz wenigen Fällen gibt es Schriftformerfordernisse, beispielsweise bei Grundstücken. Wie schnell jedoch mündliche Verträge geschlossen werden können, zeigt dieser Fall.
Ein Berufskraftfahrer erhielt während eines Vorstellungsgesprächs Ende November eine Einstellungszusage. Er sollte 40 Stunden pro Woche für 2.500 € brutto pro Monat plus Spesen und 46 Urlaubstagen arbeiten. Arbeitsbeginn war Mitte Dezember. Daraufhin kündigte der Fahrer seine bisherige Stelle. Wenige Tage später informierte ihn sein neuer Arbeitgeber jedoch per SMS, dass er sich aus anders überlegt habe. Der Fahrer bot daraufhin schriftlich seine Arbeitsleistung an. Dann kündigte er knapp drei Monate später das Arbeitsverhältnis fristlos, nachdem er einen anderen neuen Job angenommen hatte. Er verlangte jedoch für drei Monate seinen Lohn. Da Arbeitsverträge auch mündlich geschlossen werden können, begründete die Einstellungszusage ein Arbeitsverhältnis. Das hätte der Arbeitgeber zwar kündigen können – allerdings nur schriftlich mit Originalunterschrift. Die SMS genügte also nicht, sodass der Arbeitgeber knapp 7.500 € an den Fahrer zahlen musste.
Hinweis: Arbeitgeber sollten also mit mündlichen Einstellungszusagen vorsichtig sein. Das kann bereits den Arbeitsvertrag ersetzen.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 30.06.2022 – 8 Sa 40/22
https://www.lag-hamm.nrw.de/


Der Anruf vom früheren Chef
Wenn Arbeitgeber sich über ausgeschiedene Arbeitnehmer ärgern, soll es immer wieder vorkommen, dass sie zum Telefonhörer greifen mit dem neuen Chef sprechen. Das ist grundsätzlich eine sehr schlechte Idee.
Eine Arbeitnehmerin einer Pflegeeinrichtung wechselte den Job. Der alte Arbeitgeber wollte nun den neuen Arbeitgeber vor der ausgeschiedenen Pflegekraft warnen. Er rief ihn an und informierte ihn unter anderem, dass die Mitarbeiterin sich die Stelle in seiner Einrichtung mit der falschen Behauptung erschlichen habe, in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zu sein. Außerdem habe sie eine Kollegin mit Pflegeleistungen beauftragt, für die diese nicht qualifiziert war. Außerdem habe sie an mehreren Nachmittagen ihre Arbeit vorzeitig beendet, um Privatangelegenheiten zu erledigen. Als die Mitarbeiterin von dem Anruf erfuhr, forderte sie ihren ehemaligen Arbeitgeber auf, solche Äußerungen zu unterlassen. Dieser weigerte sich jedoch, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Deshalb klagt die Frau mit großem Erfolg. Die Warnungen waren unzulässig. Ein Ex-Arbeitgeber darf also nicht auf potenzielle künftige Arbeitgeber der Arbeitnehmer zugehen und diese informieren. Denn nach dem aktuellen Datenschutzrecht ist verboten, künftigen Arbeitgebern Auskünfte zu geben, die über den Inhalt des Arbeitszeugnisses hinausgehen. Außerdem waren die Vorwürfe nicht schwerwiegend genug: Der Lebenslauf der Mitarbeiterin enthielt zahlreiche Lücken, sodass die eine verschwiegene Lücke kaum für die Einstellungsentscheidung maßgeblich war. Durch die anderen Pflichtverletzungen war kein Schaden entstanden und der Arbeitgeber hatte die Mitarbeiterin nie abgemahnt.
Hinweis: Die Arbeitnehmerin hat sich hier lediglich die Unterlassung eingefordert. Daneben könnte größere Strafzahlungen auf den Arbeitgeber zukommen wegen der Datenschutzverstöße.
Quelle: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 05.07.2022 – 6 Sa 54/22
https://lagrp.justiz.rlp.de/de/startseite-lag/

Aufgepasst beim Vergleich über die Vergütung der Betriebsratstätigkeit
Es gibt immer wieder Streit darüber, welche Vergütung Betriebsratsmitglieder für ihre Betriebsratstätigkeit bekommen. Hier ein neuer Fall aus Hamburg.
Ein angestellter Autoverkäufer stritt sich mit seinem Arbeitgeber über die Höhe der Vergütung für seine Zeiten der Betriebsratstätigkeiten. Es ging dabei insbesondere um die korrekte Berücksichtigung seiner Provisionen im Jahr 2021. In einem vorherigen gerichtlichen Verfahren war aber bereits im Jahr 2014 ein Vergleich über die Bezahlung abgeschlossen worden. Darin hatten sie die Grundsätze der Ermittlung der Vergütung des Autoverkäufer vereinbart. Deshalb meinte nun der Arbeitgeber, in keinerlei weitere Verhandlungen eintreten zu müssen. Der Arbeitnehmer klagt – vergeblich. Die Vereinbarung aus dem Jahr 2014 über die Höhe der zu zahlenden Vergütung während der Betriebsratstätigkeit war wirksam. Sie bewegte sich „innerhalb eines tatsächlichen Korridors hypothetischer Betrachtung“. Wird dieser Korridor verlassen, wird die Vereinbarung unwirksam.
Hinweis: Eine Vereinbarung mit freigestellten Betriebsratsmitgliedern über die Höhe der Vergütung während der Betriebsratstätigkeit ist grundsätzlich wirksam. Sie kann aber eine spätere Erhöhung ausschließen. Da heißt es auf Arbeitnehmerseite Vorsicht walten zu lassen.
Quelle: ArbG Hamburg, Urt. v. 10.05.2022 – 3 Ca 74/21
https://justiz.hamburg.de/arbeitsgericht/


Mitarbeiterin mit Personalverantwortung in Betriebsrat
Der Betriebsrat besteht aus Arbeitnehmervertretern. Doch manchmal kann es auch Mitglieder geben, die in einer Führungsposition sind, die auch zum Entlassen und Einstellen von Mitarbeitern berechtigt.
Eine Arbeitgeberin hatte ein Einzelhandelsunternehmen für Haushaltsgegenstände. Sie betrieb 58 Filialen, in denen jeweils zwischen fünf und zehn Arbeitnehmer beschäftigt waren. Die Filialen wurden durch sogenannte Store-Manager geleitet. In einer der Filialen wurde nun eine neue Store-Managerin im August 2018 eingestellt zu einem Monatsgehalt von 2.500 €. Sie war die unmittelbare fachliche und disziplinarische Vorgesetzte der im Store beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dann kam es im Dezember 2019 zu Betriebsratswahlen und die Store-Leiterin wurde Mitglied im Wahlvorstand und letztendlich auch selbst gewählt. Wenige Monate später unterzeichnete sie sowohl als Filialleiterin für die Arbeitgeberin als auch in ihrer Funktion als Betriebsrätin eine Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit. Die Arbeitgeberin hat die Betriebsratswahl angefochten. Die Wahl sei unwirksam, weil die Store-Managerin als leitende Angestellte weder Mitglied des Wahlvorstands gewesen sein durfte noch wahlberechtigt bzw. wählbar gewesen sei. Denn ein Vertreter des Arbeitgebers könne nicht Mitglied des Betriebsrats werden. Das Gericht entschied anders. Die Store-Managerin war keine leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG unter anderem derjenige, der zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von dem Betrieb oder der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmer berechtigt ist. Es genügt aber nicht jede Einstellungs- und Entlassungsbefugnis. Umfasst sie nur eine geringe Anzahl von Arbeitnehmern, liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG regelmäßig nicht vor. Der Angestellte tritt in diesem Fall nur in einem unbedeutenden Umfang als Repräsentant des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat auf.
Hinweis: Die Store-Leiterin war also keine leitende Angestellte und durfte in den Betriebsrat gewählt werden. Im Zweifel sollten sich Betroffene vorher von ihrem Rechtsanwalt beraten lassen.
Quelle: BAG, Beschl. v. 04.05.2022 – 7 ABR 14/21
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Die misslungene Bezahlung der Überstunden
Egal, wer für die Erfassung der Arbeitszeit zuständig ist, an den gängigen Regelungen zur Zahlung und dem Nachweis von Überstunden hat sich in den vergangenen Monaten nichts geändert.
Ein Arbeitnehmer war als Auslieferungsfahrer beschäftigt. Seine Arbeitszeit erfasste er mit einer technischer Zeitaufzeichnung, wobei nur Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, nicht jedoch die Pausenzeiten aufgezeichnet wurden. Zum Ende des Arbeitsverhältnisses ergab die Auswertung der Zeitaufzeichnungen 348 Plusstunden. Deshalb klagte der Fahrer über 5.000 € als Überstundenvergütung ein. Er machte geltend, er habe die gesamte aufgezeichnete Zeit gearbeitet. Pausen zu nehmen sei nicht möglich gewesen, weil sonst die Auslieferungsaufträge nicht hätten abgearbeitet werden können. Das BAG war aber anderer Auffassung. Danach hat das Urteil des EuGH zur Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zeiterfassung nichts an der Darlegung- und Beweislast geändert. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH geht es „nur“ um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer und es geht nicht um die Vergütung der Arbeitnehmer. Die unionsrechtlich begründete Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit hat deshalb keine Auswirkung auf die entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess.
Hinweis: Auch weiterhin gibt es nur dann bezahlte Überstunden, wenn der Arbeitgeber weiß, dass die Überstunden geleistet werden. Außerdem muss der Arbeitnehmer im Zweifelsfall jeder einzelne Überstunden nachweisen können.
Quelle: BAG, Urt. v. 04.05.2022 – 5 AZR 359/21
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Ohne Hinweis des Arbeitgebers gibt es beim Urlaub keine Verjährung
Ein bitterer Fall für Arbeitgeber und eine sehr gute Entscheidung für Arbeitnehmer: Der Arbeitgeber muss immer auf einen möglichen Verfall von Urlaub am Jahresende hinweisen. Andernfalls verfallen und verjähren Ansprüche der Arbeitnehmer nicht.
Im Jahr 2019 hat das BAG geurteilt, dass Dienstherren und Arbeitgeber in Deutschland ihre Mitarbeiter auf bestehende Urlaubsansprüche und deren Verfall hinweisen müssen und die Mitarbeiter in die Lage versetzen müssen, ihren Urlaub zu nehmen. Nun war eine Arbeitnehmerin von 1996 bis 2017 angestellt. Nach dem das Arbeitsverhältnis endete, verlangte sie für die Jahre 2013 und 2017 Urlaubsabgeltung von 101 Urlaubstagen. Der Arbeitgeber lehnte ab und hielt die Urlaubsansprüche für verjährt. In Deutschland gelte eine allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren. Das Bundesarbeitsgericht wiederum hielt die Urlaubsansprüche mangels Hinweises des Arbeitgebers nicht für erloschen und legte die Angelegenheit dem EuGH vor. Der urteilte ganz im Sinne der Arbeitnehmerin. Die Auslegung des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der EU ergab, dass eine Verjährungsfrist ohne Hinweis des Arbeitgebers nicht anlaufen kann. Nur durch seinen Hinweis kann er die Verjährungsfrist in Gang setzen, ohne Hinweis gibt es keine Verjährung.
Hinweis: Spätestens seit diesem Urteil sollten Arbeitgeber sich dringend den Urlaubsfragen weiter beraten lassen. Ein schlüssiges Konzept muss her, wie Arbeitnehmer beweissicher über zu nehmenden Urlaub informiert werden.
Quelle: EuGH, Urt. v. 22.09.2022 – C-120/21 LB
https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de/


Arbeitgeber zur Zeiterfassung verpflichtet
Dieses Urteil nennt die Fachwelt einen „Paukenschlag“.
Der Betriebsrat verhandelte mit seinem Arbeitgeber die Einführung eines Systems zur elektronischen Arbeitszeiterfassung. Der Arbeitgeber brach die Verhandlungen jedoch ab und wollte das Thema elektronische Arbeitszeiterfassung auch nicht weiter verfolgen. Der Betriebsrat wiederum gab nicht auf und rief die Einigungsstelle an. Der Arbeitgeber rügte die Zuständigkeit der Einigungsstelle, weil nach seiner Ansicht kein Mitbestimmungsrecht vorlag. Der Betriebsrat stellte daraufhin bei Gericht einen Antrag auf Feststellung, dass er sehr wohl beim Thema der Einführung einer elektronischen Arbeitszeiterfassung ein Mitbestimmungsrecht hat. Das kuriose Urteil: der Betriebsrat hat verloren. Denn nach § 87 Abs. 1 BetrVG, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nur soweit zu diesem Thema keine gesetzliche Regelung existiert. Das BAG meinte nun, dass hier bereits eine gesetzliche Regelung existiere: Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) müssen Arbeitgeber zur Sicherung des Gesundheitsschutzes „für eine geeignete Organisation sorgen und die erforderlichen Mittel bereitstellen“. Diese Regelung schließt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus, da der Arbeitgeber schon aus dem Gesetz zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet ist.
Hinweis: Wer also in einem Betrieb arbeitet, in dem es noch keine Arbeitszeiterfassung gibt, kann nun seinen Arbeitgeber auffordern, tätig zu werden. Passiert nichts, können die zuständigen Behörden informiert werden.
Quelle: BAG, Beschl. v. 13.09.2022 – 1 ABR 22/21
https://www.bundesarbeitsgericht.de/

Begrenzte Bezahlung von Urlaub an die Erben
Hat ein verstorbener Arbeitnehmer noch Urlaubsansprüche offen, muss der Arbeitgeber sie bezahlen. Allerdings ist der Anspruch begrenzt.
Eine Beamtin war in der Zeit von März 2016 bis 2018 dienstunfähig erkrankt. 64 Tage des ihr zustehenden Urlaubs hatte sie nicht genommen. Die Erben wollten sich nun den Urlaub ausbezahlen lassen. Der Dienstherr der Beamtin zahlte aber nur eine Abgeltung für 46 Tage. Die Erben klagten nun die Abgeltung der restlichen Tage in Höhe von ca. 3.700 € ein. Das Gericht entschied, dass der Anspruch auf den Erben übergeht. Deshalb haben die Erben zwar einen grundsätzlichen Anspruch auf die finanzielle Abgeltung des nicht genommenen Erholungsurlaubs eines verstorbenen Beamten. Der Anspruch ist aber auf das unionsrechtlich gewährleistete Minimum von 20 Urlaubstagen bei einer fünftätigen Arbeitswoche begrenzt.
Hinweis: Erben sollten sich besser gleich an einen Rechtsanwalt wenden. Denn zunächst ist der noch bestehende Urlaubsanspruch und das noch zu erwartende Urlaubsentgelt zu errechnen. In der Praxis kein einfaches Unterfangen.
Quelle: VG Berlin, Urt. v. 19.05.2022 – VG 28 K 563.19
https://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/


Keine höhere Sozialplanabfindung bei mündlichen Absprachen
Vereinbaren der Betriebsrat und der Arbeitgeber etwas, wird das fast immer in Form einer Betriebsvereinbarung gemacht. Und für die gibt es besondere Formvorschriften.
In einem Betrieb hatte es einen Sozialplan wegen eines Personalabbaus gegeben. In den Sozialplan waren Abfindungen festgelegt worden. Diese sollten so berechnet werden: „Betriebszugehörigkeit x Monatsbrutto x 0,9“. Außerdem war mündlich vereinbart worden, dass Gewerkschaftsmitglieder einen erhöhten Abfindungsfaktor von 1,0 erhalten, wenn sie keine Kündigungsschutzklage erheben. Ca. drei Jahre später gab es dann einen weiteren Personalabbau. Im Interessenausgleich wurde vereinbart, dass der Sozialplan aus dem Jahr 2017 auch nun Anwendung finden sollte. Eine Arbeitnehmerin war Mitglied der Gewerkschaft, erhielt aber nur eine Abfindung auf Basis eines Abfindungsfaktors von 0,9. Nun verlangte sie zusätzlich einen um den Faktor 0,1 erhöhten Abfindungsbetrag. Sie behauptete, der Geschäftsführer der Arbeitgeberin habe mündlich zugesagt, dass die Gewerkschaftsmitglieder wie im Jahr 2017 einen erhöhten Betrag erhalten würden. Außerdem habe die Geschäftsführerin der Gewerkschaft auf einer Betriebsversammlung über die Vereinbarung informiert und der anwesende Geschäftsführer der Beklagten habe dazu geschwiegen. Die Arbeitnehmerin klagte – ohne Erfolg. Betriebsvereinbarungen sind schriftlich abzuschließen nach § 77 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 BetrVG. Mangels Einhaltung dieser Schriftform kann die von der Arbeitgeberin bestrittene Zusage in keinem Fall zu Ansprüchen der Arbeitnehmerin führen. Auch die Zusage der Geschäftsführerin der Gewerkschaft hatte für die Arbeitgeberin keine bindende Wirkung. Denn der Geschäftsführer der Arbeitgeberin hatte zu diesem entscheidenden Punkt geschwiegen.
Hinweis: Wie heißt es so schön? „Wer schreibt, der bleibt.“ Nur schriftliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind auch ihr Geld wert. Sämtliche Inhalte einer Betriebsvereinbarung müssen schriftlich vereinbart werden. Mündliche Zusagen sind eben unwirksam.
Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 29.06.2022 – 1 Sa 991/21
https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/


Kündigung einer Hebamme wegen Austritts aus katholischer Kirche
Diese Vorlage des BAG an den EuGH wird sehr interessant werden.
Ein Krankenhaus gehörte zum katholischen Deutschen Caritasverband. Eine Hebamme war viele Jahre für das Krankenhaus tätig, dann machte sie sich selbst ständig und trat aus der katholischen Kirche aus. Etwa fünf Jahre später wurde die Hebamme wieder eingestellt. Die Hebamme übersandte den vom Krankenhaus bereits unterzeichneten Arbeitsvertrag zusammen mit einem Personalfragebogen an die Personalabteilung des Krankenhauses zurück. In dem Personalfragebogen hatte sie ihren Austritt aus der katholischen Kirche angegeben. Daraufhin kündigte das Krankenhaus das Arbeitsverhältnis sofort wieder. Das Problem an der Sache: Das Krankenhaus beschäftigte auch konfessionslose Mitarbeiter, die zuvor nicht katholisch waren, als Hebammen. Gegen die Kündigung zog die Arbeitnehmerin bis vor das BAG. Das konnte jedoch noch nicht alleine entscheiden. Das BAG fragt nun beim EuGH nach, ob hier eine Diskriminierung vorliegt. Es möchte wissen, ob ein katholisches Krankenhaus eine Arbeitnehmerin allein deshalb als ungeeignet für eine Tätigkeit ansehen darf, weil sie vor Beginn des Arbeitsverhältnisses aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, auch wenn es von den bei ihm tätigen Arbeitnehmern im Übrigen nicht verlangt, dass sie der katholischen Kirche angehören. Über diese Frage wird der EuGH entscheiden müssen.
Hinweis: Die Entscheidung des EuGH wird mit Spannung erwartet. Allein der Zweifel der Richter des BAG an der Rechtmäßigkeit der Kündigung, nährt die Zweifel an einer korrekten Entscheidung des Krankenhauses.
Quelle: BAG, Urt. v. 21.07.2022 – 2 AZR 130/21 (A)
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Trotz medizinischer Gesichtsmaske kein Erschwerniszuschlag
Jedenfalls nach dem Rahmentarifvertrags für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung gibt es keinen Zuschlag bei Tragen einer Gesichtsmaske.
Auf das Arbeitsverhältnis einer Reinigungskraft fand der Rahmentarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung Anwendung. Der Arbeitnehmer sollte nun von August 2020 bis Mai 2021 eine medizinische Gesichtsmaske bei der Arbeit tragen im Zusammenhang mit Corona-Schutzmaßnahmen. Der Arbeitnehmer verlangte daraufhin einen tariflichen Erschwerniszuschlag aus § 10 Nr. 1.2 des Rahmentarifvertrags. Er meinte, auch das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske bei der Arbeitsstelle stelle eine Erschwernis dar. Das sah das Gericht anders. Das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske, einer sog. OP-Maske erfüllt nicht die Voraussetzungen für den Erschwerniszuschlag nach dem Rahmentarifvertrag. Eine medizinische Gesichtsmaske ist keine Atemschutzmaske. Unter den Begriff der Atemschutzmaske fällt nur eine solche Maske, die vorrangig den Eigenschutz bezweckt und zu den sog. persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) gehört. Das trifft auf medizinische Gesichtsmasken nicht zu. Diese bezwecken einen Fremd-, aber keinen Eigenschutz, der den Anforderungen an eine persönliche Schutzausrüstung im Sinne der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften genügt.
Hinweis: Das Urteil ist zwar für einen ganz bestimmten Tarifvertrag ergangen, die grundsätzlichen Argumente zum Eigenschutz sind jedoch allgemeingültig.
Quelle: BAG, Urt. v. 20.07.2022 – 10 AZR 41/22
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Entgeltfortzahlung bei Reise in ein Hochrisikogebiet
Corona ist immer noch da und dieses Urteil ist für Arbeitnehmer im Urlaub besonders wichtig.
Eine dreifach geimpfte Arbeitnehmerin reiste im Januar/Februar 2022 in die Dominikanische Republik. Diese war vom Robert-Koch-Institut zu der Zeit ein Hochrisikogebiet. Am Abflugtag lag dort die Inzidenz bei 378 – in Deutschland aber sogar bei 879. Rund eine Woche nach Beendigung der Reise war die Inzidenz in der Dominikanischen Republik auf 73 gefallen und in Deutschland auf 1.465 gestiegen. Im direkten Anschluss an die Reise wurde die Arbeitnehmerin positiv auf Corona getestet und legte der Arbeitgeberin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Diese erkannte die Arbeitgeberin nicht an und zahlte für den ausgewiesenen Zeitraum keine Entgeltfortzahlung. Die Arbeitnehmerin klagte den Betrag ein – mit Erfolg. Wer seinen Urlaub in einem Corona-Hochrisikogebiet verbringt und im Anschluss an Corona erkrankt, hat seine Erkrankung nicht selbst verschuldet, wenn die Inzidenz im gleichen Zeitraum am Wohn- und Arbeitsort in Deutschland höher liegt.
Hinweis: Der Arbeitgeber muss also eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch dann leisten, wenn ein Arbeitnehmer in ein Hochrisikogebiet mit geringerer Inzidenz als in Deutschland reist. Es liegt keine selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit vor.
Quelle: ArbG Kiel, Urt. v. 27.06.2022 – 5 Ca 229 f/22
https://www.schleswig-holstein.de/DE/justiz/gerichte-und-justizbehoerden/LAG/Arbeitsgerichte/_documents/Arbeitsgericht_Kiel.html

Suspendierung wegen Verstoß gegen Corona-Schutzmaßnahmen
Im öffentlichen Dienst gelten natürlich andere Regelungen als in der Privatwirtschaft. Trotzdem sind die Grundsätze dieses Urteils auch auf die Privatwirtschaft übertragbar.
Einer Lehrerin einer Düsseldorfer Grundschule wurde verboten, die Dienstgeschäfte weiterzuführen. Der Grund lag in der Nichteinhaltung verschiedener Bestimmungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Denn die Lehrerin hatte wiederholt gegen die damals geltende Corona-Betreuungsverordnung verstoßen. Sie soll für die Selbsttests nicht vorgesehene Teststäbchen, sondern handelsübliche Wattestäbchen den Schülern ausgegeben haben. Außerdem hatte sie die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske im Schulgebäude missachtet. Erschwerend kam hinzu, dass sie auch die Einhaltung der Maskenpflicht ihrer Schüler nicht konsequent überwacht hat. Von der Schulleitung erhielt sie eine ausdrückliche Weisung, an die sie sich nicht hielt. Gegen die Suspendierung gegen die Lehrerin in einem Eilverfahren vor. Das Verwaltungsgericht hatte nun zu prüfen, ob das Tätigkeitsverbot aller Voraussicht nach rechtmäßig war oder nicht. Es war der Auffassung, dass das Verbot mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist. Deshalb wurde der einstweiligen Verfügung der Lehrerin nicht stattgegeben. Es lag tatsächlich der Verdacht einer Gefährdung des Dienstbetrieb einer Schule vor. Durch das uneinsichtige Verhalten hatte die Lehrerin den Anschein erweckt, auch in Zukunft nicht bereit zu sein, rechtlichen Regelungen oder dienstlichen Anweisungen Folge zu leisten. Mit Blick auf den Schutz der Schülerinnen und Schüler sowie Kolleginnen und Kollegen vor Gesundheitsgefährdungen sowie das Ansehen des Lehrerberufs war es gerechtfertigt, der Lehrerin die Führung der Dienstgeschäfte zu verbieten.
Hinweis: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch Beamtinnen und Beamte haben sich grundsätzlich an Anordnungen ihres Arbeitgebers zu halten. Andernfalls können schwerwiegende Konsequenzen drohen. Im Einzelfall berät Sie dazu der Rechtsanwalt Ihres Vertrauens.
Quelle: VG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2022 – 2 L 490/22
https://www.vg-duesseldorf.nrw.de/


Die Kündigung während der Elternzeit
Grundsätzlich ist eine ordentliche Kündigung während der Elternzeit nur möglich, wenn die zuständige Behörde zustimmt. Liegt die Zustimmung vor und ein entsprechender Kündigungsgrund, ist jedoch auch dann eine Kündigung denkbar.
Eine Arbeitgeberin hatte die Entscheidung getroffen, eine Arbeitnehmerin zu den bisherigen Bedingungen nicht mehr beschäftigen zu können. Da sich die Arbeitnehmerin in Elternzeit befand, holte die Arbeitgeberin die Zustimmung für eine Änderungskündigung durch die zuständige Behörde ein. Als diese die Zustimmung zur Kündigung erteilte, sprach die Arbeitgeberin die Kündigung aus, gegen die sich die Arbeitnehmerin vor Gericht wehrte. Bei einer Änderungskündigung handelt es sich um eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses verbunden mit dem gleichzeitigen Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen. Und diese Änderungskündigung war hier wirksam. Durch die hier angebotene Änderung sollte das Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen und mit den Aufgaben durchgeführt werden, die die Mitarbeiterin vor Zuweisung des nach Behauptung der Arbeitgeberin weggefallenen anderweitigen Arbeitsplatzes innehatte. Die Arbeitnehmerin hat das Änderungsangebot der Arbeitgeberin abgelehnt und sich gegen die Kündigung gewandt. Der ursprüngliche Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin war durch eine völlig korrekte unternehmerische Entscheidung weggefallen. Infolgedessen war eine Beschäftigung zu den bisherigen Bedingungen nicht mehr möglich. Somit durfte die Arbeitgeberin nach der Zustimmung der Behörde die Arbeitnehmerin auch während der Elternzeit kündigen und ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen anbieten. Da sie das Änderungsangebot nicht angenommen hatte, wurde das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet.
Hinweis: Vor einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist keine Arbeitnehmerin und kein Arbeitnehmer absolut geschützt. Trotzdem handelt es sich bei diesem Urteil sicherlich um einen großen Ausnahmefall. Die Elternzeit und der vorherige Mutterschutz haben noch immer ein großes Gewicht.
Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 05.07.2022 – 16 Sa 1750/21

https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/


Die Befristung zur Krankheitsvertretung
Arbeitsverhältnisse können unter anderem bei Vorliegen eines Sachgrundes befristet werden. Wie das genau bei einer Krankheitsvertretung auszusehen hat, hat das ArbG Erfurt entschieden.
Eine Arbeitnehmerin war befristet eingestellt worden „als Vertretungskraft für die im Krankenstand befindliche Beschäftigte Frau J..“ Drei Monate später teilte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin mit, dass die erkrankte Kollegin die Arbeit wieder aufnehmen könne und damit die auflösende Bedingung ihres befristeten Arbeitsverhältnisses eintreten werde. Ihr wurde mitgeteilt, dass ihr Arbeitsverhältnis zwei Wochen nach Zugang des Schreibens enden würde. Gegen die Befristung klagte die Arbeitnehmerin und meinte, die von ihr vertretene Frau J. würde nicht mehr den Arbeitsplatz zurückkehren. Sie wäre an Krebs erkrankt. Das sahen die Richter allerdings anders. Der Sachgrund der Krankheitsvertretung lag vor, da der Arbeitgeber bei Abschluss des Vertrages davon ausgehen durfte, dass der vertretene Mitarbeiter an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird. Nur dann, wenn er weiß, dass der Vertretene nicht auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird oder aufgrund besonderer Umstände daran erhebliche Zweifel hat, kann die Befristung des Arbeitsvertrages sachlich nicht gerechtfertigt sein. Das Gericht ging dabei davon aus, dass bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages der Arbeitgeber keine Kenntnis dahingehend hatte, dass die zu vertretende Mitarbeiterin Frau J. nicht an den Arbeitsplatz zurückkehren würde.
Hinweis: Läuft ein befristeter Vertrag aus, müssen sich Arbeitnehmer binnen drei Wochen nach Auslaufen des Vertrages gegen die Befristung durch einreihen einer Klage wehren. Hierbei handelt sich um eine Frist, die unbedingt zu beachten ist.
Quelle: ArbG Erfurt, Urt. v. 17.05.2022 – 6 Ca 1834/21
https://arbeitsgerichte.thueringen.de/arbeitsgericht/erfurt


Wenn Polizisten Impfausweise fälschen
Die Fälschung von Impfausweisen ist nun seit geraumer Zeit strafbar. Sowohl Beamtinnen und Beamte als auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten ihrem Arbeitgeber keine gefälschten Ausweise vorzeigen. Das kann zu einer Beendigung der Tätigkeit führen.
Eine Polizistin der Probezeit sollte aus dem Dienst entlassen werden. Es war ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Urkundenfälschung eingeleitet worden. Die Polizistin soll gemeinsam mit ihrem Freund Impfpässe gefälscht haben und an diverse Abnehmer verkauft haben. Gegen die Entlassung zog die Polizistin mit einem Eilantrag vor das VG. Das VG hat den Eilantrag zurückgewiesen. Der Tatverdacht der Begehung einer gewerbsmäßigen Urkundenfälschung rechtfertigte aufgrund seiner Schwere die Entlassung der Polizisten. Eine Beamtin auf Probe kann gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 2 BeamtStG entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt hat.
Hinweis: Wer eine Kündigung oder eine Entlassung aus dem Dienst erhält, sollte sich schnellstmöglich an einen Rechtsanwalt wenden. Vor dem Arbeitsgericht ist eine Klage nur binnen drei Wochen möglich.
Quelle: VG Saarlouis, Urt. v. 04.07.2022 – 2 L 297/22
https://www.saarland.de/vg/DE/home/home_node.html


Keine Entlassung von Polizisten mit nur einer Niere
Wer krank ist, hat nur den einen Wunsch, wieder gesund zu werden. Der Verlust der Arbeitsstelle ist dann zusätzlich besonders bitter. Doch ganz so einfach, wie in diesem Fall eines Bundespolizisten, können es sich Arbeitgeber nicht machen.
Ein Bundespolizist absolvierte seit September 2016 den Vorbereitungsdienst, zum Mai 2019 wurde er in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Während des Vorbereitungsdienstes musste bei ihm aus gesundheitlichen Gründen eine Niere entfernt werden. Der Arbeitgeber hielt den Polizisten daraufhin für dienstunfähig und für den Polizeidienst für gesundheitlich nicht geeignet, jedoch gesundheitlich geeignet für den allgemeinen Verwaltungsdienst. Der Polizist wurde daraufhin entlassen. Gegen die Entlassung klagte der Polizist im Eilverfahren. Nach dem Verwaltungsgericht sei es offen, ob die Entlassung rechtmäßig ist. Der Dienstherr habe den Gesundheitszustand des Polizisten nicht ausreichend individuell geprüft. Ob dem Polizisten aktuell oder prognostisch die gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit fehle, müsse durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden. Allein die Möglichkeit, dass die verbleibende Niere durch die Polizeitätigkeit geschädigt werden könne, reichte jedenfalls nicht aus. Der Dienstherr müsse eine überwiegende Wahrscheinlichkeit von zukünftig eintretender Dienstunfähigkeit oder eine erheblich reduzierte Lebensdienstzeit belegen. Auch habe der Dienstherr nicht hinreichend geprüft, ob der Polizist gegebenenfalls im Innendienst verwendet werden oder die Laufbahn wechseln könne.
Hinweis: Ohne die genaue Prüfung des Gesundheitszustandes und der daraus folgenden Einschränkungen kann ein Beamter auf Probe jedenfalls nicht ohne weiteres entlassen werden.
Quelle: VG Berlin, Urt. v. 27.06.2022 – VG 36 L 220/22
https://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/

Aufgepasst bei vorgetäuschter Krankheit
Wer tatsächlich nicht krank ist, sondern eine Krankheit nur vortäuscht, spielt mit seinem Arbeitsverhältnis.
Ein 24-jähriger Mann wollte sich zum Sport- und Gesundheitstrainer ausbilden lassen. Nachdem er bei einer schulischen Prüfung durchgefallen war, wurde eine Nachholprüfung angesetzt. An dem Tag der Prüfung erschien er im Fitnessstudio seines Ausbildungsbetriebs und legte eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für drei Tage vor. Dann absolvierte er ein intensives Krafttraining. An der Prüfung in der Berufsschule nahm er nicht teil. Deshalb erhielt der Azubi eine fristlose Kündigung, gegen die er eine Kündigungsschutzklage erhob. Das ArbG wies die Klage ab und hielt die fristlose Kündigung für gerechtfertigt. Der wichtige Kündigungsgrund lag darin, dass sich der Azubi die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur ausstellen ließ, um den angesetzten Nachholprüfungen zu entgehen. Dies stellte eine ganz erhebliche Pflichtverletzung dar. Den Vortrag des Azubis, er sei erst krank gewesen und dann spontan genesen und habe auch gearbeitet, glaubte das Gericht nicht. Kein Auszubildender darf davon ausgehen, dass dessen Ausbilder es hinnimmt, falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt zu bekommen, um sich den anstehenden Prüfungen, insbesondere wenn es sich um Nachholprüfungen handelt, zu entziehen.
Hinweis: Je näher das Ausbildungsende ist, desto schwerwiegender müssen die Kündigungsgründe sein. Dieser Fall zeigt aber auch, dass kurz vor Beendigung der Ausbildung eine Kündigung möglich sein kann.
Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 17.03.2022 – 5 Ca 1849/21
https://www.arbg-siegburg.nrw.de/


Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer rechtmäßig
Lange wurde darüber spekuliert, ob Arbeitgeber eine Corona-Testpflicht im Betrieb einführen dürfen.
Eine Flötistin war an der Bayerischen Staatsoper beschäftigt. Zu Beginn der Spielzeit 2020/21 hat die Bayerische Staatsoper zum Schutz der Mitarbeiter vor COVID-19-Erkrankungen bereits bauliche und organisatorische Maßnahmen ergriffen. Zudem hatte sie ein betriebliches Hygienekonzepts entwickelt. Vorgesehen war die Verpflichtung zur Durchführung von PCR-Tests in unterschiedlichen Zeitabständen.  Als Orchestermusikerin sollte die Arbeitnehmerin zunächst wie alle Mitarbeiter zu Beginn der Spielzeit einen negativen PCR-Test vorlegen und in der Folge weitere PCR-Tests im Abstand von ein bis drei Wochen vornehmen lassen. Die Bayerische Staatsoper bot hierfür kostenlose PCR-Tests an, alternativ konnten die Mitarbeiter PCR-Testbefunde eines von ihnen selbst ausgewählten Anbieters vorlegen. Der Flötistin wurde mitgeteilt, dass sie ohne Testung nicht an Aufführungen und Proben teilnehmen könne. Trotzdem weigerte sich, entsprechende Tests durchführen zu lassen. Sie meinte, die Tests seien zu ungenau und ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit. Zudem seien anlasslose Massentests unzulässig. Daraufhin zahlte der Freistaat Bayern für zwei Monate die Gehälter nicht mehr. Dann legte die Arbeitnehmerin doch PCR-Testbefunde vor. Schließlich verlangte sie die Bezahlung für die zwei Monate von Ende August bis Ende Oktober 2020 sowie die künftige Beschäftigung ohne Vorlegen von Tests jedweder Art. Die Flötistin hat ihre Klage verloren. Der Arbeitgeber ist nach § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Arbeitsleistungen so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind. Deshalb war die Anweisung des Arbeitgebers zur Durchführung von PCR-Tests nach dem betrieblichen Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper rechtmäßig. Die Bayerische Staatsoper hatte zunächst technische und organisatorische Maßnahmen wie den Umbau des Bühnenraums und Anpassungen bei den aufzuführenden Stücken ergriffen. Die auf diesem Konzept beruhenden Anweisungen an die Flötistin waren rechtmäßig. Der mit der Durchführung der Tests verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung macht die Testanordnung nicht unzulässig, zumal ein positives Testergebnis mit Blick auf die infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und die Kontaktnachverfolgung ohnedies im Betrieb bekannt wird.
Hinweis: Der Arbeitgeber ist also berechtigt, Coronatests zu verlangen. Die müssen allerdings in ein konkretes Konzept eingebettet sein und dürfen nicht die einzige Maßnahme zur Vermeidung von Corona darstellen.
Quelle: BAG, Urt. v. 01.06.2022 – 5 AZR 28/22
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Kündigung wegen einer schwerwiegenden Beleidigung
Straftaten im Betrieb können schnell zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Das gilt auch für Beleidigungen.
Eine Verkäuferin war bei der Arbeit aus Versehen mit einem Kollegen zusammengestoßen. Sie meinte nun, der Kollege müsse sich bei ihr entschuldigen. Als es deshalb zu einem heftigen Streit kam, beleidigte sie den Kollegen als „Bastard“. Weil die Verkäuferin bereits eine Abmahnung wegen abfälliger Äußerungen gegenüber Kollegen, Vorgesetzten und Kunden erhalten hatte, kündigte ihr der Arbeitgeber fristgemäß. Diese meinte jedoch, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und klagte. Das sah das Landesarbeitsgericht ganz anders: Die Beleidigung als Bastard war besonders schwerwiegend, weil der Kollege damit als unterwertiger Mensch von illegitimer Abstammung bezeichnet wurde. Die Kündigung war wirksam.
Hinweis: Straftaten im Betrieb führen fast immer zu einer Kündigung. Das gilt sogar für „einfache“ Beleidigungen, wenn der Arbeitnehmer zuvor abgemahnt worden ist.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 20.01.2022 – 18 Sa 645/21
https://www.lag-hamm.nrw.de/


Keine Werbung für die Gewerkschaft
Die Gewerkschaften sind auf aktive Mitglieder angewiesen. Deshalb dürfen sie im Betrieb auch Werbung machen. Noch inwieweit hat der Arbeitgeber sie dabei zu unterstützen?
In einem Unternehmen arbeiteten eine ganze Reihe von Mitarbeiter im Homeoffice. Eine Gewerkschaft verlangte von dem Arbeitgeber, dass er eine E-Mail mit von der Gewerkschaft gestalteten Inhalten an alle bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer versendet. Der Arbeitgeber wies die Forderung nach dem Versand der E-Mails zurück, da die Gewerkschaft selbst bereits über das Intranet Möglichkeiten hatte, sich an alle Arbeitnehmer zu wenden. Damit war die Gewerkschaft nicht einverstanden und zog vor das Arbeitsgericht. Das Gericht hielt den Versand der entsprechenden Informationen durch den Arbeitgeber vor allem deshalb nicht für erforderlich, weil die Gewerkschaften bereits über das Intranet die Gelegenheit hatten, mit den Arbeitnehmern zu kommunizieren. Die durch den Versand entstehenden Störungen im Betriebsablauf würden den Arbeitgeber übermäßig belasten. An diesem Punkt kippte die Interessenabwägung zulasten der Gewerkschaft.
Hinweis: Gewerkschaften stehen unter dem Schutz des Grundgesetzes. Deshalb dürfen sie auch im Betrieb werben. Aktiv helfen muss ihnen der Arbeitgeber dabei jedoch nicht.
Quelle: ArbG Bonn, Urt. v. 11.05.2022 – 2 Ca 93/22
https://www.arbg-bonn.nrw.de/


Riskante Raucherpausen
Pausenzeiten muss der Arbeitgeber nicht bezahlen. Deshalb sollten sich Arbeitnehmer ordnungsgemäß für eine Pause abmelden. Und das gilt auch für Raucherpausen.
Eine Arbeitnehmerin war bereits seit dem Jahr 1990 für den Arbeitgeber in Vollzeit tätig. Die Arbeitszeit könnten sich die Angestellten relativ flexibel einteilen. Sie waren allerdings verpflichtet, sich bei jedem Betreten oder Verlassen des Dienstgebäudes an- bzw. abzumelden. Diese Regelung galt ausdrücklich auch für Pausen. Die Arbeitnehmerin verließ mehrfach am Tag während der Arbeitszeit das Dienstgebäude, um eine Zigarettenpause einzulegen. Dabei verzichtete sie immer wieder darauf, sich aus- und später wieder einzustempeln. Bei einem Abgleich mit dem Buchungsjournal der Arbeitszeiterfassung stellte der Arbeitgeber fest, dass die Arbeitnehmerin an 3 Tagen keine einzige Pause, sondern lediglich Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit gebucht hatte. Für das Verhalten entschuldigte sie sich. Trotzdem kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Die Arbeitnehmerin wehrte sich dagegen mit einer Kündigungsschutzklage. Das Gericht hielt die außerordentliche Kündigung für unwirksam, die ordentliche, fristgerechte Kündigung jedoch für wirksam. Es sah in dem Verhalten der Arbeitnehmerin einen Arbeitszeitbetrug. Die Richter stellten klar, dass Arbeitnehmer, die es systematisch unterlassen, sich für eine Rauchpause abzumelden, grundsätzlich eine schwerwiegende Pflichtverletzung im Sinn von § 626 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs begehen. Das Gericht entschied zudem, dass die Wirksamkeit der fristgerechten, ordentlichen Kündigung nicht an ihrer fehlenden sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz scheitere. Die Arbeitnehmerin hatte sich insoweit auf ihre Nikotinsucht berufen. Die Richter schmetterten das Argument damit ab, dass diese allenfalls die Anzahl der Raucherpausen erklären könne. Für die Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Dokumentation liege keine soziale Rechtfertigung vor. Wegen der Schwere der Pflichtverletzung stellt sich die ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung auch nach der durchzuführenden Interessenabwägung als sozial gerechtfertigt dar.
Hinweis: Wer also für eine Pause nicht ordnungsgemäß ab- und anmeldet, kann einen Arbeitszeitbetrug begehen. Handelt sich um ein schwerwiegendes Delikt. Denn der Arbeitgeber bezahlt Zeit, für die er keine Gegenleistung erhält.
Quelle: LAG Thüringen, Urt. v. 03.05.2022 – 1 Sa 18/21
https://arbeitsgerichte.thueringen.de/

Kein Betrug der Betriebsrätin
Mitglieder des Betriebsrates sind vor Kündigungen besonders geschützt. Denn der Betriebsrat muss der Kündigung zustimmen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie sich alles erlauben können. Trotzdem ist eine Kündigung nur sehr schwer durchsetzbar.
Eine Reinigungskraft war in einem Unternehmen für Reinigungsdienstleistungen tätig. Gleichzeitig war sie die Betriebsratsvorsitzende. Am 30. August 2021 war ein Ausgleichstag geplant. Die Arbeitnehmerin beantragte jedoch, diesen Ausgleichstag wegen eines Arzttermins am 3. September nehmen zu dürfen. Das wurde auch genehmigt. Trotzdem fand der Arbeitgeber dann in dem ausgefüllten Arbeitszeitnachweis keine Korrektur. Außerdem hatte die Betriebsratsvorsitzende eine halbstündige Betriebsratstätigkeit an einem falschen Tag eingetragen. Deshalb wollte der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen und beantragte die Zustimmung bei seinem Betriebsrat. Als er die nicht erhielt, beantragte er beim Arbeitsgericht das sogenannte Zustimmungsersetzungsverfahren. Denn das Arbeitsgericht kann die Zustimmung des Betriebsrats ersetzen. Das sah das Arbeitsgericht jedoch völlig anders. Ein Grund für eine Kündigung lag nicht vor, obwohl zwei nicht korrekte Arbeitszeitnachweise eingereicht worden waren. Die Betriebsratsvorsitzende hatte aber keinen Täuschungswillen. Zum einen war in dem ausgehändigten Arbeitszeitnachweis für den 3. September eine Arbeitsleistung voreingetragen, obwohl die Arbeitgeberin wusste, dass der Ausgleichstag am 3. September gewährt wurde. Das leistete einem Irrtum bei der Eintragung Vorschub. Außerdem ging das Gericht nicht von einer vorsätzlichen Täuschung aus, sondern von einem Versehen der Arbeitnehmerin.
Hinweis: Wird einem Mitglied des Betriebsrats gekündigt, sollte in jedem Fall geprüft werden, ob es sinnvoll ist, eine Kündigungsschutzklage einzureichen dafür haben Arbeitnehmer drei Wochen Zeit.
Quelle: ArbG Gera, Beschl. v. 08.03.2022 – 3 BV 7/21
https://arbeitsgerichte.thueringen.de/arbeitsgericht/gera


Auch eine sexuelle Belästigung muss vor der Kündigung abgemahnt werden
Vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung hat der Arbeitgeber im Regelfall eine Abmahnung auszusprechen. Und das gilt auch, wenn dem Arbeitnehmer eine sexuelle Belästigung vorgeworfen wird.
Mehrere Arbeitnehmerinnen hatten sich über einen Kollegen wegen sexueller Belästigung beschwert. Er hatte unter anderem Kolleginnen den Arm um die Schultern gelegt, sie zum Sauna-Gang oder Café-Besuch aufgefordert. Dabei soll es sich um den technischen Leiter des Betriebs gehandelt haben. Für die Belästigungen kassierte der Arbeitnehmer eine fristlose Kündigung, gegen die er klagt. Das Gericht hielt die Kündigung jedoch für unverhältnismäßig und erklärte sie für unwirksam. Es fehlte an einer vorherigen Abmahnung. Selbst bei einer Kündigung wegen einer sexuellen Belästigung handelt sich um eine verhaltensbedingte Kündigung. Die setzt grundsätzlich voraus, dass ein Arbeitnehmer zuvor einschlägig abgemahnt worden ist.
Hinweis: Eine sexuelle Belästigung ist ein schwerwiegendes Delikt. Trotzdem ist nicht immer gleich eine Kündigung das Richtige. Die Kündigung ist stets das letzte Mittel, zu dem Arbeitgeber greifen darf.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 23.02.2022 – 10 Sa 492/21
https://www.lag-hamm.nrw.de/


Die Verrechnung der Mehrstunden mit dienstfreien Zeiten
In diesem Fall ging es um die Frage, ob eine Beamtin einen Anspruch auf Gutschrift ihrer Mehrstunden hat, die der Dienstherr mit den infolge des pandemiebedingten Wegfalls ihres Tagdienstes entstandenen Minusstunden verrechnet hatte.
Eine Beamtin war in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) tätig war. Im Januar 2021 wurde sie für eine Woche vom Dienst freigestellt, nachdem in der JVA das Coronavirus ausgebrochen war. Der Dienstherr hatte sämtliche Arbeitsbereiche mit Ausnahme der für die Aufrechterhaltung des Anstaltsbetriebs erforderlichen Bereiche geschlossen. Die den dienstfrei gestellten Beschäftigten entstandenen Minderstunden wurden mit vorhandenen Mehrstunden verrechnet. Dagegen klagte die Beamtin – erfolglos. Sie hatte keinen Anspruch auf Gutschrift ihrer verrechneten Mehrstunden. Die Verrechnung war vom Organisationsermessen des Dienstherrn umfasst. Er darf Zeit und Ort der Dienstleistungspflicht der Beschäftigten durch das ihm zustehende Weisungsrecht bestimmen. Der Personalbedarf war infolge des Corona-Ausbruchs kurzfristig entfallen.
Hinweis: Der Fall trug sich in Zeiten der Pandemie und im öffentlichen Dienst zu. Die Grundgedanken sind jedoch auch auf die freie Wirtschaft übertragbar.
Quelle: VG Koblenz, Urt. v. 19.04.2022 – 5 K 902/21.KO
https://vgko.justiz.rlp.de/de/startseite/


Die Beteiligung des Betriebsrats bei einer Kündigung in der Probezeit
Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der Probezeit ist unter Beachtung der Kündigungsfristen jederzeit möglich. Insbesondere benötigt der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund. Jedoch ist stets der Betriebs- oder Personalrat zuvor anzuhören.
Eine Arbeitnehmerin war bei einer Behörde in Thüringen beschäftigt. Sie befand sich noch in der Probezeit. Der Arbeitgeber war mit ihren Leistungen nicht zufrieden und beendete das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung noch in der Probezeit. Der vor der Kündigung angehörte Personalrat hatte mit der Begründung der Kündigung widersprochen, dass die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich wäre und eine Weiterbeschäftigung unter geänderten Vertragsbedingungen erfolgen könnte. Die Zustimmungsverweigerung des Personalrats für eine Kündigung in der Probezeit war unbeachtlich, da die Zustimmung mit einer Begründung verweigert wurde, die inhaltlich außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes lag. Die Mitbestimmtheit beschränkt sich dabei auf solche Gründe, die im Rahmen der Probezeitkündigung eine Rolle spielen. Somit waren die Anhörung des Personalrats sowie die Kündigung rechtmäßig. Denn den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses benötigt der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund.
Hinweis: Viele Kündigungen sind schon an der fehlerhaften Betriebsratsanhörung gescheitert. Das gilt im Übrigen auch für Kündigungen in der Probezeit.
Quelle: Thüringer LAG, Urt. v. 08.03.2022 – 5 Sa 62/22
https://arbeitsgerichte.thueringen.de/


Schriftform versus Scan
Verlangt das Gesetz eine Schriftform, müssen sich alle Beteiligten daran halten. Andernfalls sind die abgegebenen Erklärungen in der Regel unwirksam.
Eine Zeitarbeitsfirma schloss mit einer Arbeitnehmerin in den vergangenen Jahren über 20 befristete Arbeitsverträge, die sich jeweils auf Tätigkeiten für wenige Tage bezogen. Die Verträge erhielt die Mitarbeiterin jedes Mal mit einer eingescannten Unterschrift des Arbeitgebers, unterschrieb selbst und schickte die Verträge zurück. Dann klagte die Mitarbeiterin auf Unwirksamkeit der Befristung und berief sich auf die fehlende Schriftform. Befristung abreden sind nämlich nur wirksam, wenn sie auch tatsächlich schriftlich erfolgen. Das sah das Gericht genauso. Eine eingescannte Unterschrift kann die eigene Unterschrift nicht ersetzen.
Hinweis: Die Einhaltung der Schriftform bei Kündigungen ist ganz wichtig. Und Schriftform bedeutet eben die eigenhändige Unterschrift.
Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.03.2022 – 23 Sa 1133/21
https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/

Datenschutzverstoß des Betriebsrats kann Kündigung rechtfertigen
Auch der Betriebsrat hat den Datenschutz zu beachten. Kommt es zu einem gravierenden Datenschutzverstoß, kann sogar eine Kündigung gerechtfertigt sein.
Ein seit mehr als 20 Jahren beschäftigten Entwicklungsingenieur war seit dem Jahr 2006 Mitglied des Betriebsrats. Seine Arbeitgeberin hatte ihm bereits vor mehreren Jahren einmal gekündigt, wogegen der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage eingelegt hatte. Die Prozessakten und insbesondere die Schriftsätze der Arbeitgeberin hatte er nun digitalisiert und im Internet für einen größeren Kreis von Personen zum Herunterladen bereitgestellt. Daraufhin wurde ihm erneut außerordentlich gekündigt. Die Arbeitgeberin war der Auffassung, der Arbeitnehmer habe gegen Bestimmungen des Datenschutzrechtes verstoßen. In den Schriftsätzen der Arbeitgeberin waren nämlich auch personenbezogene Daten enthalten, insbesondere Gesundheitsdaten weiterer Mitarbeiter mit deren Namen. Diese personenbezogenen Daten hatte der Arbeitnehmer ebenfalls einem größeren Verteilerkreis offenbart. Das LAG wies die Kündigungsschutzklage ab. Es war der Auffassung, dass der Mitarbeiter rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte anderer verletzt habe. Er hätte die in den Schriftsätzen namentlich benannten Personen und deren Gesundheitsdaten nicht veröffentlichen dürfen. Die außerordentliche Kündigung war gerechtfertigt.
Hinweis: Einem Betriebsratsmitglied kann also ein sozial gerechtfertigt gekündigt werden, wenn es Prozessakten mit sensiblen Personaldaten aus einem früheren Kündigungsschutzprozess digital veröffentlicht.
Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 05.03.2022 – 7 Sa 63/21
https://landesarbeitsgericht-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite


Wenn der besondere Kündigungsschutz Schwangerer endet
Dieses Urteil zu einer fristlosen Kündigung einer Schwangeren, die später in Elternzeit war, sollten Sie kennen.
Eine schwangere Arbeitnehmerin hatte Geld unterschlagen. Da Schwangere einen Sonderkündigungsschutz genießen, beantragte der Arbeitgeber bei der Aufsichtsbehörde die Zustimmung zur Kündigung. Die Behörde erteilte jedoch keine Zustimmung, so dass der Arbeitgeber schließlich nach einem erfolglosen Widerspruchsverfahren Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Behördenentscheidung erhob. Noch bevor das Verwaltungsgericht eine Entscheidung gefällt hatte, kam das Kind der Mitarbeiterin zur Welt. Schließlich endete die beantragte Elternzeit. Am ersten Tag nach Ende der Elternzeit kündigte der Arbeitgeber dann fristlos. Die Zustimmung der Behörde war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erforderlich, da ja kein Sonderkündigungsschutz mehr bestand. Die Arbeitnehmerin zog gegen die Kündigung vor die Arbeitsgerichte, jedoch erfolglos. Die Unterschlagungen hatten die fristlose Kündigung gerechtfertigt, denn es lag ein wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Der Arbeitgeber hat für eine fristlose Kündigung grundsätzlich nur zwei Wochen nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes Zeit. Hier reicht es jedoch aus, dass er innerhalb dieser zwei Wochen die Zustimmung zur Kündigung bei der Behörde beantragt hatte. Wäre die Zustimmung erteilt worden, hätte er dann unverzüglich nach Erhalt der Zustimmung kündigen müssen. Der Wegfall des Zustimmungserfordernisses steht jedoch nach den Richtern einer Zustimmung gleich.
Hinweis: Arbeitgeber brauchen also nicht mehr den Ausgang des Verwaltungsgerichtsverfahrens abzuwarten. Sie können dann kündigen, wenn der besondere Kündigungsschutz entfallen ist.
Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 15.03.2022 – 5 Sa 122/21
https://www.mv-justiz.de/gerichte-und-staatsanwaltschaften/fachgerichte/arbeitsgerichte/landesarbeitsgericht/


Die rechtmäßige Kündigung wegen eines gefälschten Impfausweises
Wer seinen Arbeitgeber belügt und betrügt, muss mit einer Kündigung rechnen. Aber wie ist das bei der Vorlage eines gefälschten Impfausweises aus?
Eine Arbeitnehmerin arbeitete bei einem Unternehmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und betreute in diesem Zusammenhang auch Pflegeeinrichtungen. Die Arbeitgeberin informierte im Oktober 2021 sämtliche Mitarbeiter, dass ab November nur noch vollständig geimpfte Mitarbeiter Kundentermine wahrnehmen dürfen. Daraufhin legte die Arbeitnehmerin einen Impfausweis vor und nahm dann weitere Außentermine bei Kunden wahr. Später stellte sich heraus, dass der Impfausweis gefälscht war. Die Arbeitgeberin nahm das zum Anlass, eine fristlose außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen. Auch das Arbeitsgericht war der Auffassung, dass ein wichtiger Grund für eine Kündigung vorgelegen hatte. Der Präsenz-Kontakt zu Kunden ohne Impfung stellte eine erhebliche Verletzung der Verpflichtung der Arbeitnehmerin zur Wahrung der Interessen der Arbeitgeberin dar. Sie hatte das für eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen verwirkt.
Hinweis: Die Vorlage eines gefälschten Impfausweises stellt also einen Kündigungsgrund dar. Das sollten Arbeitnehmer wissen.
Quelle: ArbG Köln, Urt. v. 23.03.2022 – 18 Ca 6830/21
https://www.arbg-koeln.nrw.de/


Mit Corona besser nicht zur Arbeit
Wer eine ansteckende Krankheit hat, sollte besser zu Hause bleiben. Andernfalls drohen im schlimmsten Fall Schadensersatzforderungen.
Der Geschäftsführer einer Immobilienfirma kam im August 2020 mit Erkältungssymptomen aus dem Urlaub zurück – trotz Corona-Pandemie. Er ging weiter zur Arbeit und fuhr eine Woche später mit einer Mitarbeiterin gemeinsam in einem Pkw zu 2 Eigentümerversammlungen. Beide trugen keine Maske. Dann wurde der Geschäftsführer positiv auf das Coronavirus getestet. Seine Kollegin erhielt deshalb eine Quarantäneanordnung und musste ihre für das folgende Wochenende geplante Hochzeitsfeier mit etwa 100 Gästen absagen. Die Stornokosten beliefen sich auf 5.000 €, die sie von ihrem Arbeitgeber ersetzt verlangte und klagte – erfolgreich. Der Arbeitgeber musste zahlen, denn sein Geschäftsführer hatte eine Pflichtverletzung begangen, indem er trotz Erkältungssymptomen zur Arbeit kam. Er hätte vorher abklären müssen, ob eine Coronainfektion vorliegt. Wäre der Geschäftsführer nicht zur Arbeit gekommen oder zumindest nicht mit der Mitarbeiterin gemeinsam in einem Auto gefahren, hätte diese ihre Hochzeit wie geplant feiern können. Der Arbeitgeber muss die Stornokosten übernehmen.
Hinweis: Dieses Urteil sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer kennen, da der Arbeitgeber für ein Fehlverhalten seines Geschäftsführers haften musste.
Quelle: LAG München, Urt. v. 14.02.2022 – 4 Sa 457/21
https://www.lag.bayern.de/muenchen/lag/


Aufgepasst bei eingescannten Unterschriften
Immer dann, wenn das Gesetz die Schriftform vorsieht, müssen entsprechende Schriftstücke auch tatsächlich im Original unterschrieben sein.
Oft geht das Gesetz von einer strengen Schriftform aus. Strenge Schriftform bedeutet: Originalunterschrift auf Papier. Das ist beispielsweise bei einer Kündigung oder beim Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags der Fall. Nun schloss eine Zeitarbeitsfirma mit einer Mitarbeiterin über viele Jahre hinweg über 20 befristete Arbeitsverträge, die sich jeweils auf Tätigkeiten für wenige Tage bezogen. Die Verträge erhielt die Mitarbeiterin jedes Mal mit einer eingescannten Unterschrift des Arbeitgebers. Dann unterschrieb sie diese Verträge und schickte sie zurück. Schließlich klagte sie auf Unwirksamkeit der Befristung wegen der fehlenden Schriftform und siegte vor Gericht. Die Befristung eines Arbeitsvertrags bedarf der Schriftform und damit einer Originalunterschrift bzw. einer qualifizierten elektronischen Signatur. Eine eingescannte Unterschrift kann diese nicht ersetzen. Die Befristung wird auch nicht durch eine nachträgliche eigenhändige Unterschrift wirksam.
Hinweis: Die Arbeitnehmerin konnte die fehlende Originalunterschrift zu Ihren Gunsten ausnutzen. Befristete Arbeitsverträge, eine Kündigung und ein Aufhebungsvertrag müssen unterschrieben werden – im Original!
Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.03.2022 – 23 Sa 1133/21
https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/

Das Gebot fairen Verhandelns gilt auch für den Aufhebungsvertrag
Wird Arbeitnehmern ein Aufhebungsvertrag vorgelegt mit der Aufforderung, ihn sofort zu unterschreiben, ist das häufig nicht in Ordnung.
Eine Arbeitnehmerin war als Teamkoordinatorin im Verkaufsbereich eine Arbeitgeberin tätig. Ihr wurde vorgeworfen, sie habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV abgeändert und reduziert, umso einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln. Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin und sein Anwalt führten mit der Arbeitnehmerin ein Gespräch. Sie erhoben die Vorwürfe und schließlich unterzeichnet die Arbeitnehmerin nach einer zehnminütigen Pause, in der die drei Anwesenden stillschweigend am Tisch saßen, den von der Arbeitgeberin vorbereiteten Aufhebungsvertrag. Die Arbeitnehmerin hat später den Aufhebungsvertrag angefochten wegen einer widerrechtlichen Drohung. Sie machte den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend. Dabei behauptete sie, ihr sei für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags eine fristlose Kündigung und eine Strafanzeige angedroht worden. Außerdem wäre ihrer Bitte für eine längere Bedenkzeit nicht entsprochen worden. Bundesarbeitsgericht entschied, dass der Aufhebungsvertrag wirksam war. Denn selbst wenn es so gewesen wäre, wie die Arbeitnehmerin behauptete, fehlte es an der Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung. Ein verständiger Arbeitgeber durfte nämlich sowohl eine außerordentliche fristlose Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen. Das gilt sogar für diesen Fall, in dem der Arbeitnehmerin weder eine Bedenkzeit verblieb noch weiteren Rechtsrat einholen zu können.
Hinweis: Arbeitnehmer sollten also vor der Unterschrift eines Aufhebungsvertrags sich nicht unter Druck setzen lassen. Egal, wie der Arbeitgeber auch reagiert, eine Unterschrift sollte erst nach dem Einholen weiteren Rechtsrats erfolgen.
Quelle: BAG, Urt. v. 24.02.2022 – 6 AZR 333/21
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Die unwirksame Betriebsratswahl
Auch bei großen Industrieunternehmen kann einmal eine Betriebsratswahl unwirksam sein.
Die große Automobilkonzern betrieb ein Werk zur Herstellung von Nutzfahrzeugen. Das mehrere Hektar große Werksgelände war von einem geschlossenen Werkszaun umgeben und der Zugang erfolgte durch vom Werkschutz kontrollierte Tore. Außerhalb des umzäunten Geländes befanden sich weitere Betriebsstätten, die dem Hauptwerk organisatorisch zugeordnet waren und von dem dort gewählten Betriebsrat vertreten wurden. Für die Betriebsratswahl war ein Wahlvorstand gewählt worden. Der hatte nun folgendes entschieden: Es sollte für die Arbeitnehmer sämtlicher außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegender Betriebsstätten ausschließlich die schriftliche Stimmabgabe erfolgen, der Betriebsrat sollte also per Briefwahl gewählt werden. Drei der davon betroffenen Betriebsstätten liegen unmittelbar angrenzend an das umzäunte Werksgelände. Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses hatten neun wahlberechtigte Arbeitnehmer die Wahl angefochten. Sie meinten, die Briefwahl hätte nicht für sämtliche außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegende Betriebsstätten beschlossen werden dürfen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Betriebsratswahlen für unwirksam erklärt. Der Wahlvorstand kann zwar die schriftliche Stimmabgabe für räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernte Betriebsteile und Kleinstbetriebe beschließen nach § 24 Abs. 3 der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz. Hier war der Wahlvorstand zu Unrecht davon ausgegangen, dass diese Voraussetzung auch bei den drei unmittelbar an das umzäunte Werksgelände angrenzenden Betriebsstätten erfüllt war. Das galt selbst unter Berücksichtigung eines ihm zustehenden Beurteilungsspielraums. Die Wahl war anfechtbar, da dieser Fehler das Wahlergebnis auch beeinflussen konnte.
Hinweis: Die Regelungen zur Wahl eines Betriebsrats finden Sie im Betriebsverfassungsgesetz und in der dazugehörigen Wahlordnung. Ganz einfach sind die Regelungen nicht zu verstehen, insbesondere, wenn Wahlen in größeren Unternehmen anstehen. Die entsprechenden Wahlvorstände haben allerdings das Recht, sich rechtlich beraten zu lassen und auch gegebenenfalls Schulungen zu besuchen.
Quelle: BAG, Beschl. v. 16.03.2022 – 7 ABR 29/20
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Neues zur Probezeitkündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer
Schwerbehinderter Arbeitnehmer sind besonders geschützt. Sie können nach sechs-monatigen Bestehen des Arbeitsverhältnisses nur noch mit behördlicher Zustimmung gekündigt werden. Doch was ist in den ersten sechs Monaten?
Ein Arbeitgeber stellte einen neuen Facharbeiter ein. Kurz nachdem dieser seine neue Stelle angetreten hatten, wurden bei diesem so schwere Herzprobleme festgestellt, dass eine Beschäftigung auf dem ursprünglich für ihn vorgesehenen Arbeitsplatz unmöglich war. Der Arbeitgeber versetzte ihn deshalb noch in der Probezeit auf einen anderen Arbeitsplatz. Dort arbeitete er als Lagerist. Allerdings erschien dem Arbeitgeber die Beschäftigung auf dem Ersatzarbeitsplatz offensichtlich auch zu unsicher. Er sprach deshalb rechtzeitig eine Probezeitkündigung aus. Die begründete er damit, dass eine Weiterbeschäftigung auf dem geschuldeten Arbeitsplatz aufgrund der Behinderung unmöglich erscheine. Der Mitarbeiter wehrte sich gegen die Kündigung und klagte bis zum EuGH. Der EuGH entschied, dass dem Arbeitnehmer zu Unrecht gekündigt worden war. Arbeitgeber müssen geeignete und im konkreten Fall erforderliche Maßnahmen ergreifen, um Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufs, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn die Maßnahmen einen Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten würden. Der Arbeitgeber muss deshalb einen Arbeitsplatz so einrichten, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer seine Arbeit ausführen kann. Die Richter wiesen zudem darauf hin, dass ein Arbeitgeber verpflichtet sein kann, einen Arbeitnehmer der aufgrund des Entstehens einer Schwerbehinderung seine ursprüngliche Tätigkeit langfristig nicht mehr ausüben könne, an einem anderen Arbeitsplatz einzusetzen.
Hinweis: Schwerbehinderte oder gleichgestellte Arbeitnehmer haben nach dieser Entscheidung des EuGH wesentlich bessere Karten, gegen eine Probezeitkündigung vorzugehen. Wie die Erfolgsaussichten im Einzelfall sind, kann ein Rechtsanwalt beurteilen. Arbeitgeber sollten sich in jedem Fall bei der Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters zuvor beraten lassen.
Quelle: EuGH, Urt. v. 10.02.2022 – C-485/20
https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de/


Die diskriminierte Arbeitsassistenz
Dieser Fall zeigt sehr schön, dass sich Diskriminierungsschutz und Behindertenschutz widersprechen können.
Mit einem Stellenangebot suchte ein Assistenzdienst eine Mitarbeiterin. Der Assistenzdienst bot Menschen mit Behinderungen Beratung, Unterstützung sowie Assistenzleistungen in verschiedenen Bereichen an. Der Assistenzdienst suchte „weibliche Assistentinnen“ in allen Lebensbereichen des Alltags, die „am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt sein“ sollten. Assistenzleistungen werden für Menschen mit Behinderungen nach § 78 SGB IX zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags einschließlich der Tagesstrukturierung erbracht. Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags. Eine 1968 geborene Frau bewarb sich ohne Erfolg auf die Stellenausschreibung. Als sie nicht genommen wurde, verklagte sie den Assistenzdienst auf Zahlung einer Entschädigung. Sie hat die Auffassung vertreten, der Assistenzdienst habe sie im Bewerbungsverfahren entgegen den Vorgaben des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wegen ihres Alters benachteiligt und sei ihr deshalb nach § 15 Abs. 2 AGG zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet. Die ausdrücklich an Assistentinnen im Alter „zwischen 18 und 30“ Jahren gerichtete Stellenausschreibung begründe die Vermutung, dass sie bei der Stellenbesetzung wegen ihres höheren Alters nicht berücksichtigt und damit wegen ihres Alters diskriminiert worden sei. Die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters sei bei Leistungen der Assistenz nach § 78 SGB IX unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt. Das Bundesarbeitsgericht meinte, das den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu der Frage hören zu müssen. Der EuGH soll die folgende Frage beantworten: Kann nach den EU-Richtlinien und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta) sowie nach Art. 19 der UN-BRK in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gerechtfertigt werden sein? Denn der Assistenzdienst sah die Sache anders als die Bewerberin. Er meinte, eine Ungleichbehandlung wegen des Alters sei nach dem AGG gerechtfertigt. Bei der Beurteilung einer etwaigen Rechtfertigung seien nicht nur die Bestimmungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) zu berücksichtigen. Vielmehr sei es auch so, dass die eine persönliche Assistenz in Anspruch nehmenden Leistungsberechtigten nach § 8 Abs. 1 SGB IX ein Wunsch- und Wahlrecht auch im Hinblick auf das Alter der Assistenten/innen hätten. Nur so sei eine selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu erreichen.
Hinweis: Es kann durchaus nachvollzogen werden, dass für eine Arbeitsassistenz ein bestimmtes Alter erforderlich sein kann. Es wird jeweils auf den Einzelfall ankommen.
Quelle: BAG, Beschl. v. 24.02.2022 – 8 AZR 208/21 (A)
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Initiatorin einer Wahl mehrfach gekündigt
Die Mitglieder des Wahlvorstands einer Betriebsratswahl genießen besonderen Kündigungsschutz. Ignoriert der Arbeitgeber diesen Sonderkündigungsschutz, können betroffene Arbeitnehmer dagegen klagen.
Der Arbeitgeber hatte einer Beschäftigten 3-mal erfolglos außerordentlich gekündigt. Mitte August hatte die Arbeitnehmerin gemeinsam mit zwei Kolleginnen zu einer Betriebsversammlung eingeladen. Ziel der Versammlung war es, einen Wahlvorstand für eine Betriebsratswahl zu wählen. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin der Arbeitnehmerin fristlos, hilfsweise fristgerecht wegen wiederholten Zuspätkommens trotz einschlägiger Abmahnung. Die Beschäftigte wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage. Das ArbG hielt die fristlose Klage für unwirksam, da Verspätungen grundsätzlich keine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das Gericht entschied zudem, dass die hilfsweise ausgesprochene fristgemäße Kündigung unwirksam war, weil die Arbeitnehmerin als Initiatorin der Betriebsratswahl besonderen Kündigungsschutz genießt. Zu der Betriebsversammlung, in der der Wahlvorstand gewählt werden sollte, erschienen rund 15 Beschäftigte. Sie passten allerdings nicht alle in den zu diesem Zweck gemieteten Raum wegen der Corona-Vorschriften. Die Arbeitgeberin hatte zwar kurzfristig andere Räume angeboten. Die Arbeitnehmerin lehnte dieses Angebot jedoch ab. Die Betriebsversammlung fand deshalb nicht statt. Deshalb erhielt die Arbeitnehmerin eine weitere Kündigung. Auch diese Kündigung scheiterte vor dem Arbeitsgericht. Maßgeblich dafür war, dass die Arbeitgeberin keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die behaupteten Absichten der Arbeitnehmerin vorbringen konnte. Dann kam die dritte Kündigung wegen eines Verstoßes gegen ein Hausverbot. Im Dezember hängte die später erneut gekündigte Beschäftigte ohne vorherige Absprache mit der Arbeitgeberin im Back-Office der Filiale eine neue Einladung zu einer Wahlversammlung aus. Hierauf reagierte die Arbeitgeberin erneut mit einer fristlosen Kündigung. Diese begründete sie damit, dass die Arbeitnehmerin ein Hausverbot missachtet und einen Hausfriedensbruch begangen habe Auch diese Kündigung scheiterte vor dem Arbeitsgericht. Das Gericht ging zwar von einer Verletzung des Hausrechts aus. Das war aber nicht so schwerwiegend, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt gewesen wäre. Mit einer Abmahnung wäre das Verhalten vielmehr ausreichend sanktioniert worden.
Hinweis: Gegen eine Kündigung muss zwingend binnen drei Wochen eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingelegt werden. Wird die Frist verpasst, beendet in den allermeisten Fällen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Quelle: ArbG Düsseldorf, Urt. v. 23.02.2022 – 10 Ca 4119/21
https://www.arbg-duesseldorf.nrw.de/

Die betriebsbezogene Impfpflicht: Eilantrag abgewiesen
Mit § 20a Infektionsschutzgesetz (IFSG) wurde die einrichtungsbezogene Impfpflicht eingeführt. Seit dem 15. März 2022 sind alle im Gesundheitswesen Tätige betroffen.
Das gilt unter anderem für Kliniken, Pflegeheime, Arztpraxen, Pflege- und Rettungsdienste. Das BVerfG hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit dem verlangt worden war, den Vollzug der einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht vorläufig auszusetzen. Wenn die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes verlangt wird, gelten dafür besonders hohe Hürden. Es stellt einen erheblichen Eingriff in die Zuständigkeit des Gesetzgebers dar. Es müssen die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe ein ganz besonderes Gewicht haben. Deshalb hatte der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg. Gegen die Einführung einer einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht in § 20a IfSG sah das BVerfG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung steht die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegenüber. Daher ist das Gesetz gültig.
Hinweis: Es bestanden für das BVerfG Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 20a IfSG gewählten gesetzlichen Regelungstechnik. Das Gesetz verweist auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts. Das heißt aber noch lange nicht, dass das Gesetz nicht angewendet werden muss.
Quelle: BVerfG, Urt. v. 10.02.2022 – 1 BvR 2649/21
https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Homepage/homepage_node.html


Zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
In einem Kleinbetrieb von bis zu 10 Arbeitnehmern in Vollzeit gilt das KSchG nicht. Damit benötigt ein Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund. Was aber, wenn er mehrere Kleinbetriebe hat?
Eine Reinigungskraft arbeitete auf den Campingplätzen der Arbeitgeberin. Daneben wurde auch ein Elektroinstallationsunternehmen betrieben. Zusammen gab es mehr als 10 Arbeitnehmer. Und darauf wollte die Arbeitnehmerin hinaus. In dem Fall stritten die Parteien nämlich darum, ob eine ordentliche Kündigung der Arbeitgeberin ein Arbeitsverhältnis beendet hatte. Nach § 23 Abs. 1 KSchG kommt es nicht entscheidend darauf an, ob unterschiedliche Unternehmen vorliegen. Egal ist es auch, ob die Unternehmen steuerrechtlich getrennt sind. Betriebsteile und Nebenbetriebe werden nach § 23 KSchG als Einheit mit dem Hauptbetrieb angesehen, soweit sie arbeitstechnisch nur Teilfunktionen wahrnehmen und über keinen eigenen Leitungsapparat verfügen. Hier erfolgten zentrale unternehmenslenkende Entscheidungen einheitlich im zentralen Büro und dort wurden auch für die Unternehmen die maßgeblichen Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten getroffen. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass für die Kündigung ein Grund erforderlich war, den die Arbeitgeberin nicht nachweisen konnte. Die Kündigung war unwirksam.
Hinweis: Mehrere steuerlich völlig unabhängige Betriebe können also kündigungsschutzrechtlich zusammenzufassen sein. Dann benötigt der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund, wenn er sich von einem Mitarbeiter trennen möchte.
Quelle: ArbG Gera, Urt. v. 16.12.2021 – 2 Ca 329/20
https://arbeitsgerichte.thueringen.de/arbeitsgericht/gera


Einsichtsrecht des Arbeitgebers in Wahlakten nach Betriebsratswahl
Im Moment finden in vielen Betrieben in der Zeit vom 01.03.2022 bis zum 31.05.2022 Betriebsratswahlen statt.
Eine Arbeitgeberin hatte von ihrem Betriebsrat Einsicht in die Wahlakten zur Betriebsratswahl verlangt. Die Arbeitgeberin hatte die Wahl angefochten. Der Betriebsrat verweigerte der Arbeitgeberin die Einsichtnahme. Deshalb zog die Arbeitgeberin vor Gericht im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens. Das LAG hat den Betriebsrat verpflichtet, der Arbeitgeberin vollständige Einsicht in die Wahlakten zur Betriebsratswahl zu gewähren. Das begründete das Gericht damit, dass sich aus der in § 19 Wahlordnung normierten Pflicht des Betriebsrats, die Wahlakten mindestens bis zur Beendigung seiner Amtszeit aufzubewahren, grundsätzlich ein Anspruch des Arbeitgebers auf Einsichtnahme in die Wahlakten ergebe. Schließlich solle § 19 Wahlordnung ermöglichen, dass Personen auch nach Abschluss der Betriebsratswahl vom Inhalt der Wahlakten Kenntnis nehmen können. Anlass dazu könne sein, dass jemand die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratswahl überprüfen wolle.
Hinweis: Die Einsichtnahme einer Arbeitgeberin in die Wahlakten ist allerdings teilweise eingeschränkt. Grundsätzlich sind die Bestandteile der Wahlakte, aus denen sich Rückschlüsse auf das Wahlverhalten einzelner Arbeitnehmer gezogen werden könnten, vom Einsichtnahmerecht ausgeschlossen. Eine Einsichtnahme in diese Bestandteile der Wahlakte sei nur zulässig, wenn diese erforderlich sei, um die Ordnungsmäßigkeit der Wahl zu überprüfen.
Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 09.11.2021 – 7 TaBVGa 1213/21
https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/


Die Kündigung per Einwurfeinschreiben
Es gibt zwei Einschreibemöglichkeiten bei der Deutschen Post. Zum einen das Übergabe-Einschreiben und zum anderen das Einwurf-Einschreiben. Bei Letzterem wirft der Briefbote das Schriftstück einfach in den Briefkasten und erstellt intern einen Nachweis des Einwurfs.
So war es auch in diesem Fall. Ein Arbeitgeber, ein Spielhallen-Betreiber, beschloss aufgrund der Pandemie im Oktober 2020 einen Arbeitnehmer fristgemäß zum 30.11.2020 zu entlassen. Er schickte ihm eine schriftliche Kündigung per Einwurf-Einschreiben. Am 29.10.2020 bestätigte der Postmitarbeiter mit seiner Unterschrift, dass er diese Sendung durch Einwurf in den Briefkasten des Empfängers eingelegt zu haben. Der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer wohnte in einer Hochhausanlage mit 10 Stockwerken. Die Briefkastenanlage im Hausflur des Wohnhauses hatte 80 Fächer. Ganz oben rechts war der ordnungsgemäß mit seinem Namen versehene Briefkasten des Arbeitnehmers. Der behauptete nun, das Schreiben gar nicht bekommen zu haben. Das Gericht entschied jedoch zu Gunsten des Arbeitgebers. Die Richter räumten zwar ein, dass der Arbeitgeber tatsächlich nicht beweisen konnte, dass dem Gekündigten das Schreiben zugegangen war. Sie erkannten aber einen so genannten Anscheinsbeweis, der sich zu seinen Gunsten auswirkte. Es lag ein so genannter typischer Geschehensablauf, die dazu führte, dass es nicht mehr darauf ankam, dass eine Partei die tatsächlichen Einzelumstände eines bestimmten Geschehens nachweist. Das Gericht ging davon aus, dass das hier vorlag. Es ging aufgrund der vorhandenen Nachweise von einem rechtzeitigen Zugang der Kündigung aus.
Hinweis: Der Bundesgerichtshof hat einmal einen ähnlichen Fall genauso entschieden. Es gibt allerdings Landesarbeitsgericht, die die Sache anders sehen. Deshalb sollten wichtige Schriftstücke niemals per Einschreiben zugestellt werden. Besser ist es, einen vertrauenswürdigen Boten zu beauftragen.
Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 18.01.2022 – 1 Sa 159/21
https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/LAG/lag_node.html


Die Kündigung von Mitgliedern des Wahlvorstands
Auch die Mitglieder des Wahlvorstands einer Betriebsratswahl können nach einer Kündigung Anspruch auf Weiterbeschäftigung haben.
Ein Arbeitnehmer eines Kurierdienstes war Mitglied im Wahlvorstand für die bevorstehenden Betriebsratswahlen. Der Arbeitgeber hatte ihm allerdings außerordentlich fristlos gekündigt. Grundlage der Kündigung war die Beteiligung an einem nach Ansicht des Arbeitgebers rechtswidrigen Streik. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage und beantragte gleichzeitig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, dass der Arbeitgeber ihn zumindest bis zum Ablauf der Befristung weiter beschäftigen müsse. Das LAG hielt die fristlose Kündigung für offensichtlich unwirksam und der Arbeitnehmer hatte einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Ein Arbeitnehmer als Mitglied des Wahlvorstands hat besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG und § 103 BetrVG. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass, sofern in dem Unternehmen kein Betriebsrat bestehe, der Wahlvorstand nach § 103 Abs. 2 a BetrVG nur fristlos gekündigt werden dürfe, wenn eine wirksame Zustimmung des Arbeitsgerichts vorliege. Daran fehlte es hier.
Hinweis: Betriebsräte genießen genauso wie Ersatzmitglieder, Wahlvorstände und Wahlbewerber Sonderkündigungsrechte. Der Arbeitgeber kann sich von ihnen nur im Ausnahmefall trennen. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass ein Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt. Es muss also ein wichtiger Grund vorliegen, der dazu führt, dass das Festhalten an dem Arbeitsverhältnis unzumutbar ist. Daran stellen die Gerichte sehr hohe Anforderungen.
Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12.01.2022 – 23 SaGa 1521/21
https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/

Weitergabe fremder Daten verboten
Haben Arbeitnehmer eine Möglichkeit, private Daten des Arbeitgebers abzurufen, sollten Sie genau überlegen, was sie damit tun.
Eine seit 23 Jahren bei einer evangelischen Kirchengemeinde beschäftigte Verwaltungsmitarbeiterin hatte Zugriff auf den Dienstcomputer des Pastors. Sie las eine E-Mail, in der es um den Verdacht sexueller Übergriffe auf eine im Kirchenasyl der Gemeinde lebende Frau ging. Im E-Mail-Konto fand sie als Anhang einer privaten E-Mail einen Chatverlauf zwischen dem Pastor und der betroffenen Frau, den sie auf einem USB-Stick speicherte. Später leitete sie das anonym an eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Gemeinde weiter. Sie wollte die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern. Als die Weitergabe bekannt wurde, kündigte die Kirchengemeinde das Arbeitsverhältnis fristlos, wogegen die Verwaltungsmitarbeiterin klagte: vergeblich. Die fristlose Kündigung war rechtmäßig, da das notwendige Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört war. In der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten lag auch wegen der damit einhergehenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein schwerwiegender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Die Gründe für die Weitergabe der Daten waren ebenfalls unerheblich, da die Frau mit ihrer Vorgehensweise keines der angegebenen Ziele hätte erreichen können.
Hinweis: Wer also Zugriff auf das E-Mail-Konto seines Arbeitgebers hat und dann unbefugt eine an den Vorgesetzten gerichtete E-Mail liest und von dem Anhang einer offensichtlich privaten E-Mail eine Kopie anfertigt und diese weitergibt, kann fristlos gekündigt werden.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 02.11.2021 – 4 Sa 290/21
https://www.lag-koeln.nrw.de/


Nach Ankündigung von Amoklauf ist Kündigung gerechtfertigt
Arbeitnehmer sollten auch in emotionalen Ausnahmesituationen stets wissen, was sie sagen.
Ein Mann war bei einer Stadt seit über 13 Jahren in der Buchhaltung beschäftigt. Nach einer Auseinandersetzung mit seinem Vorgesetzten äußerte er sich gegenüber einer Kollegin so: „Diesen kleinen Wicht schmeiße ich aus dem Fenster. Ich lasse mir das nicht länger gefallen. Ich bin kurz vorm Amoklauf. Ich sage dir, bald passiert was. Der lebt gefährlich, sehr gefährlich." Als der von dieser Äußerung erfuhr, kündigte er fristlos. Der Arbeitnehmer klagte dagegen. Das Arbeitsgericht wies jedoch seine Kündigungsschutzklage ab. Es lag ein wichtiger Kündigungsgrund vor, da der Buchhalter in ernstzunehmender Art und Weise gegenüber seiner Kollegin Äußerungen getätigt hatte, die sowohl die Ankündigung für eine Gefahr von Leib und Leben des Vorgesetzten als auch die Ankündigung eines Amoklaufs beinhaltete. Der Arbeitnehmer meinte die Drohung nach Überzeugung des Gerichts absolut ernst. Auch eine vorherige Abmahnung war nicht erforderlich.
Hinweis: Drohungen gegen den Arbeitgeber oder andere Mitarbeiter ziehen fast immer Kündigungen nach sich.
Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 04.11.2021 – 5 Ca 254/21
https://www.arbg-siegburg.nrw.de/


Kein Mindestlohn für Pflichtpraktikum
Viele Praktika sind heute mit dem Mindestlohn zu bezahlen. Auch ein Grund, weshalb der eine oder andere Arbeitgeber so etwas nicht mehr anbietet.
Eine Studentin wollte sich an einer privaten, staatlich anerkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Nach der Studienordnung war ein sechsmonatiges Praktikum im Krankenpflegedienst Zugangsvoraussetzung für den Studiengang. Deshalb absolvierte die angehende Studentin bei einem Krankenhaus das Praktikum auf einer Krankenpflegestation. Die Zahlung einer Vergütung wurde nicht vereinbart. Später klagte die Studentin unter Berufung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) eine Vergütung von über 10.000 Euro brutto ein. Das Bundesarbeitsgericht sah die Angelegenheit anders. Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum absolvieren, das nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist, haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Und das gilt auch für private, staatlich anerkannte Universitäten.
Hinweis: Bei der Beschäftigung von Praktikanten sollten Arbeitgeber besser zuvor weiteren rechtlichen Rat einholen.
Quelle: BAG, Urt. v. 19.01.2022 – 5 AZR 217/21
https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Die Anfechtung der Personalratswahl
Wer meint, eine Personal- oder Betriebsratswahl sei nicht rechtmäßig abgelaufen, sollte bestimmte Fristen beachten.
In einer Behörde war im Mai 2021 der Personalrat neu gewählt worden. Aus der Niederschrift des Wahlvorstands über das Wahlergebnis ergab sich allerdings eine Differenz zwischen der Zahl der abgegebenen und der ausgestellten Stimmen. Daraufhin zog im Juli 2021 eine in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft vor das Verwaltungsgericht und stellte einen Antrag auf Feststellung, dass es Ergebnis der Personalratswahl in rechnerischer Hinsicht fehlerhaft ermittelt und deshalb zu berichtigen sei. Damit kam die Gewerkschaft jedoch nicht durch. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag schon als unzulässig ab. Denn Entscheidungen in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Wahlverfahren können alleine mit denen Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen angefochten werden. Bei der Personalratswahl ist das das Wahlanfechtungsverfahren nach dem Personalvertretungsgesetz des jeweiligen Bundeslandes oder des Bundes. Hier galt eine Anfechtungsfrist von zwölf Werktagen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Diese Frist war vorliegend längst abgelaufen. Das Gebot der Rechtssicherheit erfordert es jedoch, dass das Ergebnis der Wahl nach Ablauf der Fristen nicht mehr infrage gestellt werden kann. Denn der gewählte Personalrat ist dann rechtmäßig im Amt. Etwas anderes gilt nur im Falle der Wahlnichtigkeit, bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die Grundsätze der Wahl. Im vorliegenden Fall fehlte außerdem noch die Antragsbefugnis der Gewerkschaft. Gewerkschaften können Rechtsverletzungen nur dann geltend machen, wenn die entsprechenden Personalvertretungsgesetze Ihnen spezielle Aufgaben und Befugnisse einräumen. Das war vorliegend nicht der Fall gewesen.
Hinweis: Fehler einer Personal- oder Betriebsratswahl können also nur innerhalb der Frist eines Wahlanfechtungsverfahrens gerichtlich geltend gemacht werden. Danach ist das nicht mehr möglich.
Quelle: VG Mainz, Urt. v. 11.01.2022 – 5 K 526/21.MZ

https://vgmz.justiz.rlp.de/de/startseite/


Zahlung der Kosten einer Arbeitsassistenz nach Erreichen des Rentenalters
Die Übernahme der Kosten einer Arbeitsassistenz ist für viele von einer Behinderung betroffene Menschen wichtig.
Es ging dieser Entscheidung um einen erblindeten Mann mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. Der Mann ging am 1. Juli 2016 in Altersrente. Bis dahin hatte er Leistungen für eine Arbeitsassistenz für 22 Wochenstunden in Höhe von monatlich 1.650 € erhalten. Tätig war er als selbstständiger Lehrer, Berater und Gewerbetreibender. Der zuständige Landeswohlfahrtsverband wollte dann die Kosten für die Arbeitsassistenz während des Rentenbezugs nicht mehr übernehmen. Der Rentner wollte jedoch, dass der Landschaftsverband die Kosten für ein weiteres Jahr übernimmt. Nachdem der Mann in den Vorinstanzen verloren hatte, war das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich andere Auffassung, musste die Angelegenheit jedoch zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanzen zurückverweisen. Für den Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz als begleitender Hilfe im Arbeitsleben ist eine Altersgrenze weder ausdrücklich im Gesetz geregelt noch lässt sie sich diesem – entgegen der Auffassung der Vorinstanzen – im Wege der Auslegung entnehmen. Geregelt ist dieses in § 185 Abs. 5 SGB IX. Allerdings setzt der Anspruch zum einen für eine Einordnung als Hilfe im Arbeitsleben nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der Regelung voraus, dass der schwerbehinderte Mensch einer nachhaltig betriebenen Erwerbstätigkeit nachgeht, die geeignet ist, dem Aufbau bzw. der Sicherung einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu dienen. Zum anderen ist erforderlich, dass tatsächlich Arbeitsassistenzleistungen erbracht werden, die unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitsumstände zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile notwendig sind. Das muss nun die Vorinstanz nochmals untersuchen.
Hinweis: Das Erreichen des Regelrentenalters schließt nach dieser Entscheidung die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz nicht aus. Denn nur, weil die Altersrente gezahlt wird, heißt das noch lange nicht, dass das Arbeitsverhältnis auch endet.
Quelle: BVerwG, Urt. v. 12.01.2022 – 5 C 6.20
https://www.bverwg.de/

Versetzungen rückgängig machen

Bei Versetzungen ist der Betriebsrat zu beteiligen. Wird das unterlassen, wenn das folgenschwere Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse haben.

Zwei Arbeitgeber hatten einen gemeinsamen Betrieb: die Klinik Nord und die Klinik Süd. Die Betriebsstandorte lagen ca. 12 km voneinander entfernt. Für den Servicebetrieb wurden Rahmendienstpläne für drei Monate abgeschlossen. Drei Beschäftigte waren im Bereich des Kranken- und Warentransports beschäftigt. Ein Abteilungsleiter teilte dann zwei Arbeitnehmer, die bisher in der Klinik Süd tätig waren in der Klinik Nord ein und einen Beschäftigten, der bisher in der Klinik Nord tätig war, in die Klinik Süd ein. Damit war der Betriebsrat nicht einverstanden. Das Arbeitsgericht ist eindeutig davon ausgegangen, dass sich um Versetzungen handelt. Da der Betriebsrat nicht beteiligt worden war, waren die Versetzungen aufzuheben. Die Arbeitgeber wurden also verurteilt, die Arbeitnehmer in den bisherigen Standorten wieder einzusetzen. Es lag die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes vor, 12 km entfernt vom bisherigen Einsatzort. Nach der Überzeugung der Richter gab allein diese Zuweisung der Tätigkeit ein anderes Gesamtgepräge, so dass allein dieser Umstand den zugewiesenen Arbeitsbereich als „anderen" erscheinen ließ.

Hinweis: Nur in Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern ist der Betriebsrat bei personellen Einzelmaßnahmen zu beteiligen. Das gilt aber für die meisten Betriebe, in denen ein Betriebsrat existiert.

Quelle: LAG Nürnberg, Beschl. v. 10.05.2021 – 1 TaBV 3/21

https://www.lag.bayern.de/nuernberg/lag/


Bewerbungsunterlagen von leitenden Angestellten

Eine beabsichtigte Einstellung oder personelle Veränderung von leitenden Angestellten ist dem Betriebsrat rechtzeitig mitzuteilen. Doch hat er auch Anspruch auf die Vorlage der Bewerbungsunterlagen?

Eine Arbeitgeberin stritt mit ihrem Betriebsrat schon seit längerer Zeit, ob einzelne Mitarbeiter der Arbeitgeberin leitende Angestellte sind und ob die Arbeitgeberin den Betriebsrat anlässlich von Personalmaßnahmen gegenüber Mitarbeitern, die sie für leitende Angestellte hält, ausreichend informiert hatte. Der Betriebsrat wollte nun weitere Angaben zu den Personen und den Stellen erhalten. Insbesondere wollte er die Bewerbungsanschreiben, Lebenslauf und Zeugnisse der leitenden Angestellten bekommen. Er war der Auffassung, dass er nur so feststellen kann, ob es sich tatsächlich um leitende Angestellte gehandelt hatte. Schließlich zog der Betriebsrat vor das Gericht. Die Arbeitgeberin hat das Verfahren gewonnen. Dem Betriebsrat stand kein Anspruch auf Vorlage von Bewerbungs- und Einstellungsunterlagen für leitende Angestellte bei Einstellung oder im Falle anderer personeller Veränderungen zu. Der Betriebsrat ist lediglich über die Person des betroffenen Arbeitnehmers und über seine betriebliche Funktion, insbesondere seine Stellung in der Betriebshierarchie zu informieren. Weitere Auskünfte kann der Betriebsrat aber nicht verlangen. Über den Inhalt des Arbeitsvertrages, insbesondere über die vereinbarten Arbeitsbedingungen, braucht der Betriebsrat nicht unterrichtet zu werden, ebenso wenig über persönliche Verhältnisse des Arbeitnehmers, wie etwa seinen beruflichen Werdegang.

Hinweis: Der Betriebsrat hat also keinen Anspruch auf Vorlage der Bewerbungsunterlagen von leitenden Angestellten. Er muss sich weitestgehend darauf verlassen, dass der Arbeitgeber die Einordnung von Mitarbeitern als leitende Angestellte richtig vornimmt. Allerdings kann er das auch gerichtlich überprüfen lassen.

Quelle: LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 04.05.2021 – 6 TaBV 1/20

https://lagrp.justiz.rlp.de/de/startseite-lag/


Neues zur Hinweispflicht vor dem Verfall von Urlaub

Arbeitgeber haben ihre Arbeitnehmer vor einem Verfall von Urlaub insbesondere am Jahresende zu informieren. Doch was ist mit langzeiterkrankten Arbeitnehmern?

Ein Arbeitnehmer war seit Mitte Juli 2017 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses Ende Februar 2021 arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber zahlte den nicht genommenen Urlaub aus. Der Arbeitnehmer wollte jedoch auch für die Jahre 2017 und 2018 noch eine Urlaubsabgeltung erhalten. Er war ist der Ansicht, der Urlaubsanspruch sei nicht verfallen, da die Arbeitgeberin ihre arbeitgeberseitige Mitwirkungs- und Hinweispflicht hinsichtlich des Verfalls des Urlaubsanspruchs nicht erfüllt habe. Der Urlaubsanspruch ist nach § 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) befristet auf das Kalenderjahr. Nur ausnahmsweise ist gesetzlich nach § 7 Abs. 3 BUrlG eine Übertragung des restlichen Urlaubsanspruchs über den Ablauf eines Kalenderjahres hinaus bis zum 31. März des Folgejahres vorgesehen. Den Arbeitgeber trifft grundsätzlich eine Initiativlast zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs. Der Urlaubsanspruch erlischt erst, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub zu nehmen und der Arbeitnehmer sich dann aus freien Stücken entschieden hat, den Urlaub nicht in Anspruch zu nehmen. Seine Mitwirkungsobliegenheit kann der Arbeitgeber dadurch erfüllen, dass der dem Arbeitnehmer in Textform mitteilt, wie viele konkrete Urlaubstage ihm zustehen, ihn auffordert seinen Urlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Kalenderjahres genommen werden kann und dass er sonst verfällt. Diese Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers gelten jedoch nur für einen arbeitsfähigen, aber jedenfalls nicht für einen langzeitarbeitsunfähigen Arbeitnehmer. Denn der langzeitarbeitsunfähige Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber nicht „in die Lage versetzt werden, seinen Urlaub zu nehmen".

Hinweis: Zwar können bei erkrankten Arbeitnehmern auch irgendwann einmal Urlaubsansprüche verfallen. Doch was sollen sie dagegen tun? Wenn sie wegen der Krankheit den Urlaub nicht nehmen können, dann ist das eben so. Spannend wird es, wenn der Arbeitnehmer an seinen Arbeitsplatz wieder zurückkehrt. Den genauen Urlaub ausrechnen kann auf jeden Fall auch der Rechtsanwalt.

Quelle: ArbG Köln, Urt. v. 30.09.2021 – 8 Ca 2545/21

https://www.arbg-koeln.nrw.de/


Die Urlaubskürzung bei Kurzarbeit

Wer hätte gedacht, dass das Bundesarbeitsgericht so auf Arbeitgeberseite steht.

Eine Mitarbeiterin im Verkauf arbeitete an drei Tagen pro Woche. Im Jahr 2020 war sie wiederholt in Kurzarbeit Null: im April, Mai und Oktober durchgängig, im November und Dezember arbeitete sie insgesamt an 5 Tagen. Deshalb war der Arbeitgeber der Auffassung, ihr stünde für das Jahr 2020 wegen der Kurzarbeit nur 11,5 Tage Urlaub statt der üblichen 14 Tage zu. Das sah die Arbeitnehmerin nicht ein und sie klagte. Das BAG urteilte, das der Arbeitgeber bei der Kürzung sogar sämtliche Kurzarbeitstage ohne Arbeitspflicht berücksichtigen darf. Es muss kein voller Kalendermonat mit Kurzarbeit Null zusammenkommen.

Hinweis: Wer also in Kurzarbeit „Null“ geht, muss auch mit der Kürzung des Urlaubs rechnen. Ob eine Kurzarbeit überhaupt angeordnet werden kann, ergibt sich aus dem Arbeits-, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung.

Quelle: BAG, Urt. v. 30.11.2022 – 9 AZR 225/21

https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Neues zum betrieblichen Eingliederungsmanagement

Das betriebliche Eingliederungsmanagement, auch BEM genannt, ist vor fast jeder krankheitsbedingten Kündigung durchzuführen. Nach § 167 Abs. 2 SGB IX ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein BEM durchzuführen, wenn einer der Mitarbeiter innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war. Beim BEM geht es darum zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Der Fall: Ein Produktionshelfer war immer einmal wieder arbeitsunfähig erkrankt. Im März 2019 wurde deshalb ein BEM durch den Arbeitgeber durchgeführt. Dann war der Mitarbeiter weitere 79 Tage krank. Schließlich erhielt der Mitarbeiter eine krankheitsbedingte Kündigung, gegen die er klagte. Er meinte, ihm hätte ein weiteres BEM angeboten werden müssen. Deshalb sei die Kündigung unwirksam. Der Mitarbeiter hatte mit seiner Klage Erfolg. Denn der Abschluss eines BEM ist der Tag „Null“ für einen neuen Referenzzeitraum von einem Jahr. Der Arbeitgeber hätte daher tatsächlich ein weiteres BEM anbieten müssen. Weil der Arbeitgeber zudem nicht beweisen konnte, dass ein BEM nutzlos gewesen wäre, war die Kündigung unwirksam.

Hinweis: Vor dem Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung kann dem Arbeitgeber nur geraten werden, sich rechtliche Hilfe zu holen. Auf Arbeitnehmerseite ist nach Erhalt der Kündigung eine Kündigungsschutzklage denkbar. Diese muss binnen drei Wochen nach Erhalt der Kündigung eingereicht werden.

Quelle: BAG, Urt. v. 18.11.2021 – 2 AZR 138/21

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Voraussetzungen für einen Abbruch von Betriebsratswahl im Eilverfahren

Möchte ein Arbeitgeber eine Betriebsratswahl stoppen, kann er das im Eilverfahren vor dem Gericht versuchen. Die Erfolgsaussichten sind allerdings nicht sonderlich groß.

In einem Betrieb sollte der Betriebsrat neu gewählt werden. Der eingesetzte Wahlvorstand wurde dann vom Arbeitgeber aufgefordert, das eingeleitete Verfahren zur Wahl eines Betriebsrats abzubrechen. Der Arbeitgeber meinte, das Verfahren zur Bestellung des Wahlvorstands sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Das Wahlausschreiben sei nicht ordnungsgemäß ausgefüllt und nicht an allen erforderlichen Orten ausgehängt worden. Die zur Wahl Aufgerufenen würden teilweise nicht in den Zuständigkeitsbereich des Wahlvorstands fallen. Sie dürften nicht wählen, weil sie nicht Beschäftigte im Betrieb seien. Der Arbeitgeber leitet ein arbeitsgerichtliches Eilverfahren ein. Die Richter entschieden aber, dass die Betriebsratswahl jedenfalls nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren abzubrechen war. Es stellten klar, dass dies nur ausnahmsweise möglich sei, wenn ganz erhebliche Fehler festgestellt werden. Voraussetzung sei, dass die entsprechenden Fehler zur Nichtigkeit der Wahl führen könnten. Das war hier nicht gegeben.

Hinweis: In der Regel kann der Arbeitgeber erst nach Abschluss der Wahlen prüfen, ob diese korrekt abgelaufen sind. Gegebenenfalls kann er dann die Wahl anfechten und durch das Arbeitsgericht für unwirksam erklären lassen. Ein Eilverfahren ist dagegen nur dann möglich, wenn es sich um wirklich schwerwiegende und offensichtliche Fehler handelt.

Quelle: ArbG Berlin, Beschl. v. 17.11.2021 – 3 BVGa 10332/21

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Vorsicht vorm verspäteten Antrag auf Brückenteilzeit

Ab einer bestimmten Betriebsgröße können Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Verringerung ihrer Arbeitszeit haben. Auch die befristete Verringerung der Arbeitszeit ist möglich. Dies heißt dann Brückenteilzeit.

Eine Mitarbeiterin beantragte am 22. Januar eine Verringerung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 auf 33 Stunden für 1 Jahr ab dem 1. April. Der Arbeitgeber meinte, der Antrag sei unwirksam, weil die Mitarbeiterin die 3-monatige Ankündigungsfrist nicht eingehalten habe. Außerdem lehnte er den Antrag wegen entgegenstehender dringender betrieblicher Gründe ab. Die Arbeitnehmerin meinte dagegen ihr Antrag so auszulegen, als sei er zum frühestmöglichen Zeitpunkt gestellt, nämlich drei Monate nach der Antragstellung. Schließlich klagte sie – vergeblich. Der Antrag auf Brückenteilzeit musste nicht auf einen späteren Beginn umgedeutet werden. Denn ein Arbeitgeber kann bei einem Antrag auf Brückenteilzeit nicht wissen, ob ein Arbeitnehmer die Brückenteilzeit insgesamt nach hinten verschieben will oder ob diese zum ursprünglich beantragten Termin enden soll.

Hinweis: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten also genau drauf achten, den 3-Monats-Zeitraum bei einer Brückenteilzeit einzuhalten. Der Antrag auf Gewährung einer Brückenteilzeit ist mindestens drei Monate vor dem Beginn zu stellen.

Quelle: BAG, Urt. v. 07.09.2021 – 9 AZR 595/20

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Die Trennung vom Partner beendet die Elternzeit

Mit diesem Urteil hatten wohl nicht viele gerechnet. Es geht um die Frage, wann eine Elternzeit und der damit verbundene besondere Kündigungsschutz enden.

Eine Arbeitnehmerin nahm nach der Geburt für 3 Jahre eine Elternzeit. Kurze Zeit nach der Geburt trennte sie sich von ihrem Ehemann, der die Kinder behielt. Ein Jahr nach Beginn der Elternzeit beleidigte und verleumdete sie einige ihrer Kollegen und Vorgesetzten mit öffentlich zugänglichen Posts auf ihrem privaten Facebook-Account. Der Arbeitgeber kündigte deshalb das Arbeitsverhältnis fristlos. Dagegen klagte die Arbeitnehmerin. Sie meinte, die Kündigung sei jedenfalls deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber vorher nicht die Zustimmung der Aufsichtsbehörde eingeholt hatte. Denn sie stehe nach § 18 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) unter besonderem Kündigungsschutz. Das LAG war nicht auf ihrer Seite. Denn der Anspruch auf Elternzeit setzt voraus, dass Arbeitnehmer mit ihrem Kind in einem Haushalt leben und dieses selbst betreuen. Jeder Arbeitnehmer ist verpflichtet, seinen Arbeitgeber unverzüglich zu informieren, wenn diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt ist. Die Elternzeit endete nach Auffassung der Richter automatisch. Hier hatte die Mitarbeiterin nach der Trennung von ihrem Mann und den Kindern deshalb keinen besonderen Kündigungsschutz mehr und es lag ein wichtiger Kündigungsgrund vor. Die Kündigung hatte das Arbeitsverhältnis beendet.

Hinweis: In dieser Sache ist unter Umständen noch nicht das letzte Wort gesprochen. Denn das Bundesarbeitsgericht hat zu dieser Frage noch nichts entschieden. Vieles spricht jedoch dafür, dass das Urteil richtig ist.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.09.2021 – 12 Sa 23/21

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Verweigerung von Rufbereitschaft durch schwerbehinderte Arbeitnehmer

Wenn Mitarbeiter schwerbehindert sind, müssen sie keine Mehrarbeit leisten. Doch was ist eigentlich mit Rufbereitschaft?

Ein als Wassermeister beschäftigter Arbeitnehmer sollte in jeder vierten Woche nach dem Ende der täglichen Arbeitszeit und am Wochenende Rufbereitschaft machen, damit die Trinkwasserversorgung gewährleistet war. Er konnte sich dabei aufhalten, wo er wollte, musste aber bei Bedarf zur Arbeit kommen. Für die tatsächlichen Einsatzzeiten erhielt er einen Freizeitausgleich. Dann Nun der Arbeitnehmer einem Schwerbehinderten gleichgestellt. Er meinte nun, keine Rufbereitschaft mehr leisten zu müssen. Die Bereitschaftszeit sei stets als Mehrarbeit einzuordnen. Das BAG sah keinen Anspruch auf eine vollständige Befreiung von der Rufbereitschaft. Allerdings verwiesen sie die Angelegenheit an das Landesarbeitsgericht als Vorinstanz zurück. Das muss jetzt noch prüfen, ob die Rufbereitschaft, so wie sie im Fall gestaltet war, als Arbeitszeit gilt. Bei einer Rufbereitschaft handelt sich nicht immer um Mehrarbeit. Deshalb können schwerbehinderte Arbeitnehmer diese nicht grundsätzlich ablehnen.

Hinweis: Es kommt also darauf an, ob es sich bei der Rufbereitschaft um Mehrarbeit handelt oder nicht. Liegt keine Mehrarbeit vor, können schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer die Rufbereitschaft natürlich auch nicht grundsätzlich ablehnen.

Quelle: BAG, Urt. v. 27.07.2021 – 9 AZR 448/20

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Automatische Auflösung der Schwerbehindertenvertretung

Wenn fünf schwerbehinderte Mitarbeiter im Betrieb vorhanden sind, kann eine Schwerbehindertenvertretung gewählt werden. Und wenn dann einer von den fünf ausscheidet?

In einem Betrieb waren 5 schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Mitarbeiter beschäftigt. Deshalb wurde eine Schwerbehindertenvertretung gewählt. Sieben Monate später waren nur noch vier schwerbehinderte Arbeitnehmer beschäftigt. Der Arbeitgeber war nun der Meinung, die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung sei durch das Unterschreiten des Schwellenwerts von 5 Arbeitnehmern beendet. Die Schwerbehindertenvertretung dagegen vertrat die Ansicht, dass sie ihre Amtszeit von 4 Jahren voll ausschöpfen dürfe und zog vor das Gericht, leider vergeblich. Das Gesetz kennt hier keinen Übergangszeitraum. Mit Unterschreitung des Schwellenwertes nach § 177 Abs. 1 SGB IX endete die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung. Das Gesetz regelt nicht, dass es bei der Feststellung der Anzahl der schwerbehinderten Beschäftigten ausschließlich auf den Zeitpunkt der Wahl ankommt.

Hinweis: Die Schwerbehindertenvertretungen sollten also aufpassen, dass ihre Amtszeit nicht durch ein Absinken unter den Schwellenwert plötzlich endet. Helfen kann dabei, dass sämtliche schwerbehinderte Mitarbeiter ihre Schwerbehinderung auch tatsächlich gegenüber dem Arbeitgeber offenbaren.

Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 31.08.2021 – 4 TaBV 19/21

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Entgeltumwandlung trotz vorheriger Lohnpfändung möglich

Mit diesem Urteil des BAG werden sich viele Schuldner einer Pfändung entziehen können – und das auf einem völlig legalen Weg.

Eine Arbeitnehmerin musste an ihren Ex-Mann 23.000 € bezahlen. Das hatten die Parteien so vereinbart. Als die Frau nicht bezahlte, beantragte der Mann eine Lohnpfändung. Erst nach der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beim Arbeitgeber schloss die Frau dann mit ihrem Arbeitgeber eine Entgeltumwandlungsvereinbarung. Von ihrem Gehalt flossen ab sofort 248 € pro Monat in eine Direktversicherung. Dieser Betrag blieb bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens unberücksichtigt. Der Ehemann meinte nun, diese 248 € stünden ihm zu und er verklagte den Arbeitgeber auf Zahlung – vergeblich. Arbeitnehmer haben nämlich einen Rechtsanspruch auf eine Entgeltumwandlung von bis zu 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung in eine Direktversicherung. Der Arbeitgeber hatte nur seine Pflicht erfüllt.

Hinweis: Die Vollstreckung aus Titeln aus 30 Jahre lang möglich. Welche Vollstreckungsmöglichkeiten für den Gläubiger bestehen, erklärt der Rechtsanwalt des Vertrauens.

Quelle: BAG, Urt. v. 14.10.2021 – 8 AZR 96/20

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Gewerkschaft klagt Haustarifvertrag ein

Auch eine Gewerkschaft kann die Durchführung eines Tarifvertrags einklagen.

Bei einer Landesrundfunkanstalt existierten Haustarifverträge, also Tarifverträge, die nur für diesen Arbeitgeber gelten. Darin wurde unter anderem die Vergütung arbeitnehmerähnlicher Personen geregelt. Die Landesrundfunkanstalt vergütete dann seit dem Jahr 2016 die bei ihr als „pauschalierte Tagesreporter" tätige arbeitnehmerähnliche Personen nach Tagespauschalen. Vorher erfolgte die Bezahlung nach sog. Honorarkennziffern. Die Gewerkschaft hielt das für rechtswidrig. Sie verlangte die Durchführung der Tarifverträge durch Anwendung der Honorarkennziffern gegenüber allen arbeitnehmerähnlichen Personen. In jedem Fall aber sollte das zumindest gegenüber den Gewerkschaftsmitgliedern gelten. Nach dem Bundesarbeitsgericht steht einer Gewerkschaft gegen einen Arbeitgeber ein schuldrechtlicher Anspruch auf Durchführung eines zwischen ihnen geschlossenen Haustarifvertrags zu. Der Durchführungsanspruch kann durch Leistungsklage geltend gemacht werden und ist auf die bei dem Arbeitgeber beschäftigten Mitglieder der Gewerkschaft begrenzt. In diesem Fall hatte die Vergütung der Tagesreporter vorrangig nach den speziellen Honorarkennziffern zu erfolgen.

Hinweis: Bisher mussten Arbeitnehmer ihre Ansprüche aus Tarifverträgen selbst durchsetzen. Das ist nun zumindest für Haustarifverträge anders. Allerdings kann die Gewerkschaft nur für ihre Mitglieder handeln.

Quelle: BAG, Beschl. v. 13.10.2021 – 4 AZR 403/20

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Corona, Quarantäne & Urlaub

Die Corona-Krise bereitet uns auch weiterhin rechtliche Probleme und viele Fragen werden nach und nach durch die Gerichte gelöst.

Eine Arbeitnehmerin befand sich in der Zeit vom 10.12.2020 bis zum 31.12.2020 im Urlaub. Nach einem Kontakt mit ihrer mit COVID-19 infizierten Tochter ordnete das Gesundheitsamt zunächst eine häusliche Quarantäne bis zum 16.12.2020 an. Dann wurde sie am 16.12.2020 erneut getestet und es wurde bei ihr eine Infektion mit COVID-19 festgestellt. Daraufhin ordnete das Gesundheitsamt eine häusliche Quarantäne bis zum 23.12.2020 an. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Arzt ließ sich die Arbeitnehmerin nicht ausstellen. Dann verlangte sie von ihrer Arbeitgeberin die Nachgewährung von zehn Urlaubstagen für die Zeit vom 10.12.2020 bis 23.12.2020. Sie meinte, diese seien wegen der durch das Gesundheitsamt verhängten Quarantäne nicht verbraucht. Die Arbeitgeberin war der Ansicht, dass sie den Urlaubsanspruch auch in diesem Zeitraum erfüllt habe. Die Arbeitnehmerin klagte vergeblich. Das Bundesurlaubsgesetz unterscheidet in seinem § 9 zwischen Erkrankung und darauf beruhender Arbeitsunfähigkeit. Beide Begriffe sind nicht gleichzusetzen. Danach erfordert die Nichtanrechnung der Urlaubstage bei bereits bewilligtem Urlaub, dass durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen ist, dass aufgrund der Erkrankung Arbeitsunfähigkeit gegeben ist. Daran fehlte es hier. Aus dem Bescheid des Gesundheitsamts ergab sich lediglich, dass die Klägerin an COVID-19 erkrankt war. Eine Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin und dies durch einen Arzt wurde nicht vorgenommen.

Hinweis: Arbeitnehmer brauchen also eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, wenn trotz nachgewiesener COVID-19-Infektion eine Nichtanrechnung auf den Urlaub erfolgen soll.

Quelle: LAG Düsseldorf Urt. v. 15.10.2021 – 7 Sa 857/21

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So werden Pausen definiert

Pausen sind von Arbeitnehmern einzuhalten. Doch was ist, wenn ein Arbeitnehmer auch während der Pausen stets einsatzbereit sein muss?

Der Fall handelte in Tschechien, ist aber auf Deutschland übertragbar. Ein ehemaliger Betriebsfeuerwehrmann der Prager Verkehrsbetriebe verlangt von seinem Arbeitgeber die Bezahlung von Pausen. Er musste pro Tag in zwei 30-minütigen Pausen, die ihm während seines Schichtdienstes zustanden, binnen zwei Minuten einsatzbereit sein. Daher meinte er, sei als Arbeitszeit anzusehen und müssen vergütet werden – und das selbst dann, wenn es zu keinem Einsatz kam. Das Stadtbezirksgericht Prag hat sich wegen der Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88 an den EuGH gewandt. Der entschied nun, dass die einem Arbeitnehmer während seiner täglichen Arbeitszeit gewährte Ruhepause, in denen er, wenn nötig, binnen zwei Minuten einsatzbereit sein muss, als „Arbeitszeit“ im Sinn der Richtlinie 2003/88/EG eingestuft werden kann. Ob das tatsächlich so ist, muss allerdings das tschechische Gericht entscheiden. Dabei kommt es auf die Gesamtwürdigung der Umstände an und insbesondere darauf, ob die Einschränkungen dazu führen, dass von einer Pause gar nicht mehr gesprochen werden kann.

Hinweis: Pausen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben im Vorhinein festzustehen. So sieht es das Arbeitszeitgesetz vor. Andernfalls handelt es sich nicht um Pausen und die Zeiten sind zu bezahlen.

Quelle: EuGH, Urt. v. 09.09.2021 – C-107/19

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Kein Arbeitszeugnis in Tabellenform

Rechtsstreitigkeiten über Arbeitszeugnisse gibt es viele. Hier kommt eine neue Facette.

Eine Arbeitgeberin erteilte einem Elektriker nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ein Arbeitszeugnis. Das war tabellarisch aufgebaut und mit einzelnen Noten versehen. Es sah aus wie ein Schulzeugnis. Der Elektriker meinte nun, seine ehemalige Arbeitgeberin habe den Anspruch Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses noch nicht erfüllt. Er klagte ein Zeugnis ein. Das Bundesarbeitsgericht meinte, ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers nicht dadurch, dass er Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis in einer tabellarischen Darstellungsform beurteilt. Die zur Erreichung des Zeugniszwecks erforderlichen individuellen Hervorhebungen und Differenzierungen in der Beurteilung lassen sich regelmäßig nur durch ein im Fließtext formuliertes Arbeitszeugnis angemessen herausstellen. Im Rahmen der Leistungsbeurteilung hat der Arbeitgeber die Art und Weise darzustellen, in der der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben erledigt hat. Dies erfolgt regelmäßig anhand von Bewertungskriterien wie Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten, Geschicklichkeit und Sorgfalt sowie Einsatzfreude und Einstellung zur Arbeit. Bei den Angaben über das Verhalten von Beschäftigten ist insbesondere ihr Verhältnis gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie ihr Einfügen in den betrieblichen Arbeitsablauf zu beurteilen. Ein Zeugnis, in dem eine Vielzahl einzelner Bewertungskriterien gleichrangig nebeneinander aufgeführt und mit „Schulnoten“ bewertet wird, verfügt nicht über den erforderlichen Informationswert. Die prägenden Merkmale verlieren im Zusammenhang der übrigen Bewertungskriterien ihre Bedeutung. Besondere Eigenschaften, Kenntnisse oder Fähigkeiten, die den Arbeitnehmer für neue Arbeitgeber interessant machen könnten, lassen sich daraus nicht ableiten. Folglich muss die Arbeitgeberin ein neues Zeugnis erstellen.

Hinweis: Die Beurteilung in einem Arbeitszeugnis mit Schulnoten und der Aufbau des Zeugnissen Tabellenform ist also unzulässig. Der Arbeitgeber hat in einem Fließtext die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers zu beurteilen.

Quelle: BAG Urt. v. 27.04.2021 – 9 AZR 262/20

https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht

In diesem Fall hat Arbeitnehmer dieses Falls zwar seine Klage gegen eine Kündigung gewonnen, das Arbeitsverhältnis wurde aber trotzdem gegen Zahlung einer Abfindung das Gericht aufgelöst.

Ein Verein, der in der Flüchtlingshilfe tätig war, erhielt Kenntnis davon, dass sein technischer Leiter in einer kleinen WhatsApp-Gruppe in menschenverachtender Weise sich über Geflüchtete und über Helferinnen und Helfer geäußert hatte. Darüber wurde auch in der Presse berichtet. Deshalb kündigte der Verein unter anderem das Arbeitsverhältnis mit dem technischen Leiter, der gegen die Kündigung klagte. Die Kündigung war rechtswidrig, da eine gerichtliche Verwertung der Äußerungen im Gerichtsverfahren nicht unzulässig war. Denn eine vertrauliche Kommunikation fällt in den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Kommunikation erfolgte hier nur in einem sehr kleinen Kreis mit privaten Handys und erkennbar nicht mit einer Weitergabe an Dritte. Auch besondere Loyalitätspflichten bestanden nicht, weil der technische Leiter keine unmittelbaren Betreuungsaufgaben wahrzunehmen hatte. Das Arbeitsverhältnis wurde aber trotzdem auf Antrag des Vereins gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Die Voraussetzungen einer ausnahmsweise möglichen gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses lagen hier vor. Nach dem Gericht war nach § 9 Kündigungsschutzgesetz keine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit der Parteien mehr zu erwarten.

Hinweis: Sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer können einen Auflösungsantrag dann stellen, wenn eine Kündigung zwar das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedoch für die andere Partei unzumutbar ist. Sehr häufig kommt ein solcher Fall allerdings nicht vor.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.07.2021 – 21 Sa 1291/20

https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/


Keine Entgeltfortzahlung bei vorgetäuschter Krankheit

Wenn der sogenannte Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist, müssen viele Arbeitgeber zunächst erst einmal keine Entgeltfortzahlung Krankheitsfall leisten.

Die Angestellte dieses Falls legte ihrem Arbeitgeber am 8.2.2019 sowohl ihre Kündigung zum 22.2.2019 als auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses vor. Der Arbeitgeber verweigerte daraufhin die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Er meinte, der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert, weil diese genau die Restlaufzeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses abdecke. Die Arbeitnehmerin sah das anders und klagte ihr Geld ein. Sie meinte, sei ordnungsgemäß krankgeschrieben gewesen und sie habe vor einem Burn-out gestanden. Das Bundesarbeitsgericht war auf der Seite der Arbeitgeberin. Die Übereinstimmung zwischen der Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses und der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründet für die Richter ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit. Die Mitarbeiterin hätte daher ihre Arbeitsunfähigkeit anderweitig beweisen müssen, beispielsweise durch Entbindung ihrer Ärzte von der Schweigepflicht. Weil sie das trotz Aufforderung durch das Gericht nicht getan hat, erhielt sie für die letzten zwei Wochen ihres Arbeitsverhältnisses keine Entgeltfortzahlung.

Hinweis: Arbeitnehmer sollten also am Ende des Arbeitsverhältnisses nicht passgenau bis zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses sich krankschreiben lassen. Andererseits kann eine wirkliche Erkrankung auch anders bewiesen werden, insbesondere durch die Zeugenvernahme des Arztes.

Quelle: BAG, Urt. v. 08.09.2021 – 5 AZR 149/21

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Lasst uns den Betriebsrat wählen!

Schon der Aufruf zu einer Betriebsratswahl führt zu besonderem Kündigungsschutz und eine ordentliche Kündigung des Arbeitnehmers ist ausgeschlossen.

Einem Fahrradkurier eines Lieferdienstes wurde eine Kündigung erst zugestellt, nachdem dieser durch einen Aushang zu einer Betriebsratswahl eingeladen hatte. Deshalb klagte er gegen die Kündigung. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Die arbeitgeberseitige außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung eines Fahrradkuriers eines Lastfahrräder-Lieferdienstes war unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Nach § 15 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes hat der Wahlvorstand für eine Betriebsratswahl Sonderkündigungsschutz. Nachdem erst kürzlich eingefügten Abs. 3a ist nun auch eine ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebswahl einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands beantragt, unwirksam. Und genau das hatte der Arbeitnehmer dieses Falls gemacht. Die Arbeitgeberin hatte noch vorgetragen, dass der Arbeitnehmer den vorherigen Zugang der Kündigung treuwidrig durch falsche Angaben vereitelt hätte. Dem Argument kamen die Richter jedoch nicht nach. Und auch der Vorwurf der Arbeitgeberin, der Fahrradkurier habe seine Arbeit beharrlich verweigert, ließen sie nicht gelten. Denn der Arbeitnehmer hatte darauf verwiesen, dass es eine konkrete Arbeitsaufforderung, der er nicht nachgekommen sei, gar nicht gegeben habe.

Hinweis: Die Behinderung von Betriebsratstätigkeit und auch die Behinderung der Wahl eines Betriebsrats ist übrigens strafbar. Das sollte die Unternehmensleitung wissen.

Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 16.09.2021 – 41 Ca 3718/21

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Der Betriebsrat kann eine elektronischen Zeiterfassung verlangen

Noch immer existieren Betriebe, in denen es keine elektronische Zeiterfassung gibt.

Ein Betriebsrat hatte eine Betriebsvereinbarung zur Zeiterfassung mit seinem Arbeitgeber verhandeln wollen. Als die Verhandlungen gescheitert waren, hat der Betriebsrat gerichtlich die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung einer elektronischen Zeiterfassung verlangt. Der Arbeitgeber meinte, eine Einigungsstelle wäre gar nicht zuständig. Denn das Gremium habe laut höchstrichterlicher Rechtsprechung kein Initiativrecht bei der Einführung technischer Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Darüber musste nun das LAG Hamm entscheiden. Die Richter meinten, dass grundsätzlich auch dem Betriebsrat das Initiativrecht zukommt, in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten Verhandlungen aufzunehmen und zu verlangen. Das sei auf die Einführung einer technischen Kontrolleinrichtung („Stechuhr“) im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG übertragbar. Der Gesetzgeber habe bei den Mitbestimmungsrechten des § 87 BetrVG einzelne Sachverhalte bewusst so geregelt, dass dort „lediglich Form-, Ausgestaltung und deren Verwaltung mitbestimmungspflichtig sind”, nicht aber die Entscheidung selbst. Entsprechend gebe es in jenen Fällen auch kein Initiativrecht des Betriebsrates. Genau eine solche Einschränkung findet sich aber in § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht. Vielmehr sei dort ausdrücklich „die Einführung“ beschrieben”. Daher stehe dem Betriebsrat entsprechend ein Initiativrecht bei der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung zu.

Hinweis: Eine Verpflichtung zur elektronischen Arbeitszeiterfassung wird demnächst durch den Gesetzgeber verabschiedet werden. Bis dahin kann aber auch nach dieser Entscheidung des LAG Hamm der Betriebsrat die Einführung einer solchen Regelung fordern und durchsetzen.

Quelle: LAG Hamm, Beschl. v. 27.07.2021 – 7 TaBV 79/20

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Der mehrjährige Sonderurlaub

Manchmal können oder wollen Arbeitnehmer einfach nicht zur Arbeit erscheinen. Dann gibt es die Möglichkeit der Vereinbarung eines Sonderurlaubs. Der setzt aber voraus, dass beide Seiten dem zustimmen.

Eine 44-jährige Volljuristin mit einem Gehalt von knapp 5.000 € war seit 15 Jahren beschäftigt, zuletzt im Jobcenter einer Stadt als Sachbearbeiterin für Unterhaltsheranziehung. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) Anwendung. Dann hatte sie für ein Jahr unbezahlten Sonderurlaub beantragt, um in dem Unternehmen ihres Ehemanns, der ein Bestattungshaus führte, mitzuarbeiten. Der akuten Personalmangel im Betrieb sollte aufgefangen werden. Die Juristin erhielt den Sonderurlaub und schloss einen Arbeitsvertrag mit ihrem Ehemann. Danach beantragte sie die Verlängerung des unbezahlten Sonderurlaubs um ein weiteres Jahr. Sie begründete den Antrag mit den bislang erfolglos gebliebenen Bemühungen zur Einstellung weiterer Arbeitskräfte. Die Arbeitgeberin bot ihr eine letztmalige Freistellung um ein weiteres Dreivierteljahr an. Das lehnte die Juristin ab. Daraufhin gab es gar keinen weiteren Sonderurlaub, sondern die Aufforderung wieder zum Dienst zu erscheinen. Dagegen klagte die Juristin. Das LAG hat die Klage auf Gewährung des Sonderurlaubs abgewiesen. Nach dem Wortlaut des Tarifvertrags muss es für den beantragten Sonderurlaub einen wichtigen Grund geben. Ein sachlicher, nachvollziehbarer Grund allein genügt noch nicht. Die Ehegatten sind zwar einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Sie tragen füreinander Verantwortung. Eine Verpflichtung zur vorübergehenden oder dauerhaften Mitarbeit in dem Unternehmen des Ehepartners ergibt sich daraus jedoch grundsätzlich nicht.

Hinweis: Soll ein unbezahlter Sonderurlaub rechtssicher vereinbart werden, sollte eine entsprechende Vereinbarung von einem Rechtsanwalt verfasst werden.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 17.06.2021 – 5 Sa 83/21

https://www.mv-justiz.de/gerichte-und-staatsanwaltschaften/fachgerichte/arbeitsgerichte/landesarbeitsgericht/


Wer anderen die Hose herunterzieht riskiert eine Kündigung

Unglaublich, auf welche Ideen manche Menschen kommen.

Während der Nachtschicht kam ein Arbeitnehmer auf eine merkwürdige Idee: Plötzlich und unvermittelt zog er mit beiden Händen die Arbeits- und die Unterhose eines Kollegen herunter. Der stand völlig nackt da und seine Genitalien waren vor anderen Kollegen entblößt. Der Arbeitgeber sprach eine fristlose Kündigung aus, gegen die der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage einlegte. Schließlich musste das Bundesarbeitsgericht über die Angelegenheit entscheiden. Dieses war der Auffassung, dass das Herunterziehen der Hosen an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine Kündigung darzustellen. Das Entblößen der Genitalien stellt einen erheblichen und entwürdigenden Eingriff in die Intimsphäre des Kollegen und damit eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Auch eine sexuelle Belästigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz könnte vorliegen. Für einen sexualbezogener Übergriff müssen nicht die Genitalien eines anderen berührt werden, es reicht die Missachtung des Rechts auf Selbstbestimmung. Allerdings muss die Vorinstanz nun noch prüfen, ob der Arbeitnehmer tatsächlich beabsichtigt hatte, auch die Unterhose des Kollegen herunter zu ziehen.

Hinweis: Falls die Vorinstanz nun feststellt, dass ein Vorsatz vorlag, ist die Kündigung rechtmäßig. Der Verlust des Arbeitsplatzes für einen vermeintlichen und nicht gelungenen Scherz ist eine harte Sanktion, die Arbeitnehmer kennen sollten.

Quelle: BAG, Urt. v. 20.05.2021 – 2 AZR 596/20

https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Die einseitige Beendigung von Home-Office-Arbeit

Die Rechte des Arbeitgebers zur Bestimmung des Arbeitsortes werden in diesem Fall sehr gut deutlich.

Ein Arbeitnehmer war als Grafiker beschäftigt und arbeitete im Betrieb des Arbeitgebers. Seit Dezember 2020 arbeiteten die sonst im Büro tätigen Mitarbeiter mit Erlaubnis des Geschäftsführers im Home-Office. Nur das Sekretariat musste im eingeschränkten Umfang im Büro in München anwesend sein. Dann wies der Geschäftsführer allerdings den Grafiker an, die Tätigkeit wieder unter Anwesenheit im Büro in München zu erbringen. Dagegen zog der Arbeitnehmer im Eilverfahren vor die Arbeitsgerichte. Er meinte, ihm müsse das Arbeiten aus dem Home-Office weiterhin gestattet werden. Das LAG war anderer Auffassung. Ein Arbeitgeber, der seinem Mitarbeiter gestattet hat, seine Tätigkeit als Grafiker von zuhause aus zu erbringen, ist grundsätzlich berechtigt, seine Weisung zu ändern. Das gilt insbesondere, wenn sich später betriebliche Gründe herausstellen, die gegen eine Erledigung von Arbeiten im Homeoffice sprechen. Auch die Corona-Arbeitsschutzverordnung gewährt kein subjektives Recht auf Home-Office. Auch die allgemeine Gefahr, sich auf dem Weg zur Arbeit mit Corona anzustecken sowie das Infektionsrisiko am Arbeitsplatz stehen einer Verpflichtung zum Erscheinen im Büro nicht entgegen.

Hinweis: Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist häufig weitreichender, als manche Arbeitnehmer es vermuten. Der Arbeitgeber darf nach billigem Ermessen Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen. Das gilt aber nur, wenn diese Arbeitsbedingungen nicht durch einen Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag oder das Gesetz festgelegt sind.

Quelle: LAG München, Urt. v. 26.08.2021 – 3 SaGa 13/21

https://www.lag.bayern.de/muenchen/lag/

Urlaub und Quarantäne

Wenn ein Arbeitnehmer während seines Erholungsurlaubs in Quarantäne geschickt wird, ist das sehr bitter für ihn.

Ein Arbeitnehmer hatte Urlaub vom 23.12.2020 bis zum 31.12.2020 beantragt und genehmigt erhalten. Pech für ihn: Nach Urlaubsantritt ordnete das Gesundheitsamt für den Zeitraum vom 21.12.2020 bis 04.01.2021 eine Quarantäne an. Die Arbeitgeberin rechnete die Tage auf den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers an. Der Arbeitnehmer hingegen war der Auffassung, dass sein Urlaubsanspruch nach wie vor bestehen würde. Die Arbeitgeberin habe ihm nämlich für Dezember 2020 nicht wirksam Urlaub gewähren können. Ihm sei eine freie und selbst gewählte Urlaubsgestaltung gar nicht möglich gewesen. Schließlich klagte er vergeblich seinen vermeintlichen Anspruch ein. Die Richter meinten nämlich, eine Quarantäne sei keine Krankheit und die entsprechende Vorschrift im Bundesurlaubsgesetz, die im Fall von Krankheit den Urlaubsanspruch unberührt lässt, sei nicht auf den Fall der Anordnung einer Quarantäne entsprechend anzuwenden. Der Arbeitnehmer war nicht arbeitsunfähig erkrankt und somit ist die Zeit der Quarantäne auf den Urlaub anzurechnen.

Hinweis: Nur, wenn Arbeitnehmer während einer Quarantäne gleichzeitig auch arbeitsunfähig sind, haben sie einen Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Und natürlich ist Urlaub während einer Erkrankung gutzuschreiben.

Quelle: ArbG Neumünster, Urt. v. 03.08.2021 – 3 Ca 362 b/21

https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/LAG/Arbeitsgerichte/_documents/Arbeitsgericht_neumuenster.html


Kündigung wegen Befreiung von der Maskenpflicht

Einige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können aus gesundheitlichen Gründen keine Maske am Arbeitsplatz tragen. Andere wiederum wollen das einfach nicht und legen nicht nachvollziehbare ärztliche Atteste beim Arbeitgeber vor.

Die angestellte Logopädin des Falls hatte ihrer Arbeitgeberin ein einfaches ärztliches Attest vorgelegt, nach dem sie bei der Arbeit keinen Mund-Nase-Schutz tragen konnte. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis. Die Logopädin klagte dagegen erfolglos. Die Kündigung war nämlich wirksam, da die Arbeitgeberin zurecht die Entscheidung treffen konnte, dass während der Behandlungen ein Mund-Nase-Schutz getragen werden muss. Bei einer logopädischen Behandlung ist der Abstand von 1,5 m nicht immer einzuhalten. Außerdem konnten die vorgelegten Atteste nicht dazu führen, dass die Logopädin keinen Schutz tragen musste. Derjenige, dem das Attest vorgelegt wird, muss aufgrund konkreter nachvollziehbarer Angaben in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen prüfen zu können. Es muss aus dem Attest hervorgehen, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund eines Mund-Nase-Schutzes zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren. Zudem muss erkennbar sein, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gekommen ist.

Hinweis: Der Rechtsstreit ist noch nicht rechtskräftig entschieden und die Berufung vor dem LAG wurde eingelegt. Vieles spricht jedoch dafür, dass die Entscheidung mit dem geltenden Recht in Einklang steht. Atteste müssen schlicht und ergreifend prüfbar und nachvollziehbar sein.

Quelle: ArbG Cottbus, Urt. v. 17.06.2021 – 11 Ca 10390/20

https://arbgb.brandenburg.de/arbg/de/arbeitsgericht-cottbus-mit-aussenkammern-senftenberg/


Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen

Das Integrationsamt muss einer Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers zustimmen. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam.

Eine schwerbehinderte Arbeitnehmerin sollte eine außerordentliche fristlose Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen erhalten. Die Arbeitgeberin schaltete zunächst erfolgreich das Integrationsamt ein. Nachdem die Zustimmung durch das Amt vorlag, sprach die Arbeitgeberin die Kündigung aus. Gegen die Zustimmung des Integrationsamts legte die Arbeitnehmerin aber erfolgreich Widerspruch ein. Dagegen wiederum zog die Arbeitgeberin vor das Verwaltungsgericht. Das Verfahren ist allerdings noch nicht beendet. Die Arbeitnehmerin erhob zudem eine Kündigungsschutzklage. Denn durch die Aufhebung der Zustimmung im Widerspruchsverfahren habe keine Zustimmung durch das Integrationsamt vorgelegen. Diese Auffassung ist allerdings nicht richtig. Liegt eine Zustimmung des Integrationsamt zur Kündigung vor, haben die Arbeitsgerichte dies bei ihren Entscheidungen zugrunde zu legen. Nach § 171 Abs. 4 SGB IX haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamts keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass sie so lange eine Wirksamkeit entfalten, bis sie rechtskräftig aufgehoben worden sind.

Hinweis: Es könnte ein noch jahrelanger Rechtsstreit folgen. Das ist insbesondere aus Arbeitgebersicht kein gutes Ergebnis. Denn am Ende wird der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Umständen wieder einstellen müssen und für mehrere Jahre den Lohn nachzuzahlen haben.

Quelle: BAG, Urt. v. 22.07.2021 – 2 AZR 193/21

https://www.bundesarbeitsgericht.de/


Urlaub während der Kurzarbeit

Wie mit Urlaub von Arbeitnehmern während der Kurzarbeit umzugehen ist, wird wohl noch viele Gerichte beschäftigen.

Der Arbeitnehmer des Falls verlangte die Gutschrift von Urlaubstagen, die ihm für Zeiten von Kurzarbeit im Verhältnis zu ihren Jahresarbeitstagen durch den Arbeitgeber anteilig gekürzt worden waren. Die an einzelnen Tagen durchgeführten Kurzarbeit war nicht auf „Null" reduziert worden. Schließlich klagte er sein Recht ein – mit Erfolg. Denn Arbeitgeber sind bei der Kurzarbeit nicht berechtigt, den Erholungsurlaub der hiervon betroffenen Arbeitnehmer anteilig im Verhältnis zu den Jahresarbeitstagen zu kürzen, wenn keine Kurzarbeit „Null“ zugrunde liegt. Es besteht keine vergleichbare Gesetzeslage zum Teilzeitrecht oder sonstigen andauernden Unterbrechungen der gegenseitigen Leistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis, wie bei einem „Sabbatical“.

Hinweis: Das Gericht hat die Möglichkeit der Berufung zugelassen. Vieles spricht jedoch dafür, dass die Entscheidung richtig sein könnte. Im Zweifel sollten Arbeitnehmer Ansprüche geltend machen.

Quelle: ArbG Osnabrück, Urt. v. 08.06.2021 – 3 Ca 108/21

https://arbeitsgericht-osnabrueck.niedersachsen.de/startseite/

 

Die Vermittlung von Leiharbeitern

Entleiht ein Unternehmen einen Arbeitnehmer, wird das Leiharbeit genannt. Wenn dieses weitere Unternehmen nun aber den Leiharbeiter abwirbt und selbst einstellt, wird nach vielen Verträgen zwischen Verleih- und Entleihunternehmen eine Provisionszahlung fällig.

Ein Unternehmen hatten einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abgeschlossen. Es wurden für ca. anderthalb Jahre zwei Leiharbeitnehmer beschäftigt. Später stellte das Unternehmen die Leiharbeitnehmer selbst ein. Nun verlangte die Verleihfirma eine Provision in Höhe von 15.000 Euro für die Vermittlung der beiden Arbeitnehmer. Eine entsprechende Provisionsvereinbarung fand sich in dem zwischen den Unternehmen abgeschlossenen Vertrag. Die Entleihfirma zahlte jedoch die Provision nicht und so mussten die Gerichte entscheiden: Das Unternehmen musste nicht zahlen, da die Provisionsvereinbarung unwirksam war. Sie berücksichtigte nicht das künftige Jahresbruttoeinkommen der Arbeitnehmer bei ihrem neuen Arbeitgeber, sondern legt unabhängig von der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses immer die von der Überlassungsdauer abhängige Stundenzahl multipliziert mit dem bislang angesetzten Verrechnungssatz zu Grunde. Die Klausel berücksichtigt, indem sie nicht auf das künftige Bruttogehalt des Arbeitnehmers abstellt, nicht hinreichend den wirtschaftlichen Vorteil, den der Entleiher erhält, und schränkt mit dieser Klausel die Berufsausübungsfreiheit der Arbeitnehmer unangemessen ein.

Hinweis: Verträge zwischen Entleih- und Verleihfirmen sollten nun geprüft werden. Viele entsprechende Klauseln könnten unwirksam sein.

Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 30.03.2021 – 10 U 318/20https://oberlandesgericht-stuttgart.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite

 

Keine Entschädigungszahlung bei Einsatz im Corona-Risikogebiet

Wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer in ein Risikogebiet schickt, hat er auch die entsprechenden Kosten zu tragen.

Ein Maschinenbauunternehmen, hatte einen angestellten Servicemonteur zu einem Kunden nach Österreich geschickt. Zu diesem Zeitpunkt war Österreich jedoch als Corona-Risikogebiet eingestuft. Deshalb musste der Monteur nach seiner Rückkehr nach Deutschland 14 Tagen eine häusliche Quarantäne. Während der Zeit zahlte der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt weiter, wollte es sich jedoch später vom Staat zurückholen. Das ist grundsätzlich nach dem Infektionsschutzgesetz möglich. Als das Land Baden-Württemberg den Betrag nicht überwies, klagte das Unternehmen – vergeblich. Ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz bestand nicht. Nach Meinung der Richter war die Dienstreise nach Österreich vermeidbar, da es sich nicht um ein außergewöhnliches Ereignis gehandelt hatte. Das Unternehmen hatte lediglich die Entgeltfortzahlung geleistet, zu der es arbeitsvertraglich verpflichtet war. Der Arbeitsausfall fiel in die Risikosphäre des Unternehmens und war nicht von dem Servicemonteur verschuldet worden. Denn der hatte ja lediglich eine Weisung seines Arbeitgebers zur Vornahme einer Dienstreise in das Risikogebiet Österreich befolgt.

Hinweis: Vielen Arbeitgebern droht es also, in entsprechenden Fällen auf den Kosten sitzen zu bleiben. Behörden werden nach diesem Urteil nicht so leicht Entschädigungszahlungen freigeben.

Quelle: VG Karlsruhe, Urt. v. 30.06.2021 – 9 K 67/21

https://verwaltungsgericht-karlsruhe.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite

 

Kündigung wegen Androhung einer Krankheit

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat sich wieder einmal mit der Androhung einer Krankschreibung durch einen Arbeitnehmer befassen müssen.

Eine seit 10 Jahren beschäftigte Arbeitnehmerin hatte mit einer Krankschreibung gedroht, nachdem sie sich nicht mit dem Arbeitgeber über die Einteilung für die Spätschicht in einer bestimmten Woche geeinigt hatte. Die Einteilung zur Spätschicht war für sie wegen ihres Kindes und den Öffnungszeiten der Kita problematisch. Für die betreffende Woche reichte die Klägerin sodann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein. Trotzdem kündigte der Arbeitgeber fristlos. Gegen die Kündigung klagte die Mitarbeiterin mit Erfolg. Eine Drohung, sich krankschreiben zu lassen, falls die Schichteinteilung nicht wie gewünscht erfolgt, stellt eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht dar. Eine Pflichtverletzung war aber nach Ansicht der Richter nicht nachzuweisen. Es war nämlich nicht auszuschließen, dass die Arbeitnehmerin tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, in der Spätschicht zu arbeiten.

Hinweis: Arbeitnehmer sollten also niemals mit einer Krankschreibung drohen. Das hat auch in der Vergangenheit schon zu vielen Kündigungen geführt.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 04.05.2021 – 5 Sa 319/20

https://www.mv-justiz.de/gerichte-und-staatsanwaltschaften/fachgerichte/arbeitsgerichte/landesarbeitsgericht/

 

Kopftuchverbot kann rechtmäßig sein

Wieder einmal hat sich ein Gericht mit einem Kopftuchverbot am Arbeitsplatz beschäftigt. Dieses Mal war es sogar der Europäische Gerichtshof.

Eine Heilerziehungspflegerin sowie eine Verkaufsberaterin und Kassiererin trugen an ihrem jeweiligen Arbeitsplatz in der Bundesrepublik ein islamisches Kopftuch. Die Arbeitgeber der beiden erteilten jeweils eine Weisung, das Kopftuch abzulegen. Es sollte eine politische, weltanschauliche und religiöse Neutralität durch die Mitarbeiterinnen demonstriert werden. Schließlich sollte das Bundesarbeitsgericht über die Fälle entscheiden. Das legte jedoch die Angelegenheiten dem EuGH vor. Der EuGH vertrat eine vermittelnde Ansicht. Das Verbot des Tragens jeder sichtbaren Ausdrucksform politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen kann durch das Bedürfnis des Arbeitgebers gerechtfertigt sein, gegenüber den Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln oder soziale Konflikte zu vermeiden. Diese Rechtfertigung muss jedoch einem wirklichen Bedürfnis des Arbeitgebers entsprechen. Nach der Rechtsprechung des EuGH stellt eine entsprechende Regelung in einem Betrieb keine unmittelbare Diskriminierung dar, da sie unterschiedslos für jede Bekundung solcher Überzeugungen gilt und alle Arbeitnehmer des Unternehmens gleichbehandelt, indem ihnen allgemein und undifferenziert vorgeschrieben wird, sich neutral zu kleiden, was das Tragen solcher Zeichen ausschließt. In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob eine sich aus einer solchen internen Regel ergebende mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung mit dem Willen des Arbeitgebers gerechtfertigt werden kann, eine Politik politischer, weltanschaulicher und religiöser Neutralität gegenüber seinen Kunden zu verfolgen, um deren berechtigten Erwartungen Rechnung zu tragen. Dies ist unter bestimmten Voraussetzungen zu bejahen.

Hinweis: Das Urteil zeigt deutlich, dass Arbeitgeber ihr Recht durchsetzen können, dass keine religiösen Hinweise am Arbeitsplatz erfolgen sollen. Allerdings muss der Arbeitgeber dafür triftige Gründe haben.

Quelle: EuGH, Urt. v. 15.07.2021 – C-804/18 WABE und C-341/19 MH Müller Handel

https://curia.europa.eu


Keine Beschäftigung bei Masken-Attest

Ein Arbeitgeber darf die Beschäftigung eines Arbeitnehmers verweigern, wenn es diesem nicht möglich ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.

Die Mitarbeiter und Besucher eines Rathauses mussten ab Mai 2020 eine Mund-Nase-Bedeckung tragen. Einer der Verwaltungsmitarbeiter legte daraufhin zwei Atteste vor, die ihn von der Maskenpflicht befreiten. Als er daraufhin nicht mehr beschäftigt wurde, stellte er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, um seine Beschäftigung durchzusetzen. Der Antrag wurde jedoch abgewiesen. Den Arbeitgeber traf die Verpflichtung zum Schutz der Beschäftigten. Die Verpflichtung zum Tragen von Masken war auch durch das Direktionsrecht gedeckt. Das Tragen einer FFP2-Maske dient dem Infektionsschutz der Mitarbeiter und Besucher des Rathauses. Wenn der Verwaltungsmitarbeiter meint, aus besonderen Gründen eine Maske nicht tragen zu können, ist er arbeitsunfähig. Deshalb war er auch nicht zu beschäftigen. Auch eine Beschäftigung im Home-Office war nicht möglich, da zumindest Teile der Aufgaben im Rathaus erledigt werden mussten. Eine teilweise Tätigkeit im Home-Office beseitigt zudem nicht die Arbeitsunfähigkeit.

Hinweis: Der Arbeitgeber darf bei Vorliegen einer bestimmten Gefährdungslage eine Maskenpflicht anordnen. Zeitweise war er im Jahr 2021 dazu sogar gezwungen.

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 12.04.2021 – 2 SaGa 1/21

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Küssen: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Wer auf einer dienstlichen Reise eine Arbeitskollegin gegen ihren Willen küsst, riskiert eine fristlose Kündigung.

Ein seit vielen Jahren beschäftigter Arbeitnehmer hatte auf einer zweitägigen Teamklausur einer Kollegin abends in der Hotelbar mehrfach, trotz ihrer geäußerten Ablehnung, versucht, seine Jacke umzulegen. Später verfolgte der Mann die Kollegin zu ihrem Zimmer. Vor ihrem Zimmer zog er sie zu sich heran und versuchte sie zu küssen. Die Arbeitnehmerin drückte ihn weg, er zog sie jedoch erneut zu sich heran und schaffte es, sie zu küssen. Die Arbeitnehmerin drückte ihn nochmals weg. Nachdem sie ihrem Vorgesetzten von dem Vorfall berichtet hatte, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Mannes fristlos, wogegen der Arbeitnehmer vergeblich klagte. Eine vorherige Abmahnung war nicht erforderlich, da für den Mann offensichtlich erkennbar gewesen war, dass er mit seiner sexuellen Belästigung eine rote Linie überschritten hatte, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht hat. Die Arbeitgeberin war verpflichtet, ihre weiblichen Mitarbeiterinnen vor sexuellen Belästigungen zu schützen.

Hinweis: Wer sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz erlebt, sollte unverzüglich dagegen vorgehen. Helfen kann neben dem eigenen Rechtsanwalt auch die Arbeitnehmervertretung, wie beispielsweise der Betriebsrat.

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 01.04.2021 – 8 Sa 798/20

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Kündigung im Kleinbetrieb

Wenn in einem Kleinbetrieb das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, ist eine Kündigung wegen einer Erkrankung eines Arbeitnehmers möglich und stellt keine verbotene Maßregelung dar.

Eine Hörakustikmeisterin war in einem Kleinbetrieb mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern beschäftigt. In einem solchen Betrieb gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht und der Arbeitgeber kann ohne Vorliegen eines Grundes kündigen. Dann meldete sich die Arbeitnehmerin krank. Einen Tag später erhielt sie eine fristgemäße Kündigung aus „betriebsbedingten Gründen“. Dagegen ging sie gerichtlich vor, dass sie der Auffassung war, wegen der Krankheit gekündigt worden zu sein. Das Gericht sah das anders. Es kam gar nicht darauf an, ob eine Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen möglich gewesen wäre. Denn die ärztliche Krankschreibung erfolgte erst vier Tage nach Erhalt der Kündigung. Aber selbst wenn es sich um eine krankheitsbedingte Kündigung gehandelt hätte, konnte das keine unzulässige Maßregelung nach § 612 a BGB sein. Dafür bestanden schlicht und ergreifend keinerlei Anhaltspunkte.

Hinweis: Ob ein allgemeiner Kündigungsschutz besteht oder nicht, prüft im Zweifel der Rechtsanwalt. Häufig ist es nicht einfach, die genaue Arbeitnehmerzahl exakt zu bestimmen, da es darauf ankommt, wie viel Stunden die Mitarbeiter arbeiten. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.03.2021 – 2 Sa 1390/20

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Die Suspendierung einer Coronaleugnerin

Dieser Fall zeigt sehr schön, was passieren kann, wenn man den Anordnungen des Arbeitgebers keine Folge geleistet.

Es ging um die Leiterin einer Grundschule. Sie hatte wiederholt gegen ihre Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske in der Schule verstoßen. Darüber hinaus hatte sie sich über die Verpflichtung hinweggesetzt, wöchentlich Corona-Selbsttests bei allen an ihrer Schule tätigen Personen durchzuführen. So hatte sie im April 2021 die Eltern ihrer Schüler benachrichtigt, dass sie die Testung der Schüler erst einmal ausgesetzt habe, und hat die Eltern gebeten, ihre Kinder in einem Testzentrum testen zu lassen. Ferner lagen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Lehrerin weitere Schutzvorkehrungen wie das Lüften der Klassenzimmer sowie das Maskentragen und die Einhaltung von Abständen bei Dienstbesprechungen nicht beachtet hatte. Der Dienstherr hatte daraufhin ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Den dagegen gerichteten Antrag der Schulleiterin auf einstweiligen Rechtsschutz hat das Gericht abgewiesen. Durch das gegen ausdrückliche Weisungen verstoßende Verhalten hat die Lehrerin das Vertrauen des Dienstherrn, der Schüler und ihrer Eltern, schwer erschüttert. Diese müssen darauf vertrauen können, dass sie in der von ihr geleiteten Schule die vorgeschriebenen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus ordnungsgemäß umsetzt und damit ihren Aufgaben als Schulleiterin gerecht wird.

Hinweis: Die Grundschulleiterin, die Corona-Schutzmaßnahmen in ihrer Schule nicht umgesetzt hat, dürfte also vom Dienstherrn suspendiert werden. Die persönliche Auffassung ob die Schutzmaßnahmen sinnvoll waren oder nicht, spielt am Arbeitsplatz keine Rolle. Hat der Arbeitgeber entsprechende Anordnungen getroffen, muss denen auch Folge geleistet werden.

Quelle: VG Düsseldorf, Urt. v. 14.06.2021 – 2 L 1053/21

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Teilzeitanspruch in Elternzeit

Arbeitnehmer können ihren Anspruch auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit gerichtlich durchsetzen.

Eine Arbeitnehmerin hatte nach der Geburt ihres Kindes für ca. zwei Jahre Elternzeit beantragt. Nach einem Jahr beantragte sie fristgerecht ab dem 1. Mai 2021 eine Teilzeitbeschäftigung in Elternzeit im Umfang von 30 Wochenstunden. Die Arbeitgeberin lehnte den Beschäftigungsantrag ab mit der Begründung, dass sie keine Beschäftigungsmöglichkeit habe. Das Gericht sah das anders und nun muss die Arbeitnehmerin in Teilzeit beschäftigt werden. Es bestand ein Verfügungsanspruch, weil die Arbeitnehmerin die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit glaubhaft gemacht hatte. Zwar kann die Arbeitgeberin grundsätzlich dringende betriebliche Gründe entgegenhalten. Hierzu genügt allerdings nicht die bloße Behauptung, es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit. Die Arbeitgeberin hätte die genauen Tatsachen bezeichnen müssen, ähnlich wie beim Wegfall von Arbeitsplätzen bei einer Kündigungsschutzklage. Auch bestand ein Verfügungsgrund, da eine umfassende Interessenabwägung ergab, dass die Arbeitnehmerin ohne die Teilzeit beruflich auf das Abstellgleis geraten könnte.

Hinweis: Der Anspruch auf eine Teilzeit während der Elternzeit muss genauso wie ein allgemeiner Teilzeitanspruch schriftlich gestellt werden. Äußert sich der Arbeitgeber dazu dann nicht binnen einer bestimmten Frist, gilt der Antrag als genehmigt.

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 04.06.2021 – 5 Ta 71/21

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Lohn trotz Schließung wegen Corona

Dieses Urteil ist gut für alle Arbeitnehmer, die wegen Corona nicht mehr arbeiten konnten.

Ein Arbeitnehmer war als Minijobber in einem Tanzlokal beschäftigt, das durch die Corona-Verordnung geschlossen worden war. Der Minijobber verlangte trotzdem sein Geld, obwohl er nicht gearbeitet hatte. Der Arbeitgeber zahlte nicht, da es sich nach ihrer Ansicht bei der Corona-Pandemie um eine Jahrhundert-Katastrophe und damit um höhere Gewalt gehandelt hatte. Schließlich klagte der Minijobber seine Ansprüche ein. Das Gericht entschied: Der Minijobber hat einen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn. Die Betreiberin des Tanzlokals hatte den Arbeitsausfall als Betriebsrisiko zu tragen. Die Zuweisung des Wirtschafts- und Betriebsrisikos an den Arbeitgeber entspricht allgemeinen Prinzipien der Arbeitsrechtsordnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es bei Verboten aus betriebsfremden Gründen auf die Eigenart des Betriebs an, ob der Betrieb also eine besondere Risikosphäre darstellt, was hier bei dem Betrieb des Tanzclubs gegeben ist. Das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an möglichst hohem Kundenverkehr erhöhte zugleich das Risiko einer sich ausweitenden Epidemie. Die Zuweisung des Betriebsrisikos rechtfertigte sich aus dem Umstand, dass sein Geschäft „in guten wie in schlechten Tagen" auf Kundenverkehr bzw. hohe Besucherzahl ausgerichtet war. Schließlich handelte es sich bei der Corona-Pandemie auch nicht um ein völlig unvorhersehbares Ereignis.

Hinweis: Arbeitnehmer haben also auch dann Anspruch auf ihren Lohn, wenn durch eine Corona-Verordnung die Schließung des Betriebs des Arbeitgebers angeordnet wurde. Im Zweifel macht ein Rechtsanwalt die Forderung geltend.

Quelle: ArbG Mannheim, Urt. v. 25.03.2021 – 8 Ca 409/20

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Rechtsradikale Tattoos im öffentlichen Dienst

Über den Sinn und Unsinn von Tattoos lässt sich sicherlich streiten. Tattoos mit verbotenen Inhalten sind allerdings ein No-Go am Arbeitsplatz.

Ein Lehrer hatte sich unter anderem den NS-Spruch „Meine Ehre heißt Treue“ in Frakturschrift auf den Oberkörper tätowieren lassen. Als der Dienstherr dieses mitbekam, kündigte er das Arbeitsverhältnis. Dagegen klagte der Lehrer. Das Landesarbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage jedoch zurück. Denn die Tätowierungen ließ auf eine fehlende Eignung als Lehrer schließen. Zur Eignung als Lehrer gehört auch die Gewähr der Verfassungstreue. Aus dem hier in Frage stehenden Tattoo konnte auf eine fehlende Verfassungstreue geschlossen werden. Es kam auch nicht darauf an, ob es schon eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gab. Die Kündigung war auch ohne eine solche Verurteilung wirksam.

Hinweis: Häufig muss ein Arbeitnehmer vor dem Ausspruch einer Kündigung für sein Fehlverhalten zunächst abgemahnt werden. Erst dann darf eine Kündigung ausgesprochen werden. Im Zweifel kann ein Rechtsanwalt eine Kündigungsschutzklage einreichen und so gegen die Kündigung eines Arbeitnehmers vorgehen.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.05.2021 – 8 Sa 1655/20

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Der Streit über FFP2-Masken am Arbeitsplatz

Beschwert sich ein Arbeitnehmer zu Recht über einen Missstand im Betrieb, darf er dafür nicht gemaßregelt werden. Doch dieser Fall lag etwas anders.

Eine Krankenschwester war auf der Intensivstation eingesetzt und hatte Probleme mit dem Tragen der FFP2-Masken. Der Betriebsarzt war der Auffassung, dass eine Tragezeit von 120 Minuten mit einer nachfolgenden Pause von 15 Minuten in Ordnung sei. Die Krankenschwester verwies jedoch auf den Gesundheitsschutz und meinte, dass die Tragezeiten auf der Station von den Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) abwichen, die eine Tragezeit von 75 Minuten und einer Pausenzeit von 30 Minuten ausweisen. Schließlich wurde die Krankenschwester auf eine andere Station des Krankenhauses durch die Arbeitgeberin versetzt. Nun wollte die Krankenschwester gegen die Versetzung vorgehen. Sie meinte, die Versetzung sei rechtswidrig und sie wollte weiter auf der Intensivstation tätig sein. Für die Arbeitgeberin dagegen war die Versetzung von ihrem Direktions- und Weisungsrecht gedeckt. Sie habe lediglich den Betriebsfrieden und die Interessen der Krankenschwester im Blick gehabt. Auf der neuen Station sei ein dauerhaftes Tragen von FFP2-Masken nicht notwendig. Das Arbeitsgericht hat die Klage der Krankenschwester abgewiesen. Die Arbeitgeberin durfte ihr einen anderen Arbeitsplatz zuweisen. Eine Strafversetzung konnte das Arbeitsgericht nicht erkennen. Die Arbeitgeberin hatte die beiderseitigen Interessen ordnungsgemäß berücksichtigt.

Hinweis: Nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen darf ein Arbeitgeber überhaupt einen Arbeitnehmer versetzen. Ob die Versetzung im Einzelfall rechtmäßig ist, kann ein Rechtsanwalt klären.

Quelle: ArbG Herne, Urt. v. 06.05.2021 – 4 Ca 2437/20

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Beleidigung als „Ming-Vase“

Vorgesetzte müssen Beleidigungen nicht hinnehmen. Sehr schnell kann der Arbeitgeber dabei zum Mittel der Kündigung greifen. Das zeigt auch dieser Fall.

Es ging um eine Verkäuferin, die auch stellvertretendes Mitglied des Betriebsrats war, und in einem Kaufhaus mit internationalem Publikum arbeitete. Die Verkäuferin hatte zu einer Kollegin gesagt: „Heute muss ich darauf achten, dass ich die ausgesuchten Artikel richtig abhake, sonst gibt es wieder Ärger mit der „Ming-Vase“. Als die Kollegin das nicht verstand, zog sie ihre Augen mit den Fingern nach hinten, um eine asiatische Augenform zu imitieren. Die Arbeitgeberin hörte die Arbeitnehmerin dann zu dem Vorfall an und die Mitarbeiterin sagte, dass sie das Imitieren der asiatischen Augenform vorgenommen habe, um nicht „Schlitzauge“ zu sagen, bei „schwarzen Menschen/Kunden“ verwende sie den Begriff „Herr Boateng“, weil sie diesen toll finde. Daraufhin wollte die Arbeitgeberin eine Kündigung aussprechen, benötigte jedoch zunächst die Zustimmung des Betriebsrats. Als der Betriebsrat die Zustimmung verweigerte, zog die Arbeitgeberin erfolgreich vor Gericht und ließ die Zustimmung ersetzen. In der Gesamtbetrachtung lag eine rassistische Äußerung vor, die die Pflicht zur Rücksichtnahme auf berechtigte Interessen des Kaufhauses als Arbeitgeberin verletzte. Die Vorgesetzte wurde herabgewürdigt. Außerdem war für es ein Kaufhaus von internationalem Ruf nicht hinnehmbar, wenn eine Verkäuferin als Aushängeschild im täglichen Kontakt mit internationalem Publikum dieses wahlweise als Ming-Vase oder Herr Boateng oder mit sonstigen abwertenden Formulierungen bezeichnen könnte.

Hinweis: Stets hat der Arbeitgeber die gegenseitigen Interessen abzuwägen. Bei weitem kommt nicht immer eine Kündigung in Betracht. Bei diskriminierenden und rassistischen Äußerungen ist in aller Regel jedoch keine Abmahnung erforderlich.

Quelle: ArbG Berlin, Beschl. v. 05.05.2021 – 55 BV 2053/21

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Wenn freie Mitarbeiter Geld wollen

Ein wirklich freier Mitarbeiter bekommt natürlich keine Extras, wie Urlaub, eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Weihnachtsgeld. Schwierig wird es, wenn der ursprünglich freie Mitarbeiter tatsächlich ein abhängig beschäftigter Arbeitnehmer ist.

Ein Unternehmen, das die Reparatur und Wartung von Kompressoren anbot, suchte mit einer schriftlichen Stellenausschreibung nach einem „Mechaniker (m/w/d)“. Daraufhin meldete sich ein Interessent, mit dem das Unternehmen eine Zusammenarbeit vereinbarte. Er war von Anfang der Zusammenarbeit an in das Unternehmen eingegliedert und weisungsabhängig. Trotzdem hatte er ein eigenes Unternehmen angemeldet und stellte seine Leistungen in Rechnung. Den Abschluss eines Arbeitsvertrags hatte der Mechaniker abgelehnt. Schließlich wurde der Mechaniker krank und schickte seinem vermeintlichen Arbeitgeber den gelben Schein, also die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Das Unternehmen reagierte darauf mit einem Schreiben und erklärte die Zusammenarbeit vorerst für erledigt. Außerdem wurde ein vermeintliches Arbeitsverhältnis vorsorglich gekündigt. Dagegen klagte der Mechaniker und verlangte außerdem Geld. Zwar hielt das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung für wirksam, urteilte aber gleichzeitig, dass ein Arbeitsverhältnis bestanden hatte. Aus der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses hatte sich ergeben, dass der Mechaniker weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verrichtet hatte. Nun muss der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge, Lohnsteuer, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und eine Urlaubsabgeltung zahlen.

Hinweis: Arbeitgeber sollten sich bei der Beschäftigung freier Mitarbeiter ganz sicher sein, ob diese tatsächlich unabhängig sind. Stellt sich später heraus, dass es sich tatsächlich um abhängig Beschäftigte gehandelt hatte, kann es richtig teuer werden.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.03.2021 – 17 Sa 45/20

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Die Betriebsratswahl in Coronazeiten

In der Pandemie ist vieles anders, auch die Wahl eines Betriebsrats.

Mehrere Arbeitnehmerinnen wollten einen Wahlvorstandes zur Durchführung einer Betriebsratswahl bestimmen. Eigentlich wird der Betriebsrat in Betrieben, die bislang noch keinen Betriebsrat haben, so installiert: Es wird zu einer Wahlversammlung eingeladen und dann bestimmen alle wahlberechtigten Arbeitnehmer einen Wahlvorstand, der die Wahl einleitet. Zu der an sich notwendigen Betriebsversammlung luden die Arbeitnehmerinnen aber aufgrund der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen nicht ein. Trotzdem beantragten sie vor dem Arbeitsgericht, dieses solle zur Durchführung der Betriebsratswahl einen aus drei Personen bestehenden Wahlvorstand bestellen. Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt und setzte einen Wahlvorstand ein. Es wäre nach den Richtern widersinnig, von den Arbeitnehmerinnen die Einladung zu einer Betriebsversammlung zu verlangen, wenn sie dann gleichzeitig darauf hinweisen müssten, dass die Betriebsversammlung aber wegen der Pandemie nicht stattfinden kann.

Hinweis: Obwohl es das Gesetz anders bestimmt, war in diesem Fall eine Wahlversammlung zur Bestimmung des Wahlvorstandes nicht erforderlich. Darauf verlassen sollten sich allerdings weder Arbeitnehmer, noch Betriebsrat oder der Arbeitgeber.

Quelle: ArbG Lingen, Beschl. v. 19.03.2021 – 1 BV 1/21

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Betriebsräte und Personalräte müssen neutral sein

Die Gewerkschaftswerbung liegt für Interessenvertreter sicherlich nah. Ein Betriebsrat oder ein Personalrat muss dabei aber sehr vorsichtig sein.

Einer Personalrätin wurde vorgeworfen, dass sie Bewerber auf freie Stellen in unzulässiger Weise auf einen Eintritt in die Gewerkschaft angesprochen zu haben. Die Personalrätin war schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Sie war unterhaltspflichtig für einen volljährigen, schwerbehinderten Sohn. Belastet wurde die Personalrätin durch mehrere Zeugen, die sich auf Stellen beworben hatten. So soll die Personalrätin gesagt haben: „Wir helfen nur unseren Leuten." „Lebenslauf und Bewerbung machen und du musst bei W. Mitglied werden." „Man muss Mitglied bei W. werden, dass man überhaupt eine Chance bekommt, Versorgungsassistentin zu werden." Der Arbeitgeber wollte sich das nicht länger gefallen lassen und beantragte beim Personalrat die Zustimmung zur Kündigung der Personalrätin. Als der Personalrat diese Zustimmung nicht gab, stellte der Arbeitgeber beim Verwaltungsgericht den Antrag, die Zustimmung ersetzen zu lassen. Das Verwaltungsgericht hat in einem Beschluss die Zustimmung des Personalrates für die außerordentliche Kündigung ersetzt. Es hielt eine außerordentliche Kündigung für gerechtfertigt, weil die Personalrätin das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber zerstört hatte. Der Betriebsfrieden war massiv beeinträchtigt. Es handeltes sich zwar um eine sogenannte Verdachtskündigung, aber schon die Vorwürfe stellten einen wichtigen Grund dar, der die außerordentliche Kündigung rechtfertigte. Die Personalrätin hatte nicht nur die ihr als Personalratsmitglied zustehenden Kompetenzen überschritten, sondern auch ihre arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber in massiver Weise verletzt hat.

Hinweis: Eine Vermischung zwischen Betriebsrats- und Gewerkschaftstätigkeit darf allerdings also nicht passieren. Das kann sogar einen Kündigungsgrund darstellen.

Quelle: VG Düsseldorf, Urt. v. 23.11.2020 – 34 K 2939/19.PVL

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Kündigung wegen Quarantäne unwirksam

Selbst wenn ein Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz hat, ist es doch verboten, ihm eine sittenwidrige- oder treuwidrige Kündigung zu übergeben.

Ein Arbeitnehmer befand sich auf telefonische Anordnung des Gesundheitsamts im Oktober 2020 in häuslicher Quarantäne. Über die Quarantäne informierte er seinen Arbeitgeber, einen kleinen Dachdeckerbetrieb. Der Arbeitgeber bezweifelte die Quarantäneanordnung und vermutete, der Arbeitnehmer wolle sich lediglich vor der Arbeitsleistung „drücken“. Er verlangte eine schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamtes, die der Arbeitnehmer auch beim Gesundheitsamt telefonisch einforderte. Als diese schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamtes auch nach mehreren Tagen noch nicht vorlag, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Dagegen klagte der Mitarbeiter mit Erfolg. Die Kündigung war sitten- und treuwidrig. Der Arbeitnehmer hat sich lediglich an die behördliche Quarantäneanordnung gehalten. Erschwerend kam hinzu, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich aufgefordert hatte, entgegen der Quarantäneanweisung im Betrieb zu erscheinen.

Hinweis: Befindet sich ein Arbeitnehmer also in Quarantäne, darf der Arbeitgeber nicht ohne weiteres kündigen.

Quelle: ArbG Köln, Urt. v. 15.04.2021 – 8 Ca 7334/20

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Rassistische Äußerungen am Arbeitsplatz

Manche Arbeitnehmer können sich einfach nicht benehmen. Dann ist es richtig, wenn der Arbeitgeber zu einer Kündigung greift.

Ein seit 1981 als Facharbeiter beschäftigter 55-jähriger verheiratete Arbeitnehmer mit drei Kindern war schwerbehindert. Dann erhielt er von seinem Arbeitgeber nach Zustimmung des Integrationsamtes und ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung die Kündigung. Er hatte unter anderem türkischstämmige Fremdfirmenmitarbeiter beleidigt. Der Arbeitnehmer soll auf die Frage eines Kollegen, was er zu Weihnachten bekommen habe, in der Werkstattküche wie folgt geäußert hat: „Ich habe mir eine Gaskammer gewünscht, diese aber nicht erhalten. Die Türken soll man ins Feuer werfen und ihnen den Kopf abschlagen." Bereits zuvor hatte er Fremdmitarbeiter als „Ölaugen", „Nigger" und „meine Untertanen" beschimpft. Diese hatten sich deshalb nicht bereits vorher beschwert, weil der Arbeitnehmer sich als unantastbar geriert hatte, als jemand, dem man „nichts könne", weil er einen Behindertenausweis habe und unkündbar sei. Gegen die Kündigung klagte der Mitarbeiter. Die Kündigung war aufgrund der Äußerungen sozial gerechtfertigt und hat das Arbeitsverhältnis beendet. Sowohl die Bezeichnung als „Ölaugen" als auch die Bezeichnung als „Nigger" oder „Untertanen" sind nicht hinnehmbare beleidigende Äußerungen. Dies gipfelte dann in einer nationalsozialistisch menschenverachtenden Äußerung. Die Bemerkung über die türkischen Arbeitskollegen reduzierten diese auf lebensunwerte Wesen und stellte einen unmittelbaren Bezug zu den nationalsozialistischen Gräueltaten her. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens war der Arbeitgeberin eine vorherige Abmahnung unzumutbar. Die Interessenabwägung fiel trotz des hohen sozialen Besitzstandes und den eher schlechten Chancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt zu dessen Lasten aus.

Hinweis: Schwere rassistische Beleidigungen können also zu einer sozial gerechtfertigten Kündigung durch den Arbeitgeber führen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten dafür sorgen, dass das gar nicht zu solchen Stimmungen im Betrieb kommt.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2020 – 5 Sa 231/20

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Beschäftigungsverbot wegen Coronaverstößen

Der Staat kann auch in Einzelfällen Grundrechte beschränken und sogar ein Beschäftigungsverbot aussprechen. Das zeigt dieser Fall ganz genau.

Bei einem Ausbruch von Covid-19 in einer Seniorenresidenz kam es im Dezember 2020 zu 20 Infektionen bei Bewohnern und zehn Infektionen bei Mitarbeitern der Einrichtung. Sieben Bewohner verstarben. Das Gesundheitsamt stellte bei mehrfachen Begehungen fest, dass die als Einrichtungsleiterin und Pflegefachkraft tätige Mitarbeiterin trotz anders lautender Anordnungen wiederholt nicht in Dienstkleidung angetroffen worden war. Die Behörde hatte außerdem eine sofort vollziehbare Anordnung zur strikten Trennung der Wohnbereiche in solche für Covid-19-erkrankte und solche für nicht daran erkrankte Bewohner erlassen und die strikte Zuordnung des Pflegepersonals zu jeweils einem Bereich angeordnet. Die Leiterin der Seniorenpflegeeinrichtung hatte aber trotzdem mehrfach während ihrer Schicht zwischen den beiden Bereichen gewechselt. Die Behörde untersagte der Einrichtung daraufhin mit für sofort vollziehbar erklärter Ordnungsverfügung im Januar 2021 die weitere Beschäftigung der betroffenen Mitarbeiterin. Das OVG stellte sich auf die Seite der Behörde: Das Beschäftigungsverbot für die Mitarbeiterin war rechtmäßig, weil die Mitarbeiterin ihre Vorbildfunktion als Leiterin der Einrichtung, der eine besondere Bedeutung zukomme, nicht wahrgenommen habe. Sie habe ihre eigenen Regeln über die Anordnungen des Gesundheitsamtes gesetzt.

Hinweis: Behörden können also ganz eindeutig Beschäftigungsverbote verhängen. Ob das dann jeweils im Einzelfall ein Kündigungsgrund für den Arbeitgeber ist, muss in jedem Einzelfall entschieden werden.

Quelle: OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 24.03.2021 –12 B 198/21

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Kurzarbeit wirksam vereinbaren

Wenn Arbeitgeber Kurzarbeit einführen, ohne sie ordnungsgemäß zu vereinbaren, kann das sehr teuer werden.

Ein Arbeitnehmer war als Omnibusfahrer beschäftigt zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.100 €. Dann teilte ihm seine Arbeitgeberin mit, dass Kurzarbeit angemeldet werden müsse. Eine Vereinbarung über die Kurzarbeit gab es mit dem Omnibusfahrer nicht. Auch eine Betriebsvereinbarung wurde nicht abgeschlossen, da es im Betrieb gar keinen Betriebsrat gab. Der Omnibusfahrer war mit der Kurzarbeit nicht einverstanden und bot dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung an. Die Arbeitgeberin kürzte trotzdem einen Teil des Gehalts des Omnibusfahrers. Die Zahlung betitelte sie in der Abrechnung als „Kurzarbeitergeld“. Daraufhin zog der Arbeitnehmer vor das Arbeitsgericht und verlangte die Zahlung seines vollen Gehalts. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Ein Arbeitgeber darf einseitig Kurzarbeit nur anordnen, wenn dies individualvertraglich, durch Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag zulässig ist. Bei einer Anordnung ohne rechtliche Grundlage besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld und Arbeitnehmer behalten ihren vollen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber wegen eines Annahmeverzugs des Arbeitgebers.

Hinweis: Kurzarbeit muss rechtssicher eingeführt werden. Das geht durch eine arbeitsvertragliche Regelung, eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat oder durch einen Tarifvertrag.

Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 11.11.2020 – 4 Ca 1240/20

https://www.arbg-siegburg.nrw.de/

 

Keine Arbeit ohne Corona-Test

Ob ein Arbeitnehmer ohne negativen Coronatest ein Betriebsgebäude betreten darf, wird sicherlich künftig häufiger die Gerichte beschäftigen.

In einer Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat stand, dass Arbeitnehmer nur dann Zutritt zum Werksgelände verhalten, wenn sie vorher einen PCR-Test durchzuführen und dieser negativ verläuft. So sollten keine Coronaviren in den Betrieb gelangen. Das wollte sich ein Arbeitnehmer nicht gefallen lassen und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Aus seiner Sicht verstieß die Anweisung, den Test durchzuführen, gegen das Recht auf Selbstbestimmung und war weder durch das Weisungsrecht noch die Betriebsvereinbarung gedeckt. Der PCR-Test sei unverhältnismäßig, weil er einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bilden würde. Das Arbeitsgericht wies den Eilantrag des Arbeitnehmers zurück. Der Arbeitnehmer hatte aus Sicht der Richter die Eilbedürftigkeit einer sofortigen Entscheidung nicht nachgewiesen. Ein besonderes, eiliges Beschäftigungsinteresse war nicht erkennbar.

Hinweis: Der Arbeitnehmer des Falls wird also nun einen langen Gerichtsprozess auf sich nehmen müssen. Wenn er dann in einem halben Jahr ein Urteil erhält, weiß er genau, ob er zur Arbeit kommen musste oder nicht. Verletze den Prozess, wird er auch kein Geld vom Arbeitgeber bekommen. Das sollten Arbeitnehmer bedenken.

 Quelle: ArbG Offenbach, Urt. v. 04.02.2021 – 4 Ga 1/21

https://arbeitsgerichtsbarkeit.hessen.de/arbg-offenbach

 

Führt ein Aufhebungsvertrag zum Ende des Betriebsratsamts?

Wenn ein Betriebsratsmitglied einvernehmlich durch einen Aufhebungsvertrag sein Arbeitsverhältnis beendet, heißt das noch lange nicht, dass er auch sein Betriebsratsamt sofort verliert.

Ein Arbeitgeber hatte mit einem Mitglied des Betriebsrats einen Aufhebungsvertrag zum einen 31. Dezember 2021 geschlossen. In dem Aufhebungsvertrag war eine unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers vereinbart worden. Trotzdem nahm der Arbeitnehmer weiterhin an den Betriebsratssitzungen teil. Der Arbeitgeber meinte nun, durch die unwiderrufliche Freistellung habe der Arbeitnehmer auch sein Betriebsratsamt verloren. Als dann der Arbeitnehmer feststellte, dass seine Zugangskarte zu den Betriebsräumen gesperrt worden war, beantragte er den Erlass einer einstweiligen Verfügung – zu Recht. Nach Auffassung der Richter gehörte er noch dem Betriebsrat an. Insbesondere die Freistellung bis Ende des Jahres 2021 führte nicht zum Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat. Eine entsprechende Rücktrittsverpflichtung hätten die Parteien im Aufhebungsvertrag schließen können. Das hatten sie aber nicht getan.

Hinweis: Liegt also zwischen dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags und der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein langer Zeitraum, kann der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer vereinbart, dass der Arbeitnehmer kurzfristig vom Betriebsratsamt zurücktritt.

Quelle: Hessisches LAG, Beschl. v. 21.12.2020 – 16 TaBVGa 189/20

https://arbeitsgerichtsbarkeit.hessen.de/lag-frankfurt

 

Smartphones für den Personalrat

Mit Smartphones sind bekanntlich auch Videokonferenzen möglich. Darf aber ein Personal- oder Betriebsrat dafür vom Arbeitgeber finanzierte Smartphones fordern?

Eine Gesamtpersonalrat einer Schule forderte 17 Mobiletelefone für die Durchführung von Telefonkonferenzen. Auch die laufenden Kosten für die Telefone sollte der Dienstherr so lange übernehmen, bis eine elektronische Abstimmung möglich sei. Schließlich klagte der Personalrat sein vermeintliches Recht ein – und scheiterte, da er die Erforderlichkeit nicht darlegen konnte. So hatte er zum Beispiel nicht dargestellt, dass die einzelnen Teilnehmer nicht in einem abgeschlossenen Raum saßen oder eben von eigenen Telefonen aus teilnehmen konnten. Das wäre allerdings erforderlich gewesen.

Hinweis: Betriebsräten und Personalräten ist die sachliche Ausstattung, die sie benötigen, zur Verfügung zu stellen. Die Kosten übernimmt der Arbeitgeber. Was im Einzelnen erforderlich ist, mussten schon häufig Gerichte entscheiden. Im Zweifel kann ein Rechtsanwalt prüfen, ob bereits entsprechende Urteile ergangen sind.

Quelle: VG Wiesbaden, Urt. v. 22.01.2021 – 23 L 1447/20.WI.PV

https://verwaltungsgerichtsbarkeit.hessen.de/vg-wiesbaden

 

Der Kirchenaustritt als Kündigungsgrund

Wenn Arbeitnehmer aus der Kirche austreten, dürfen Arbeitgeber nur in wenigen Fällen kündigen.

Es ging um eine evangelische Kirchengemeinde mit 51 Kindertagesstätten. In einer dieser Kindertagesstätten arbeitete seit 1995 ein Koch, der dann aus der evangelischen Landeskirche austrat. Als die Arbeitgeberin davon erfuhr, entließ sie ihn fristlos. Mit dem Austritt habe er schwerwiegend gegen seine vertraglichen Loyalitätspflichten verstoßen. Der Koch wiederum meinte, er habe bis auf die Getränkeausgabe keinen Kontakt zu den Kindern und mit dem Personal müsse er nur organisatorische Dinge klären. Er erhob eine Kündigungsschutzklage. Das LAG war auf seiner Seite. Die Kirche hätte mehr differenzieren müssen. Denn ob der Koch Mitglied der evangelischen Kirche ist oder nicht, stellt keine wesentliche Anforderung an die persönliche Eignung des Arbeitnehmers dar.

Hinweis: Bei einem Koch ist die Konfession auch bei einer Anstellung bei der Kirche unerheblich. Das kann bei Erzieherinnen und Erziehern allerdings ganz anders aussehen.

 Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 10.02.2021 – 4 Sa 27/20

https://landesarbeitsgericht-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite

 

Die fristlose Kündigung und die Personalratstätigkeit

Es ist selten, dass ein Mitglied des Betriebs- oder ein Personalrats fristlos gekündigt wird. Doch welche Auswirkungen hat die Kündigung auf die Tätigkeit als Gremiumsmitglied?

Ein Personalratskollege wurde fristlos entlassen und ging gegen diese Kündigung vor. Der Personalrat wollte aber zudem erreichen, dass er trotz der fristlosen Entlassung sein Amt zumindest noch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter ausüben darf. Per Eilverfahren wollte er zusätzlich die Verpflichtung des Leiters seiner Dienststelle und des Gesamtpersonalrats erreichen, ihn bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht in der Ausübung seines Personalratsamtes zu behindern. Der Mann scheiterte mit seinem Antrag. Die Richter meinten, dass eine Voraussetzung für die weitere Ausübung des Personalratsamts ist, dass das gekündigte Personalratsmitglied darlegen muss, dass die angegriffene Kündigung offensichtlich unwirksam ist. Dann ist kein anzunehmender Zweifel am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses berechtigt. Dazu hatte das Personalratsmitglied aber nicht genügend vorgetragen.

Hinweis: Betriebsräte und Personalräte sind gesetzlich geschützt. Sie haben einen sogenannten besonderen Kündigungsschutz. Der hilft aber eben auch nicht immer, da sich eben alle an Recht und Gesetz halten müssen.

 Quelle: BVerwG, Beschl. v. 04.02.2021 – 5 VR 1.20

https://www.bverwg.de/

 

Auf der Toilette eingesperrt

Straftaten am Arbeitsplatz rechtfertigen aller Regel eine Kündigung.

Ein Lagerist war seit einem Jahr beschäftigt. In dieser Zeit geriet er immer wieder mit einem anderen Kollegen in Streit. Dies mündete darin, dass der Lagerist dem Kollegen eines Tages auf die Toilette folgte. Er schob unter der Toilettentür ein Papier hindurch, stieß so gegen das Türschloss, dass der Schlüssel hinausfiel, zog den Schlüssel unter der Tür hindurch und ließ den Kollegen eingesperrt auf der Toilette zurück. Dieser wusste sich irgendwann nicht mehr zu helfen und trat die Toilettentür ein. Der Lagerist wurde daraufhin fristlos gekündigt, klagte aber gegen die Kündigung. Seinen Job hat er trotzdem verloren. Er hatte seinen Kollegen zumindest zeitweise der ungehinderten Möglichkeit des Verlassens der Toilette und damit seiner Freiheit beraubt. Dies ist eine erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Zudem hatte diese Pflichtverletzung noch dazu geführt, dass das Eigentum des Arbeitgebers durch das Eintreten der Toilettentür geschädigt wurde. Es war dem Arbeitgeber daher nicht zumutbar, den Lageristen bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu beschäftigen.

Hinweis: Bei Straftaten im Betrieb müssen Arbeitnehmer vorsichtig sein. Denn häufig ist der Arbeitgeber geradezu verpflichtet, Sanktionen zu ergreifen.

 Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 11.02.2021 – 5 Ca 1397/20

https://www.arbg-siegburg.nrw.de/

 

Neues zu Tankgutscheinen

Immer wieder versuchen Arbeitgeber, Gehalt in Gutscheine umzuwandeln. So möchten Sie gerne Sozialversicherungsbeiträge sparen. Das ist aber gar nicht so einfach.

Der Arbeitgeber des Falls und seine Arbeitnehmer vereinbarten eine sogenannte Nettolohnoptimierung. Die Beschäftigten verzichteten auf einen Teil ihres Bruttoverdienstes zwischen 249 und 640 € im Monat. Die Arbeitszeit blieb gleich. Die bisherige Bruttovergütung wurde bei der Berechnung künftiger Gehaltsansprüche zugrunde gelegt. Daneben wurden aber neue Gehaltsanteile, wie z. B. Tankgutscheine (40 € im Monat) und Mietzahlungen für die Bereitstellung von Werbeflächen auf den Privat-Pkws der Mitarbeiter (21 € im Monat) vereinbart. Bei einer Betriebsprüfung wurden diese neuen Gehaltsanteile als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt gewertet und der Arbeitgeber sollte die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Gegen einen entsprechenden Bescheid klagte er und meinte, dass es sich bei den Tankgutscheinen um Sachzuwendungen im Rahmen der 44-€-Grenze handelt. Die Werbeeinnahmen wiederum würden auf eigenständigen Mietverträgen beruhen, seien also vom Arbeitsverhältnis unabhängig. Mit dieser Argumentation kam er nicht durch. Vereinbart ein Arbeitgeber einen teilweisen Lohnverzicht und gewährt dafür Gutscheine und Werbeeinnahmen, so handelt es sich sozialversicherungsrechtlich um Arbeitsentgelt. Arbeitsentgelt umfasst grundsätzlich alle im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden geldwerten Vorteile.

Hinweis: Bevor Arbeitgeber Gutscheine ausgeben, ist stets eine Rückfrage bei dem Rechtsanwalt oder Steuerberater des Vertrauens sinnvoll.

Quelle: BSG, Urt. v. 23.02.2021 – B 12 R 21/18 R

https://www.bsg.bund.de/DE/Home/home_node.html

 

Dann ist wieder ein neues bEM erforderlich

Ist ein Arbeitnehmer länger als sechs Wochen innerhalb eines Jahres erkrankt, ist ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) zwingend vom Arbeitgeber durchzuführen.

So war es auch bei einem Produktionsmitarbeiter gewesen. Das bEM endete im März 2019: Es wurde festgestellt, dass der Mitarbeiter keine Gesundheitsprobleme mehr hatte. Dann aber häufte der Mitarbeiter bis Mitte November insgesamt 79 weitere Arbeitsunfähigkeitstage an. Daraufhin sprach der Arbeitgeber die Kündigung aus, gegen die der Mitarbeiter klagte. Auch das LAG war der Auffassung, die Kündigung sei rechtswidrig. Der Arbeitgeber hätte vor der Kündigung in einem erneuten bEM nach Möglichkeiten suchen müssen, den Mitarbeiter leidensgerecht zu beschäftigen.

Hinweis: Wenn Arbeitgeber ein erforderliches bEM nicht durchführen, ist in aller Regel der Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung nicht möglich.

 Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 09.12.2020 – 12 Sa 554/20

https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/

 

Kündigung wegen fehlender Anzeige der Arbeitsunfähigkeit

Auch kleine Nachlässigkeiten können einen Kündigungsgrund darstellen. Arbeitnehmer sind bei einer Arbeitsunfähigkeit dazu verpflichtet, ihren Arbeitgeber sofort zu informieren. Auch über die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit muss das Unternehmen auf dem Laufenden gehalten werden.

Ein Arbeitnehmer war bereits seit 2007 bei seinem Arbeitgeber als Lagerist beschäftigt. Seit Juli 2016 war er durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Lagerist versäumte es wiederholt, die Fortdauer seiner Erkrankung dem Arbeitgeber rechtzeitig und korrekt mitzuteilen. Der Arbeitgeber wies seinen Mitarbeiter zunächst schriftlich auf seine Pflichten hin, mahnte ihn dann mehrfach ab und kündigte ihm schließlich. Dagegen klagte der Langzeiterkrankte. Die Kündigungsschutzklage hatte aber keinen Erfolg. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts hatte der Mitarbeiter seine Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit trotz vorangehender Abmahnungen mehrfach vorsätzlich verletzt.

Hinweis: Arbeitnehmer sollten also die Hinweis- und Nachweispflichten im Falle von Arbeitsunfähigkeit ernst nehmen. Die Pflichten gelten auch im Falle einer Langzeiterkrankung!

 Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.11.2020 – 10 Sa 52/18

https://landesarbeitsgericht-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite

 

Sonntagsarbeit im Online-Versandhandel

Die Arbeit an einem Sonntag ist und bleibt in vielen Berufen die Ausnahme.

Ein Online-Versandhandel hatte die Bewilligung von Sonntagsarbeit für 800 Arbeitnehmer an zwei Adventssonntagen bei der zuständigen Behörde beantragt. Ohne die Sonntagsarbeit drohte ein Überhang von 500.000 Bestellungen bis Weihnachten. Als die Behörde die Sonntagsarbeit genehmigte, zog eine Gewerkschaft dagegen vor Gericht. Das BVerwG urteilte: Nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) kann die zuständige Behörde an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen die Beschäftigung von Arbeitnehmern bewilligen, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erfordern. Besondere Verhältnisse sind vorübergehende Sondersituationen, die eine außerbetriebliche Ursache haben. Sie dürfen also nicht vom Arbeitgeber selbst geschaffen sein. Auf solche innerbetrieblichen Umstände war jedoch der Bedarf für die beantragte Sonntagsarbeit zurückzuführen. Die Lieferengpässe wurden durch die kurz vor dem Weihnachtsgeschäft eingeführte Zusage kostenloser Lieferung am Tag der Bestellung verstärkt. Deshalb musste das Gericht gar nicht darüber entscheiden, ob schon ein saisonbedingt erhöhter Auftragseingang eine Sondersituation darstellt, die die Bewilligung von Sonntagsarbeit rechtfertigen kann.

Hinweis: Möchte ein Unternehmen einmal Sonntagsarbeit einführen, können diese Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts helfen. Fragen Sie zudem Ihren Rechtsanwalt.

Quelle: BVerwG, Urt. v. 27.01.2021 – 8 C 3.20

https://www.bverwg.de/

 

Mund-Nasen-Schutz bei der Arbeit

Sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verpflichtet, eine Mund-Nasen-Schutz bei der Arbeit zu tragen?

Eine Arbeitnehmerin hatte geltend gemacht, bei ihrer Arbeit als Flugsicherheitsassistentin am Flughafen statt eines Mund-Nasen-Schutzes einen Gesichtsschutzschirm zu tragen. Das lehnten die Richter allerdings ab. Den Arbeitgeber traf die Pflicht, die Beschäftigten und das Publikum am Flughafen vor Infektionen zu schützen. Ein Gesichtsvisier war für den Schutz Dritter weniger geeignet als der hier vorgeschriebene Mund-Nasen-Schutz. Dass der Arbeitnehmerin das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sei, hatte sie zudem nicht glaubhaft gemacht. Flugsicherheitsassistenten sind für die Durchführung der Passagier- und Gepäckkontrollen, der Bedienung von Sicherheitstechnik und insgesamt der Umsetzung der Luftsicherheitsstandards zuständig. Sie kommen häufig mit anderen Menschen in Kontakt.

Hinweis: In aller Regel wird also momentan eine Anordnung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auf der Arbeit rechtmäßig sein.

Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 15.10.2020 – 42 Ga 13034/20

https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/

 

Kündigung nach Diebstahl von Desinfektionsmittel

Auch der Diebstahl von „Kleinigkeiten“ kann eine Kündigung rechtfertigen.

Ein Arbeitnehmer war seit 2004 bei einem Paketzustellunternehmen als Be- und Entlader sowie Wäscher für die Fahrzeuge beschäftigt. Bei einer stichprobenartigen Ausfahrtkontrolle im März 2020 fand der Werkschutz im Kofferraum des Mitarbeiters eine nicht angebrochene Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel und eine Handtuchrolle. Der Wert des Desinfektionsmittels betrug zum damaligen Zeitpunkt 40 €. Wegen des vermeintlichen Diebstahls erhielt der Arbeitnehmer eine fristlose Kündigung, gegen die er vor dem Arbeitsgericht vorging. Der Arbeitnehmer meinte, er habe sich während der Arbeit jede Stunde zu seinem Fahrzeug begeben, um die Hände zu desinfizieren und abzutrocknen. Bei der Ausfahrt habe er an die Sachen im Kofferraum nicht mehr gedacht. Das LAG hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Es lag ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Die Einlassungen des Arbeitsnehmers waren nicht glaubhaft. Auch eine vorherige Abmahnung war nicht erforderlich.

Hinweis: Das Problem von entwendeten Desinfektionsmitteln und Schutzmasken ist derzeit in den Betrieben häufiger anzutreffen. Lohnt es sich aber, dafür das Arbeitsverhältnis zu riskieren?

Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 14.01.2021 – 5 Sa 483/20

https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/

 

Die Privatnutzung des Pkw und Arbeitszeitbetrug

Gerade bei der Nutzung von Dienstfahrzeugen sollten Arbeitnehmer aufpassen. Es kann schneller zu einer Kündigung kommen, als gedacht.

Ein Arbeitnehmer war seit 1984 als Energieanlagenelektroniker im Außendienst im Bereich der Stromzählermontage bei einem Netzbetreiber beschäftigt. Er war tariflich ordentlich unkündbar. Für seine Tätigkeit hatte die Arbeitgeberin ihm ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt, dessen private Nutzung sie untersagt hatte. Die Arbeitgeberin warf dem Mitarbeiter dann nach einer Auswertung des elektronischen Fahrtenbuchs unerlaubte Privatfahrten und damit einen Arbeitszeitbetrug vor. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Dagegen klagte der Arbeitnehmer mit Erfolg. Soweit die Arbeitgeberin ihm überzogene Pausen aufgrund von Standzeiten des Fahrzeugs nach der regulären Pausenzeit vorgeworfen hatte, konnte sie keinen Kündigungsgrund nachweisen. Der Arbeitnehmer hatte dies damit erklärt, dass er in dieser Zeit vorbereitend die Schrauben der Zählerplatten für die Montage nachgezogen hatte. Dass der Arbeitnehmer mit dem Dienstfahrzeug seine Wohnung aufgesucht hatte, war kein Kündigungsgrund, weil offenblieb, ob ihm dies ein Vorgesetzter für Toilettengänge wegen einer Erkrankung gestattet hatte. Es handelte sich stets nur um einen kleinen Umweg. Die lange beanstandungsfreien Beschäftigungszeit und der nur kurze Aufenthalt zu Hause sprachen für den Mitarbeiter.

Hinweis: Aus Arbeitgebersicht sind viele Urteile der Arbeitsgerichte kaum nachvollziehbar. Aber so ist das nun einmal: Arbeitsrecht ist Arbeitnehmerschutzrecht.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2020 – 6 Sa 522/20

https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/

 

Corona-Konzept: der Betriebsrat bestimmt mit

In vielen Betrieben gibt es Hygienekonzepte zum Schutz vor Corona. Doch wie bestimmt der Betriebsrat dabei mit?

Ein Krankenhaus hatte wegen der Corona-Pandemie ein System zur Dokumentation des Zutritts und Aufenthalts betriebsfremder Personen auf dem Klinikgelände eingeführt. Den Betriebsrat hatte es dabei nicht beteiligt. Deshalb beantragte dieser beim zuständigen Arbeitsgericht die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Regelung des Besucherkonzepts. Als das Arbeitsgericht eine solche Einigungsstelle tatsächlich einsetzte, wollte sich das Krankenhaus damit nicht zufriedengeben und schaltete das Landesarbeitsgericht ein. Die Einigungsstelle war jedoch zu Recht eingesetzt worden. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz bezieht sich auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden, die Rahmenvorschriften konkretisieren. Eine solche Rahmenvorschrift, die auch den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezweckt, stellt die Coronaschutzverordnung NRW dar.

Hinweis: Entscheidet sich ein Arbeitgeber für die Zulassung von Besuchern, trifft ihn auch die entsprechende Verpflichtung zum Gesundheitsschutz gegenüber seinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Für die Umsetzung der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts besteht ein Gestaltungsspielraum. Dieser Gestaltungsspielraum eröffnet das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 22.01.2021 – 9 TaBV 58/20

https://www.lag-koeln.nrw.de/

 

 

Einigungsstelle: Wieviel Beisitzer dürfen es sein?

Die Einigungsstelle ist ein Schlichtungsorgan, das Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber beenden soll. Sie tritt immer dann zusammen, wenn eine der Parteien sie anruft.

Die Arbeitgeberin dieses Falls betrieb mehrere Krankenhäuser und hatte nun eine Einigungsstelle zu der Streitigkeit „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Durchführung von psychischen Gefährdungsbeurteilungen" angerufen. Der Betriebsrat wollte nun, dass mehr als zwei Beisitzer je Seite festgelegt werden. Er hielt das Thema für zu komplex und zog er bis vor das Landesarbeitsgericht. Das war auf Seiten des Betriebsrats. Im Regelfall ist eine Einigungsstelle zwar mit je zwei Beisitzern auf jeder Seite zu besetzen. Bei diesem Thema war wegen der Erforderlichkeit sowohl juristischen als auch arbeitspsychologischen Sachverstands jedoch eine Festlegung der Beisitzerzahl auf drei je Seite geboten.

Hinweis: Die Einigungsstelle ist in ganz bestimmten, durch das Gesetz festgelegten Streitigkeiten zuständig. Betriebsräte können sich auf Kosten des Arbeitgebers durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 01.10.2020 – 3 TaBV 4/20

https://landesarbeitsgericht-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite

 

Urlaub und fristlose Kündigung

Ein Arbeitnehmer erhält eine fristlose Kündigung, klagt dagegen und muss später wieder eingestellt werden. Und was passiert mit dem Urlaub?

Sein Arbeitgeber hatte zunächst eine fristlose Kündigung und eine hilfsweise fristgerechte Kündigung ausgesprochen. In seinem Kündigungsschreiben hieß es zu den noch offenen Urlaubsansprüchen: „Für den Fall der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gelte ich Ihren bis zum Kündigungszeitpunkt nicht genommenen Urlaub ab. Für den Fall der nicht anzunehmenden Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung habe ich Ihnen hilfsweise ordentlich gekündigt. In diesem Fall gilt folgendes: Sie werden Ihren sämtlichen noch nicht genommenen Urlaub direkt im Anschluss an den Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung in der Zeit vom 19.9.2017 bis 11.10.2017 nehmen. Die gezahlte Abgeltung ist dann als Zahlung des Urlaubsentgelts für den betreffenden Zeitraum zu verstehen. In jedem Fall sage ich Ihnen für die Zeit Ihres Urlaubs die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zu." Der Arbeitnehmer klagte gegen die Kündigung und schließlich einigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die ordentliche Kündigung. Der Arbeitgeber hatte aber bereits den restlichen Urlaub des Arbeitnehmers ausgezahlt und eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.300 € abgerechnet. Nach dem Vergleich korrigierte er das und behandelte nun die Urlaubsabgeltung als Urlaubsentgelt. Er tat also so, als wenn der Arbeitnehmer Urlaub gehabt hätte. Das sah der aber gar nicht ein und klagte erneut. Die Umwandlung der Urlaubsabgeltung in Urlaubsentgelt wäre nicht rechtmäßig. Ihm würde noch Urlaub zu stehen. Das Bundesarbeitsgericht sah das anders. Der Arbeitgeber hatte mit dem Kündigungsschreiben den Urlaub angeordnet und dabei alles richtig gemacht.

Hinweis: Gut beratene Arbeitgeber werden künftig den Kündigungstext aus diesem Urteil bei einer fristlosen Kündigung verwenden.

Quelle: BAG, Urt. v. 25.08.2020 – 9 AZR 612/19

http://www.bundesarbeitsgericht.de/

 

Die Kündigung bei rassistischen Äußerungen

Die Gerichte zeigen hier eine ganz klare Kante: Bei rassistischen Äußerungen ist in aller Regel eine Kündigung gerechtfertigt.

Das Mitglied eines Betriebsrats war mit einem dunkelhäutigen Kollegen aneinandergeraten. Dabei hatte er sich gegenüber dem Kollegen abfällig geäußert und versucht, affenähnliche Geräusche nachzumachen mit den Worten „Ugah, Ugah!“. Der Arbeitgeber kündigte deshalb fristlos. Zuvor war der Arbeitnehmer bereits einmal ergebnislos wegen einer vergleichbaren Äußerung abgemahnt worden. Der gekündigte Arbeitnehmer klagte vergeblich durch alle Instanzen gegen die Kündigung und rief nun das Bundesverfassungsgericht mit einer Verfassungsbeschwerde an. Er hielt sein Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit für verletzt. Die Verfassungsbeschwerde war aber unbegründet. Die Richter stellten klar, dass die Arbeitsgerichte durch ihre Entscheidungen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Betriebsrats nicht verletzt hatten. Die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit tritt zurück, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde anderer Personen antasten. Das gilt vor allem, wenn es sich dabei um Beleidigungen handelt.

Hinweis: Die Klage gegen die Kündigung hat der Arbeitnehmer in allen Instanzen verloren. Arbeitnehmer sollten stets daran denken, dass eine solche Klage binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben sein muss. Andernfalls ist die Kündigung nur noch in wenigen Ausnahmefällen angreifbar.

Quelle: BVerfG, Urt. v. 02.11.2020 – 1 BvR 2727/19

https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Homepage/homepage_node.html

 

Atheisten im Dienst der Kirche

Diskriminierungen wegen des Glaubens sind auch bei der Kirche verboten.

Eine Kirche schrieb eine Sekretariatsstelle aus und Bewerberinnen und Bewerber wurden aufgefordert, ihre Bewerbungsunterlagen „unter Angabe der Konfession" zuzusenden. Eine Bewerberin teilte dann mit, dass sie konfessionslos und eine Atheistin wäre. Als die Stelle an eine andere Arbeitnehmerin vergeben wurde, verlangte die Bewerberin die Zahlung einer Entschädigung von drei Bruttomonatsgehältern, insgesamt etwas mehr als 10.000 €. Das Arbeitsgericht Karlsruhe sah das genauso, hat allerdings lediglich eine Entschädigung von 1,5 Bruttomonatsvergütungen, also etwas mehr als 5.000 €, als gerechtfertigt angesehen. Die Aufforderung in der Stellenanzeige, die Konfession anzugeben, war ein ausreichendes Indiz für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion. Als berufliche Anforderung taugte die Angehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft nicht. Das ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie angesichts des Ethos der Kirche und der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Erbringung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

Hinweis: Falls Arbeitnehmer der Auffassung sind, diskriminiert oder gemobbt zu werden, sollten sie zunächst unbedingt ein Tagebuch über die Diskriminierungen anfertigen. Ausführliche Aufzeichnungen sind oft der Schlüssel für einen erfolgreichen Rechtsstreit.

Quelle: ArbG Karlsruhe, Urt. v. 18.09.2020 – 1 Ca 171/19

https://arbeitsgericht-karlsruhe.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite

 

Der unterbrochene Urlaub

Wussten Sie eigentlich, dass jeder Arbeitnehmer pro Kalenderjahr mindestens zwei Wochen am Stück haben muss?

Arbeitnehmer haben das Recht, mindestens einmal im Jahr 12 Werktage oder 2 Wochen am Stück Urlaub zu bekommen. Das entspricht 10 Arbeitstage bei einer 5-Tage-Woche. Eine Arbeitnehmerin hatte nun ihren Urlaub so um einen Feiertag gelegt, dass sie zwar 2 Wochen am Stück im Betrieb fehlte, aber rechnerisch auf weniger Urlaubstage kam. Es ging es um einen Urlaub in der Zeit des 3. Oktobers: Die Arbeitnehmerin hatte immer nur gestückelt wenige Tage Urlaub genommen, das längste Stück waren neun Tage gewesen. Diese 9 Tage lagen in der Zeit von Montag, dem 30.9. bis Freitag, dem 11.10.2019. Damit hatte sie zwar 2 Wochen frei. Wegen des Tags der Deutschen Einheit am 3.10. kam sie aber nur auf 9 Urlaubstage. Nachdem das Arbeitsverhältnis beendet war, ging der Streit richtig los. Sie verlangte unter anderem die Abgeltung von zehn Urlaubstagen, weil ihr 2-wöchiger Urlaubsanspruch nach der „2-Wochen-Regel“ nicht erfüllt gewesen sein soll. Das Arbeitsgericht war jedoch der Auffassung, dass der Arbeitgeber dafür nichts mehr bezahlen musste. Die Arbeitnehmerin konnte die Zeit vom 30.11. bis 11.10. durchgängig zur Erholung nutzen.

Hinweis: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten zudem daran denken, dass Urlaub am Jahresende nur verfällt, wenn sie ihre Arbeitnehmer auf die Möglichkeit des Verfalls hingewiesen haben. So will es die Rechtsprechung.

Quelle: ArbG Koblenz, Urt. v. 14.10.2020 – 7 Ca 1140/20

https://arbgko.justiz.rlp.de/de/startseite-arbg-koblenz/

 

 

Wenn der Betriebsrat in die elektronische Personalakte schaut

Betriebsräte dürfen viel, aber eben auch nicht alles. Die Grenzen werden durch die Gesetze und insbesondere den Datenschutz gesetzt.

In einem Unternehmen gab es einen Gesamtbetriebsrat und zwölf örtliche Betriebsräte. Die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat hatten eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung und Nutzung von elektronischen Personalakten geschlossen. Darin hieß es: „Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende und der örtliche Betriebsratsvorsitzende erhält permanenten Zugriff auf die elektronische Personalakte mit Ausnahme der Akten der Leitenden Mitarbeiter und der Mitarbeiter des Personalbereichs. Die örtlichen Betriebsratsvorsitzenden erhalten Zugriff auf die Akten des Wahlbetriebs, für den sie zuständig sind. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende erhält Zugriff auf die Akten des gesamten Unternehmens." Trotzdem weigerte sich die Arbeitgeberin, der Betriebsratsseite den Zugriff auf die elektronischen Personalakten zu gewähren. Der Datenschutz stünde dem entgegen. Der Gesamtbetriebsrat war damit nicht einverstanden und schaltete das Gericht ein – vergeblich. Denn die Gesamtbetriebsvereinbarung war hinsichtlich des Einsichtsrechts unwirksam. Das generelle Einsichtsrecht der Betriebsratsvorsitzenden in die elektronische Personalakte der Arbeitnehmer, das nicht von deren Zustimmung abhängig ist, verletzte die Arbeitnehmer in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Zur Kontrolle der Regelungen aus der Gesamtbetriebsvereinbarung war ein derart weites Einsichtsrecht der Betriebsratsseite weder geeignet noch erforderlich und verletzte das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer in unangemessener Weise.

Hinweis: Ein pauschales Einsichtsrecht der Betriebsratsvorsitzenden in die elektronische Personalakte der Arbeitnehmer verletzt die Arbeitnehmer in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das gilt jedenfalls dann, wenn der betreffende Arbeitnehmer zuvor nicht zugestimmt hat. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Quelle: LAG Düsseldorf, Beschl. v. 23.06.2020 – 3 TaBV 65/19

https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/

 

Betriebsbedingte Kündigung: Leiharbeiter müssen zuerst gehen

Leiharbeiter haben oft den geringsten sozialen Schutz. Das zeigt sich auch bei betriebsbedingten Kündigungen.

Ein Automobilzulieferer beschäftigte neben seiner Stammbelegschaft auch Leiharbeitnehmer. Sein Auftraggeber drosselte dann die Produktion von 1.300 auf 1.150 Autos pro Tag. Deshalb benötigte der Automobilzulieferer nur noch 66 statt 74 Mitarbeiter in der Produktion. Sechs Arbeitnehmer sollten gekündigt werden. Zwei der sechs Gekündigten legten eine Kündigungsschutzklage ein. Sie trugen vor, dass in den knapp zwei Jahren vor Ausspruch der Kündigungen der Automobilzulieferer sechs Leiharbeitnehmer fortlaufend mit nur wenigen Unterbrechungen eingesetzt hatte. Deshalb seien die Kündigungen nicht rechtmäßig. Das sahen die Richter des Landesarbeitsgerichts genauso. Die beiden Arbeitnehmer hätten auf den Arbeitsplätzen der Leiharbeitnehmer weiterbeschäftigt werden können. Diese sind als freie Arbeitsplätze anzusehen.

Hinweis: Die Arbeitnehmer haben gewonnen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, es spricht jedoch vieles dafür, dass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln richtig ist. Denn bevor die Stammbelegschaft entlassen wird, müssen erst einmal die Leiharbeitnehmer gehen.

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 02.09.2020 – 5 Sa 295/20 und 5 Sa 14/20

https://www.lag-koeln.nrw.de/

 

Kündigung des Künstlerischen Leiters einer staatlichen Ballettschule

Wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer entlassen möchte, muss er sich schon an die Gesetze halten.

Die Methoden und das Klima an dieser staatlichen Ballettschule waren heftig kritisiert worden. Es soll um Kindeswohlgefährdung durch psychische und physische Misshandlung, emotionale Vernachlässigung, Vernachlässigung der Gesundheitsfürsorge sowie dafür Sorge- und Aufsichtspflicht gehen. Ob das stimmt, steht noch nicht endgültig fest. Jedenfalls hat der Künstlerische Leiter die außerordentliche und hilfsweise die ordentliche Kündigung erhalten, gegen die er erfolgreich klagte. Die außerordentliche Kündigung des Leiters der Staatlichen Ballettschule war bereits deshalb unwirksam, weil diese vom beklagten Land als Arbeitgeber nicht innerhalb der Frist gem. § 626 Absatz 2 BGB erklärt worden war. Danach kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Kenntnis der Vorwürfe erklärt werden. Dies war hier nicht geschehen. Die hilfsweise erklärte ordentliche fristgemäße Kündigung war ebenfalls unwirksam, da nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder eine ordentliche Kündigung wegen der langen Betriebszugehörigkeitszeit und des Alters des Leiters ausgeschlossen war.

Hinweis: Es gibt gerade bei Kündigungen Fristen zu beachten. Will der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung aussprechen, muss er das binnen zwei Wochen nach Kenntnis der Kündigungsgründe tun. Und der Arbeitnehmer hat binnen drei Wochen eine Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung einzureichen. Andernfalls wird er sich gegen die Kündigung kaum wehren können.

Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 28.10.2020 – 60 Ca 4073/20

https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/

 

Fristlose Kündigung wegen Löschung von Daten

Jeder Mensch reagiert anders auf ein negatives Verhalten des Gegenübers. Es gibt allerdings Dinge, die Arbeitnehmer niemals tun sollten.

Zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer gab es ein Personalgespräch. Der Arbeitgeber äußerte darin den Wunsch, sich von dem Arbeitnehmer zu trennen. Daraufhin löschte der Arbeitnehmer 7,48 GB Daten vom Server des Arbeitgebers. Dafür erhielt er eine außerordentliche fristlose Kündigung, gegen die er vergeblich klagte. Das unbefugte, vorsätzliche Löschen betrieblicher Daten auf EDV-Anlagen des Arbeitgebers ist ebenso wie das Vernichten von Verwaltungsvorgängen grundsätzlich als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Dabei kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob sich der Arbeitnehmer durch das Löschen von Daten strafbar gemacht hat. Auch ist es unerheblich, ob und mit welchem Aufwand ein Teil dieser gelöschten Daten wiederhergestellt werden konnte und ob und in welchem Umfang die Arbeitgeberin für den weiteren Geschäftsablauf diese Daten tatsächlich benötigt. Denn es gehört zu den vertraglichen Nebenpflichten eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB, dass der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber den Zugriff auf betriebliche Dateien nicht verwehrt oder unmöglich macht. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der Kündigungsfrist war für den Arbeitgeber unzumutbar. Auch eine Abmahnung war zuvor nicht erforderlich, da ein Arbeitnehmer üblicherweise nicht annehmen kann, dass das unbefugte Löschen von geschäftlichen Daten vom Arbeitgeber hingenommen werden wird.

Hinweis: Haben Arbeitnehmer eine Kündigung erhalten, sollten Sie sich schnellstmöglich zu einem Rechtsanwalt begeben, damit die Kündigung geprüft werden kann. Binnen drei Wochen ist eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Diese Frist muss unbedingt gewahrt werden.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.09.2020 – 17 Sa 8/20

https://landesarbeitsgericht-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite

 

Die Beleidigung innerhalb des Betriebsrats

Gerade innerhalb von Arbeitnehmervertretungen gibt es immer einmal wieder Ärger und Streit. Bei den Ausländersetzungen sollten rote Linien jedoch nicht überschritten werden.

Während der ersten Betriebsratssitzung nach den Betriebsratswahlen kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Eine neu in das Gremium gewählte Betriebsrätin bekam als einzige keinen Schlüssel für das Betriebsratsbüro. Daraufhin bezeichnete sie einen ihrer Kollegen als „Wichser“ und zeigt ihm den Mittelfinger. Der Betriebsrat beschloss daraufhin den Ausschluss der Kollegin aus dem Betriebsrat und leitete das gerichtliche Verfahren ein. Allerdings sah das Landesarbeitsgericht die Angelegenheit anders und stellte sich auf die Seite der Betriebsrätin. Beleidigungen im Gremium können zu einem Ausschluss aus dem Betriebsrat führen. Die Kränkung muss aber ein erhebliches Gewicht haben und zu schweren Störungen der Zusammenarbeit führen. Das kann bei der Bezeichnung als „Wichser“ und dem Zeigen des ausgestreckten Mittelfingers grundsätzlich der Fall sein. Hier handelte es sich allerdings um eine spontane Reaktion auf eine unmittelbar vorausgegangene objektive Benachteiligung, die die Betriebsrätin als Unrecht empfunden hatte. Deshalb war der Ausschuss aus dem Betriebsrat rechtswidrig.

Hinweis: Ein Fehlverhalten im Betriebsrat und als Betriebsratsmitglied kann den Ausschluss aus dem Betriebsrat nach sich ziehen. Davon unabhängig ist jedoch der Bestand des Arbeitsverhältnisses. Das sind zwei Dinge, die es einander zu halten gilt.

Quelle: LAG Köln. Beschl. v. 14.08.2020 – 9 TaBV 4/20

https://www.lag-koeln.nrw.de/

 

Kündigung wegen Arbeitsverweigerung

Auch wenn ein Arbeitnehmer denkt, er würde rechtmäßig seine Arbeit verweigern, kann ihm gekündigt werden.

Eine Justizbeschäftigte sollte morgens Uhr eine „eilige“ Akte des Amtsgerichts bearbeiten. Sie weigerte sich jedoch und begründete die Nichtbearbeitung und Rückgabe der Akte damit, dass es ihr nicht möglich sei, die Schreibarbeit bis zum Ende ihrer Arbeitszeit um 13.00 Uhr fertigzustellen. Außerdem sei die konkrete Akte nach dem Organisationsplan der Behörde bereits einer anderen Mitarbeiterin zugewiesen worden. Gegen 10:30 Uhr erhielt sie dafür eine Abmahnung. Trotzdem bearbeitete sie die Akte nicht. Deshalb erhielt sie noch am gleichen Tag eine Kündigung. Gegen die Kündigung erhob sie eine Kündigungsschutzklage. Das Landesarbeitsgericht sah die Kündigung jedoch als sozial gerechtfertigt an. Der Justizbeschäftigte waren die Interessen der Arbeitgeberin völlig aus dem Blick geraten. Die Behörde musste dringend handeln, was ihr jedoch völlig egal gewesen ist. Ihre beharrliche Weigerung, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, war geeignet, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ob ein Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, trägt er selbst das Risiko, dass sich seine Rechtsauffassung als falsch herausstellt.

Hinweis: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten sich also, bevor sie eine Arbeit ablehnen und die Ausführung verweigern, genau informieren. Dabei kann der Rechtsanwalt des Vertrauens helfen. Andernfalls kann es schnell zu schwerwiegenden Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses kommen.

Quelle: Sächsisches LAG, Urt. v. 31.07.2020 – 2 Sa 398/19

https://www.justiz.sachsen.de/lag/

 

Keine fristlose Kündigung ohne Abmahnung

Für eine fristlose Kündigung muss ein wichtiger Grund vorliegen. In aller Regel ist zuvor eine Abmahnung erforderlich.

Eine Arbeitnehmerin hatte am 1. des Monats ein Arbeitsverhältnis begonnen. Als sie am 7. und 8. des Monats nicht zur Arbeit erschien, erhielt sie eine fristlose Kündigung. Dagegen klagte sie. Der Arbeitgeber hielt die fristlose Kündigung für wirksam. Es handelte sich aus seiner Sicht um ein „gescheitertes Arbeitsverhältnis“. Eine Abmahnung sei offensichtlich entbehrlich gewesen. Das Landesarbeitsgericht urteilte, dass die außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam war. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitnehmerin trotz einer fehlenden Kündigungsandrohung der Arbeit weiter unentschuldigt ferngeblieben wäre. Deshalb wäre zuvor eine Abmahnung erforderlich gewesen. Ihre Pflichtverletzung war auch nicht derartig schwerwiegend gewesen, dass eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre.

Hinweis: Nach dieser Entscheidung muss also der Arbeitgeber bei Fehlen eines Arbeitnehmers an einem einzigen Tag auch dann zunächst eine Abmahnung aussprechen, wenn das Arbeitsverhältnis erst wenige Tage bestanden hat.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 03.06.2020 – 1 Sa 72/20

https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/LAG/lag_node.html

 

Urlaub muss trotz Corona genommen werden

Wer als Arbeitnehmer Urlaub beantragt hat, kann in dieser Coronazeit nicht wirklich verreisen. Muss er den genehmigten Urlaub denn dann auch tatsächlich antreten?

Ein Polizist hatte Urlaub beantragt und genehmigt erhalten, den er dann aber gar nicht mehr antreten wollte. Er machte geltend, ihm sei wegen der Corona-Pandemie eine Erholung in dem Zeitraum nicht möglich, weil das Bayrische Gesundheitsministerium Ausganssperren verhängt habe. Schließlich zog er vor Gericht. Ein Anspruch auf ein Verschieben des Urlaubs bestand aber nicht. Urlaub dient der Erholung und das Gericht konnte nicht erkennen, warum es auch in Anbetracht der geltenden Ausgangsbeschränkungen nicht möglich sein sollte, den Urlaub als Zeitraum für Erholung, Entspannung, Muße und Freizeit zu nutzen. Die aufgrund der Corona-Lage bestehenden Einschränkungen, die alle Bürger in gleicher Weise und auf ungewisse Zeit treffen, schließen eine Erholung keineswegs zwingend aus. Das Urteil gilt entsprechend für Arbeitnehmer.

Hinweis: Arbeitnehmer können natürlich trotzdem bei ihrem Arbeitgeber nachfragen, ob eine Verschiebung des Urlaubs möglich ist. Miteinander zu sprechen und eine einvernehmliche Regelung zu finden, ist stets das Beste. Bei Vorliegen wirklich wichtiger Gründe kann es auch einen Anspruch eine Verschiebung des Urlaubs geben.

Quelle: VGH Bayern, Urt. v. 30.04.2020 – 6 CE 20.943

https://www.vgh.bayern.de/

 

Kein Verbot von Betriebsratssitzungen wegen Corona

Damit Arbeitnehmer möglichst wenig Kontakte haben, kann der Arbeitgeber vieles einschränken. Doch gehören dazu auch Betriebsratssitzungen?

Eine Arbeitgeberin betreibt mehrere Rehabilitationskliniken in der Bundesrepublik. Wegen der Covid-19-Pandemie untersagte sie einrichtungsübergreifende dienstliche Treffen und Zusammenkünfte, auch eine geplante mehrtägige Präsenzsitzung des Konzernbetriebsrats. Der allerdings machte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes insbesondere geltend, dass alle gesetzlichen Maßgaben zum Infektionsschutz eingehalten werden würden. Das Arbeitsgericht Berlin entschied, dass die Durchführung der Präsenzsitzung zulässig ist. Denn für ein Verbot gibt es keine gesetzliche Grundlage. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz entscheidet alleine der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats über die Einberufung der Sitzung, den Sitzungsort und damit auch über die Frage, ob eine Sitzung in Form einer Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt wird.

Hinweis: Einzig und allein der Betriebsrat kann beschließen, ob eine Sitzung trotz und wegen Corona stattfindet oder nicht. Der Arbeitgeber hat dabei keinerlei Einflussmöglichkeiten. Klar ist aber auch, dass der Betriebsrat für die Einhaltung der Hygienevorschriften zuständig ist.

Quelle: ArbG Berlin, Beschl. v. 07.10.2020 – 7 BVGa 12816/20

https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/

 

Aufgepasst bei der Androhung einer Krankschreibung

Arbeitnehmer können vieles mit ihrem Arbeitgeber diskutieren. Bei Drohungen wird es – egal in welchem Zusammenhang – allerdings eng.

Ein Arbeitnehmer war 8 Monaten bei seinem Arbeitgeber beschäftigt, als es zu einer Auseinandersetzung kam und der Arbeitnehmer zunächst für 3 Tage von der Arbeit freigestellt wurde. Außerdem sperrte der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer den Zugang zu den IT-Systemen des Unternehmens. Am 2. Tag der Freistellung kam es zu einer weiteren Eskalation anlässlich der Verhandlung über einen Aufhebungsvertrag. Der Arbeitnehmer verlangte eine sehr hohe Abfindung von 12 Monatsgehältern. Das wollte der Arbeitgeber nicht zahlen. Deshalb forderte er den Arbeitnehmer auf, am folgenden Tag zu einem Abstimmungsgespräch im Betrieb zu erscheinen. Der Arbeitnehmer war grundsätzlich nicht bereit, an diesem Gespräch teilzunehmen und sagte: „Ich kann ja auch noch krank werden.“ Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Gegen die Kündigung wehrte sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage. Das Landesarbeitsgericht war jedoch der Seite des Arbeitgebers und hielt die fristlose Kündigung für rechtmäßig. Die Richter stellten klar, dass bereits die Drohung, sich unberechtigt krankschreiben zu lassen, ausreicht, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Bereits das war ein wichtiger Grund, der für eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung ermöglicht.

Hinweis: Drohungen im Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer sind häufig keine gute Idee. Die Androhung einer Erkrankung kann schnell zu einer Kündigung führen.

Quelle: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.07.2020 – 8 Sa 430/19

https://lagrp.justiz.rlp.de/de/startseite-lag/

 

Kein Anspruch auf Homeoffice und Einzelarbeitsplatz

Aus Angst an Covid 19 zu erkranken, lassen sich Arbeitnehmer immer häufiger Atteste ausstellen. So auch in diesem Fall.

Ein 63-jähriger Juristen war Leiter der Stabstelle allgemeines Recht/Sozialrecht und teilte sich ein Büro mit einer anderen Mitarbeiterin. Im April 2020 legte er seiner Arbeitgeberin ein ärztliches Attest vor und verlangte, dass er seine Tätigkeit im Home-Office erbringen darf. Er hatte Angst, an Corona-Viren zu erkranken. Sollte eine Arbeit im Home-Office nicht möglich sein, forderte er ein Einzelbüro. Schließlich zog er mit seinen Forderungen vor das Arbeitsgericht. Die Richter wiesen die Klage ab. Es gab keine Anspruchsgrundlage für den Arbeitnehmer. Weder sein Arbeitsvertrag noch das Gesetz gab entsprechende Ansprüche. Selbstverständlich hat jeder Arbeitgeber seine Arbeitnehmer ausreichend zu schützen. Wie der Arbeitgeber aber seinen Verpflichtungen nachkommt, bleibt ihm überlassen. Falls ein Büro entsprechende Schutzvorkehrungen hat, spricht nach Auffassung der Richter auch nichts dagegen, mit mehreren Arbeitnehmern in einem Büro zu arbeiten.

Hinweis: Es besteht also auch kein Anspruch eines Covid-19-gefährdeten Arbeitnehmers auf Arbeit im Home-Office.

Quelle: ArbG Augsburg, Urt. v. 07.05.2020 – 3 Ga 9/20

https://lag.bayern.de/muenchen/gerichte/augsburg/index.php

 

Telefonsex als abhängige Beschäftigung

Wenn eine Sex-Mitarbeiterin klagt, ist dann das Arbeitsgericht zuständig?

Eine Arbeitgeberin beschäftigte in ihren Geschäftsräumen Telefonistinnen, die als freiberufliche Mitarbeiterinnen geführt wurden. Die Frauen führten sexuelle Dienstleistungen aus und mussten sich einen kleinen Raum mit Tisch, Stuhl und Computer sowie drei Telefonen für 50 € im Monat mieten. Ferner durften sie einen von der Arbeitgeberin vorgehaltenen Alias-Namen und Fotos, die auf einer Internet-Seite veröffentlicht wurden, aussuchen. Die von ihnen gewünschten Einsätze konnten die Telefonistinnen in Dienstpläne eintragen. Ihre Tätigkeit wurde durch eine an der Decke befestigte Videokamera aufgezeichnet und die Telefonate wurden mitgeschnitten. Nun klagten zwei Frauen Geld ein und es ging zunächst um die Frage, ob vor dem Arbeitsgericht geklagt werden durfte. Die Frauen meinten, sie seien Arbeitnehmerinnen. Das Landesarbeitsgericht Köln entschied, dass die Arbeitsgerichte zuständig sind. Durch die Audio- und Videoüberwachung und auch durch die Einbindung in die Arbeitsorganisation hatte die Arbeitgeberin eine für selbständige Freiberuflerinnen wichtige Marktpräsenz der beiden Telefonistinnen verhindert. Durch das Geschäftsgebaren konnten sich die Telefonistinnen auch keinen eigenen Kundenstamm aufbauen. Sie waren fremdbestimmt und nicht selbstständig tätig.

Hinweis: Die Arbeitsgerichte waren zuständig. Im Zweifelsfall sollte zunächst von dem Arbeitsgericht geklagt werden, dass dann den Rechtsstreit noch immer verweisen kann.

Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 25.08.2020 – 9 Ta 217/19 und 9 Ta 98/20

https://www.lag-koeln.nrw.de/

 

Neues zur Kündigungsfrist für Geschäftsführer

Geschäftsführer sind keine Arbeitnehmer. Und deshalb gelten für sie auch andere Vorschriften.

Die Geschäftsführerin einer Reha-Klinik erhielt pro Jahr 100.000 €, zahlbar in zwölf gleichen monatlichen Raten. Dann erhielt sie am 28.02.2018 die ordentliche Kündigung zum 31.05.2018. Bei Zugang der Kündigung war sie zudem ehrenamtliche Richterin bei einem Arbeitsgericht. Gegen die Kündigung klagte die Geschäftsführerin. Sie meinte, ihr wurde aufgrund der ehrenamtlichen richterlichen Tätigkeit ein Sonderkündigungsschutz zustehen. Außerdem sei die Kündigungsfrist nicht richtig berechnet worden. Das Kündigungsschutzgesetz gilt aber nicht für Geschäftsführer. Da die Richter auch keinen Zusammenhang zwischen der Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags und der Tätigkeit der Geschäftsführerin als ehrenamtliche Richterin gesehen haben, kam auch hier kein Sonderkündigungsschutz in Betracht. Ein Geschäftsführer, der nicht Mehrheitsgesellschafter der GmbH ist und zu ihr in keinem Arbeitsverhältnis steht, kann sich nicht auf die verlängerten Kündigungsfristen für Arbeitnehmer des § 622 Abs. 2 BGB berufen. Der § 622 BGB ist nur auf die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses anzuwenden. Daher wurde das Anstellungsverhältnis der Geschäftsführerin mit der in § 621 Nr. 4 BGB bestimmten Frist von sechs Wochen zum Schluss des Kalendervierteljahrs zum 30.6.2018 beendet.

Hinweis: Auf Geschäftsführerdienstverträge, die keine Arbeitsverträge sind, sind also nicht die Kündigungsfristen für Arbeitnehmer aus dem BGB nach § 622 Abs. 2 BGB anwendbar.

Quelle: BAG, Urt. v. 11.06.2020 – 2 AZR 374/19

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Die Benachteiligung wegen des Alters

Ungerechtfertigte Benachteiligungen darf es im Arbeitsleben nicht geben. Das kann schnell sehr teuer werden und die Gerichte spaßen ebenfalls nicht damit.

Ein Arbeitnehmer wurde befristet eingestellt, als er noch keine 55 Jahre alt war. Nach Ende der Befristung, wandelte sich sein Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes. Bei der Arbeitgeberin gab es eine Versorgungszusage in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Danach war jeder Arbeitnehmer versorgungsberechtigt, der in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stand. Außerdem durfte der Arbeitnehmer bei Beginn des Arbeitsverhältnisses noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben. Keinen Anspruch hatten befristet beschäftigte Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber meinte nun, dass der Arbeitnehmer nicht versorgungsberechtigt sei. Er sei zwar bei Beginn des Arbeitsverhältnisses noch nicht 55 Jahre alt gewesen, aber da sei er ja auch lediglich befristet beschäftigt gewesen. Und unbefristet sei erst beschäftigt gewesen, als er das 55. Lebensjahr vollendet hatte. Der Arbeitnehmer meinte dagegen, es komme nicht auf das Alter bei Beginn der unbefristeten Beschäftigung an, sondern auf das Alter bei Beginn des Arbeitsverhältnisses. Das Bundesarbeitsgericht war auf Seiten des Arbeitnehmers. Es hat die Versorgungszusage so ausgelegt, dass es auch das Lebensalter bei Beginn der Beschäftigung ankam, wenn eine unbefristete Beschäftigung unmittelbar einer befristeten folgt. Damit hatte der Arbeitnehmer tatsächlich Ansprüche.

Hinweis: Mit der Frage einer möglichen Diskriminierung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern durch die Versorgungsordnung musste sich das Bundesarbeitsgericht nicht auseinandersetzen. Auch das wäre eine spannende Antwort gewesen. Denn Arbeitnehmer dürfen aufgrund ihrer Befristung nicht benachteiligt werden.

Quelle: BAG, Urt. v. 22.09.2020 – 3 AZR 433/19

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Die Kündigung der Betriebsratsvorsitzenden

Betriebsräte zu kündigen, ist stets eine schwierige Angelegenheit für den Arbeitgeber.

Eine Arbeitnehmerin ließ sich zur Wahl für den Betriebsrat aufstellen, wurde gewählt und Vorsitzende des Betriebsrats. Sie hatte jedoch als Mitglied des Wahlvorstands den Arbeitgeber und die Belegschaft falsch informiert. Sie hatte gesagt, dass das Minderheitengeschlecht jeweils mit einem Sitz im Betriebsrat vertreten sein müsse. Tatsächlich sieht das Betriebsverfassungsgesetz allerdings nur vor, dass das Geschlecht, das im Betrieb in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein muss. Diese Regelung kann dann auch schon einmal dazu führen, dass ein Geschlecht gar nicht in den Betriebsrat kommt. Und so wäre es auch hier gewesen, wenn die Betriebsratsvorsitzende das Gesetz richtig interpretiert hätte. Als der Arbeitgeber das alles verstanden hatte, kündigte er der Betriebsratsvorsitzenden mit der Begründung, dass diese sich den Betriebsratssitz erschlichen habe. Gegen die Kündigung klagte die Betriebsratsvorsitzende – mit großem Erfolg. Denn die Arbeitgeberin konnte nicht nachweisen, dass die Betriebsratsvorsitzende bewusst eine falsche Information verbreitet hatte. Die Richter sagten sogar, dass die gesetzliche Regelung insbesondere für einen Laien kaum verständlich sei und es keine Hinweise darauf gebe, dass die Betriebsratsvorsitzende Kenntnis davon hatte, dass ihre Auffassung falsch ist.

Hinweis: Mitglieder des Betriebsrats besitzen einen besonderen Kündigungsschutz. Eine Kündigung ist nur aus wichtigem Grund möglich und dann nur mit Zustimmung des Betriebsrats.

Quelle: ArbG Köln, Urt. v. 04.09.2020 – 19 Ca 1827/20

https://www.arbg-koeln.nrw.de/

 

Das ist eine Prozessbeschäftigung

Die Prozessbeschäftigung ist für Arbeitnehmer in einem Kündigungsschutzverfahren ein sehr wichtiges Instrument.

Eine Arbeitnehmerin sollte auf Grund einer Vielzahl von Krankheitstagen die Kündigung erhalten. Der Betriebsrat widersprach allerdings. Der Arbeitgeber kündigte dennoch und die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage und verlangte vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses. Das ist dann möglich, wenn, wie hier, der Betriebsrat ordnungsgemäß widersprochen hat. Eine Personalreferentin des Arbeitgebers bestätigte via E-Mail diese sogenannte Prozessbeschäftigung. Die Arbeitnehmerin arbeitete deshalb bis zum rechtskräftigen Abschluss ihres Kündigungsschutzprozesses beim Arbeitgeber weiter. Den Prozess verlor sie allerdings. Nun war sie der Ansicht, durch die Prozessbeschäftigung sei ein neues Arbeitsverhältnis entstanden und klagte erneut und wieder vergeblich. Die Arbeitnehmerin hatte mit ihrem schriftlichen Verlangen, gerichtet auf die tatsächliche Weiterarbeit kein Angebot auf den Abschluss eines neuen Arbeitsverhältnisses abgegeben. Vielmehr hatte sie vom Arbeitgeber die Erfüllung eines gesetzlichen Anspruchs eingefordert. Hieraus entstand kein neues Arbeitsverhältnis.

Hinweis: Eine Prozessbeschäftigung kann also immer nur dann verlangt werden, wenn der Betriebsrat einer Kündigung form- und fristgerecht widersprochen hat. Das sollten Arbeitnehmer zuvor klären.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 05.03.2020 – 5 Sa 1932/19 https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/

 

Keine Mitteilung des Sonderkündigungsschutzes an den Betriebsrat

Soll einem Arbeitnehmer gekündigt werden, hat der Arbeitgeber zuvor den Betriebsrat anzuhören.

Ein Arbeitnehmer sollte eine außerordentliche fristlose Kündigung erhalten. Der Arbeitgeber hörte pflichtgemäß seinen Betriebsrat an, teilte jedoch zwei Dinge nicht mit, nämlich die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB für den Ausspruch der fristlosen Kündigung abläuft und dass der Arbeitnehmer tariflich ordentlich unkündbar war. Der Arbeitgeber darf nach § 6262 Abs. 2 BGB nur innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrunds eine fristlose Kündigung aussprechen. Der Arbeitnehmer zog vor das Arbeitsgericht und berief sich unter anderem auf die aus seiner Sicht mangelhafte Betriebsratsanhörung. Deshalb sollte die Kündigung unwirksam sein. Das sah das Bundesarbeitsgericht anders. Die Wahrung der Kündigungserklärungsfrist von 2 Wochen gehört nicht zu den „Gründen für die Kündigung", über die der Arbeitgeber den Betriebsrat unterrichten muss. Außerdem musste der Arbeitgeber, der ja fristlos kündigen wollte, dem Betriebsrat den tariflichen Sonderkündigungsschutz nicht mitteilen. Nach dem Tarifvertrag war gerade die Option einer fristlosen Kündigung möglich. Deshalb wurden dem Betriebsrat auch keinerlei Einwände abgeschnitten. Die Kündigung war rechtmäßig.

Hinweis: Trotz dieses Falls werden bei der Anhörung des Betriebsrats viele Fehler durch Arbeitgeber gemacht. Wegen einer mangelhaften Betriebsratsanhörung sind schon viele Kündigungen unwirksam gewesen.

Quelle: BAG, Urt. v. 07.05.2020 – 2 AZR 678/19

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Arbeitgeber hat Anspruch auf Kenntnis der Stellenangebote der Arbeitsagentur

Dieses Urteil sollten Arbeitnehmer kennen, die gegen eine Kündigung gerichtlich vorgehen.

Ein Bauarbeiter hatte mehrere Kündigungen erhalten und musste schließlich wiedereingestellt werden. Für die Zwischenzeit hatte er keine Vergütung erhalten, die er nun aber von seiner Arbeitgeberin verlangt und einklagt. Die Arbeitgeberin verlangte allerdings im Wege einer Widerklage Auskunft über von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter übermittelte Stellenangebote. Besteht das Arbeitsverhältnis fort, so muss sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen, was er durch anderweitige Arbeit verdient hat und

was er hätte verdienen können. Die Widerklage der Arbeitgeberin war erfolgreich. Sie hatte einen Anspruch auf eine schriftliche Auskunft über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung. Hat der Bauarbeiter Vermittlungsvorschläge abgelehnt, könnte ihm kein Annahmeverzugslohn mehr zustehen.

Hinweis: Dieses Urteil bedeutet, dass Arbeitnehmer künftig Stellenangebote der Bundesagentur für Arbeit oder des Jobcenters aufbewahren sollten, um sie gegebenenfalls ihrem Arbeitgeber vorlegen zu können. Das ist ganz wichtig, wenn es um die Nachzahlung von Geld geht.

Quelle: BAG, Urt. v. 27.05.2020 – 5 AZR 387/19

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Die Streikmaßnahmen auf dem Parkplatz

Eigentlich darf auf dem Firmengelände nicht gestreikt werden. Davon gibt es allerdings Ausnahmen.

Es ging um einen Streik bei Amazon. Eine Gewerkschaft wollte, dass Amazon Tarifverträge anerkennt. Deshalb versammelten sich Vertreter der Gewerkschaft mit Beschäftigten von Amazon vor Schichtbeginn auf dem Betriebsparkplatz. Fast alle Beschäftigten nutzten diese Parkplätze. Bei einem Streik vor dem Parkplatzgelände wären die Arbeitnehmer nicht erreicht worden. Trotzdem zog Amazon vor die Arbeitsgerichte und sogar bis zum Bundesarbeitsgericht. Das hatte aber bereits entschieden, dass Amazon die Streikmaßnahmen hinzunehmen hatte. Trotzdem wollte Amazon sich das nicht gefallen lassen und rief das Bundesverfassungsgericht an. Das nahm jedoch die gegen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erhobenen Verfassungsbeschwerden erst gar nicht zur Entscheidung an. Der Streik zielte nicht darauf ab, Amazon eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband aufzudrängen. Das Ziel war die Anerkennung einschlägiger Flächentarifverträge. Nur weil ein Unternehmen keinem Arbeitgeberverbund beitritt, hat es noch lange nicht das Recht, von jeglicher Betätigung der Gewerkschaften gänzlich verschont zu bleiben. Außerdem hatte das Bundesarbeitsgericht das Recht der Gewerkschaften zu Arbeitskampfmaßnahmen richtig beurteilt. Die Gewerkschaften müssen ihre Rechte wahrnehmen können. Dazu gehört insbesondere die direkte persönliche Ansprache von Arbeitnehmern vor Antritt der Arbeit, um sie zum Streik zu mobilisieren.

Hinweis: Streiks können also auch auf dem Firmengelände, beispielsweise auf einem Parkplatz, rechtmäßig sein. Es kommt aber natürlich auf den Einzelfall an. Können Arbeitnehmer jedoch andernfalls nicht vernünftig angesprochen werden, ist es auf dem Parkplatz zulässig.

Quelle: BVerfG, Beschl. v. 09.07.2020 – 1 BvR 719/19 und 1 BvR 720/19

https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Homepage/homepage_node.html

 

Keine Leiharbeitnehmer als Streikbrecher

Schon lange schwelt ein Konflikt über die Frage, ob Leiharbeitnehmer als Streikbrecher eingesetzt werden dürfen. Diese Frage ist nun entschieden worden.

Eine Arbeitgeberin in der Unterhaltungsindustrie, wendete sich gegen das im Jahr 2017 eingeführte Streikbrecherverbot des § 11 Abs. 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Danach dürfen Leiharbeitnehmer nicht als Streikbrecher eingesetzt werden. Die Arbeitgeberin des Falls war nun der Ansicht, das Verbot schränke sie in der Wahl ihrer Mittel des Arbeitskampfes ein und verletzte sie daher in ihrem Recht ein, einem Arbeitgeberverband anzugehören oder eben auch nicht. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die Arbeitgeber werden durch die Regelung zwar in ihrer Entscheidung, Leiharbeitskräfte einzusetzen, um sich gegen Streiks zu wehren, beschränkt. Die Regelung verbietet jedoch nicht den generellen Einsatz von Leiharbeitskräften im Betrieb, sondern nur den unmittelbaren oder mittelbaren Einsatz als Streikbrecher. Die damit vom Gesetzgeber verfolgten Ziele, Leiharbeitnehmern ein angemessenes Arbeitsverhältnis zu gewähren und eine funktionierende Tarifautonomie zu erhalten, sind von erheblichem Gewicht.

Hinweis: Auch künftig werden Streiks durch die Gewerkschaften geschützt werden. Dabei sollten Arbeitnehmer aufpassen, dass keine Streikbrecher eingesetzt werden.

Quelle: BVerfG, Beschl. v. 19.06.2020 – 1 BvR 842/17

https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Homepage/homepage_node.html

 

Alles falsch gemacht: Die Auflösung des Betriebsrats

Wie sich ein Betriebsrat nicht verhalten sollte, zeigt dieser Fall.

Bei einer Arbeitgeberin bestand ein 13-köpfiger Betriebsrat. Dieser weigerte sich, mit dem Personalleiter zusammenzuarbeiten. Der Betriebsrat hatte seine Weigerungshaltung förmlich beschlossen und über einen längeren Zeitraum auch umgesetzt. Daraufhin beantragte die Arbeitgeberin, den Betriebsrat wegen einer groben Vernachlässigung seiner gesetzlichen Pflichten aufzulösen. Dem kam das Landesarbeitsgericht nach mit der Begründung, dass der Betriebsrat grob gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen hatte. Kraft ihrer Organisationshoheit oblag es der Arbeitgeberin, für sie den Ansprechpartner zu bestimmen. Selbst wenn der Personalleiter nicht in allen Punkten konform mit dem Betriebsverfassungsrecht gehandelt hatte, konnte der Betriebsrat nicht im Wege der Selbsthilfe die Zusammenarbeit mit ihm einstellen. Vielmehr hätte er sich mit den Mitteln des Betriebsverfassungsrechts zur Wehr zu setzen müssen. Durch die fehlende Zusammenarbeit mit dem Personalleiter verstieß der Betriebsrat offenkundig und schwerwiegend gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit.

Hinweis: Betriebsräte haben Rechte und Pflichten. Beides sollte bekannt sein. Bei Streitigkeiten kann auch im Vorfeld bereits sachverständiger Rat durch einen Rechtsanwalt hinzugezogen werden.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. vom 23.06.2020 – 14 TaBV 75/19

https://www.lag-duesseldorf.nrw.de/

 

Der Hinweis auf den Urlaubsverfall

Kaum ein Rechtsgebiet hat so viele entscheidende neue Urteile in den letzten Jahren hervorgebracht, wie das Urlaubsrecht.

Arbeitnehmer müssen spätestens kurz vor dem Jahresende über einen drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen informiert werden. Andernfalls verfallen die Ansprüche nicht. Doch was ist bei Arbeitnehmern, die bereits seit langem erkrankt sind? Eine dauerhaft erkrankte Arbeitnehmerin verlangte von ihrem Arbeitgeber die Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2017. Der Arbeitgeber war der Ansicht, dass der Urlaub am 31.3.2019 endgültig verfallen war. Hierauf hatte er die Beschäftigte allerdings nicht hingewiesen. Er hatte sie auch nicht aufgefordert, den Urlaub zu beantragen. Das Bundesarbeitsgericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor. Es hat folgende Fragen: Kann der Urlaubsanspruch nach Ablauf der 15-Monatsfrist oder gegebenenfalls einer längeren Frist verfallen, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr den Arbeitnehmer nicht auf den drohenden Verfall hingewiesen hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise hätte nehmen können? Gilt die Hinweispflicht auch bei Langzeiterkrankten? 

Hinweis: Arbeitgeber sollten also ab sofort auch Langzeiterkrankte über den Verfall von Urlaubsansprüchen informieren. Ob sie dazu verpflichtet sind, wird dann später entschieden werden.

Quelle: BAG, Urt. v. 07.07.2020 – 9 AZR 401/19

http://www.bundesarbeitsgericht.de/

 

Arbeitsvertrag: Das gilt bei Lkw-Fahrern

Dieses Urteil wirft einige Grundsätze des deutschen Arbeitsrechts um. Gerade Lkw-Fahrer sollten es kennen.

Ein Unternehmen aus Zypern hatte mit einem in den Niederlanden ansässigen Transportunternehmen Verträge zur Verwaltung von Lastkraftwagen geschlossen. Das in Zypern ansässige Unternehmen schloss zudem mit im internationalen Güterverkehr tätigen Lkw-Fahrern, mit Wohnsitz in den Niederlanden, Arbeitsverträge ab, in denen das Unternehmen als Arbeitgeber bezeichnet wurde. Die Lkw-Fahrer erhielten ihre Lohnabrechnung aus Zypern, die Bezahlung erfolgte jedoch aus den Niederlanden. Streitig war nun, welches Sozialversicherungsrecht auf die Lkw-Fahrer anzuwenden war. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass derjenige als Arbeitgeber anzusehen ist, der den Lkw-Fahrern gegenüber tatsächlich weisungsbefug ist, der die Lohnkosten trägt und der tatsächlich befugt ist, sie zu entlassen. Arbeitgeber ist nicht automatisch das Unternehmen, das den Arbeitsvertrag mit den Lkw-Fahrern geschlossen und in dem Arbeitsvertrag formal als Arbeitgeber angegeben ist.

Hinweis: Wer der tatsächliche Vertragspartner ist, lässt sich häufig durch einen Blick in den Arbeitsvertrag ermitteln. Das ist allerdings nicht immer so einfach ist, zeigt dieser Fall. Im Zweifel kann der Rechtsanwalt helfen.

Quelle: EuGH. Urt. v. 16.07.2020 – C-610/18

https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de/

 

Auch Geschäftsführern kann gekündigt werden

Nicht nur die „kleinen“ Arbeitnehmer begehen Pflichtverstöße. Auch Geschäftsführer werden immer häufiger zur Rechenschaft gezogen.

Ein Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) hat den Anstellungsvertrag seines langjährigen Geschäftsführers durch eine außerordentliche fristlose Kündigung wirksam beendet. Dem Geschäftsführer wurde zur Last gelegt, gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen zu haben. Er hatte 50 Exemplare eines von ihm als Co-Autor verfassten Buches über das Gleitschirmfliegen mit den Mitteln des MDK gekauft. Außerdem hatte er vergaberechtswidrig einen Allradschlepper zu einem Bruttopreis von 37.000 € beschafft. Ferner hatte er den stellvertretenden Geschäftsführer bedroht. Er hatte sinngemäß geäußert, dass er denjenigen umbringen werde, der ihm „seinen" MDK wegnehme, und dass er bereit sei, dafür ins Gefängnis zu gehen. Weiterhin wurde ihm vorgeworfen, dass er sich selbst eine Gehaltszulage in Höhe von 10 % des Grundgehalts bewilligt hat. Die beiden Verwaltungsratsvorsitzenden hatten jeweils von ihm ein neues Notebook und ein neuwertiges Smartphone zur uneingeschränkten Nutzung auf Kosten des Arbeitgebers erhalten. Deshalb wurde dem Mann gekündigt. Gegen die Kündigung klagte der Geschäftsführer – mit wenig Erfolg. Die Richter urteilten, dass die Kündigung rechtmäßig war. Der Geschäftsführer hatte gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen.

Hinweis: Geschäftsführer sollten sich immer darüber klar sein, dass sie Rechenschaft abzulegen haben. Sie verwalten lediglich ein Gesellschaftsvermögen, das ihnen nicht gehört. Der gegen diesen Grundsatz verstößt, kann nicht nur entlassen werden, sondern muss auch ein Strafverfahren fürchten.

Quelle: OLG Koblenz, 08.07.2020 – 10 U 1133/16

https://olgko.justiz.rlp.de/de/startseite/

 

Pflicht zur Teilnahme an amtsärztlicher Untersuchung

Wenn der Arbeitgeber eine amtsärztliche Untersuchung eines Arbeitnehmers fordert, muss schon einiges vorgefallen sein.

Die Parteien stritten um eine Abmahnung. Auf das Arbeitsverhältnis mit einem Schreiner fand ein Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Anwendung, nämlich der „TV-L“. Darin findet sich ein Passus, dass sich ein Arbeitnehmer bei einer begründeten Veranlassung durch einen Amtsarzt untersuchen lassen muss. Der Schreiner hatte erhebliche Arbeitsunfähigkeitstage und dürfte nicht mehr als zehn Kilo heben. Schließlich erhielt er von seinem Arbeitgeber die Aufforderung, beim Amtsarzt vorstellig zu werden. Wegen der bestehenden Arbeitsunfähigkeit sah sich dazu nicht verpflichtet. Dafür bekam er dann eine Abmahnung, gegen die er klagt. Die Abmahnung blieb allerdings in seiner Personalakte. Das Recht des Arbeitgebers aus dem TV-L, eine amtsärztliche Untersuchung vom Arbeitnehmer zu verlangen, knüpft an keine weiteren Voraussetzungen wie beispielsweise an die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers an. Schon nach dem Wortlaut der tariflichen Vorschrift war es nicht Voraussetzung der amtsärztlichen Untersuchung, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Untersuchung arbeitsfähig ist. Deshalb war die Anordnung des Arbeitgebers und die dann erteilte Abmahnung in Ordnung.

Hinweis: Eine Verpflichtung zur Teilnahme an einer amtsärztlichen Untersuchung gibt es in den deutschen Arbeitsgesetzen so nicht. Hier bestand die Besonderheit, dass Tarifverträge aus dem öffentlichen Bereich eine solche Verpflichtung vorsehen. Und diese Tarifverträge gelten für eine Vielzahl von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst.

Quelle: LAG Nürnberg, Urt. v. 19.05.2020 – 7 Sa 304/19

https://www.lag.bayern.de/nuernberg/lag/

 

Die schwierige Kündigung des Datenschutzbeauftragten

Ein angestellter Datenschutzbeauftragter genießt einen besonderen Kündigungsschutz.

Eine Arbeitgeberin hatte eine Arbeitnehmerin zur Datenschutzbeauftragten bestellt. Dann kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin und wies darauf hin, dass ihre bisherige Stellung als Datenschutzbeauftragte ebenfalls enden würde. Die Arbeitgeberin wollte die interne Datenschutzbeauftragte nämlich durch einen externen Datenschutzbeauftragten ersetzen. Gegen die Kündigung und die Abberufung klagte die Arbeitnehmerin – mit großem Erfolg. Die ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers, der als Datenschutzbeauftragter berufen wurde, ist unwirksam und auch ein Jahr nach der Abberufung ausgeschlossen. Insbesondere die Abberufung als Datenschutzbeauftragte war unwirksam. Ein wichtiger Grund lag nicht vor. Das freie Bestellungs- und Auswahlrecht rechtfertigte es nicht, einen bereits bestellten Datenschutzbeauftragten ohne Weiteres aufgrund einer erneuten Organisationsentscheidung wieder abzuberufen. Denn dies würde den besonderen Abberufungsschutz in Frage stellen. Deshalb hat die Arbeitnehmerin den Rechtsstreit gewonnen.  

Hinweis: Es besteht für den Arbeitgeber also in der Regel kein wichtiger Grund für die Abberufung eines internen Datenschutzbeauftragten, wenn diese durch einen externen ersetzt werden soll.

Quelle: LAG Nürnberg, Urt. v. 19.2.2020 – 2 Sa 274/19

https://www.lag.bayern.de/nuernberg/lag/

 

Das ist das richtige Datum auf dem Zeugnis

Um Arbeitszeugnisse wird viel gestritten. Nun ist klar, welches Datum ein Zeugnis haben sollte.

Die Parteien des Rechtsstreites, eine Arbeitnehmerin und eine Arbeitgeberin, hatten sich in einem gerichtlichen Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und zugleich über die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses geeinigt. Die Arbeitgeberin erstellte dann das Zeugnis unter dem tatsächliche Ausstellungsdatum, nämlich dem 05.09.2019. Beendet worden war das Arbeitsverhältnis aber bereits am 31.12.2018. Die Arbeitnehmerin wollte als Beendigungsdatum den 31.12.2018 im Zeugnis erhalten und ging deshalb im Wege der Zwangsvollstreckung gegen die Arbeitgeberin vor. Die Arbeitnehmerin hat den Rechtsstreit gewonnen. Die Richter entschieden, dass ein Arbeitszeugnis als Datum den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu tragen hat. Andernfalls kann es Spekulationen darüber geben, ob vielleicht ein Streit zwischen den Parteien zu der späten Ausstellung des Zeugnisses beigetragen hat. Außerdem bezeichnet das Datum den Zeitpunkt, an dem die Arbeitnehmerin auch tatsächlich beurteilt worden ist. Eine Beurteilung kann nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses allenfalls für die Zeit bis zum letzten Arbeitstag erfolgen.

Hinweis: Es macht für Arbeitgeber in aller Regel wenig Sinn, sich mit einem bereits ausgeschiedenen Mitarbeiter um ein Arbeitszeugnis zu streiten. Trotzdem ist der Arbeitgeber natürlich verpflichtet ein wahrheitsgemäßes Zeugnis auszustellen. Im Zweifel hilft dabei der Rechtsanwalt – übrigens genauso wie bei der Prüfung eines Zeugnisses für den Arbeitnehmer.

Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 27.03.2020 – 7 Ta 200/19

https://www.lag-koeln.nrw.de/

 

Neue Auskunftsansprüche für arbeitnehmerähnliche Personen

Das Entgelttransparenzgesetz gibt Arbeitnehmern in größeren Betrieben einen Auskunftsanspruch über das Lohngefüge anderer Arbeitnehmer. Und der Einsatzbereich ist nun erweitert worden.

Eine Fernseh-Journalistin fühlte sich ungerecht behandelt und verlangte nach dem Entgelttransparenzgesetzes eine Auskunft, was vergleichbare Arbeitnehmer verdienen. Die Journalistin war allerdings lediglich als arbeitnehmerähnliche Person tätig. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Grundsatzurteil das Auskunftsrecht von Beschäftigten bei Streitigkeiten um die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern gestärkt. Neben Arbeitnehmern haben danach auch sehr viele Selbstständige, die ihr Einkommen vorwiegend von einem Arbeitgeber beziehen, einen Anspruch auf Informationen zum Verdienst ihrer Kollegen mit vergleichbaren Aufgaben. Der Beschäftigtenbegriff ist mit Blick auf das Europarecht weiter auszulegen als in der Bundesrepublik. Denn das Europarecht kennt die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und arbeitnehmerähnlichen Personen nicht.

Hinweis: Zu den arbeitnehmerähnlichen Personen zählen häufig Journalisten, Informatiker, Juristen, Architekten sowie eine Reihe von Dienstleistern, die in der Regel nur für einen Arbeitgeber arbeiten.

Quelle: BAG, Urt. v. 25.06.2020 – 8 AZR 145/19

http://www.bundesarbeitsgericht.de/

 

Schadensersatzanspruch wegen fehlender Datenauskunft

Arbeitnehmer können von ihrem Arbeitgeber verlangen, ihnen über gespeicherte Daten Auskunft zu geben.

Ein Arbeitnehmer hatte von seinem Arbeitgeber Auskünfte nach Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verlangt. Danach hat jeder das Recht, von dem Arbeitgeber eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob dieser personenbezogene Daten verarbeitet, welche Zwecke er damit verfolgt, die geplante Dauer für die Speicherung und ähnliches. Als der Arbeitgeber nach Monaten nur unvollständige Auskünfte erteilte, machte der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch von 12 Monatsgehälter geltend, knapp 140.000 €. Das Arbeitsgericht bejahte einen Schadensersatzanspruch über 5.000 €. Denn der Arbeitnehmer hatte durch die datenschutzrechtlichen Verstöße seines Arbeitgebers einen Schaden erlitten. Dabei hat das Gericht für die ersten zwei Monate der Verspätung jeweils 500 €, für die weiteren etwa drei Monate jeweils 1.000 € und für zwei inhaltlichen Mängel der Auskunft jeweils 500 € angesetzt.

Hinweis: Der Arbeitgeber sollte also solche Auskunftsverlangen seiner Arbeitnehmer sehr ernst nehmen.

Quelle: ArbG Düsseldorf, Urt. v. 05.03.2020 – 9 Ca 6557/18

https://www.arbg-duesseldorf.nrw.de/

 

Die verbotene Frage im Bewerbungsgespräch

Längst nicht alle Fragen sind in einem Bewerbungsgespräch erlaubt.

Ein Bewerber um einen Ausbildungsplatz zur Fachkraft für Lagerlogistik musste einen Personalfragebogen ausfüllen. Auf die Frage nach „Verurteilungen/schwebenden Verfahren“ antwortete er mit „Nein“. Tatsächlich gab es jedoch ein Strafverfahren wegen Raubes. Etwa ein Jahr später erhielt er prompt die Quittung und musste eine Haftstrafe antreten. Das teilte er dann seinem Arbeitgeber mit. Der erklärte daraufhin die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Gegen diese Anfechtung zog der Azubi vor das Arbeitsgericht. Dies urteilte, dass Bewerbern bei der Einstellung nur Fragen nach einschlägigen Vorstrafen gestellt werden dürfen. Die pauschale Frage nach Verurteilungen oder schwebenden Verfahren war so nicht zulässig und deshalb durfte der Azubi die Unwahrheit sagen. Die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses war unwirksam. Und die Frage, ob eine Kündigung wegen der bevorstehenden Haftstrafe möglich ist, ging es in dem Fall nicht. Eine solche Kündigung ist bei Arbeitnehmern nur dann möglich, wenn eine längere Haftstrafe ab etwa zwei Jahren bevorsteht.

Hinweis: Stellt der Arbeitgeber eine unerlaubte Frage, darf der Bewerber lügen. Rechtliche Konsequenzen für die Lüge gibt es nicht.

Quelle: ArbG Bonn, Urt. v. 26.05.2020 – 5 Ca 83/20

https://www.arbg-bonn.nrw.de/

 

 

Ab sofort: Pflicht zur Zeiterfassung für Arbeitgeber?

Der Europäischen Gerichtshofs hatte bereits vergangenes Jahr entschieden, dass die EU-Staaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit einzuführen. Der deutsche Gesetzgeber bereitet ein entsprechendes Gesetz vor. Nun hat bereits ein Arbeitsgericht geurteilt, dass die Arbeitgeber schon jetzt zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet sind.

Der Bauhelfer des Falls hatte nach Beendigung seiner Tätigkeit die Vergütung von weiteren 12,05 Stunden verlangte. Hierzu legte er eine Übersicht sowie durch ihn selbst gefertigte Aufzeichnungen vor. Die Arbeitgeberin verwies darauf, dass die tägliche Arbeitszeit gemeinsam mit dem Arbeitnehmer in einem Bautagebuch festgehalten worden sei. Das half ihr aber nichts. Der Bauhelfer hat sein Geld erhalten. Die Arbeitgeberin hatte nach Art. 31 Abs. 2 der EUGrundrechte-Charta die Verpflichtung zur Einrichtung eines „objektiven“, „verlässlichen“ und „zugänglichen“ Systems zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer. Dagegen hatte sie vorzustoßen. Sie hatte kein entsprechendes System eingerichtet und daher auch keine objektiven und verlässlichen Daten vorlegen können, anhand derer sich die Arbeitszeiten des Bauhelfers nachvollziehen ließen. Das Bautagebuch reichte nicht aus.

Hinweis: Es ist nur eine Entscheidung eines erstinstanzlichen Arbeitsgerichts und vieles spricht dafür, dass das Arbeitsgericht diese Entscheidung so nicht hätte erlassen dürfen. Andererseits wird in Kürze die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung kommen und darauf sollten sich Arbeitgeber schon jetzt einstellen.

Quelle: ArbG Emden, Urt. v. 20.02.2020 – 2 Ca 94/19

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Verstoß gegen einen Tarifvertrag verboten

Wenn eine Betriebsvereinbarung gegen einen Tarifvertrag verstößt, haben Arbeitgeber und Betriebsrat etwas falsch gemacht.

Es ging um einen Servicetechniker im Außendienst. Seine Arbeitgeberin war wegen ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband an die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Niedersachsen gebunden. Außerdem gab es im Betrieb der Arbeitgeberin noch eine Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Darin war geregelt, dass Anfahrtszeiten zum ersten und Abfahrtszeiten vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit zählen, wenn sie 20 Minuten nicht überschreiten. Mit seiner Klage verlangte der Arbeitnehmer dann, seinem Arbeitszeitkonto Fahrtzeiten im Umfang von 68 Stunden und 40 Minuten gutzuschreiben – mit Erfolg. Das Gericht war der Auffassung, dass der Arbeitnehmer mit den Fahrten von seiner Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erfüllt hat. Ein daraus resultierender Vergütungsanspruch wurde nicht durch die Betriebsvereinbarung ausgeschlossen. Denn nach dem Manteltarifvertrag sind sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht erbringt, mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten. Dazu gehört bei Außendienstmitarbeitern die gesamte für An- und Abfahrten zum Kunden aufgewendete Fahrtzeit. Damit war die Betriebsvereinbarung an dieser Stelle unwirksam, da sie dem Tarifvertrag widersprach.

Hinweis: Personalverantwortliche sollten sich stets darüber im Klaren sein, ob ein Tarifvertrag zur Anwendung kommt oder nicht. Und Arbeitnehmer sollten das auch wissen, da sich dadurch Anspruche ergeben können.

Quelle: BAG, Urt. v. 18.03.2020 – 5 AZR 36/19

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Tarifgebundene Arbeitgeber

Welche Folgen eine Tarifbindung für den Arbeitgeber haben kann, zeigt dieser Fall sehr deutlich.

Eine Arbeitnehmerin war ein Mitglied der IG Metall. Ihr Arbeitsvertrag enthielt keine Bezugnahme auf Tarifverträge. Die Arbeitgeberin war zunächst nicht tarifgebunden, schloss aber im Jahr 2015 mit der IG Metall einen Tarifvertrag. Ansprüche aus dem Tarifvertrag sollte es aber nur geben, wenn in den einzelnen Arbeitsverträgen auch die Geltung der Tarifverträge vereinbart wird. Der Arbeitgeber machte deshalb unter anderem der Arbeitnehmerin ein Angebot zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags mit einer solchen Bezugnahmeklausel auf den Tarifvertrag. Das Angebot nahm die Arbeitnehmerin jedoch nicht an, sondern klagte ihre Leistungen direkt aus dem Tarifvertrag mit Erfolg ein. Ihr standen schon aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit Ansprüche aus dem Tarifvertrag zu.

Hinweis: In einem Tarifvertrag kann also nicht wirksam vereinbart werden, dass Ansprüche aus dem Tarifvertrag trotz beiderseitiger Tarifgebundenheit nur dann bestehen sollen, wenn in den Arbeitsverträgen ein Hinweis auf den Tarifvertrag steht. Stets sollten alle Anspruchsgrundlagen sorgfältig geprüft werden.

Quelle: BAG, Urt. v. 13.5.2020 – 4 AZR 489/19

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Unterlagen für den Betriebsrat?

Ein Betriebsrat hat Anspruch auf eine Vielzahl von Informationen.

Die Abteilung Arbeitssicherheit einer Arbeitgeberin erstellte jährlich einen Bericht, den auch der Betriebsrat erhielt. Nun meinte aber der Betriebsrat, zur Erfüllung seiner Überwachungspflichten habe er Anspruch auf weitergehende Informationen. Er wollte wissen, welche Tätigkeiten und Leistungen die Fachkraft für Arbeitssicherheit im Einzelnen erbracht und ob sie damit ihre Aufgaben erfüllt hat. Es müsse ein Bericht erstellt werden, der es dem Betriebsrat ermögliche, jede Aktivität der Fachkraft für Arbeitssicherheit erfassen und beurteilen zu können. Deshalb zog der Betriebsrat vor das Arbeitsgericht – mit wenig Erfolg. Der Betriebsrat hatte keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber die Fachkraft für Arbeitssicherheit zur detaillierten Aufschlüsselung der Aktivitäten veranlasst. Das Betriebsverfassungsgesetz begründet einen Anspruch auf Vorlage von Unterlagen, nicht aber auf die Herstellung vom Betriebsrat gewünschter Akten.

Hinweis: In aller Regel brauchen also nicht extra für den Betriebsrat Unterlagen erstellt zu werden.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.01.2020 – 19 TaBV 2/19

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Zuständigkeit der Einigungsstelle für „mobiles Arbeiten“

In Corona-Zeiten wird häufig gerade nicht in der Firma gearbeitet, sondern zu Hause oder an anderer Stelle. Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat über die Regelungen dazu nicht einigen, entscheidet die Einigungsstelle.

Es ging um ein bundesweit tätiges Forschungszentrum mit mehr als 20 Standorten im gesamten Bundesgebiet und rund 8.500 Beschäftigten. Die Arbeitgeberin wendete den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst an. Die örtlichen Betriebsräte hatten einen Gesamtbetriebsrat gebildet. Dieser strebte nun seit mehr als vier Jahren eine Regelung zum mobilen Arbeiten an. Hierzu legte er der Arbeitgeberin einen Entwurf für eine Betriebsvereinbarung vor, der unter anderem eine Definition der mobilen Arbeit in Abgrenzung zur Telearbeit enthielt und einen grundsätzlichen Anspruch der Arbeitnehmer auf Teilnahme an der mobilen Arbeit vorsah. Die Arbeitgeberin lehnte eine Regelung hierzu ab und bestritt Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Sie verwies stattdessen auf individualrechtliche Regelungen im Einzelfall. Der Gesamtbetriebsrat beschloss daher, die Einigungsstelle anzurufen und diese gerichtlich einsetzen zu lassen. Mit diesem Antrag hatte er Erfolg. Die Einigungsstelle kann nach dem Gericht für den Regelungsgegenstand „mobiles Arbeiten" zuständig sein. Das reichte für die Möglichkeit der Einsetzung der Einigungsstelle.

Hinweis: Die Einigungsstelle kann also für Regelungen zum „mobiles Arbeiten" zuständig sein. Dabei kann es um Regelung der damit zusammenhängenden Fragen des Arbeitsschutzes, der Arbeitssicherheit, der Arbeitszeit und der Arbeitsstätte gehen.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 25.02.2020 – 5 TaBV 1/20

https://www.mv-justiz.de/gerichte-und-staatsanwaltschaften/fachgerichte/arbeitsgerichte/landesarbeitsgericht/

 

Falsche Auskünfte des Arbeitgebers

Falls Arbeitgeber freiwillige Auskünfte erteilen, sollten diese auch richtig sein. Andernfalls sind sie unter Umständen zum Schadenersatz verpflichtet.

Eine Arbeitgeberin hatte eine betriebliche Altersversorgung eingeführt und eröffnete ihren Arbeitnehmern die Möglichkeit der Entgeltumwandlung. Auf einer Betriebsversammlung informierte ein Mitarbeiter der örtlichen Sparkasse über die Möglichkeiten, die die Arbeitnehmer haben. Einer der Mitarbeiter schloss daraufhin im Jahr 2003 eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Kapitalwahlrecht ab. Im Jahr 2015 ließ er sich dann seine Pensionskassenrente als Einmalkapitalbetrag auszahlen. Allerdings musste er nun wegen einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2003 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Diesen Betrag forderte er nun von seiner Arbeitgeberin wegen einer angeblichen Falschinformation – vergeblich. Erteilt der Arbeitgeber Auskünfte, ohne hierzu verpflichtet zu sein, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Andernfalls haftet er für Schäden, die der Arbeitnehmer aufgrund der fehlerhaften Auskunft erleidet. Hier lag der Fall jedoch anders, da der Arbeitnehmer über Beitragspflichten zur Sozialversicherung gar nicht unterrichtet worden war. Daher konnte auch dahingestellt bleiben, ob der Arbeitgeberin das Verhalten des Beraters der Sparkasse zuzurechnen war.

Hinweis: Erteilen Arbeitgeber also Auskünfte, ohne hierzu verpflichtet zu sein, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Das sollten sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer wissen.

Quelle: BAG, Urt. v. 18.02.2020 – 3 AZR 206/18

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Der Kündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten

Ist in einem Betrieb der Datenschutzbeauftragte ein Arbeitnehmer, hat dieser besonderen Kündigungsschutz.

Ein Datenschutzbeauftragter hat während der Laufzeit seines Amtes Kündigungsschutz und nach Ablauf des Amtes nachwirkenden Kündigungsschutz. Hier ging es um die Kündigung eines angestellten Datenschutzbeauftragten nach den Regelungen des alten Bundesdatenschutzgesetzes. Der angestellte Datenschutzbeauftragte meinte nun, dass der Arbeitgeber seinen Kündigungsschutz nicht beachtet hätte. Der Arbeitgeber sah das anders: Denn zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte er nur acht Arbeitnehmer und ein Datenschutzbeauftragter hätte gar nicht bestellt werden müssen. Die Kündigung war tatsächlich nicht wegen des Sonderkündigungsschutzes unwirksam. Der Arbeitnehmer konnte sich auf diesen Sonderkündigungsschutz nicht berufen, da er nur acht Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigte. Ein Absinken der Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert während der Tätigkeit als Beauftragter für den Datenschutz führt dazu, dass dessen Sonderkündigungsschutz entfällt, ohne dass es eines Widerrufs der Bestellung durch den Arbeitgeber bedarf. Aber: Endet durch ein Unterschreiten des Schwellenwerts die Funktion als verpflichtender Beauftragter für den Datenschutz, beginnt der nachwirkende Sonderkündigungsschutz. Ob ein nachwirkender Kündigungsschutz bestand, muss nun die Vorinstanz nun noch prüfen. Ist das der Fall, wird die Kündigung unwirksam sein und der Arbeitnehmer gewinnen.

Hinweis: Der Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten endet also mit Absinken der Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert, bei dem ein Datenschutzbeauftragter zu bestellen ist.

Quelle: BAG, Urt. v. 05.12.2019 – 2 AZR 223/19

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Wirksames Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen

Der Staat ist zur Neutralität verpflichtet. Andererseits gibt es aber auch ein Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit. Doch was ist nun mit Rechtsreferendarinnen, die ein Kopftuch tragen wollen?

Nach den hessischen Gesetzen müssen sich Rechtsreferendare im juristischen Vorbereitungsdienst gegenüber Bürgerinnen und Bürgern religiös neutral zu verhalten. Daher dürfen Rechtsreferendarinnen auch mit Kopftuch keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie als Repräsentantin der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden könnten. Eine Rechtsreferendarin war deutsche und marokkanische Staatsangehörige und gläubige Muslimin. In der Öffentlichkeit trug sie ein Kopftuch. Deshalb klagte sie gegen die hessischen Gesetze und Anordnungen bis zum Bundesverfassungsgericht – ohne Erfolg. Denn der Eingriff in die Religionsfreiheit war verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Ausbildungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz war nicht verletzt. Die vom Landesgesetzgeber verfolgten Ziele der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates, der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und des Schutzes der negativen Religionsfreiheit Dritter sind besonders gewichtige Gemeinschaftsbelange, die die Regelung rechtfertigen. Die hessischen Regelungen zum Verbot des Kopftuchs für Rechtsreferendarinnen sind verfassungsgemäß.

Hinweis: Ein Verbot, bei bestimmten dienstlichen Tätigkeiten im Rechtsreferendariat ein Kopftuch zu tragen, ist nach diesem Urteil verfassungsrechtlich gerechtfertigt und nicht zu beanstanden.

Quelle: BVerfG, Urt. v. 14.01.2020 – 2 BvR 1333/17

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So wird der Wahlvorstand einer Betriebsratswahl eingesetzt

Immer dann, wenn in einem Betrieb erstmalig ein Betriebsrat gewählt werden soll, stehen alle Beteiligten vor einer großen Herausforderung. Und im Zweifel ist das Einschalten des Arbeitsgerichts erforderlich.

In einem Unternehmen gab es keinen Betriebsrat. Deshalb luden drei Arbeitnehmer zu einer Wahlversammlung ein. Dort sollte einen Wahlvorstand eingesetzt werden. Auf der Versammlung wurde dann mehrheitlich entschieden, die Betriebsversammlung zu vertagen. Die drei Arbeitnehmer zogen daraufhin vor das Arbeitsgericht und verlangten die Einsetzung eines Wahlvorstands – zu Recht. Die gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstands kann nach § 17 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz nur erfolgen, wenn es den Arbeitnehmern des Betriebs nicht gelungen ist, auf einer Wahlversammlung einen Wahlvorstand zu wählen. Dadurch, dass in der Wahlversammlung kein weiterer Termin festgelegt wurde, war diese objektiv gescheitert. Das Arbeitsgericht hat einen Wahlvorstand eingesetzt.  

Hinweis: Dieses Urteil ist wichtig in den Betrieben, in denen noch kein Betriebsrat besteht. Ist das der Fall, wird der Wahlvorstand in einer Betriebsversammlung gewählt. Findet diese Versammlung nicht statt oder wird dort kein Wahlvorstand gewählt, bestellt ihn auf Antrag das Arbeitsgericht.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 22.01.2020 – 3 TaBV 23/19

https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/LAG/lag_node.html

 

Die Massenentlassungsanzeige bei Kündigungen

In den nächsten Monaten werden wir Corona-bedingt sicherlich leider eine Vielzahl von Massenentlassungen erleben. Davon handelt auch dieser Fall.

Die Arbeitsverhältnisse des gesamten Cockpit-Personals von Air Berlin waren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekündigt worden. Air Berlin erstattete die nach dem Kündigungsschutzgesetz erforderliche Massenentlassungsanzeige für den „Betrieb Cockpit" bezogen auf das gesamte bundesweit beschäftigte Cockpit-Personal bei der für ihren Sitz zuständigen Agentur für Arbeit Berlin-Nord. Einer der betroffenen Arbeitnehmer, der bei der Arbeitgeberin der Station Köln zugeordnet war, legte eine Kündigungsschutzklage ein – mit Erfolg. Die erstattete Massenentlassungsanzeige war tatsächlich fehlerhaft und die Kündigungen deshalb unwirksam. Die Massenentlassungsanzeige für das der Station Köln zugeordnete Cockpit-Personal hätte bei der dafür zuständigen Agentur für Arbeit in Köln erfolgen müssen.

Hinweis: Eine Massenentlassungsanzeige nach der Bestimmung des Kündigungsschutzgesetz ist also bei der Agentur für Arbeit zu erstatten, in deren Bezirk die Auswirkungen der Massenentlassung auftreten.

Quelle: BAG, Urt. v. 27.02.2020 – 8 AZR 215/19

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Keine Verpflichtung zur Ausbildung zum Notfallsanitäter

Der Dienstherr dafür in einem Beamtenverhältnis vieles anordnen, aber eben auch nicht alles.

Ein Feuerwehrbeamter aus Sachsen besaß bereits die Qualifikation zum Rettungsassistenten. Nun sollte er im Juli 2019 aufgrund einer dienstlichen Weisung eine Ausbildung zum Notfallsanitäter beginnen. Der Hintergrund der Weisung lag darin, dass es nur noch für eine kurze Übergangszeit möglich war, sich mittels eines Ergänzungslehrgangs vom Rettungsassistenten zum Notfallsanitäter weiterqualifizieren zu können. Der Feuerwehrbeamte wollte sich aber nicht zum Notfallsanitäter ausbilden lassen und beantragte daher gegen die dienstliche Weisung die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Das Oberverwaltungsgericht Sachsen entschied zu Gunsten des Feuerwehrbeamten. Ihm war vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren, da die dienstliche Weisung rechtswidrig gewesen ist. Es gibt kein Recht zur Anordnung des Erlernens eines neuen Berufs. Zwar kann der Dienstherr eine Anordnung erlassen, wonach Beamte sich fortzubilden haben. Eine Fortbildungspflicht bezieht sich aber immer auf den ausgeübten Beruf und nicht auf einen neuen. Die Ausbildung eines Rettungsassistenten zu einem Notfallsanitäter stellte aber die Erlernung eines neuen Berufs dar.

Hinweis: Es passiert immer wieder, dass Dienstanweisungen oder auch Anweisungen privater Arbeitgeber rechtswidrig sind. Stets müssen die geltenden Gesetze eingehalten werden. Im Zweifel sollten Arbeitnehmer dieses prüfen lassen.

Quelle: OVG Sachsen, Beschl. v. 30.01.2020 – 2 B 311/19

https://www.justiz.sachsen.de/ovg/

 

Kündigung nach Missbrauch von Kundendaten

Daten von Kunden dürfen nicht missbraucht werden. Auf ein entsprechendes Verhalten eines Mitarbeiters kann ein Arbeitgeber mit einer Kündigung reagieren.

Ein Angestellter SAP-Berater wollte einer Kundin seines Arbeitgebers zeigen, wie unsicher ihr Computersystem ist. Er bestellte vom PC eines Spielcasinos aus Kopfschmerztabletten für zwei Vorstandsmitglieder der Kundin. Dabei griff er bei der Zahlung per Lastschrift auf zuvor auf einen privaten USB-Stick heruntergeladene Namen, Anschriften und Bankverbindungsdaten der Kundin zurück. Im Rahmen der Bestellung ließ der Mitarbeiter dann dem Vorstand der Kundin die Anmerkung zukommen, dass sie aufgrund der Bestellung sehen könnten, wie einfach Datenmissbrauch sei. Das müsse zu Kopfschmerzen führen, wobei die bestellten Kopfschmerztabletten durchaus helfen könnten. Der Arbeitnehmer erhielt dafür die fristlose Kündigung, gegen die er erfolglos klagte. Er hatte durch sein Vorgehen gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers verstoßen. Er hatte seine Datenzugriffsmöglichkeit missbraucht und eine Sicherheitslücke bei der Kundin ausgenutzt. Die Kunden dürfen von der Beklagten und deren Mitarbeiter jedoch Schutz und keinesfalls Missbrauch von etwaigen Sicherheitslücken erwarten.

Hinweis: Wenn ein Arbeitsverhältnis in seinem massiven Vertrauensverlust leidet, kann es in der Regel durch den Arbeitgeber gekündigt werden. Das war hier der Fall. Ein Missbrauch von Kundendaten ist stets eine schwerwiegende Pflichtverletzung.

Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 15.01.2020 – 3 Ca 1793/19

https://www.arbg-siegburg.nrw.de/

 

Kündigung zur Lohnreduzierung

In der Corona-Krise werden viele Arbeitgeber versuchen, die Löhne zu kürzen. Das ist aber einseitig gar nicht so einfach.

Ein Arbeitnehmer war seit vielen Jahrzehnten als Kfz-Elektriker bei seinem Arbeitgeber tätig und erhielt einen Stundenlohn von 14 Euro brutto. Darüber hinaus zahlte der Arbeitgeber Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld. Dann teilte der Arbeitgeber mit, dass angesichts des besorgniserregenden Krankenstandes die Gratifikationen ab dem Jahr 2017 nur noch ausgezahlt würden, wenn nicht mehr als 30 krankheitsbedingte Fehltage im Jahr vorliegen würden. Der Arbeitnehmer erhielt zudem eine Änderungskündigung: Sein Stundenlohn wurde auf 13 Euro reduziert. Der Arbeitnehmer war im Jahr 2018 an 37 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt. Er klagte deshalb sein nicht bezahltes Urlaubsgeld ein und er klagte gegen die Änderungskündigung zur Lohnreduzierung. Die Richter waren auf seiner Seite. Das Recht zur Einbehaltung der Gratifikation wegen einer bestimmten Anzahl von Arbeitsunfähigkeitstagen ergab sich weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus anderen Regelungen. Auch die Lohnsenkung war unwirksam. Da der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gar nicht beenden wollte, lag auch schon keine Änderungskündigung vor. Die Kündigung hatte sich allein auf die Lohnhöhe bezogen und damit handelte es sich um eine Teilkündigung. Teilkündigungen sind jedoch generell unwirksam, um damit einen einseitigen Eingriff durch den Arbeitgeber in das ausgehandelte Vertragsgefüge zu vermeiden.

Hinweis: Der Arbeitnehmer hat den Rechtsstreit gewonnen. Erhalten Arbeitnehmer eine Änderungskündigung, müssen sie dagegen, wie gegen jede andere Kündigung auch, binnen drei Wochen vorgehen. Wird die Frist versäumt, ist die Kündigung bestandskräftig.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 29.10.2019 – 5 Sa 72/19

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Geschenke an Betriebsratsmitglieder

Damit Betriebsräte eine bestimmte Schulung buchen, werden ihnen häufig Geschenke versprochen. Das ist aber alles andere als unproblematisch.

Einige Betriebsratsmitglieder besuchten Schulungen. Sie erhielten von dem Seminaranbieter unter anderem einen Tablet-PC und einen Datenstift zur Bedienung mit passenden Laptoptaschen. Die Arbeitgeberin erfuhr von den bei der Schulung übergebenen Gegenständen und verlangte diese heraus. Der Betriebsrat kam der Aufforderung zunächst nach, zog dann aber vor das Arbeitsgericht und beantragte, die Arbeitgeberin zu verurteilen, ihm diese Gegenstände wieder herauszugeben – vergeblich. Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Sachmittel für die Arbeit des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz zur Verfügung zu stellen. Er hat jedoch ein Auswahlrecht bei der Beschaffung von Sachmitteln. Gerade unter den Gesichtspunkten der Kompatibilität von technischen Geräten und der IT-Sicherheit ist es unerlässlich, dass der Arbeitgeber selbst die dem Betriebsrat zur Verfügung zu stellende Hard- und Software aussucht.

Hinweis: Der Betriebsrat hat den Rechtsstreit verloren und bekam die Gegenstände nicht wieder zurück.

Quelle: ArbG Lüneburg, Beschl. v. 02.10.2019 – 1 BV 5/19

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Der erste Corona-Fall beim Arbeitsgericht

Die Corona-Krise wird auch die Gerichte noch lange Zeit beschäftigen. Ein erster Fall ist vor dem Arbeitsgericht Berlin gelandet.

Der Arbeitgeber des Falls betrieb an Flughäfen Duty-free-Shops. Zu Beginn der Corona-Krise begannen Mitarbeiter bei ankommenden Flügen aus China während der Arbeit Mundschutz und Handschuhe zu tragen. Das missfiel dem Arbeitgeber. Er erteilte ein Verbot, Mundschutz und Handschuhe zu tragen. Daraufhin meinte der Betriebsrat, der Arbeitgeber habe seine Mitbestimmungsrechte durch das Verbot missachtet. Deshalb beantragte der Betriebsrat den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, die Aufhebung des Verbots zu erreichen. Kurz vor der mündlichen Verhandlung stellte der Arbeitgeber dann klar, dass es kein solches Verbot gebe. Das Tragen von Handschuhen werde ausdrücklich genehmigt. In dieser Erklärung sah der Betriebsrat ein Anerkenntnis. Er erklärte das Verfahren deshalb für erledigt. Die Entscheidung des Gerichts: Das Gericht hielt das ebenfalls wie der Betriebsrat für ein Anerkenntnis und forderte den Arbeitgeber daher auf, das Verfahren binnen 10 Tagen auch seinerseits für erledigt zu erklären.

Hinweis: Der Betriebsrat hat bei solchen Fragen mitzubestimmen. Das gilt auch für Mundschutz und Handschuhe. Anlässlich der Corona-Krise konnte ein Arbeitgeber das Tragen ohnehin nicht verbieten.

Quelle: ArbG Berlin, Beschl. v. 04.03.2020 – 55 BVGa 2341/20

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Arbeitsvertraglichere Regelungen bei Dienstfahrrädern

Es gibt immer mehr Dienstfahrräder und damit natürlich auch immer mehr Streitigkeiten darüber.

Ein Arbeitgeber hatte einer Arbeitnehmerin ein geleastes Dienstfahrrad für 36 Monate zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug wurde das Arbeitsentgelt der Mitarbeiterin um den Betrag der Leasingraten reduziert. Ebenso hatten sich die Parteien darauf geeinigt, dass der Arbeitgeber berechtigt war, das Dienstfahrrad schriftlich mit einer Frist von 14 Tagen zurückzufordern, wenn das Arbeitsverhältnis ruht sowie bei Zeiten ohne Arbeitsentgelt, also beispielsweise bei einer längeren Arbeitsunfähigkeit. Sofern der Arbeitgeber von seinem Herausgaberecht keinen Gebrauch machte, war die Mitarbeiterin verpflichtet, für die Dauer der Unterbrechung der Gehaltszahlung die Leasingraten an den Arbeitgeber zu zahlen. Dann wurde die Frau krank und der Arbeitgeber versuchte die Leasingraten für die Zeit nach Ablauf der 6-wöchigen Entgeltfortzahlung einzuklagen – vergeblich. Denn der Vertrag über das Fahrrad war an dieser Stelle rechtswidrig. Das Dienstrad war letztendlich auch nur als Sachbezug Teil der Vergütung der Arbeitnehmerin. Allerdings musste die Mitarbeiterin nicht damit rechnen, bei der längeren Arbeitsunfähigkeit die Leasingskosten zu tragen. Das war unangemessen und damit war die Klausel unwirksam.

Hinweis: Eine Klausel in einem Dienstradvertrag ist also unwirksam, wenn darinsteht, dass der Mitarbeiter die Leasingrate selbst trägt, wenn er wegen einer längeren Erkrankung keinen Vergütungsanspruch mehr hat.

Quelle: ArbG Osnabrück, Urt. v. 13.11.2019 – 3 Ca 229/19

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Bezahlung von Betriebsratsmitgliedern

Immer wieder gibt es Streit über die Bezahlung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern.

Ein Arbeitnehmer war vor Übernahme seines Betriebsratsamtes in einem 3-Schichtbetrieb tätig und deshalb erhielt er Schichtzulagen. Obwohl er das Betriebsratsamt in einer Tagschicht ausübte, erhielt er weiterhin die Schichtpauschale in Höhe von über 1.000 €. Dann stellte der Arbeitgeber den Schichtbetrieb wegen eines Auftragsmangels komplett ein und zahlte deshalb dem Betriebsratsmitglied auch die Schichtzulage nicht mehr. Die Richter entschieden, dass das Betriebsratsmitglied keinen Anspruch auf Fortzahlung der Schichtzulage hatte. Es besteht kein Anspruch auf eine vor der Freistellung erhaltene Zulage, wenn der Arbeitgeber diese für alle Mitarbeiter streicht. Bei der Bezahlung von Betriebsräten ist eine hypothetische Betrachtung maßgeblich. Das Gericht wies in seiner Begründung auch darauf hin, dass Betriebsratsmitgliedern durch die Übernahme des Betriebsratsamtes keine Nachteile entstehen dürfen, vor allem dürfen sie keine Einkommensnachteile erleiden. Im Hinblick auf die Fortzahlung der Vergütung war der Maßstab allerdings die Situation vergleichbarer Arbeitnehmer. Und die hatten alle die Schichtzulage nicht mehr erhalten.

Hinweis: Wird also ein Mitglied des Betriebsrats von der Arbeit freigestellt, muss der Arbeitgeber ihm sein bisheriges Geld weiterzahlen. Entfällt aber eine Schichtarbeit komplett, muss der Arbeitgeber auch dem Betriebsrat die Schichtzulage nicht weiter gewähren.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.09.2019 – 19 Sa 15/19

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Diskriminierungsschutz erweitert

Nach Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz gilt: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“ Diesen Grundsatz hat auch eine öffentliche Stiftung des Privatrechts anzuwenden.

Ein Mann hatte sich auf die Direktorenstelle der Bundesstiftung Bauakademie beworben. Er erhielt eine Absage und behauptete dann, dass das Auswahlverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Er beantragte zunächst den Erlass einer einstweiligen Verfügung, damit kein anderer Bewerber die Stelle bekommt. Das Arbeitsgericht Berlin sah das genauso. Die Bundesstiftung Bauakademie darf die Direktorenstelle bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mit dem bereits ausgewählten Bewerber besetzen. Im vorliegenden Fall waren die Grundsätze des Konkurrentenschutzes aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz anwendbar. Danach hat jeder Bewerber auf Stellen bei öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Auswahlverfahren. Dieser Grundsatz war hier anwendbar, obwohl es sich bei der Bundesstiftung Bauakademie um eine privatrechtliche Stiftung handelt. Da der Bewerber hinreichende Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Stellenbesetzung vorgetragen hatte, bleibt die Stelle zunächst unbesetzt. Nun folgt sicherlich noch das Hauptsacheverfahren.

Hinweis: Jeder Bewerber auf Stellen bei öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern hat nach der Rechtsprechung und dem Grundgesetz einen Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Auswahlverfahren. Das gilt nun auch, wenn es sich um eine privatrechtliche Stiftung handelt, wie bei der Bundesstiftung Bauakademie.

Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 07.01.2020 – 45 Ga 15221/19

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Sonntagsarbeit und Behördenversagen

Der Sonntag ist in Deutschland grundsätzlich arbeitsfrei. Dabei hat es auch nach dem Oberverwaltungsgericht Münster zu bleiben.

Ein zur Amazon-Unternehmensgruppe gehörendes Logistikdienstleistungsunternehmen beantragte eine Ausnahme vom Sonntagsarbeitsverbot am dritten und vierten Advent. Die Bezirksregierung nahm an, dass aufgrund des vorweihnachtlich erheblich erhöhten Bestellvolumens eine Sondersituation vorliege und bewilligte die Ausnahme zur Beschäftigung von jeweils 800 Arbeitnehmern an den letzten beiden Adventssonntagen. Dagegen klagte die Gewerkschaft ver.di mit Erfolg. Ein vorweihnachtlich erhöhtes Bestellvolumen stellt grundsätzlich keinen Grund für eine Ausnahmebewilligung dar. Das gilt insbesondere dann, wenn das Unternehmen prognostizierte Lieferengpässe noch durch das Versprechen kürzerer Lieferzeiten selbst verstärkt hat.

Hinweis: Sonntagsarbeit ist also nur mit einer behördlichen Erlaubnis in der Privatwirtschaft möglich. Ein vorweihnachtlich erhöhtes Bestellvolumen stellt grundsätzlich keinen Grund für eine Ausnahmebewilligung dar.

Quelle: OVG Münster, Urt. v. 11.12.2019 – 4 A 738/18

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Rechtsextreme Tattoos am Arbeitsplatz

Dass eine Kündigung immer nur das letzte Mittel des Arbeitgebers sein sollte, zeigt dieser Fall.

Ein bei einem Bundesland angestellter Lehrer hatte mehrere Tattoos. Zum einen hatte er den SS-Schriftzug „Meine Ehre heißt Treue" tätowiert, zum anderen die schon in der Nazizeit verwendeten Symbole „Wolfsangel" und „Schwarze Sonne". Der Lehrer zeigte seine Tattoos auch in der Öffentlichkeit. Dafür erhielt er die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Ihm wurde eine rechtsextreme Gesinnung vorgeworfen und er sei deshalb für den Schuldienst nicht geeignet. Diesen Kündigungsgrund teilte der Arbeitgeber jedoch seinem Personalrat vor Ausspruch der Kündigung nicht mit. Deshalb war die Kündigung unwirksam. Der Arbeitgeber hatte seinen Personalrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört. In einem Kündigungsschutzprozess kann der Arbeitgeber aber nur diejenigen Kündigungsgründe verwerten, die er dem Personalrat zuvor mitgeteilt hatte. Und das war bei der fehlenden Eignung des Lehrers als Kündigungsgrund nicht der Fall gewesen. Aber auch der Vorwurf, dass der Lehrer seine Tattoos öffentlich zeigte, reichte nicht für eine Kündigung. Hier hätte das Land als milderes Mittel vorher eine Abmahnung aussprechen müssen.

Hinweis: Trägt ein Lehrer Tattoos mit rechtsextremen Symbolen und wird ihm deshalb wegen einer rechtsextremen Gesinnung gekündigt, ist die Kündigung unwirksam, wenn der Arbeitgeber diesen Kündigungsgrund dem Personalrat vor Ausspruch der Kündigung nicht mitgeteilt hatte. Solche Fehler sollten einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn nicht passieren. Und: Der Arbeitgeber hat beim Ausspruch einer fristlosen Kündigung stets eine 2-Wochen-Frist ab Kenntnis der Kündigungsgründe einzuhalten!

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.12.2019 – 15 Sa 1496/19

https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/

 

Rechtswidrige Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist nur in Ausnahmefällen zulässig.

An einer Tankstelle gab es eine offene Videoüberwachung im Bereich der Zapfsäulen und im Verkaufsraum. Ein Mitarbeiter wollte nun andere, versteckte Kameras im Kassen- und Lagerbereich nicht länger hinnehmen und forderte Schadenersatz. Denn während die Kameras im öffentlichen Bereich die Abwehr von Straftaten Dritter zum Ziel hatten, sah er bei den anderen Kameras die Überwachung der Arbeitnehmer im Vordergrund. Das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht und sprach ihm 1.500 € zu. Das Gericht war der Überzeugung, dass der Arbeitgeber die Kameras nicht zum Schutz und zur Aufklärung von Überfällen aufgestellt hatte, sondern vielmehr, um seine Mitarbeiter zu kontrollieren. Diese Formen der Videoüberwachung müssen die Arbeitnehmer allerdings nicht hinnehmen. Schließlich waren sie einer unfreiwilligen und unzulässigen Videoüberwachung ausgesetzt.

Hinweis: Die Überwachung von Arbeitnehmern per Video ist nur in Ausnahmefällen erlaubt. Stets benötigt der Arbeitgeber einen wichtigen Grund. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten prüfen, wie die Videokameras in ihrem Betrieb eingestellt sind.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 24.05.2019 – 2 Sa 214/18

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Arbeitszeiten in der Freibadsaison

Mit einem solchen Ausgang des Rechtsstreits hatte der Bademeister dieses Falls wohl nicht gerechnet.

Der Mann war seit vielen Jahren bei einer Gemeinde als vollbeschäftigter Arbeitnehmer tätig. Seine Beschäftigung lag in der Badeaufsicht des Freibads sowie in der Reinigung und Pflege des Schwimmbads. Nach dem Arbeitsvertrag wurde er jeweils für die Saison vom 01.04. bis zum 31.10. eines Kalenderjahres beschäftigt und bezahlt. Dann klagte er und wollte feststellen lassen, dass über den 31.10.2016 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Der Bademeister hat die Klage verloren, denn das Arbeitsverhältnis war tatsächlich gar nicht befristet, sondern unbefristet. Der Bademeister hatte aber nur eine Arbeitspflicht für die Monate April bis Oktober eines jeden Jahres. Und diese Vereinbarung war auch wirksam. Der Bademeister wurde nicht unangemessen benachteiligt, da es tatsächlich nur während der Badesaison Beschäftigungsbedarf gab.

Hinweis: Wird die Arbeitszeit in einem unbefristeten Arbeitsvertrag auf einige Monate begrenzt, kann das rechtmäßig sein, wenn für die übrige Zeit tatsächlich kein Beschäftigungsbedarf besteht.

Quelle: BAG, Urt. v. 19.11.2019 – 7 AZR 582/17

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Freizeit im August

Arbeitnehmer können nach dem Gesetz Anträge auf eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit stellen.

Ein Angestellter hatte ein schulpflichtiges Kind und beantragte die Reduzierung seiner regelmäßigen jährlichen Arbeitszeit um 1/12. Die Verteilung der arbeitsfreien Tage sollte so erfolgen, dass er immer im August frei hat. Die Arbeitgeberin lehnte das unter Berufung auf entgegenstehende betriebliche Gründe ab. Der Monat August sei der umsatzstärkste Monat im Jahr und sein Ausfall sei in diesem Zeitraum auch aufgrund von Urlaubswünschen anderer Mitarbeiter nicht kompensierbar. Dagegen klagte der Arbeitnehmer – vergeblich. In diesem Fall standen tatsächlich betriebliche Gründe entgegen. Wegen des erhöhten Arbeitsvolumens im Monat August belegte die Arbeitgeberin, dass sie nicht allen Urlaubswünschen für die Sommerferien nachkommen konnte und daher regelmäßig maximal 10 Urlaubstage gewährte. Dieses Konzept stand dem Urlaubswunsch des Mannes, für jedes Jahr im August insgesamt Urlaub in Anspruch nehmen zu können, entgegen. Zudem war der Teilzeitwunsch eine unzulässige Rechtsausübung. Die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit, verbunden mit dem Wunsch, den gesamten August arbeitsfrei zu haben, hatte nur den Zweck, die bestehende Regelung der Arbeitgeberin zu unterlaufen. Er wollte entgegen den Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes gerade für den August in den folgenden Jahren seinen Urlaub sichern. Damit verlangte er eine bestimmte Verteilung seiner Arbeitszeit, auf die er ohne die Arbeitszeitreduzierung keinen Anspruch hätte. Und das war rechtsmissbräuchlich.

Hinweis: Es gibt Gründe, weshalb Teilzeitanträge von Mitarbeitern abgelehnt werden dürfen. Diese ergeben sich aus dem Gesetz. Ein Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit um 1/12 um im August frei zu haben ist jedenfalls dann rechtsmissbräuchlich, wenn dieser Monat regelmäßig zu den arbeitsintensivsten Monaten zählt und Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer deutlich eingeschränkt werden.

Quelle: LAG Nürnberg, Urt. v. 27.08.2019 – 6 Sa 110/19

https://www.lag.bayern.de/nuernberg/lag/

 

Fiese Vorstellungsgespräche

Manche Führungskräfte lernen es einfach nicht mehr.

Es ging um den stellvertretenden Direktor einer Berliner Stiftung. Bereits in den vergangenen Jahren wurden mehrfach Vorwürfe sexueller Belästigungen durch ihn in den Raum gestellt. Da sich diese Vorwürfe in den folgenden Jahren verfestigten, kündigte die Stiftung dem stellvertretenden Direktor fristgemäß. Dagegen erhob dieser eine Klage – vergeblich. Die Kündigung war wirksam, denn der stellvertretende Direktor bot keine Gewähr mehr für ein angemessenes Verhalten gegenüber den Beschäftigten. Dies beruhte auf erheblichen unangemessen Gesprächssituationen wie Vorstellungsgesprächen mit Bewerberinnen für Praktika oder Volontariate in einem privaten Rahmen. Auf die Vorwürfe der sexuellen Belästigung kam es daher gar nicht mehr für die Richter an.

Hinweis: Führt eine männliche Führungskraft Vorstellungsgespräche mit Bewerberinnen in einem privaten Rahmen, damit diese in unangemessene Gesprächssituationen kommen, besteht ein Grund für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 13.11.2019 – 60 Ca 13111/18

https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/

 

Das Entgelttransparenzgesetz

Es gibt ein Urteil zu dem seit zwei Jahren existierenden Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG).

Eine Abteilungsleiterin fühlte sich diskriminiert und ungerecht behandelt, da sie weniger Geld als die meisten anderen vergleichbaren Abteilungsleiter erhielt. Diese Erkenntnis hatte sie nach der Geltendmachung ihres Anspruchs auf Auskunft nach dem Entgelttransparenzgesetz erhalten. Schließlich klagte sie ihren vermeintlichen Anspruch ein – ohne Erfolg. Der Arbeitgeber hatte nämlich nachvollziehbar für das Gericht dargelegt, dass die meisten vergleichbaren Abteilungsleiter sehr viel länger in dieser Position tätig waren als die klagende Mitarbeiterin. Außerdem überprüfte der Arbeitgeber alle 2 bis 3 Jahre die Gehälter. Wenn man dies berücksichtigte, blieb praktisch kein Gehaltsunterschied mehr übrig.

Hinweis: Eine ungerechtfertigte Ungleichheit muss natürlich vermieden werden, denn sie ist ein Grund für unzufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn eine Mitarbeiterin weniger als der Durchschnitt verdient, muss das aber nicht zwangsläufig an einer Diskriminierung wegen des Geschlechts liegen.

Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 01.08.2019 – 5 Sa 196/19

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Urlaub nach Kündigung

Wenn es erst einmal am Arbeitsplatz Streit gibt, dann auch richtig.

Eine Callcenter-Agentin beantragte Urlaub für die Zeit vom 27.07.2019 bis zum 09.08.2019. Die Arbeitgeberin wollte das aber nicht und gewährte lediglich den Urlaub für die erste Woche bis zum 02.08.2019. Zudem kündigte sie das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.7.2019. Dagegen klagte die Arbeitnehmerin. Sie wollte dann zusätzlich mit einer einstweiligen Verfügung erreichen, dass die Arbeitgeberin verurteilt wird, ihr auch für den Zeitraum vom 05.08.2019 bis 09.08.2019 Urlaub zu gewähren. Im Gerichtsverfahren verglichen sich die Parteien und es ging noch um die Gerichtskosten des Rechtsstreites, insbesondere in der Berufungsinstanz. Diese hatte die Arbeitnehmerin zu tragen, da sie voraussichtlich den Rechtsstreit verloren hätte. Einstweilige Verfügungen sind zulässig, wenn zu befürchten ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dazu hätte der Arbeitnehmerin jedoch ein Anspruch auf Urlaub im August 2019 zustehen müssen. Das war jedoch nicht der Fall gewesen, da der Anspruch auf Gewährung von Urlaub ein bestehendes Arbeitsverhältnis voraussetzt. Durch die Kündigung war jedoch das Arbeitsverhältnis zu Ende Juli beendet worden.

Hinweis: Hat also ein Arbeitnehmer eine Klage gegen eine Kündigung erhoben, kann er in der Regel nicht im Wege einer einstweiligen Verfügung für einen Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist einen Urlaubsanspruch durchsetzen – auch nicht, wenn er eine Kündigungsschutzklage eingereicht hat.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 12.09.2019 – 5 SaGa 6/19

https://www.mv-justiz.de/gerichte-und-staatsanwaltschaften/fachgerichte/arbeitsgerichte/landesarbeitsgericht/

 

Überraschendes im Geldkoffer – oder auch nicht…

Dass diese Mitarbeiterin rausflog, wundert wohl niemanden.

Die Mitarbeiterin einer Sparkasse öffnete alleine einen von der Bundesbank angelieferten Geldkoffer, der einen Geldbetrag von 115.000 € in 50-€-Scheinen enthalten sollte. Nach ihrer Darstellung fand sie lediglich eine Packung Babynahrung und Waschpulver darin. Dafür erhielt sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht erachteten die Kündigung zunächst als unwirksam. Die erfolgreiche Revision der Sparkassen zum Bundesarbeitsgericht führte zu einer Zurückweisung an das Landesarbeitsgericht. Das Landesarbeitsgericht wies dann die Kündigungsschutzklage erneut ab, da die Kündigung wirksam war. Es lag ein wichtiger Grund vor. Inzwischen war der dringende Verdacht eines Vermögensdelikts durch die Sparkassenangestellte wegen zahlreicher Indizien begründet. In die nochmalige Bewertung der Umstände waren jetzt die Feststellungen des Amtsgerichts aus dem parallel laufenden Strafverfahren eingeflossen. Dieses hatte die Angestellte wegen Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt und die Einziehung des Geldbetrages angeordnet.

Hinweis: Liegen also ausreichende Indizien vor, dass eine Arbeitnehmerin Bargeld unterschlagen hat, und ist sie deshalb bereits in einem Strafverfahren zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, liegt darin ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung.

Quelle: LAG Hamm, Urt. V. 24.10.2019 – 17 Sa 1038/18

https://www.lag-hamm.nrw.de/

 

Diskriminierungsklage und Rechtsmissbrauch

Es gibt sogenannte AGG-Hopper, die sich nur auf Stellen bewerben, um abgelehnt zu werden. Doch dann wollten sie eine Entschädigung erhalten.

Eine Arbeitgeberin suchte einen neuen „Fachanleiter aus den Bereichen Küche / Hauswirtschaft / Nähen". Ein Mann bewarb sich auf die Stellenanzeige. Er teilte mit, dass er Rentner sei und bat um ein Gehalt auf Vollzeitbasis. Der Ausbildungsbereich Nähen könne zudem von ihm nicht erbracht werden. Außerdem benötige er ein Appartement in nächster Betriebsnähe. Die Arbeitgeberin lud den Mann – wie es zu erwarten war – nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein. Sie teilte ihm mit, dass er nicht in die engere Auswahl einbezogen werde. Daraufhin fühlte sich der Bewerber wegen seines Alters diskriminiert und klagte eine Entschädigungszahlung von 11.000 € ein – vergeblich. Das Gericht meinte, er hätte keine Indizien dargelegt, welche für eine Diskriminierung wegen seines Alters sprechen. Außerdem hatte sich der Mann nach Ansicht der Richter rechtsmissbräuchlich verhalten. Er wollte nur eine Entschädigung bekommen. Das Bewerbungsschreiben enthielt eine Vielzahl objektiver Indizien dafür. Außerdem fehlten darin auch Ausführungen zu der Qualifikation und Motivation des Bewerbers. Insbesondere die Forderung nach einem in Betriebsnähe gelegenen Apartment musste eine Absage geradezu heraufbeschwören.

Hinweis: Die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs ist nach diesem Urteil rechtsmissbräuchlich, wenn sich der Bewerber nicht beim Arbeitgeber bewirbt, um eine Stelle zu erhalten, sondern es ihm offensichtlich ausschließlich nur um die Entschädigung geht. Ein richtiges Urteil.

Quelle: ArbG Bonn, Urt. v. 23.10.2019 – 5 Ca 1201/19

https://www.arbg-bonn.nrw.de/

 

Wenn die Kündigung zu Hause eingeworfen wird

Diese Entscheidung sollten alle kennen, die gelegentlich wichtige Schriftstücke zustellen müssen.

Ein Arbeitnehmer war außerordentlich fristlos gekündigt worden. Die Kündigung wurde von der Arbeitgeberin an einem Freitag gegen 13:25 Uhr in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen. Die offizielle Zustellzeit der Post war dagegen bereits um 11:00 Uhr beendet. Nun erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage und meinte, das Schreiben erst am folgenden Montag in seinem Hausbriefkasten vorgefunden zu haben. Daher sei es ihm nicht an dem Freitag zugegangen, sondern erst später. Damit soll seine Klage noch innerhalb der zu beachtenden 3-Wochen-Frist erhoben worden sein. Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass das vorinstanzliche Landesarbeitsgericht nochmals entscheiden muss. Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht den Kündigungsschutzantrag nicht abweisen. Nach ständiger Rechtsprechung geht eine Kündigung zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist.

Hinweis: Ein in einen Hausbriefkasten eingeworfenes Schreiben geht dem Empfänger demnach erst in dem Zeitpunkt zu, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Also häufig erst am nächsten Morgen.

Quelle: BAG, Urt. v. 22.08.2019 – 2 AZR 111/19

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Das Vorstellungsgespräch beim öffentlichen Arbeitgeber

Es ist für Arbeitgeber stets gefährlich, einen schwerbehinderten Arbeitnehmer nicht einzuladen.

Ein 57-jähriger schwerbehinderter Mann war als Fachassistent in einer Leistungsabteilung bei einem öffentlichen Arbeitgeber bereits zuvor schon einmal zwei Jahre beschäftigt. Nun hatte er sich erneut im Rahmen von mehreren Stellenausschreibungen beworben und dabei auch auf seine Schwerbehinderung hingewiesen. Der öffentliche Arbeitgeber hat den Mann trotzdem nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen und daher klagte dieser und verlangte eine Entschädigung in Höhe von jeweils drei Monatsgehältern – ohne Erfolg. Die Benachteiligung des Mannes war jedoch gerechtfertigt. Bei öffentlichen Arbeitgebern besteht ein Individualanspruch auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Hier lag der Grund der Nichteinladung nicht in der Behinderung, sondern in anderen Gründen. Die Behörde hatte deutlich gemacht, dass sie den Bewerber wegen des Vorbeschäftigungsverbots bei befristeten Arbeitsverträgen und der früheren Tätigkeit nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen hatte.

Hinweis: In Ablehnungsschreiben sollten Arbeitgeber niemals einen konkreten Grund für die Ablehnung nennen.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29.08.2019 – 10 Sa 563/19

https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/

 

Urlaub während der Altersteilzeit

Die Altersteilzeit ist auch ohne staatliche Förderung noch immer ein sehr interessantes Modell für viele Arbeitnehmer. Nun gibt es endlich Rechtsklarheit für Urlaubsfragen.

Ein Arbeitnehmer vereinbarte mit seinem Arbeitgeber ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell. Er war zunächst im bisherigen Umfang zu seiner Arbeitsleistung verpflichtet und danach in der zweiten Hälfte des Blockmodells von der Arbeitsleistung freigestellt. Während der gesamten Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erhielt er ein auf Grundlage der reduzierten Arbeitszeit berechnetes Gehalt zuzüglich von Aufstockungsbeiträgen. Nun wollte der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Freistellungsphase eine Urlaubsabgeltung erhalten und klagte – erfolglos. Einem Arbeitnehmer, der sich in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befindet und im gesamten Kalenderjahr von der Arbeitspflicht entbunden ist, steht mangels Arbeitspflicht kein gesetzlicher Anspruch auf Erholungsurlaub zu. Die Freistellungsphase ist mit „null" Arbeitstagen in Ansatz zu bringen. Diese Grundsätze gelten auch für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für die Berechnung des Urlaubsanspruchs während der Altersteilzeit keine abweichende Vereinbarung getroffen haben.

Hinweis: Nach der Beendigung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell besteht nach diesem Urteil endgültig kein Anspruch mehr auf Abgeltung von Urlaub für die Freistellungsphase.

Quelle: BAG, Urt. v. 24.09.2019 – 9 AZR 481/18

www. bundesarbeitsgericht.de

 

Kündigung und Alkoholerkrankung

Wenn Arbeitnehmer am Arbeitsplatz Alkohol trinken, ist es schon schlimm genug. Noch schlimmer ist es jedoch, wenn eine Sucht vorliegt.

Eine Gewerkschaftsangestellte war schwer alkoholabhängig. In den letzten 4 Jahren war sie durchschnittlich an 236 Tage pro Jahr arbeitsunfähig erkrankt. In dieser Zeit führte sie einige Entwöhnungsversuche durch, die sie entweder frühzeitig abbrach oder sie wurde bald wieder rückfällig. Außerdem war sie in dieser Zeit 16 Mal stationär im Krankenhaus aufgenommen worden. Schließlich erhielt sie eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Das bedeutet, dass die Kündigung erst zum Ablauf der Kündigungsfrist wirkt, obwohl es sich um eine außerordentliche Kündigung handelte. Gegen die Kündigung legte die Frau eine Klage ein – erfolglos. Zunächst bestand eine negative Prognose für weiterer Fehlzeiten. Außerdem gab es eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Arbeitgeberin. Bei einem Umfang von 10% der möglichen Arbeitstage war das Arbeitsverhältnis sinnentleert und es war völlig unvorhersehbar, wann die Arbeitnehmerin eine Arbeitsleistung erbringen kann. In Ausnahmefällen kommt eine außerordentliche Kündigung in Betracht, wenn zum Beispiel die ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist. Allerdings muss dann zu Gunsten des Arbeitnehmers zwingend eine der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist eingehalten werden. Die Arbeitnehmerin hat den Rechtsstreit verloren.

Hinweis: Eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist kann nach dieser Entscheidung gerechtfertigt sein, wenn eine negative Gesundheitsprognose wegen einer Alkoholerkrankung vorliegt. Arbeitgeber müssen eben auch nicht alles mitmachen.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.07.2019 – 15 Sa 2498/18

https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht/

 

Der gestohlene Lkw

Diebstähle von Lastkraftwagen nehmen immer mehr zu. Problematisch wird es, wenn eventuell auch der Arbeitnehmer für einen Diebstahl haftet, weil er etwas falsch gemacht hat.

Ein Arbeitnehmer war als Berufskraftfahrer tätig und fuhr eine Zugmaschine mit Auflieger, die mit Hygieneartikeln beladen worden war, von Köln zum Betriebshof nach Essen. Dort parkte er den Auflieger in einer ruhigen Seitenstraße außerhalb des Betriebshofs und sattelte ihn ab. Es kam wie es kommen musste und der Auflieger wurde gestohlen. Die Haftpflichtversicherung der Arbeitgeberin übernahm den Schaden bis auf einen Restbetrag in Höhe von 14.500 €. Diesen Betrag verlangt die Arbeitgeberin von dem Fahrer. Denn grundsätzlich waren die LKW auf dem Betriebshof abzustellen, der durch ein Rolltor und eine Einfriedung gesichert war. Nach Angaben des Fahrers sei jedoch auf dem Vorplatz des Betriebshofs kein Parkplatz frei gewesen. In einem solchen Fall sei es üblich gewesen, in der Seitenstraße zu parken. Die Arbeitgeberin bestritt dies und behauptete sogar, durch einen Aushang das Abstellen in der Seitenstraße verboten zu haben. Ob das dem Lkw-Fahrer mitgeteilt worden war, die sich nicht mehr aufklären. Außerdem seien nach Auffassung der Arbeitgeberin zwei Parkplätze vor Rampen bei der Rückkehr des Fahrers frei gewesen. Das Landesarbeitsgericht kam zu der Auffassung, dass Zeugen zu der Frage gehören werden müssten, ob Parkplätze vor den Rampen frei gewesen waren. Dazu kamen sie jedoch nicht mehr, da die Parteien sich darauf einigten, dass der Fahrer 2.000 € zu zahlen hat. Dieser Wert kam deshalb zustande, da eine Haftung nur bei einer vorsätzlichen Pflichtverletzung möglich gewesen wäre. Hier lag jedoch allenfalls ein unterer Grad der Fahrlässigkeit mit dem Fahrer vor. Außerdem war sein geringer Verdienst zu berücksichtigen.

Hinweis: Stellt ein LKW-Fahrer einen beladenen Auflieger entgegen einer Anweisung außerhalb des Betriebshofs in einer Seitenstraße ab, kann das eine Pflichtverletzung darstellen und im Falle des Diebstahls des Aufliegers zu einer Haftung führen. Ein gefährliches Urteil für Lkw-Fahrer.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 10.10.2019 – 13 Sa 1171/18

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Verfall von Urlaub und Hinweispflichten

Über den Verfall von Urlaubsansprüchen müssen Arbeitgeber informieren. Doch was ist bei langzeiterkrankten Mitarbeitern?

Eine Arbeitnehmerin war seit dem Jahr 2017 durchgehend erkrankt. Sie konnte deshalb im Jahr 2017 die ihr noch zustehende Urlaubstage nicht nehmen. Im November 2018 forderte sie daraufhin ihre Arbeitgeberin zur Abgeltung des Urlaubs für das Jahr 2017 auf. Sie war der Ansicht, der Urlaub sei nicht verfallen und verwies auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15: Ihr restlicher Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2017 sei schon deshalb nicht verfallen, da die Arbeitgeberin es unterlassen habe, sie rechtzeitig auf den drohenden Verfall hinzuweisen. Mit dem Argument kam sie allerdings nicht weiter. Die Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2017 waren erloschen. Eine Belehrung der Arbeitgeberin dahingehend, dass bestehende Urlaubsansprüche erlöschen, wenn diese nicht bis zum 31.12. des Kalenderjahres beansprucht werden, wäre im Fall einer langzeiterkrankten Arbeitnehmerin falsch. Denn die Urlaubsansprüche erlöschen im Fall der Arbeitsunfähigkeit erst nach Ablauf von 15 Monaten nach dem Ablauf des Kalenderjahres, aus dem sie resultieren. Die Frage eines früheren Erlöschens hätte sich erst wieder nach Genesung der Arbeitnehmerin gestellt und sodann eine Belehrung der Arbeitgeberin erfordert.

Hinweis: Es besteht also für den Arbeitgeber keine Belehrungspflicht über den Verfall von Urlaubsansprüchen bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern. Erst wenn ein solcher Arbeitnehmer zurück in den Betrieb kommt, muss der Arbeitgeber handeln.

Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 24.07.2019 – 5 Sa 676/19

www.lag-hamm.nrw.de

 

Die Versetzung des Gemobbten

Mobbing am Arbeitsplatz gibt es immer häufiger. Welche Pflichten der Arbeitgeber hat, ergibt sich aus diesem Urteil.

Eine Köchin benötigte für ihren Weg zu ihrer Arbeitsstelle mit dem Auto etwa 20 Minuten. Dann kam es zu einer Auseinandersetzung mit der Küchenleiterin. Die Arbeitnehmerin war seit diesem Tag ununterbrochen arbeitsunfähig. Daraufhin versetzte die Arbeitgeberin sie in eine andere von ihr ebenfalls betriebene Küche in einer nahe gelegenen Stadt. Für die Fahrt dorthin benötigte die Arbeitnehmerin etwa 50 Minuten und klagte deshalb gegen die Versetzungsentscheidung der Arbeitgeberin. Die Versetzung war jedoch rechtmäßig gewesen. Der Arbeitgeber darf Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Ein Arbeitsort war im Arbeitsvertrag nicht festgelegt. Die Bestimmung des Leistungsorts nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Die Arbeitgeberin hat infolge der seit längerem anhaltenden Konfliktlage in der ursprünglichen Küche ein berechtigtes Interesse an der Versetzung. Sie war insbesondere nicht dazu verpflichtet, die Streitursache oder einen Verantwortlichen für den Streit zu ermitteln, soweit das überhaupt möglich war.

Hinweis: Es ist also Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagiert. Er muss nicht erst die Ursachen und Verantwortlichkeiten aufklären, bevor er tätig wird. Was viele Arbeitgeber nicht wissen: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass ein Mobber immer wieder gemobbt. Bleibt der Mobber am Arbeitsplatz, wird es keine Ruhe geben.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30.07.2019 – 5 Sa 233/18

https://www.mv-justiz.de/gerichte-und-staatsanwaltschaften/fachgerichte/arbeitsgerichte/landesarbeitsgericht/

 

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Betriebsrat darf in Gehaltslisten schauen

Bestehende Rechte dürfen nicht gekürzt werden. Das gilt natürlich insbesondere für Rechte von Betriebsräten.

Ein Betriebsratsgremium wollte uneingeschränkte Einsicht in anonymisierte Bruttolohn- und Gehaltslisten bekommen. Der Arbeitgeber sah das nicht ein und wollte die Einsichtnahme überwachen, um unerlaubte Fotokopien oder Fotoaufnahmen der Listen zu verhindern. Wegen dieses Streits musste das Landesarbeitsgericht entscheiden. Nach dem Beschluss stand dem Betriebsratsgremium ein uneingeschränktes Einsichtsrecht in nicht anonymisierte Bruttolohn- und Gehaltslisten zu. Die Einsichtnahme darf ohne Anwesenheit von Personen vorgenommen werden, die vom Arbeitgeber mit der Überwachung der Einsichtnahme beauftragt wurden. Das Einsichtsrecht bestand, weil dies zur Durchführung der Aufgaben des Betriebsrates erforderlich war. Ein besonderes Überwachungsbedürfnis war in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.

Hinweis: Der Betriebsrat hat also zu jeder Zeit ein Recht auf Einsichtnahme in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter. Der Datenschutz steht dem nicht entgegen, da der Betriebsrat selbst zur Geheimhaltung verpflichtet ist.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 15.05.2019 – 3 TaBV 10/18

https://www.mv-justiz.de/gerichte-und-staatsanwaltschaften/fachgerichte/arbeitsgerichte/landesarbeitsgericht/

 

Vorsicht vor der Kündigung per Einwurfeinschreiben

Eine Kündigung per Einschreiben zu versenden, ist risikoreich. Und das gilt nicht nur für Arbeitgeber, sondern für alle, die ein Vertragsverhältnis kündigen möchten.

Das Arbeitsverhältnis eines Rettungsassistenten sollte durch den Arbeitgeber beendet werden. Er übersandte deshalb eine Kündigung per Einwurfeinschreiben. Nun bestand vor dem Arbeitsgericht Streit darüber, ob die Kündigung überhaupt zugegangen war. Hier hatte der Arbeitgeber Pech gehabt. Die Kündigung war nach Ansicht der Richter nicht zugegangen und hatte das Arbeitsverhältnis damit auch nicht beendet. Ein voller Beweis des Zugangs des Einwurfeinschreibens konnte nicht durch den Arbeitgeber geführt werden, da die Deutsche Post AG eine Aktiengesellschaft ist und ihre Mitarbeiter keine öffentlichen Urkunden (mehr) erstellen können. Allein durch Vorlage des Einlieferungs- und des Auslieferungsbeleges eines Einwurfeinschreibens wird kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung begründet. Der Empfänger einer Sendung kann insbesondere den Nachweis, dass er ein Schreiben nicht erhalten hat, in der Regel nicht führen, weil es sich hierbei um eine negative Tatsache handelt. Auch gab es keine für das Gericht nachvollziehbaren Gründe, das Risiko des Zugangsnachweises einer Sendung mit der Annahme eines Anscheinsbeweises im Ergebnis auf den Sendungsempfänger zu übertragen. Denn dieser hat keinen Einfluss auf die Wahl der Zustellungsart hat.

Hinweis: Die Versendung eines Kündigungsschreibens durch ein Einwurf-Einschreiben ist also nicht so sicher, wie häufig gedacht. Allein durch die Vorlage des Einlieferungs- und des Auslieferungsbeleges eines Einwurfeinschreibens kann kein Beweis für den Zugang einer Kündigung geführt werden.

Quelle: ArbG Reutlingen, Urt. v. 19.03.2019 – 7 Ca 89/18

www.arbg-reutlingen.de

 

Neues zu befristeten Arbeitsverträgen

Wenn der Arbeitgeber Fehler bei der Befristung eines Arbeitsvertrags macht, hat das erhebliche Auswirkungen. Und Arbeitsverhältnisse dürfen ohne Vorliegen eines Sachgrundes nur maximal für 24 Monate befristet werden.

Ein Rechtsanwalt wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) befristet als Arbeitnehmer eingestellt. Das Arbeitsverhältnis begann am Montag, den 05.09.2016 und sollte mit dem 04.09.2018 enden. Ab dem ersten Arbeitstag bis zum 23.09.2016 besuchte der Arbeitnehmer eine Schulung in Nürnberg. Hierzu reiste er von seinem Wohnort in Düsseldorf im Einvernehmen mit dem BAMF bereits am Sonntag, den 04.09.2016 an. Das BAMF erstattete ihm die Reisekosten und die Hotelkosten für die Übernachtung vom 04.09.2016 auf den 05.09.2016. Nach Ablauf der Befristung klagte der Rechtsanwalt und meinte, er hätte eine unbefristete Arbeitsstelle. Denn schließlich wäre er einen Tag länger als zwei Jahre beschäftigt gewesen. Das Gericht sah das genauso. Die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrages durch die Arbeitgeberin war unwirksam. Diese war nur bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Allerdings wurde die Zeitdauer im vorliegenden Fall um einen Tag überschritten. Schließlich war die Dienstreise bereits als Arbeitszeit anzusehen. Die von der Arbeitgeberin bezahlte Dienstreise zählte nicht zur Freizeit des Arbeitnehmers, sondern wurde bereits innerhalb des Arbeitsverhältnisses erbracht. Somit endete der Zwei-Jahres-Zeitraum mit Ablauf des 03.09.2018.

Hinweis: Wird also ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag auch nur um einen Tag über zwei Jahre hinaus fortgesetzt, führt dies dazu, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 09.04.2019 – 3 Sa 1126/18

www.lag-duesseldorf.nrw.de

 

Neues zum Vorbeschäftigungsverbot bei befristeten Arbeitsverträgen

Wer einen befristeten Arbeitsvertrag ohne Sachgrund abschließt, darf in den letzten Jahren bei dem Arbeitgeber nicht beschäftigt gewesen sein. Was das im Einzelnen bedeutet, zeigt dieser Fall des Bundesarbeitsgerichts.

Eine Frau war von Oktober 1991 bis November 1992 als Hilfsbearbeiterin im Bereich Kindergeld beschäftigt. Rund 22 Jahre wurde sie von der gleichen Arbeitgeberin erneut eingestellt, dieses Mal als Telefonserviceberaterin im Servicecenter. Die Einstellung erfolgte durch einen sachgrundlos befristeten Vertrag. Als der Vertrag ausgelaufen war, klagte die Mitarbeiterin und berief sich auf das Vorbeschäftigungsverbot. Denn nach dem Gesetzeswortlaut darf ein befristeter Vertrag ohne Sachgrund nur mit einem Arbeitnehmer geschlossen werden, der noch niemals zuvor beschäftigt worden ist. Mit dem Argument kam sie allerdings nicht weiter. Das Arbeitsverhältnis hatte mit Ablauf der Befristung geendet. Die sachgrundlose Befristung war nicht unwirksam, obwohl 22 Jahre vorher schon einmal ein Beschäftigungsverhältnis bestanden hat. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann unter anderem dann unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt. Das war hier der Fall, da die letzte Beschäftigung der Arbeitnehmerin schon 22 Jahre zurücklag. Also war die Befristung rechtmäßig und hatte das Arbeitsverhältnis beendet.

Hinweis: Eine sachgrundlose Befristung nach einer Vorbeschäftigung ist also möglich, wenn ein Arbeitnehmer 22 Jahre nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erneut beim selben Arbeitgeber eingestellt wird.

Quelle: BAG, Urt. v. 21.08.2019 – 7 AZR 452/17

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Fälschung führt zur Kündigung

Bei einem Betrug zulasten des Arbeitgebers sind die Arbeitsgerichte nicht zimperlich.

Eine Arbeitnehmerin war schon seit über fünf Jahren als Altenpflegerin beschäftigt. Es gab während dieser Zeit Abmahnungen wegen falscher Versorgung von Patienten sowie nicht richtiger Dokumentationen. Eines Abends fuhr sie nicht persönlich zu einer Patientin, um ihr die Nachttablette zu geben, sondern telefonierte lediglich mit der Frau. Den Leistungsnachweis zeichnete die Altenpflegerin trotzdem ab und bestätigte auf dem Tagestourennachweis, die Patientin in der Zeit von 22:55 Uhr bis 23:06 Uhr versorgt zu haben. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos. Dagegen klagte die Arbeitnehmerin erfolglos. Die fristlose Kündigung hatte das Arbeitsverhältnis nämlich beendet. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich schon geeignet, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darzustellen. Schließlich muss ein Arbeitgeber auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Hier hatte die Arbeitnehmerin sogar vorsätzlich die Eintragungen falsch gestaltet. Dies stellte einen schweren Vertrauensmissbrauch dar.

Hinweis: Macht also eine Pflegekraft in einer Pflegedokumentation vorsätzlich falsche Angaben und trägt ein, bei einer Patientin gewesen zu sein, obwohl sie nur telefonischen Kontakt hatte, ist in der Regel eine fristlose Kündigung gerechtfertigt. Und das gilt entsprechend für andere Branchen natürlich auch. Falsche Angaben Leistungsnachweisen durch einen Arbeitnehmer führen häufig zu einer rechtmäßigen Kündigung.

Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 07.08.2019 – 3 Ca 992/19

www.arbg-siegburg.nrw.de

 

Das unterschlagene Geld

Wenn Arbeitnehmer Fundsachen nicht abgeben, kann das eine Kündigung rechtfertigen.

Ein Arbeitnehmer des Landes Nordrhein-Westfalen war als Pförtner bei einer Polizeidienstelle eingesetzt. Eine Frau gab bei ihm einen 100-Euro-Schein ab, den sie gefunden hatte. Den Schein gab der Pförtner allerdings nicht weiter. Daraufhin wurde gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Angestellte behauptete, er habe den Geldschein nicht angenommen. Trotzdem kündigte das Land Nordrhein-Westfalen das Arbeitsverhältnis fristlos. Dagegen klagte der Angestellte vergeblich. Die Kündigung war nämlich wirksam. Es handelt sich um eine Verdachtskündigung und es lag ein dringender Tatverdacht der Unterschlagung des Geldscheins vor. Nach Befragung der Finderin des 100-Euro-Scheins im Zeugenstand war das Arbeitsgericht der festen Überzeugung, dass diese den Schein bei dem Angestellten abgegeben hatte. Auch seine 30-jährige Betriebszugehörigkeit nutzt dem Angestellten nichts.

Hinweis: Besteht demnach ein dringender Verdacht, dass ein Pförtner einer Polizeistation einen gefundenen Geldschein, der bei ihm abgegeben wurde, nicht weitergegeben hat, rechtfertigt dies eine fristlose Verdachtskündigung. Das Urteil sollte eine Mahnung an Arbeitnehmer sein, die gefundene Dinge unterschlagen.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.06.2019 – 6 Sa 994/18

www.lag-duesseldorf.nrw.de

 

Die Beleidigungen auf WhatsApp

Auch in den sozialen Medien dürfen Beleidigungen von Kollegen nicht passieren. Schnell kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.

Eine Arbeitnehmerin hatte den Vater des Geschäftsführers, der ebenfalls in der Firma arbeitete, verleumdet. Sie war erst zwei Tage tätig, als sie in einem Gespräch erfuhr, dass der Vater des Geschäftsführers, ein verurteilter Vergewaltiger sein soll – was objektiv nicht stimmte. Noch am selben Tag der Unterhaltung informierte die Arbeitnehmerin eine Kollegin per WhatsApp darüber. Diese wandte sich an den Geschäftsführer, woraufhin das Arbeitsverhältnis mit der neuen Arbeitnehmerin gleich wieder fristlos beendet wurde. Gegen diese fristlose Kündigung klagte die Arbeitnehmerin mit wenig Erfolg, da die fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hatte. Es lag eine grobe Beleidigung eines Arbeitskollegen, nämlich des Vaters des Geschäftsführers, vor. Dem Arbeitgeber war die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten. Die Behauptung, der Vater des Geschäftsführers – und damit ihr Kollege – sei ein verurteilter Vergewaltiger, stellte eine ehrenrührige Behauptung der, die den Betroffenen in der öffentlichen Meinung herabwürdigt. Hinzu kam noch, dass das Arbeitsverhältnis gerade drei Tage bestanden hatte.

Hinweis: Verbreitet ein Arbeitnehmer per WhatsApp eine üble Nachrede über Kollegen, kann das zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 14.03.2019 – 17 Sa 52/18

www.lag-baden-wuerttemberg.de/pb/,Lde/Startseite

 

Zuschläge bei Dauernachtwache

Die Frage der Zuschläge für Nachtarbeit in Altenheimen ist seit langem umstritten.

Es ging um eine Arbeitnehmerin, die in einem Altersheim als Altenpflegerin arbeitete. Sie wurde in einer Dauernachtwache zwischen 20 und 6 Uhr eingesetzt. Dafür bekam sie einen Nachtzuschlag von 20 %. Die Altenpflegerin wollte eine Erhöhung ihres Nachtzuschlages auf insgesamt 30 %. Ihr stand jedoch lediglich ein Nachtzuschlag nach 6 Abs. 5 ArbZG in Höhe von 20 % zu. Jeder Arbeitgeber ist verpflichtet, einem Nachtarbeitnehmer nach § 2 Abs. 5 ArbZG für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag zu gewähren. Ein Zuschlag von 25 % stellt regelmäßig einen angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit dar. Nur bei Dauernachtarbeit ist regelmäßig ein Nachtarbeitszuschlag von 30 % als angemessen anzusehen. Andererseits kann ein geringerer Ausgleich erforderlich sein, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit im Vergleich geringer ist, weil zum Beispiel in dieser Zeit Arbeitsbereitschaft anfällt. Die Anwendung dieser Grundsätze führte zu dem Ergebnis, dass für die Tätigkeit der Altenpflegerin ein Zuschlag für deren Nachtarbeit von 20 % angemessen war. Er setzte sich zusammen aus dem Grundzuschlag für gesetzlich vorgeschriebene Nachtarbeit von 15 % und eine Erhöhung von weiteren 5 % für den Umstand der Dauernachtwache.

Hinweis: Arbeitnehmer haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Zuschläge, es sei denn entsprechendes steht in einem Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag. Eine Ausnahme davon ist die Nachtarbeit. Dafür hat der Arbeitgeber Zuschläge zu zahlen.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.01.2019 – 9 Sa 57/18

www.lag-baden-wuerttemberg.de

 

Unterlagen für den Betriebsrat

Betriebsräte haben umfassende Informationsrechte. Doch nicht alle Unterlagen bekommen sie auch.

Ein Betriebsrat verlangte von seinem Arbeitgeber die Überlassung einer Personalumsatzstatistik und hilfsweise deren Einsicht. Er meinte, diese Statistik erhalten zu müssen, da er nach dem Gesetz bei der Personalplanung mitzubestimmen hat. In der Personalstatistik wurden insbesondere die Personalkosten einzelnen Betriebsteilen zugeordnet, erkrankte Arbeitnehmer statistisch aufgeführt und die Umsätze pro Person dargestellt. Als der Arbeitgeber sich weigerte, zog der Betriebsrat vor das Arbeitsgericht. Er hatte jedoch keinen Anspruch auf Überlassung oder Einsicht in die Personalumsatzstatistik. Der Arbeitgeber konnte beweisen, dass er die Statistik nicht für seine Personalplanung verwendet, sondern ausschließlich für betriebswirtschaftliche Zwecke und im Rahmen einer Kontrollabgleichung über entstandene Kosten, Überstunden und Krankheitszeiten.

Hinweis: Der Betriebsrat hat demnach keinen Anspruch auf die Vorlage einer Personalumsatzstatistik, wenn der Arbeitgeber sie nur zu statistischen Zwecken und für ein betriebsinternes Controlling nutzt.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. vom 26.02.2019 – 2 TaBV 14/18

https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/LAG/lag_node.html

 

Die Rache des Arbeitgebers

In diesem Fall wollte ein Arbeitgeber sich besonders intelligent anstellen. Das ging aber nach hinten los.

Der Arbeitnehmer des Falls war als Teamleiter seit dem Jahr 2016 beschäftigt. Dann sollte er in den Monaten März und April 2019 eine Kur machen. Er kündigte mit Schreiben vom 22. Januar sein Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 15. April 2019. Dem Arbeitgeber missfiel dieses und er kündigte quasi überholend mit Schreiben vom 31. Januar zum 28. Februar 2019. Seine Begründung: Durch die Kündigung des Arbeitnehmers sei ein Abkehrwille zum Ausdruck gekommen. Gegen die Kündigung des Arbeitgebers erhob der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage – mit großem Erfolg. Die Kündigung durch den Arbeitgeber war rechtswidrig und das Arbeitsverhältnis endete erst durch die Eigenkündigung des Arbeitnehmers am 15. April 2019. Zwar kann ein Abkehrwille eines Arbeitnehmers in seltenen Fällen eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Das geht aber nur, wenn Schwierigkeiten mit der Nachbesetzung der Stelle zu erwarten sind und der Arbeitgeber eine sonst schwer zu findende Ersatzkraft aktuell einstellen könnte. Für eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung reicht ein solcher Abkehrwille des Arbeitnehmers allerdings nicht aus.

Hinweis: Kündigt also ein Arbeitnehmer selbst mit längerer Kündigungsfrist, reicht der darin zu erkennende Wille der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in aller Regel nicht für eine arbeitgeberseitige Kündigung mit einer kürzeren Frist aus.

Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 17.07.2019 – 3 Ca 500/19

www.arbg-siegburg.nrw.de

 

Der Betriebsrat und die sozialen Medien

Streitigkeiten im Betriebsverfassungsrecht beziehen sich auch immer wieder einmal auf soziale Medien, wie hier auf Twitter.

Der Betriebsrat nutze Twitter. Er veröffentlichte dort Folgendes: „Einigungsstelle #Urlaub abgeschlossen, #Urlaubsplan genehmigt. #Newsletter kommt zeitnah in die Bereiche!" und „BR hat Sonderregelung zu #Dienstplanänderungen an Ostertagen zugestimmt. Sie entspricht der Regelung zu Weihnachten 2016." Die Arbeitgeberin meinte, eine solche Nutzung von Twitter würde gegen die Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen. Sie verlangte von dem Betriebsrat das Veröffentlichen von „betrieblichen Angelegenheiten“ auf Twitter zu unterlassen und zog mit einem entsprechenden Antrag vor das Arbeitsgericht, allerdings erfolglos. Denn der Antrag der Arbeitgeberin war zu weit gefasst. Er umfasste nämlich auch Fälle einer zulässigen Meinungsäußerung des Betriebsrats. Dem Betriebsrat steht das Grundrecht der freien Meinungsäußerung zu. So könnte er beispielsweise als Gremium in der Öffentlichkeit zu einer in der Presse besprochenen Betriebsstillegung Stellung nehmen.

Hinweis: Ein generelles Verbot gegenüber dem Betriebsrat, sich über betriebliche Angelegenheiten in sozialen Medien zu äußern, ist also zu weit gefasst und damit unwirksam.

Quelle: LAG Niedersachsen, Beschl. v. 06.12.2018 – 5 TaBV 107/17

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Das Aus für halbe Urlaubstage

Mit einer häufigen Urlaubspraxis dürfte nun Schluss sein.

Ein Arbeitnehmer beantragte, einen halben Urlaubstag. Er berief sich dabei auf eine betriebliche Übung aus der Vergangenheit. Denn dort hatte er bereits mehrmals halbe Urlaubstage bekommen. Vor Gericht erlitt der Arbeitnehmer allerdings Schiffbruch, da er keinen Rechtsanspruch auf halbe Urlaubstage oder sonstige Bruchteile von Urlaubstagen hatte. Das Bundesurlaubsgesetz kennt lediglich volle Urlaubstage. Deshalb hatte der Arbeitgeber den Urlaubswunsch des Arbeitnehmers auf Erteilung des Urlaubs in Form von halben Urlaubstagen zu Recht zurückgewiesen. Auch die Berufung auf eine betriebliche Übung half nichts. Eine betriebliche Übung setzt einen kollektiven Bezug voraus, den es hier nicht gab. Nur der Arbeitnehmer hat in der Vergangenheit halbe Urlaubstage erhalten. Entsprechende Regelungen galten jedoch nicht für den gesamten Betrieb.

Hinweis: Das Bundesurlaubsgesetz kennt also keinen Rechtsanspruch auf halbe Urlaubstage oder sonstige Bruchteile von Urlaubstagen.

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 06.03.2019 – 4 Sa 73/18

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Verweigerung des Betriebsrats wird bestraft

Auch der Betriebsrat hat Pflichten und muss ordnungsgemäß mitarbeiten.

Der Betriebsrat eines Krankenhauses stimmte einem von der Arbeitgeberin vorgelegten Dienstplan nur teilweise zu. Eine Einigung war nicht in Sicht und die Arbeitgeberin bat Ihren Betriebsrat mehrere Male, sich mit der Bildung einer Einigungsstelle einverstanden zu erklären. Das lehnte der Betriebsrat jedoch auch immer wieder ab. Die Arbeitgeberin gab die Dienstpläne deshalb trotzdem bekannt und arbeitete danach. Dagegen zog der Betriebsrat vor das Arbeitsgericht und verlangte die Unterlassung – vergeblich. Der Betriebsrat hatte keinen Unterlassungsanspruch. Zwar hatte die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wiederholt verletzt. Es stand jedoch ausnahmsweise der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Denn der Betriebsrat hatte gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen. Die Arbeitgeberin ist darauf angewiesen gewesen, Dienstpläne aufzustellen. Und auch den Betriebsrat trifft eine Mitwirkungspflicht. Hier hatte der Betriebsrat durch seine Blockadehaltung gegen seine Pflichten in erheblichem Maße verstoßen, ohne dafür berechtigte Gründe nennen zu können.

Hinweis: Verweigert ein Betriebsrat wiederholt die Einigung über einen Dienstplan, hat er auch keinen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber bei Verwendung dieses Dienstplans.

Quelle: BAG, Beschl. v. 12.03.2019 – 1 ABR 42/17

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Die abgemahnten Betriebsratsmitglieder

Mitglieder des Betriebsrats haben im Betrieb eine besondere Stellung. Deshalb dürfen sie auch nicht ohne weiteres abgemahnt werden.

Ein Betriebsrat forderte die Außendienstmitarbeiter seiner Arbeitgeberin auf, individuellen Arbeitsvorgaben zu widersprechen. Mit einem solchen Widerspruch würden Sie dem Betriebsrat helfen, aus seiner Sicht falsch berechnete Prämienansprüche gerichtlich durchzusetzen. Die Arbeitgeberin mahnte daraufhin die Betriebsratsmitglieder ab, da sie die Aufforderung als schwerwiegenden Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit erachtet hatte. Das wiederum wollte sich der Betriebsrat nicht gefallen lassen und klagte. Die Richter sahen das genauso wie der Betriebsrat. Die Abmahnungen waren aus den Personalakten der Betriebsratsmitglieder zu entfernen. Wenn überhaupt Amtspflichtverletzungen vorlagen, hatten diese jedenfalls nichts mit dem Arbeitsverhältnis der Betriebsratsmitglieder zu tun. Abmahnungen von Betriebsratsmitgliedern dürfen dann nicht in die Personalakte aufgenommen werden, wenn zwar individualrechtliche Sanktionen angedroht werden, jedoch die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Amtspflichten gerügt wird. Außerdem waren die Richter der Auffassung, dass vieles dafür spricht, dass betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen gegenüber Betriebsratsmitgliedern ohnehin stets unzulässig sind. Für eine Amtsenthebung ist eine Abmahnung schließlich nach dem Gesetz nicht erforderlich.

Hinweis: Abmahnungen, mit denen der Arbeitgeber die Amtsausübung von Betriebsratsmitgliedern rügt, dürfen nicht in die Personalakten der Betriebsratsmitglieder aufgenommen werden.

Quelle: ArbG Stuttgart, Beschl. v. 30.04.2019 – 4 BV 251/18

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Betriebsrat kann interne Ausschreibung verlangen

Die Rechte des Betriebsrats aus dem Betriebsverfassungsgesetz sind unabdingbar. Das musste auch dieser Arbeitgeber erfahren.

Eine Arbeitgeberin betrieb ein Lungenzentrum an einem Universitätsklinikum. Dann wollte sie einen OP-Manager einstellen, hatte seine Stelle jedoch nicht intern ausgeschrieben. Das hatte der Betriebsrat jedoch vorab zu Recht verlangt. Als die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die geplante Einstellung informierte und dessen Zustimmung beantragte, verweigerte dieser die Zustimmung. Die Arbeitgeberin unterrichtete den Betriebsrat letztendlich über die vorläufige Einstellung. Der Betriebsrat bestritt die dringende Erforderlichkeit und die Arbeitgeberin leitete daraufhin das Zustimmungsersetzungsverfahren ein – ohne Erfolg. Denn der Betriebsrat hat den Rechtsstreit gewonnen. Die vom Betriebsrat nicht erteilte Zustimmung war nicht zu ersetzen. Die auf die Unterlassung einer erforderlichen Ausschreibung gestützte Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats ist noch dran nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn nicht mit internen Bewerbern zu rechnen ist. Auch die arbeitgeberseitige Argumentation, dass nur ein externer Bewerber die erforderliche Qualifikation in Gestalt von Objektivität, Neutralität, Distanz und vor allem Unabhängigkeit zu und von den betroffenen Arbeitnehmern gewährleiste, gibt keine Veranlassung, auf eine interne Ausschreibung von vornherein zu verzichten.

Hinweis: Der Betriebsrat darf die Zustimmung zu einer geplanten Einstellung demnach verweigern, wenn zuvor keine interne Ausschreibung erfolgt ist. Das gilt sogar dann, wenn der Arbeitgeber meint, dass nur ein externer Bewerber die erforderliche Qualifikation hat. In jedem Fall muss der Betriebsrat jedoch zuvor gefordert haben, dass Stellen intern auszuschreiben sind.

Quelle: LAG Düsseldorf, Beschl. v. 12.04.2019 – 10 TaBV 46/18

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Wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat mobbt

Mobbing am Arbeitsplatz greift immer weiter um sich. Wenn Arbeitgeber ganz bewusst versuchen Mitarbeiter mit solchen Methoden loszuwerden, kann es richtig teuer werden.

Das Arbeitsverhältnis mit einer ehemaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden war beendet. Nun klagte sie aber noch gegen ihre ehemalige Arbeitgeberin und deren früheren Rechtsberater. Ein Detektiv war von der Arbeitgeberin als Lockspitzel eingeschleust worden, um die Betriebsratsmitglieder in Verruf zu bringen und Kündigungsgründe zu provozieren. Der Detektiv bestätigte den Vorwurf, dass der Arbeitnehmerin ein Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot untergeschoben werden sollte, um ihre fristlose Kündigung durch zu bekommen. Dazu habe auch gehört, dass die Betriebsratsvorsitzende von zwei weiteren Detektiven durch Beschimpfen und Bespucken zu Tätlichkeiten provoziert werden sollte. Die Arbeitgeberin war auf Rat ihres Rechtsberaters so vorgegangen. Deshalb wurden auch beide verurteilt, insgesamt 20.000 Euro wegen einer erheblichen Persönlichkeitsverletzung zu zahlen.

Hinweis: Wenn also ein Arbeitgeber einen Detektiv als Lockspitzel in sein Unternehmen einschleust, um ein Betriebsratsmitglied loszuwerden, kann das nicht nur zur Zahlung einer Entschädigung verpflichten. Auch die Möglichkeit, ein Bußgeld zu kassieren oder sogar eine Straftat zu begehen, sind möglich. Das sollte heutzutage nicht mehr sein.

Quelle: ArbG Gießen, Urt. v. 10.05.2019 – 3 Ca 433/17

https://arbeitsgerichtsbarkeit.hessen.de/ArbG-Giessen

 

Die Zweiwochenfrist bei der außerordentlichen Kündigung

Nun haben Arbeitgeber mehr Zeit, eine fristlose Kündigung auszusprechen. Eigentlich müssen sie das innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes tun.

Eine Arbeitgeberin hatte eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Eine solche außerordentliche fristlose Kündigung muss der Arbeitgeber binnen zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes aussprechen nach § 626 Abs. 2 BGB. Die Kündigung erfolgte aufgrund dieses Vorfalls: Ein Arbeitnehmer war bei ihr als Referent beschäftigt. Vor dem Arbeitsverhältnis war er als Abgeordneter einer Partei in den Landtag des Landes Brandenburg gewählt worden. In dieser Zeit erhielt er aufgrund fehlerhafter Angaben zu Unrecht Fahrt- und Mietkostenzuschüsse in Höhe von fast 90.000 €. Es wurde ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft eingeleitet, das auch zu einer Verurteilung in der ersten Instanz führte. Nach dieser Verurteilung beschloss die Arbeitgeberin dann, vor einer Entscheidung über die Fortführung des Arbeitsverhältnisses abzuwarten, wie die Berufungsinstanz entscheiden wird. Diese bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Trotzdem beschloss die Arbeitgeberin erst ca. zwei Monate später, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Und das war zu spät. Die Arbeitgeberin hatte die von ihr für erforderlich gehaltenen Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes nicht mit der gebotenen Eile durchgeführt. Aber: Sie hatte die 2-Wochen-Frist nicht schon deshalb versäumt, weil sie nach der erstinstanzlichen Verurteilung des Arbeitnehmers noch den Ausgang des Berufungsverfahrens abwarten wollte. Ein Arbeitgeber darf bei einem strafbaren Verhalten des Arbeitnehmers, den Fort- und Ausgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und abhängig davon in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen. Die Arbeitgeberin des Falls war dann nach der zweitinstanzlichen Entscheidung verpflichtet, die von ihr für erforderlich gehaltenen Ermittlungen zügig durchzuführen. Und das hatte sie nicht getan. Allerdings war die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung wirksam und beendete das Arbeitsverhältnis.

Hinweis: Ein Arbeitgeber, der nur Anhaltspunkte für das Recht für eine außerordentliche Kündigung hat, kann also zunächst weitere Ermittlungen anstellen, ohne dass die 2-Wochen-Frist zu laufen beginnt. Hat er sämtliche Kenntnisse, muss er ab diesem Zeitpunkt innerhalb von zwei Wochen die fristlose Kündigung aussprechen.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.02.2019 – 7 Sa 2068/18

https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht

 

Das Machtwort zu Massenentlassungsanzeigen

In diesem Fall hat das Bundesarbeitsgericht die Seite der Arbeitgeber gestärkt.

Es handelte sich um ein Massenentlassungsverfahren: Ein Insolvenzverwalter wollte mehrere Arbeitsverhältnisse kündigen. Deshalb verfasste er eine Massenentlassungsanzeige, die gemeinsam mit einem mit dem Betriebsrat abgeschlossen Interessenausgleich bei der Agentur für Arbeit abgegeben wurden. Am gleichen Tag kündigte er dann auch insgesamt 45 Arbeitsverhältnisse ordentlich betriebsbedingt. Die Kündigungsschreiben gingen den Arbeitnehmern am gleichen Tag zu, wie die Massenentlassungsanzeige der Agentur für Arbeit. Mehrere Arbeitnehmer klagten gegen die Kündigung und meinten, die Kündigung wäre zu früh ausgesprochen worden. War sie aber nicht, denn die nach § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz erforderliche Massenentlassungsanzeige kann auch dann wirksam erstattet werden, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt ihres Eingangs bei der Agentur für Arbeit bereits zur Kündigung entschlossen ist. Sinn der Massenentlassungsanzeige ist es nämlich nur, dass die Agentur für Arbeit rechtzeitig über eine bevorstehende Massenentlassung unterrichtet werden soll, um sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorbereiten. Auf den Willensentschluss des Arbeitgebers zur Kündigung kann, soll und will die Agentur für keinen Einfluss nehmen.

Hinweis: Kündigungen in Massenentlassungsverfahren sind nach diesem Urteil der letzten Instanz nicht deshalb unwirksam, weil sie unmittelbar nach Erstattung der erforderlichen Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit ausgesprochen werden. Dieses Urteil bringt in Massenentlassungsverfahren die seit langer Zeit erwartete Rechtssicherheit.

Quelle: BAG, Urt. v. 13.06.2019 – 6 AZR 459/18

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Die fehlerhafte Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder

Bei der Betriebsratswahl und auch bei der Wahl der freizustellen Mitglieder müssen die gesetzlichen Regelungen penibel eingehalten werden.

Der Betriebsrat dieses Falls wurde nach den Regeln der Verhältniswahl gewählt. Dabei kam heraus, dass er aus 27 Mitgliedern bestand, von denen 24 bei einer Gewerkschaft und drei aus einer anderen organisiert waren. Soweit so gut. Es gab dann noch einen Haustarifvertrag, nach dem 23 Betriebsratsmitglieder freizustellen waren. Und jetzt ging es um die Frage, wie der Betriebsrat diese 23 Mitglieder wählen soll. Dabei wurde dann nicht nach den Regeln der Verhältniswahl gewählt, sondern einfach nach der Mehrheit der Stimmen. Das Ergebnis der Wahl war, dass sämtliche freigestellten Mitglieder nur von der einen Gewerkschaft waren. Das wollten sich die anderen nicht gefallen lassen und zogen vor das Arbeitsgericht – erfolgreich, denn die Wahlen waren nichtig. Von der nach § 38 Abs. 2 BetrVG gesetzlich vorgeschriebenen Verhältniswahl bei der Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder kann nicht abgewichen werden. Das gilt auch dann, wenn der Betriebsrat beabsichtigt, jedem freizustellenden Mitglied bestimmte Aufgaben zuzuweisen.

Hinweis: Wenn nach den Grundsätzen der Verhältniswahl die Betriebsratsmitglieder gewählt wurden, muss also auch die Wahl der freizustellenden Mitglieder innerhalb des Betriebsrats dann nach diesen Grundsätzen erfolgen. Andernfalls führt dies zur Nichtigkeit der Wahl.

Quelle: ArbG Bonn, Beschl. v. 07.03.2019 – 3 BV 87/18

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Verbot der pauschalen Abgeltung von Überstunden

Mit diesem Urteil hatte die Gewerkschaft sicherlich nicht gerechnet.

Es ging um einen Gewerkschaftssekretär, der regelmäßig Überstunden machte. Vertraglich hatte er mit seinem Arbeitgeber, einer Gewerkschaft, eine Vertrauensarbeitszeit vereinbart. Nach einer Gesamtbetriebsvereinbarung war vorgesehen, dass Gewerkschaftssekretäre, die regelmäßig Mehrarbeit leisten, als Ausgleich neun freie Arbeitstage im Kalenderjahr erhalten. Die anderen Beschäftigten erhielten dagegen für Überstunden einen Freizeitausgleich oder eine entsprechende Überstundenvergütung mit einem Überstundenzuschlag in Höhe von 30 %. Das empfand der Gewerkschaftssekretär nachvollziehbar als ungerecht und verlangte die Bezahlung seiner Überstunden. Und das Bundesarbeitsgericht sah das genauso. Die Gesamtbetriebsvereinbarung war an dieser Stelle unwirksam, denn die Norm verstieß mit der Voraussetzung „regelmäßiger Mehrarbeit" gegen das Gebot der Normenklarheit. Für die Beschäftigten war nicht hinreichend klar ersichtlich, in welchem Fall das Überstunden zusätzlich bezahlt werden müssen und in welchem Fall nicht. Die Regelung genügte zudem nicht dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Gewerkschaftssekretär hatte damit einen Anspruch auf die Vergütung der tatsächlich geleisteten Überstunden.

Hinweis: Eine Pauschalvergütung von Überstunden in einer Gesamtbetriebsvereinbarung ohne Nennung der konkreten Voraussetzungen ist also rechtswidrig. Und das wird auch für Regelungen in Arbeitsverträgen gelten, wenn der Arbeitnehmer nicht sehen kann, wie viel Überstunden er unbezahlt machen muss.

 Quelle: BAG, Urt. v. 26.06.2019 – 5 AZR 542/18

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Fallstricke bei Massenentlassungen

Eine Massenentlassung formal richtig durchzustehen, ist für Arbeitgeber alles andere als einfach.

Bei einem Massenentlassungsverfahren muss der Arbeitgeber auch die Bundesagentur für Arbeit informieren, damit diese sich darauf einstellen kann, dass unter Umständen eine Vielzahl an Arbeitnehmern zu ihr kommt. Nun hatte ein Arbeitgeber Kündigungsschreiben schon unterzeichnet und erst danach die erforderlichen Massenentlassungsanzeige bei der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt. Danach wurden die Kündigungsschreiben an die Arbeitnehmer versandt. Dagegen wehrte sich ein Arbeitnehmer und meinte, die Kündigung sei rechtswidrig, da der Arbeitgeber durch die Unterschrift unter die Kündigung signalisiert habe, dass er auf jeden Fall kündigen wolle, egal wie die Bundesagentur für Arbeit sich verhält. Das Landesarbeitsgericht sah die Angelegenheit anders. Ein Arbeitgeber hatte nicht gegen die Regelungen des Massenentlassungsverfahrens verstoßen. Das Verfahren dient nicht dazu, auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers einzuwirken. Der Arbeitgeber darf deshalb schon vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige endgültig zur Kündigung entschlossen sein.

Hinweis: Ein Arbeitgeber darf die Kündigung also bereits vor der Anzeige der Massenentlassungen bei der Agentur für Arbeit unterzeichnen. Den Arbeitnehmern zu stellen darf der Arbeitgeber die Kündigungen allerdings erst nach der Anzeige.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 09.05.2019 – 18 Sa 1449/18

https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht

 

Aufgepasst bei Lohnkürzungen

Einseitige Lohnkürzungen durch den Arbeitgeber bedürfen fast immer einer Kündigung bzw. Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses.

Ein Kfz-Mechaniker bekam einen Stundenlohn von 13,71 € brutto. Dann wurde das Arbeitsverhältnis gekündigt und in dem anschließenden Kündigungsschutzprozess schloss der Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber einen Vergleich: Das Arbeitsverhältnis sollte zu einem späteren Zeitpunkt enden und der Arbeitgeber verpflichtete sich, den Kfz-Mechaniker unter Fortzahlung der Bezüge unwiderruflich von der Arbeit freizustellen. Außerdem sollte das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungstermin ordnungsgemäß abgerechnet werden. Der Arbeitgeber kürzte jedoch den Stundenlohn auf 12,89 € brutto. Er begründet das damit, dass der Kfz-Mechaniker nicht mehr als Servicetechniker tätig gewesen sei und ihm im Beisein des Serviceleiters mitgeteilt worden sei, dass der Stundenlohn gekürzt werden würde. Dagegen zog der Kfz-Mechaniker dann erneut vor Gericht und gewann. Eine Änderung der ursprünglichen Lohnvereinbarung war nicht zustande gekommen. Schweigen ist im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung. Jedenfalls ist bei einem Arbeitsverhältnis im Falle nachteiliger Änderungen im Bereich der Hauptleistungspflichten regelmäßig nicht von einer stillschweigenden Annahmeerklärung auszugehen, solange die Folgen der Änderung noch nicht hervorgetreten sind.

Hinweis: Wenn ein Arbeitgeber mitteilt, dass der Lohn gekürzt wird, bedeutet das Schweigen eines Arbeitnehmers also noch längst keine Zustimmung.

Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 02.04.2019 – 5 Sa 221/18

https://www.mv-justiz.de/gerichte-und-staatsanwaltschaften/fachgerichte/arbeitsgerichte/landesarbeitsgericht/

 

Neues aus dem Wirtschaftsausschuss

In Unternehmen mit mehr als einhundert Arbeitnehmern ist ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Der Wirtschaftsausschuss hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten.

In dem Unternehmen des Falls gab es einen Gesamtbetriebsrat und einen Wirtschaftsausschuss. Die Arbeitgeberin übermittelte dem Wirtschaftsausschuss vor dessen Sitzungen verschiedene Berichte zu aktuellen Geschäftszahlen, teils in ausgedruckter Form, teils stellte sie Laptops zur Einsicht von umfangreicheren nicht bearbeitungsfähigen Excel-Dateien. Der Gesamtbetriebsrat zog deshalb vor das Arbeitsgericht und wollte erreichen, dass den Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses die Dateien auf elektronischem Wege übermittelt werden und zwar bis zu drei Tage vor den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses. Aber: Die Anträge waren nicht zulässig. Hier hätte zunächst die Einigungsstelle nach § 109 BetrVG angerufen werden müssen. Diese entscheidet, wenn über Streitigkeiten über eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens keine Einigung zwischen Unternehmen und Betriebsrat zustande kommt. Der Gesamtbetriebsrat hat den Rechtsstreit verloren.

Hinweis: Bei einem Streit mit dem Wirtschaftsausschuss über Art und Weise der Auskunftserteilung ist stets zunächst die Einigungsstelle anzurufen.

Quelle: BAG Beschl. v. 12.02.2019 – 1 ABR 37/17

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Neue Hinweispflichten bei Resturlaub

Neue Hinweispflichten für Arbeitgeber bringt dieses Urteil mit sich.

Ein Arbeitnehmer hatte eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden vereinbart. Im Arbeitsvertrag gab es dann noch folgende Regelung: „Auf eigenen Wunsch nimmt der Arbeitnehmer seinen Jahresurlaub in Form von wöchentlicher Arbeitsverkürzung in Anspruch. Er arbeitet statt den bezahlten 30 Stunden pro Woche nur 27,5 Stunden pro Woche.“ Als das Arbeitsverhältnis gekündigt wurde, wollte der Arbeitnehmer seinen gesamten Urlaub aus den Jahren 2014 bis 2016 ausbezahlt erhalten. Und damit lag er auch ganz richtig. Denn ihm stand tatsächlich aus § 7 Abs. 4 BUrlG ein Anspruch auf Abgeltung von Urlaubsansprüchen zu. Die arbeitsvertragliche Regelung war unwirksam, da sie gegen das Bundesurlaubsgesetz verstieß. Denn eine Arbeitszeitverkürzung ist gerade kein Erholungsurlaub. Und ein Verfall des Urlaubs kann nur dann eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat den Urlaub zu nehmen und ihn gleichzeitig darauf hingewiesen hat, dass er andernfalls verfällt. Da der Arbeitgeber dieses nicht getan hatte, war der Urlaub auch nicht verfallen und er muss bezahlt werden. Zwar hatte der Arbeitgeber die Aufrechnung mit der aus seiner Sicht zu viel gezahlten Vergütung erklärt. Der Arbeitnehmer hatte jedoch vorgetragen, trotzdem jede Woche 30 Stunden gearbeitet zu haben. Dagegen hatte der Arbeitgeber nichts mehr vorgebracht.

Hinweis: Urlaub kann nach diesem Urteil nur verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. Das gilt auch für den Urlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren.

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 09.04.2019 – 4 Sa 242/18

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Künstliche Fingernägel verboten

An manchen Arbeitsplätzen ist das Tragen künstlicher Fingernägel alles andere als unproblematisch. Das zeigt auch dieser Fall.

Der Arbeitgeber war Betreiber eines Altenheims. Eine Arbeitnehmerin, die als Helferin im sozialen Dienst beschäftigt wurde, war mit der Anweisung des Arbeitgebers, im Dienst keine Gelnägel zu tragen, nicht einverstanden. Sie fühlte sich in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Der Arbeitgeber meinte dagegen, dass das Verbot der Gelnägel aus Gründen der Hygiene zum Schutz der Patienten zwingend erforderlich sei. Die Arbeitnehmerin klagte dagegen und wollte feststellen lassen, dass sie nicht verpflichtet sei, der Dienstanweisung Folge zu leisten. Das Arbeitsgericht verpflichtete die Arbeitnehmerin, die Dienstanweisung zu befolgen und aus hygienischen Gründen auf das Tragen langer Fingernägel, lackierter Fingernägel, künstlicher Fingernägel und von Gelnägeln zu verzichten. Denn das Interesse an der freien Gestaltung ihres äußeren Erscheinungsbildes musste hinter den Interessen der Arbeitgeberin zurücktreten.

Hinweis: Aus hygienischen Gründen darf ein Arbeitgeber das Tragen künstlicher Fingernägel nach diesem Urteil verbieten.

Quelle: ArbG Aachen, Urt. v. 21.02.2019 – 1 Ca 1909/18

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Wiedereingliederung nach Krankheit

Den Wunsch für eine Wiedereingliederungsmaßnahme nach einer längeren Krankheitsphase darf ein Arbeitgeber grundsätzlich ablehnen. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Arbeitnehmer schwerbehindert ist. Doch auch dann gibt es Ausnahmen.

Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer war bei einer Stadt als technischer Angestellter beschäftigt. Dann war er fast zwei Jahre arbeitsunfähig erkrankt. Im Anschluss sollte eine stufenweise Wiedereingliederung erfolgen. Die Betriebsärztin hatte jedoch Bedenken. Sie hatte die Befürchtung, dass der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers eine Beschäftigung entsprechend dem Wiedereingliederungsplan nicht zulassen würde. Ca. zwei Monate nach Ablehnung des Wiedereingliederungsplans wurde ein neuer ärztlicher Plan von dem Arbeitnehmer eingereicht und die Wiedereinführung wurde durchgeführt. Nun forderte der Arbeitnehmer von seiner Arbeitgeberin Ersatz der Vergütung, die ihm dadurch entgangen war, dass die Stadt ihn nicht entsprechend des ersten Wiedereingliederungsplans schon früher beschäftigt hatte. Aber: Die Ablehnung der ersten Wiedereingliederung war rechtmäßig gewesen. Die Stadt war nämlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans zu beschäftigen. Zwar kann ein Arbeitgeber verpflichtet sein, an einer Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung mitzuwirken. Im vorliegenden Fall lagen allerdings besondere Umstände vor, aufgrund derer der Arbeitgeber seine Zustimmung zum Wiedereingliederungsplan verweigern durfte. Denn es bestand aufgrund der Beurteilung der Betriebsärztin die begründete Befürchtung, dass der Gesundheitszustand eine Beschäftigung entsprechend diesem Wiedereingliederungsplan nicht zulassen würde.

Hinweis: Arbeitgeber sind also verpflichtet an einer Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung schwerbehinderter Arbeitnehmer mitzuwirken. Sie dürfen allerdings nach dieser Entscheidung die stufenweise Wiedereingliederung eines schwerbehinderten Menschen bei begründeten Zweifeln an der Gesundheitseignung ablehnen.

Quelle: BAG, Urt. v. 16.05.2019 – 8 AZR 530/17

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Mafia-Tattoos im öffentlichen Dienst

Was man sich tätowieren lässt, sollte man sich genauestens überlegen – insbesondere, wenn man vorhat, in den öffentlichen Dienst zu wechseln.

Ein Mann trug auf dem Arm sichtbare Tätowierungen, die das Wort „omerta", Revolverpatronen und Totenköpfe abbilden. „Omerta" bezeichnet eine Schweigepflicht der Mitglieder der Mafia und ähnlicher krimineller Organisationen gegenüber Außenstehenden. Dann bewarb er sich auf eine Stelle im Objektschutz der Berliner Polizei. Als er abgelehnt wurde, verlangte er vom Land Berlin, eine der ausgeschriebenen Stellen nicht zu besetzen. Die Parteien erklärten das Verfahren für erledigt, nachdem das Land alle Stellen anderweitig besetzen konnte. Das Landesarbeitsgericht erlegte dem Bewerber zusätzlich die Kosten des Verfahrens auf, wogegen er sich wehrte. Die Kosten hatte er aber zu zahlen. Er wäre ohne die eingetretene Erledigung mit seinem Antrag unterlegen gewesen. Denn das Land Berlin durfte an der Verfassungstreue aufgrund seiner Tätowierungen zweifeln. Diese Zweifel waren begründet, weil das Wort „omerta" und die abgebildeten Revolverpatronen und Totenköpfe den Gedanken hervorrufen, dass der Mann als Mitarbeiter des Objektschutzes nicht entsprechend dem in der Verfassung enthaltenen Rechtsstaatsprinzip nach Recht und Gesetz handeln werde. Es spielt dagegen keine Rolle, ob der Bewerber tatsächlich „verfassungstreu“ war.

Hinweis: Ein öffentlicher Arbeitgeber darf eine Bewerbung um eine Stelle im Objektschutz der Polizei also ablehnen, wenn der Bewerber sichtbare Tätowierungen trägt, die Zweifel an seiner Verfassungstreue begründen. Wer mit dem Gedanken spielt, einmal in den öffentlichen Dienst zu wechseln und vielleicht sogar bei der Polizei zu beginnen, sollte diesen Beschluss kennen.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 25.04.2019 – 5 Ta 730/19

https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht

 

Die Anfechtung der Betriebsratswahl

Nach jeder Betriebsratswahl gibt es mindestens einen, der die Wahl anfechten möchte. Deshalb sollten alle Beteiligten versuchen, keine Anfechtungsgründe zu liefern.

Die Betriebe eines Unternehmens lagen weit voneinander entfernt, teilweise 600 km. Dann fand in dem Unternehmen eine Wahl des Betriebsrats statt. Daran durften die Mitarbeiter sämtlicher Betriebe teilnehmen. Genau aus diesem Grund erklärten allerdings auch einige Mitarbeiter die Anfechtung der Betriebsratswahl. Deshalb musste das Arbeitsgericht entscheiden. Und die Richter sahen die Betriebsratswahl ebenfalls als unwirksam an. Hier hätten eigenständige Betriebsräte in selbstständigen betriebsratsfähigen Einheiten gewählt werden müssen. Die Verkennung des Betriebsbegriffs stellte einen Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften dar, so dass die Betriebsratswahl unwirksam war.

Hinweis: Befinden sich Betriebsteile also weit entfernt vom zentralen Betrieb ist eine einheitliche Betriebsratswahl mit der Wahl eines übergreifenden Betriebsrats nicht möglich. Darauf sollte der Wahlvorstand vor der Wahl achten.

Quelle: ArbG Stuttgart, Beschl. v. 25.04.2019 – 21 BV 62/18

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Die behindertengerechte Beschäftigung

Arbeitgeber sind zu vielem verpflichtet, aber eben auch nicht zu allem.

Es ging um einen seit vielen Jahren beschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmer, der zudem noch tariflichen Sonderkündigungsschutz hatte. Die Arbeitgeberin meldete dann Insolvenz an und kündigte betriebsbedingt das Arbeitsverhältnis im Rahmen des Insolvenzverfahrens. Der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers konnte wegen einer Umverteilung der noch verbliebenen Aufgaben nicht mehr besetzt werden. Andere Tätigkeiten konnte der Arbeitnehmer ebenfalls nicht ausüben. Gegen die Kündigung legte der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage ein – vergeblich. Denn die Kündigung hatte das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien beendet. Der tarifliche Sonderkündigungsschutz hatte wegen spezieller insolvenzrechtlicher Vorschriften keine Wirkung. Außerdem war die Arbeitgeberin nicht verpflichtet, für den Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz zu schaffen oder zu erhalten, den sie nach ihrem Organisationskonzept nicht mehr benötigte.

Hinweis: Der Beschäftigungsanspruch eines Schwerbehinderten besteht nach diesem Urteil also nicht, wenn der Arbeitgeber den bisherigen Arbeitsplatz durch eine Organisationsänderung entfallen lässt.

Quelle: BAG, Urt. v. 16.05.2019 – 6 AZR 329/18

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung

Der Europäische Gerichtshof hat die Gesetzgeber in der EU verpflichtet, Regelungen zu schaffen, nach denen Arbeitgeber die Arbeitszeit zu erfassen haben.

Eine spanische Gewerkschaft hatte vor spanischen Gerichten eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung der Deutsche Bank SAE, ein System zur Erfassung der von deren Mitarbeitern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzurichten, eingelegt. Sie vertrat die Auffassung, dass nur mit einem solchen System die Prüfung der Einhaltung der vorgesehenen Arbeitszeit möglich ist. Das spanische Gericht legte die Frage dem Europäischen Gerichtshof vor. Und der wies zunächst auf die Bedeutung des Grundrechts eines jeden Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten hin. Die EU-Mitgliedstaaten müssen deshalb dafür sorgen, dass den Arbeitnehmern die ihnen verliehenen Rechte zugutekommen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsvertrags anzusehen ist, so dass verhindert werden muss, dass der Arbeitgeber ihm eine Beschränkung seiner Rechte auferlegt. Der Gerichtshof stellte fest, dass ohne ein System, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann, weder die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre zeitliche Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden kann, so dass es für die Arbeitnehmer äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich ist, ihre Rechte durchzusetzen.

Hinweis: Die EU-Mitgliedstaaten haben also künftig Arbeitgeber zu verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.

Quelle: EuGH, Urt. v. 14.05.2019 – C-55/18

http://curia.europa.eu

 

Urlaub und Elternzeit

Nur, weil das Gesetz jemandem ein Recht gibt, heißt das noch lange nicht, dass dieses Recht auch ausgeübt wird.

Eine Arbeitnehmerin war zwei Jahre lang in Elternzeit und kündigte dann das Arbeitsverhältnis. Sie beantragte unter Einbeziehung der während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche, ihr für den Zeitraum der Kündigungsfrist Urlaub zu gewähren. Urlaub bekam sie, allerdings nicht den Urlaub, der während der Elternzeit entstanden war. Deshalb zog die Arbeitnehmerin bis vor das Bundesarbeitsgericht. Und das urteilte, dass der Arbeitgeber alles richtig gemacht hatte. Für Arbeitgeber ist es wichtig, von der Kürzungsmöglichkeit des Urlaubs für jeden vollen Kalender der Elternzeit auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Denn nach Ablauf der Elternzeit ist eine solche Kürzung nicht mehr möglich. Hier reichte es den Richtern allerdings aus, dass für die Arbeitnehmerin durch Beachtung der ihr angerechneten Urlaubszeiten erkennbar war, dass eine Kürzung erfolgen sollte.

Hinweis: Der gesetzliche Urlaubsanspruch kann also während der Elternzeit durch den Arbeitgeber gekürzt werden. Nach Beendigung der Elternzeit ist das aber nicht mehr möglich!

Quelle: BAG, Urt. v. 19.03.2019 – 9 AZR 362/18

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Die anfechtbare Betriebsratswahl

Leider läuft auch bei Betriebsratswahlen nicht immer alles so, wie die Beteiligten es sich vorstellen. Fehler sind später ärgerlich und führen im Zweifelsfall zu einer Neuwahl.

Es ging um die Wahl zu einem Betriebsrat. Zwei Stunden vor Ende der Stimmabgabe begann der Wahlvorstand im Wahlraum damit, die Freiumschläge der Briefwähler zu öffnen, die Stimmabgabe in der Wählerliste zu vermerken und die Wahlumschläge in die Urne zu werfen. Der Zeitpunkt des Beginns der Öffnung der Freiumschläge war nicht gesondert öffentlich bekannt gegeben worden. Eine Gewerkschaft erklärte daraufhin die Anfechtung der Wahl und zog vor das Gericht – mit Erfolg. Die Betriebsratswahl war wirksam angefochten worden und damit unwirksam. Die Öffnung der Freiumschläge der Briefwähler hat nach § 26 Abs. 1 Wahlordnung BetrVG in öffentlicher Sitzung des Wahlvorstandes zu erfolgen, welche dieser zuvor durch Angabe des Orts und des Zeitpunkts bekannt geben muss. Außerdem hatte hat der Wahlvorstand die Freiumschläge unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe in öffentlicher Sitzung zu öffnen. Jedoch ist ein Beginn 2 Stunden vor Ende der Stimmabgabe zu früh. Damit waren wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verletzt worden.

Hinweis: Eine Betriebsratswahl ist demnach anfechtbar, wenn die Umschläge der Briefwahlunterlagen vor Abschluss der Stimmabgabe geöffnet werden. Zudem ist Ort und Zeitpunkt des Öffnens der Freiumschläge der Briefwähler zuvor bekanntzugeben.

Quelle: Hessisches LAG, Beschl. v. 24.9.2018 – 16 TaBV 50/18

https://arbeitsgerichtsbarkeit.hessen.de/LAG-Frankfurt

 

Die Befristung von Arbeitsverträgen

Vielfach sind Befristungen von Arbeitsverträgen unwirksam. Wie es jedoch richtig geht, zeigt dieser Fall.

Eine Arbeitnehmerin war seit September 2011 mehrmals befristet als Krankheits- bzw. Elternzeitvertretung beschäftigt worden. Insgesamt belief sich die Befristungsdauer auf 25 Monate, die anfangs lange unterbrochen wurden. Ab dem 19.10.2015 bis zum 30.06.2017 bestand ein ununterbrochener Beschäftigungszeitraum von 20 Monaten und 22 Tagen, in den vier Befristungen fielen. Gegen die letzte Befristung klagte die Arbeitnehmerin dann und meinte, die Befristung sei unwirksam und damit bestünde ein unbefristeter Arbeitsvertrag. Das Landesarbeitsgericht sah das allerdings anders. Für die Wirksamkeit der Befristungen ist der letzte befristete Vertrag entscheidend. Dieser war jedoch wegen der Vertretung von der sich in Elternzeit befindlichen Mitarbeiterin gerechtfertigt. Diese Vertretungsbefristung war auch nicht rechtsmissbräuchlich. Nach der Rechtsprechung ist eine umfassende Kontrolle nach den Grundsätzen eines Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB dann geboten, wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses acht Jahre überschreitet oder mehr als 12 Verlängerungen des befristeten Arbeitsvertrags vereinbart wurden oder wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses sechs Jahre überschreitet und mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden. Diese Grenzen waren jedoch bei weitem nicht erreicht.

Hinweis: Es liegt nach dem Urteil also kein Rechtsmissbrauch vor, wenn innerhalb von 25 Monaten sechs Befristungen bzw. Verlängerungen zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers erfolgen. Immer daran denken: Spätestens 3 Wochen nach Ablauf einer Befristung muss eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung eingereicht werden.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.10.2018 – 2 Sa 683/18

https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht

 

Was verdient der Betriebsratsvorsitzende?

Der Betriebsrat hat bei vielen Dingen mitzubestimmen. Doch bei der Höhe der Festlegung der Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden gilt etwas anderes.

Ein Betriebsratsvorsitzender sollte vom Arbeitgeber um drei Entgeltstufen herabgruppiert werden. Dazu beantragte der Arbeitgeber die Zustimmung für eine Umgruppierung beim Betriebsratsgremium, das seine Zustimmung verweigerte. Als der Arbeitgeber die Umgruppierung trotzdem vornahm, trafen sich die Parteien vor dem Arbeitsgericht wieder. Der Betriebsrat wollte erreichen, dass sein Vorsitzender nach der bisherigen höheren Entgeltgruppe weiterhin bezahlt wird. Damit kam er allerdings nicht durch. Denn der Betriebsrat hatte kein Mitbestimmungsrecht. Es ging nicht um eine Eingruppierung, d.h. die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einem Entgeltschema. Vielmehr ging es um die zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden und dem Arbeitgeber zu beurteilende Frage, welche Vergütung dem Vorsitzenden zustand. Da der Vorsitzende freigestellt war und nicht mehr arbeitete, stellte sich zudem die Frage, welche Vergütung ihm bei einer betriebsüblichen Entwicklung zustehen würde. Der Betriebsrat hatte hier kein Mitbestimmungsrecht.

Hinweis: Der Betriebsrat hat demnach kein Mitbestimmungsrecht bei der Beurteilung der Höhe der Vergütung seines Betriebsratsvorsitzenden. Darüber muss sich dieser individuell mit dem Arbeitgeber streiten.

Quelle: LAG Düsseldorf, Beschl. v. 19.03.2019 – 8 TaBV 70/18

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Die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots

In diesem Fall hat ein Arbeitgeber etwas wirklich Neues versucht und damit Glück gehabt.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer hatten im Arbeitsvertrag einen Vorvertrag vereinbart. Darin stand, dass auf Verlangen des Arbeitgebers ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot entsprechend vereinbart werden muss. Dieses Verlangen durfte jedoch nur gestellt werden, solange keine Partei den Vertrag gekündigt hatte. Das Arbeitsverhältnis endete dann, ohne dass der Arbeitgeber das Wettbewerbsverbot verlangt hatte. Trotzdem verlangte der Arbeitnehmer die Zahlung der sogenannten Karenzentschädigung. Denn ein Wettbewerbsverbot ist nur dann mit einem Arbeitnehmer vereinbar, wenn sich der Arbeitgeber zur Zahlung eines halben Gehalts pro Monat des Wettbewerbsverbots verpflichtet. Und das wird Karenzentschädigung genannt. Schließlich klagte der Arbeitnehmer das Geld ein. Der Arbeitgeber musste jedoch nichts bezahlen, da kein wirksam vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot bestand. Es gab lediglich einen Vorvertrag, der dem Arbeitgeber eine Wahlmöglichkeit eröffnete. Und dieser Vorvertrag war auch wirksam, da er zeitlich begrenzt war auf die Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Trotzdem hatte der Arbeitnehmer keine Wahlmöglichkeit, sich für eine Wettbewerbsenthaltung zugunsten einer Karenzentschädigung zu entscheiden.

Hinweis: Die Vereinbarung eines Vorvertrags für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist nach dem BAG also dann zulässig, wenn der Arbeitgeber diese Option auf die Laufzeit des Arbeitsverhältnisses bis zum Ausspruch einer Kündigung beschränkt. Eine interessante Option für Arbeitgeber.

Quelle: BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 10 AZR 130/18

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Abmahnung wegen Gefährdungsanzeige

Wenn Arbeitnehmer eine Gefährdungsanzeige stellen, dürfen sie deshalb nicht abgemahnt werden.

Eine Arbeitnehmerin war als Pflegerin eingesetzt. Die sollte eine fremde Pflegestation gemeinsam mit zwei Auszubildenden betreuen. Die Patienten kannte sie nicht. Deshalb wandte sie sich vor Schichtbeginn an den Pflegedienstleiter und teilte mit, dass sie meinte, die Besetzung sei nicht ausreichend. Sie füllte dann auch das Formular „Gefährdungsanzeige zu Qualitätsmängeln (auch: Beschwerde gem. § 84 BetrVG)" aus, in dem sie darauf hinwies, dass im Zweifelsfall Krisen der Patienten nicht erkannt werden könnten, da nahezu alle Patienten unbekannt seien. Für diese Beschwerde erhielt sie eine Abmahnung, gegen die sie klagte. Das Gericht war auf ihrer Seite und die Abmahnung musste aus der Personalakte entfernt werden. Es bestand zwar lediglich aus der subjektiven Sicht der Arbeitnehmerin eine Gefahr, die sich tatsächlich nicht verwirklicht hatte. Trotzdem rechtfertigte das keine Abmahnung. Eine Pflichtverletzung kann nur vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer aus sachfremden Erwägungen oder geradezu leichtfertig eine Gefahr meldet, von der er annehmen musste, dass eine solche nicht vorlag.

Hinweis: Eine Abmahnung eines Arbeitnehmers ist lediglich bei bewussten oder leichtsinnig falschen Gefährdungsanzeigen gerechtfertigt.

Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 12.09.2018 – 14 Sa 140/18

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Kein Urlaub wegen Sonderurlaub

Bislang erhielt ein Arbeitnehmer im Sonderurlaub obendrein auch noch seinen normalen Urlaub. Das war wenig einsehbar und damit ist jetzt auch Schluss.

Eine Arbeitnehmerin war in einem unbezahlten Sonderurlaub von zwei Jahren von 2013 bis Mitte 2015. Nach Beendigung des Sonderurlaubs verlangte sie von ihrem Arbeitgeber die Gewährung des gesetzlichen Mindesturlaubs von 20 Arbeitstagen für das Jahr 2014 und klagt. Womit sie nicht gerechnet hatte war, dass das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung ändert. Befindet sich ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr ganz oder teilweise im unbezahlten Sonderurlaub, ist bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten vorübergehend ausgesetzt haben. Dies führt dazu, dass einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zusteht.

Hinweis: Ein wohl längst überfälliges Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Ein Arbeitnehmer, der sich in einem unbezahlten Sonderurlaub befindet, hat mangels Arbeitspflicht keinen Anspruch auf Erholungsurlaub.

Quelle: BAG, Urt. v. 19.03.2019 – 9 AZR 315/17

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Der Betriebsrat bei Personalgesprächen

Jeder Arbeitnehmer entscheidet selbst, ob und welches Betriebsratsmitglied er mit zu einem Personalgespräch nimmt.

Eine Betriebsvereinbarung ist eine Absprache zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber. In einer solchen Betriebsvereinbarung stand nun, dass zu Gesprächen, die zwischen Geschäftsleitung, Abteilungsleitung und den Arbeitnehmern stattfinden, in denen es sich um disziplinarische, arbeitsrechtliche Maßnahmen geht, der Betriebsrat gleichzeitig zu Gesprächen eingeladen wird. Später bekam der Arbeitgeber Bedenken und meinte, das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer würde durch die Regelung unterlaufen. Deshalb beachtete er die Betriebsvereinbarung nicht mehr. Dagegen zog der Betriebsrat vor das Arbeitsgericht. Das urteilte nun, dass die Betriebsvereinbarung gegen die Pflicht, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern, verstieß. Ein Eingriff lag in der gleichzeitigen Einladung des Betriebsrats bei Personalgesprächen. Die Information einer drohenden disziplinarischen Maßnahme aufgrund eines möglichen fehlerhaften Verhaltens des Arbeitnehmers erfuhren so alle Mitglieder des Betriebsrats. Außerdem war die Regelung nicht angemessen, da der Arbeitnehmer nicht entscheiden konnte welches Mitglied des Betriebsrats am Gespräch teilnehmen sollte.

Hinweis: Eine Regelung, nach der bei Personalgesprächen stets ein Mitglied des Betriebsrats anwesend sein muss, ist unwirksam. Sie verstößt gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers.

Quelle: BAG, Beschl. v. 11.12.2018 – 1 ABR 12/17

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Zeugniserteilung auf Vorschlag des Arbeitnehmers

Am besten läuft es für den Arbeitnehmer, wenn er das Recht erhält, sein Zeugnis selbst zu formulieren. Und ein solches Zeugnis ist dann auch vollstreckbar.

Wie so häufig trafen sich ein Arbeitgeber und der Arbeitnehmer des Falls vor Gericht. Dort hatten sie sich unter anderem auf folgendes verglichen: „Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollend formuliertes, qualifiziertes Endzeugnis unter dem Ausstellungsdatum 28.2.2018 zu erteilen. Die abschließende Leistungs- und Führungsbeurteilung entspricht der Note "gut". Der Kläger ist hierzu berechtigt, einen schriftlichen Entwurf bei der Beklagten einzureichen, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grund abweichen darf." Als der Arbeitnehmer dann einen Zeugnisentwurf übersandte, wich der Arbeitgeber trotz des Vergleichs davon ab. Der Arbeitnehmer beantragte deshalb ein Zwangsgeld in Höhe von 500 € und ersatzweise einen Tag Zwangshaft für je 100 € festzusetzen. Das Gericht war auf seiner Seite. Wird in einem gerichtlichen Vergleich die Beurteilung „gut" für die Führungs- und Leistungsbeurteilung im Arbeitszeugnis aufgenommen, fehlt es zwar an der für eine Zwangsvollstreckung notwendigen Bestimmtheit. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Vergleich festlegt, dass das Zeugnis nach Maßgabe eines Entwurfs des Arbeitnehmers zu erstellen ist und eine Abweichung nur aus wichtigem Grund möglich ist. In einem solchen Fall haben die Parteien die Formulierungshoheit des Arbeitgebers maßgeblich eingeschränkt und diese dem Arbeitnehmer übertragen. Es liegt damit an ihm, zu entscheiden, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will. Das Zeugnis war vollstreckbar und der Arbeitgeber wird ein Zwangsgeld zahlen müssen.

Hinweis: Wird in einem gerichtlichen Vergleich festgelegt, dass das Zeugnis nach Maßgabe eines Entwurfs des Arbeitnehmers zu erstellen ist und eine Abweichung nur aus wichtigem Grund möglich sein soll, kann ein solches Zeugnis vollstreckt werden.

Quelle: Hessisches LAG, Beschl. v. 28.01.2019 – 8 Ta 396/18

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Kündigung wegen vieler kleiner Pflichtverstöße

Eine Abmahnung ist vor einer Kündigung im verhaltensbedingten Bereich wichtig. Das zeigt wieder mal auch dieser Fall.

Ein Arbeitnehmer hatte in seinem Arbeitsvertrag stehen, dass er keinerlei Nebentätigkeiten ausführen dürfte. Nun gründete er nebenbei eine Immobilienberatungsgesellschaft. Außerdem gab es Streit wegen verschiedener kurzfristiger und nicht rechtzeitiger Krankmeldungen. Außerdem weigerte sich der Mitarbeiter in einem anderen Unternehmensteil zu arbeiten, in dem er nach seiner Ansicht nicht vertragsgemäß beschäftigt würde. Letztendlich erhielt eine Kündigung. Der Arbeitgeber meinte, in der Gesamtschau sei es ihm nicht mehr zumutbar wegen der vielen kleineren Pflichtverletzungen mit dem Arbeitnehmer weiterzuarbeiten. Natürlich klagte der Arbeitnehmer dagegen. Das Gericht hielt die Kündigung ebenfalls für unwirksam. Zuvor hätte eine Abmahnung ausgesprochen werden müssen. Bei vielen Einzelverstößen, die jeweils alleine eine Kündigung nicht rechtfertigen können, summiert sich ohne Abmahnung kein Gesamtverstoß von so erheblichem Ausmaß, dass eine Abmahnung entbehrlich werden könnte.

Hinweis: Es gibt eben keine absoluten Kündigungsgründe. Bei vielen einzelnen Pflichtverstößen eines Arbeitnehmers, die jeweils alleine eine Kündigung nicht rechtfertigen, summiert sich ohne Abmahnung kein Gesamtverstoß von so erheblichem Ausmaß, dass eine Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt wäre.

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 06.09.2018 – 6 Sa 64/18

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Die Verlängerung der Elternzeit

Wer die Elternzeit verlängern möchte, ist in der Regel nicht auf die Zustimmung des Arbeitgebers angewiesen.

Der Arbeitnehmer des Falls beantragte für die ersten beiden Lebensjahre seines Kindes Elternzeit. Dann wollte er die Elternzeit um ein weiteres Jahr verlängern. Das lehnte die Arbeitgeberin ab und der Mitarbeiter klagte – erfolgreich. Eltern können bereits in Anspruch genommene Elternzeit für die ersten beiden Lebensjahre des Kindes auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers bis zum dritten Lebensjahr des Kindes verlängern. Aus § 16 BEEG ergibt sich nicht, dass innerhalb der ersten drei Lebensjahre eines Kindes nur die erstmalige Inanspruchnahme von Elternzeit zustimmungsfrei sein soll.

Hinweis: Eltern können demnach bereits in Anspruch genommene Elternzeit für die ersten beiden Lebensjahre des Kindes auch ohne Zustimmung ihres Arbeitgebers bis zum dritten Lebensjahr des Kindes verlängern. Gut zu wissen, sowohl für Arbeitnehmer, aber auch für Arbeitgeber.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.09.2018 – 21 Sa 390/18

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Recht auf Einsichtnahme des Betriebsrats in Listen der Bruttolöhne

Auch das neue Datenschutzrecht hat nichts bei den Rechten und Pflichten des Betriebsrats geändert.

Ein Betriebsrat wollte Einsicht in die Liste der Bruttolöhne und -gehälter seines Betriebs erhalten. Die Arbeitgeberin verweigerte das. Nach ihrer Ansicht kann ein Betriebsrat seine Aufgaben aus § 80 Abs. 1 BetrVG auch bei einem Einblick in anonymisierte Gehaltslisten erfüllen. Sie habe die Pflicht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ihrer Arbeitnehmer zu schützen. Das würde sich aus der seit Mai 2018 geltenden DSGVO ergeben. Also trafen sie die Parteien vor dem Arbeitsgericht wieder. Dort musste die Arbeitgeberin eine Niederlage einstecken. Sie war aus § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG verpflichtet, einem vom Betriebsrat zu benennenden Betriebsratsmitglied Einsicht in die nichtanonymisierten Listen der Bruttolöhne und -gehälter zu gewähren. Datenschutzrechtliche Vorschriften standen dem Einblicksrecht nicht entgegen. Der Betriebsrat wird bei Einsicht in die Gehaltslisten in Ausübung seiner Rechte und Pflichten als Interessenvertretung der Beschäftigten tätig.

Hinweis: Der Betriebsrat hat also auch weiterhin das Recht auf Einsichtnahme in nichtanonymisierte Listen der Bruttolöhne und -gehälter.

Quelle: LAG Niedersachsen, Beschl. v. 22.10.2018 – 12 TaBV 23/18

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Neues zu sachgrundlosen Befristungen

Ob eine Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtmäßig ist, mussten schon häufig die Arbeitsgerichte entscheiden.

2004 und 2005 war ein Arbeitnehmer als gewerblicher Mitarbeiter bei einem Unternehmen tätig. Das Unternehmen stellte dann acht Jahre später den gleichen Arbeitnehmer als Facharbeiter befristet ein. Die Befristung erfolgte ohne Sachgrund für sechs Monate. Der Arbeitnehmer hielt die Befristung jedoch für nicht rechtmäßig und klagte dagegen. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Im Jahr 2011 hatte das Bundesarbeitsgericht zwar entschieden, dass Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen, unbeachtlich sind. Diese Rechtsprechung konnte jedoch nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht aufrechterhalten werden. Es gibt allerdings einige wenige Ausnahmen von dem sog. Vorbeschäftigungsverbot. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann insbesondere dann unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, völlig anders geartet war oder nur sehr kurz angedauert hat. Das war in diesem Arbeitsverhältnis jedoch anders und der Arbeitnehmer hat den Rechtsstreit gewonnen.

Hinweis: Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne Sachgrund ist also in aller Regel nur möglich, wenn noch niemals ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestanden hat. Arbeitnehmer sollten wissen, dass eine Klage binnen drei Wochen nach Ende des Arbeitsverhältnisses spätestens erhoben werden muss.

Quelle: BAG, Urt. v. 23.01.2019 – 7 AZR 733/16

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Die Vererbung von Ansprüchen auf Abgeltung des Urlaubs

Nun wird es teuer für Arbeitgeber. Denn ein Arbeitnehmer nimmt seine Urlaubsansprüche nicht mehr mit ins Grab.

Ein Arbeitnehmer starb und hatte noch Anspruch Resturlaub. Seine Urlaubsansprüche ergaben sich zum einen aus dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und zum anderen hatte er Anspruch auf Sonderurlaub als Schwerbehinderter. Die Ehefrau als Alleinerbin machte die Auszahlung des Urlaubs geltend und klagte. Die Richter meinten, dass die Arbeitgeberin musste müsse. Urlaub ist abzugelten, auch wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod eines Arbeitnehmers endet. Der Abgeltungsanspruch der Erben umfasst dabei nicht nur den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub aus dem Bundesurlaubsgesetz von 24 Werktagen, sondern auch den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach dem SGB IX sowie den Anspruch auf Urlaub nach § 26 TVöD, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt.

Hinweis: Endet also das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers, so haben dessen Erben Anspruch auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs.

Quelle: BAG, Urt. v. 22.01.2019 – 9 AZR 45/16

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Den Auflösungsantrag vor dem Arbeitsgericht sollten Sie kennen

Mit einem Auflösungsantrag geschieht etwas sehr Ungewöhnliches: Der Arbeitnehmer gewinnt seinen Kündigungsschutzprozess, ist aber trotzdem seinen Job los.

Stellt ein Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung aufgelöst wird, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht zu erwarten ist. In dem Fall ging es um eine Professorin an einer Hochschule. Die Hochschule hatte der Professorin mitgeteilt, dass sie einen Korrekturassistenten zur Verfügung gestellt erhält. Die Antragsfrist ließ die Professorin allerdings trotz mehrmaliger Erinnerungen verstreichen. Trotzdem stellte sie eigenmächtig einen solchen Assistenten ein und bat dann die Studierenden um eine Spende für die Kosten. Außerdem war eine Nebentätigkeit als Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin nur befristet genehmigt worden und die Professorin war trotzdem über das Befristungsende hinaus als Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin tätig. Schließlich bat die Professorin aus privaten Gründen um Abgabe einer Lehrveranstaltung. Das lehnte die Hochschule ab. Die Professorin schickte einfach einen Lehrbeauftragten, der die Vorlesung hielt. Die Hochschule kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Professorin außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich fristgerecht. Dagegen klagte die Professorin mit Erfolg und ein Auflösungsantrag der Hochschule wurde ebenfalls abgelehnt. Für eine Kündigung reichte das Fehlverhalten nach den Richtern nicht aus. Auch der Auflösungsantrag der Hochschule hatte keinen Erfolg. Gründe, die dazu führten, dass es der Hochschule nicht zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, lagen noch nicht vor. Insgesamt stellte sich das Verhalten der Professorin als noch nicht so hartnäckig dar, dass bereits davon ausgegangen werden konnte, dass eine künftige Zusammenarbeit der Parteien nicht mehr möglich ist.

Hinweis: Der Auflösungsantrag ist ein scharfes Schwert. Aber auch bei einem stark belastetet Arbeitsverhältnis ist nicht ohne weiteres ein Auflösungsantrag nach § 9 Kündigungsschutzgesetz gerechtfertigt.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 23.01.2019 – 7 Sa 370/18

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Die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung

Vor jeder Kündigung hat ein Arbeitgeber seine Schwerbehindertenvertretung anzuhören. Nun ist auch geklärt, wann das zu erfolgen hat.

Eine Arbeitgeberin hatte die behördliche Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einer einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Arbeitnehmerin beantragt. Das Integrationsamt erteilte die Zustimmung. Erst danach hörte die Arbeitgeberin ihren Betriebsrat sowie die Schwerbehindertenvertretung zu der Kündigung an. Im Anschluss wurde dann das Arbeitsverhältnis gekündigt. Die Arbeitnehmerin hielt nun die Kündigung wegen der späten Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung für unwirksam und erhob Kündigungsschutzklage. Zunächst stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass selbstverständlich eine Kündigung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen ohne Anhörung der Schwerbehindertenvertretung unwirksam ist. Der erforderliche Inhalt der Anhörung und die Dauer der Frist für eine Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung richten sich dabei nach den für die Anhörung des Betriebsrats geltenden Grundsätzen. Die Kündigung war allerdings nicht schon allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht unverzüglich über seine Kündigungsabsicht unterrichtet oder ihr das Festhalten an seinem Kündigungsentschluss nicht unverzüglich mitgeteilt hatte. Der Fall wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Hinweis: Ein Arbeitgeber darf erst die Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt beantragen und dann den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung anhören.

Quelle: BAG, Urt. v. 13.12.2018 – 2 AZR 378/18

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Darf der Arbeitgeber zum Home-Office zwingen?

Die Grenzen des Versetzungsrechts waren schon häufig Gegenstand und Verfahren vor den Arbeitsgerichten.

Im Arbeitsvertrag mit einem Ingenieur stand nichts zu einer Änderung des Arbeitsortes. Nach einer Betriebsschließung bot der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an, die Tätigkeit im Home-Office zu erbringen. Als der Ingenieur dazu nicht bereit war, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund wegen einer Arbeitsverweigerung. Dagegen klagte der Ingenieur mit Erfolg. Der Ingenieur war arbeitsvertraglich nicht verpflichtet, die ihm angebotene Arbeit im Home-Office zu machen. Das Gesetz nennt solch eine Arbeitsform Telearbeit. Der Arbeitgeber konnte dem Arbeitnehmer diese Tätigkeit aber nicht aufgrund seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts einseitig zuweisen. Denn die Umstände der Arbeit im Home-Office unterscheiden sich in erheblicher Weise von einer Tätigkeit, die in einem Betrieb zu erledigen ist.

Hinweis: Der Arbeitgeber ist also nicht befugt, einen Arbeitnehmer auf einen Arbeitsplatz im Home-Office zu versetzen. Auch wenn viele andere Arbeitnehmer vermutlich froh gewesen wären.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.10.2018 – 17 Sa 562/18

https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht

 

Mündliche Arbeitsverträge

Wer meint, es würde keine mündlichen Arbeitsverträge mehr in Deutschland geben, der irrt gewaltig.

Als ein Standort eines Konzernunternehmen geschlossen werden sollte, wurde unter anderem für einen Arbeitnehmer eine andere Beschäftigung gesucht und auch bei einem anderen Konzernunternehmen gefunden. Von diesem neuen Unternehmen erhielt er einen Willkommensgruß und nahm seine Arbeit für drei Monate auf – ohne Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrags. In diesen drei Monaten wurde er auch von dem neuen Unternehmen bezahlt. Dann erhielt er eine Mitteilung, dass ein Fehler vorliegen würde und er und weitere Kollegen nur im Wege der Arbeitnehmerüberlassung verliehen worden sein sollten. Ein Arbeitsverhältnis zu dem neuen Unternehmen sollte aber nicht bestehen. Dagegen klagte der Arbeitnehmer – erfolgreich. Die Einhaltung der Schriftform für Arbeitsverträge ist im Gesetz nicht vorgesehen. Es lag ein konkretes Angebot des Arbeitnehmers auf Abschluss des Arbeitsvertrags zu den neuen Bedingungen durch die Aufnahme der Arbeit vor. Und dieses Angebot hat der neue Arbeitgeber durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb und das widerspruchslose „Arbeitenlassen“ auch angenommen.

Hinweis: Das Arbeitsverhältnis war alleine durch die Arbeitsaufnahme und die Entgegennahme der Arbeitsleistung zustande kommen. Ein tarifliches Schriftformgebot für den Abschluss eines Arbeitsvertrages führt zudem in der Regel nicht zur Unwirksamkeit des durch eine tatsächliche Arbeitsaufnahme zustande gekommenen Arbeitsvertrages.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 07.08.2018 – 1 Sa 23/18

https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/LAG/lag_node.html

 

Überstundenzuschlägen bei Teilzeitkräften

Teilzeitkräfte werden in Zukunft wesentlich leichter und häufiger Überstundenzuschläge erhalten können als bisher.

Eine stellvertretende Filialleiterin war in Teilzeit tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie Anwendung. Danach standen ihr bei Überstunden Zuschläge zu und es war möglich, Jahresarbeitszeiten festzulegen. Nach Ablauf von zwölf Monaten hatte die stellvertretende Filialleiterin tatsächlich Überstunden auf ihrem Konto. Die zahlte die Arbeitgeberin aus, jedoch ohne Mehrarbeitszuschläge. Das wollte die Arbeitnehmerin nicht hinnehmen und klagte. Die Auslegung des Tarifvertrags ergab, dass Teilzeitbeschäftigte mit vereinbarter Jahresarbeitszeit einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für die Arbeitszeit haben, die über ihre individuell festgelegte Arbeitszeit hinausgeht. Zu vergleichen sind die einzelnen Entgeltbestandteile, nicht die Gesamtvergütung. Teilzeitbeschäftigte würden benachteiligt, wenn die Zahl der Arbeitsstunden, von der an ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung entsteht, nicht proportional zu ihrer vereinbarten Arbeitszeit vermindert würde.

Hinweis: Das Problem bestand darin, dass sich bei einer Bezahlung von Mehrarbeitszuschläge die Vollzeitmitarbeiter ungerecht behandelt fühlen könnten, da diese die Zuschläge ja erst nach Erfüllung ihrer Vollzeit bekommen, also ab der 36. Stunde, während Vollzeitkräfte die Zuschläge dann vielleicht schon beispielsweise ab der 15. Stunde bekommen. Nun ist aber klar, dass Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitbeschäftigten für die Arbeitszeit geschuldet sind, die über die Teilzeit hinausgeht. In Zukunft werden also wesentlich mehr Menschen Ansprüche auf Überstundenzuschläge haben.

Quelle: BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 10 AZR 231/18

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Mitglieder der Gewerkschaft dürfen bevorzugt werden

Dieses Urteil wird insbesondere Arbeitgeber stören. Ob es allerdings zu einem Run auf die Gewerkschaften führt, ist mehr als fraglich.

Es gab Leistungen aus einem Sanierungs-Tarifvertrag. Einige dieser Zahlungen sollten nur den Beschäftigten zukommen, die Mitglieder der Gewerkschaft waren. Ein betroffener Arbeitnehmer war kein Gewerkschaftsmitglied und erhielt dementsprechend die Leistungen nicht. Deshalb zog er vor das Bundesverfassungsgericht. Die Verfassungsbeschwerde wurde jedoch nicht zur Entscheidung angenommen. Denn die tariflichen Differenzierungsklauseln verletzten den Arbeitnehmer nicht in seinem Grundrecht auf negative Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Der Art. 9 Abs. 3 GG schützt auch die Freiheit, Gewerkschaften fernzubleiben. Daher darf kein Zwang oder Druck in Richtung auf eine Mitgliedschaft ausgeübt werden. Die Tatsache, dass organisierte Arbeitnehmer anders behandelt werden als nicht organisierte Beschäftigte, bedeutet aber noch keine Grundrechtsverletzung, solange sich daraus nur ein eventueller faktischer Anreiz zum Beitritt ergibt, aber weder Zwang noch Druck entsteht.

Hinweis: Eine unterschiedliche Behandlung gewerkschaftlich organisierter und nicht gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer in einem Tarifvertrag ist also verfassungsgemäß.

Quelle: BVerfG, Urt. v. 14.11.2018 – 1 BvR 1278/16

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Der Streik auf dem Parkplatz

Streiks auf dem Firmengelände sind verboten. Doch was ist mit dem Parkplatz?

Ein Logistikunternehmen hatte vor seinem Betriebsgebäude einen sehr großen Parkplatz für die Mitarbeiter. Als das Unternehmen bestreikt wurde, hatte die Gewerkschaft auf dem Parkplatz vor dem Haupteingang zum Gebäude Stehtische aufgebaut und dort standen streikende Arbeitnehmer sowie Gewerkschaftsvertreter. Sie verteilten Flyer. Außerdem wollten sie Arbeitnehmer dazu bewegen, an dem Streik teilzunehmen. Behinderungen am Zugang zum Gebäude gab es jedoch nicht. Die Arbeitgeberin wollte sich das nicht gefallen lassen und zog vor das Arbeitsgericht – vergeblich. Es kam nur zu einer kurzzeitigen Beeinträchtigung des Besitzes der Arbeitgeberin. Das musste sie hinnehmen, da aufgrund der örtlichen Verhältnisse die Gewerkschaft nur auf dem Firmenparkplatz vor dem Haupteingang mit den zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmern sprechen konnte. Andere Mobilisierungsmöglichkeiten lagen nämlich nicht vor.

Hinweis: Eine Gewerkschaft darf nach dieser Entscheidung Arbeitnehmer grundsätzlich nur vor dem Firmengelände ansprechen, um sie zum Streik zu mobilisieren. Eine solche Aktion kann aber mangels anderer Möglichkeiten auch auf dem Firmenparkplatz zulässig sein.

Quelle: BAG, Urt. v. 20.11.2018 – 1 AZR 189/17

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Kopftuch & Diskriminierung

Eine angehende Lehrerin mit Kopftuch hat eine Entschädigung erhalten. Die näheren Umstände finden Sie hier.

Die Bewerberin um ein Lehramt hatte sich beim Land Berlin beworben und mitgeteilt, dass sie ein muslimisches Kopftuch trage. Das Land berief sich auf das Berliner Neutralitätsgesetz, wonach religiöse und weltanschauliche Symbole in öffentlichen Schulen verboten sind. Die Bewerberin erhielt eine Absage und sah darin eine Diskriminierung und forderte eine Entschädigung. Sie bekam tatsächlich von den Richtern anderthalb Monatsvergütungen als Entschädigung zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht sah eine Benachteiligung aufgrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Das Land konnte sich nach den Richtern nicht auf das Neutralitätsgesetz berufen. Denn nach dem Bundesverfassungsgericht ist für ein gesetzliches allgemeines Verbot religiöser Symbole eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität erforderlich. Das lag hier jedoch nicht vor.

Hinweis: Wird eine Bewerberin wegen ihres Kopftuchs abgelehnt, liegt eine entschädigungspflichtige Diskriminierung vor. Das gilt in den allermeisten Fällen und nur wenige Ausnahmen sind möglich.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 27.11.2018 - 7 Sa 963/18

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Benachteiligte Rentner

Auch Rentner können wegen des Alters diskriminiert werden. Wie genau, zeigt dieser Fall.

Ein Rentner bewarb sich auf die Stellenanzeige einer Stadt als hauswirtschaftlicher Anleiter. Während seines vorherigen Berufslebens hatte er ähnliche Tätigkeiten erledigt und konnte so eine entsprechende Qualifikation nachweisen. Trotzdem erhielt er eine Absage mit der Begründung, dass Rentner nicht eingestellt werden würden. Daraufhin machte er eine Entschädigungszahlung in Höhe von drei Monatsgehältern geltend, da er sich wegen seines Alters diskriminiert fühlte – zu recht. Das Gericht legte als angemessene Entschädigungszahlung ein Monatsgehalt fest, da die Stelle nur auf neun Monate befristet ausgeschrieben war. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot lag vor, weil eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters gegeben war. Insbesondere konnte sich die Stadt auch nicht auf eine Altersgrenzenregelung im einschlägigen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst berufen. Nur, weil ein Arbeitsverhältnis bei Erreichen eines bestimmten Alters endet, heißt das noch nicht, dass Rentner nicht eingestellt werden dürfen.

Hinweis: Die Diskriminierungsfalle schlägt schnell zu. Wenn ein Arbeitgeber die Bewerbung eines Altersrentners unter Hinweis auf dessen Rentnerstatus bereits im Bewerbungsverfahren zurückweist, liegt nämlich eine Diskriminierung wegen des Alters vor.

Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 01.08.2018 – 17 Sa 1302/17

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Sonderurlaub wegen Pilgerreise

Im öffentlichen Dienst gibt es gelegentlich Sonderurlaub. Doch auch hier ist nicht alles erlaubt.

Es ging in diesem Fall zwar um eine Beamtin des Landes Niedersachsen. Die Beamtin war Leiterin einer Grundschule und wollte dann Sonderurlaub bewilligt bekommen, um an einer Pilger-Schnupper-Reise nach Norwegen für fünf Tage teilzunehmen. Der Antrag wurde abgelehnt, da der Arbeitgeber dienstliche Gründe sah, die dem Urlaub entgegenstanden. Insbesondere hatte die Schulleiterin keine ständige Vertretung in der Schule und außerdem eine Unterrichtungsverpflichtung. Die Lehrerin klagte trotzdem im einstweiligen Verfügungsverfahren – vergeblich. Insbesondere hatte die Lehrerin keinen Anspruch auf Sonderurlaub, da schon kein wichtiger Grund für die Gewährung vorlag. Das Gericht war der Auffassung, dass für die Annahme eines wichtigen Grundes hohe Anforderungen zu stellen sind. Sonderurlaub wird grundsätzlich nur dann im öffentlichen Dienst gewährt, wenn die Teilnahme der Fortbildungsveranstaltung für die dienstliche Tätigkeit von Nutzen ist. Das war hier jedoch nicht erkennbar. Außerdem standen dienstliche Gründe, wie bereits beschrieben, dem Antrag entgegen.

Hinweis: Eine evangelische Religionslehrerin hat also keinen Anspruch auf Teilnahme an einer Pilgerreise. Dieses Urteil ist zwar für eine Lehrerin ergangen, es zeigt jedoch, wann beantragter Sonderurlaub abgelehnt werden darf.

Quelle: VerwG Osnabrück, Urt. v. 28.08.2018 – 3 B 51/18

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Viele Pflichtverletzungen

Hat ein Arbeitnehmer eine ganze Reihe von Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis begangen, riskiert er in aller Regel eine Kündigung.

Eine Putzfrau auf einem Flughafen hatte, wie andere Arbeitnehmer auch, die eindeutige Anweisung erhalten, dass es verboten ist, Pfandflaschen während der Arbeitszeit zu sammeln und das Pfand für sich zu verwerten. Die Arbeitnehmerin hielt sich nicht daran und erhielt vor sieben Jahren deshalb die Kündigung. Die Parteien einigten sich dann jedoch auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Dann kam es zu vier weiteren Vorfällen, zwei davon während der Arbeitszeit. Diese beiden Vorfälle wurden abgemahnt. Auch das störte die Arbeitnehmerin nicht und sie wurde dabei erwischt, nochmals während der Arbeitszeit Flaschen gesammelt zu haben. Der Sicherheitsdienst des Flughafens fand dann bei der Ausgangskontrolle erneut eine Vielzahl von Pfandflaschen in der Handtasche sowie in einem Stoffbeutel und einer Plastiktüte. Daraufhin wurde der Putzfrau fristlos gekündigt – zu Recht. Die Putzfrau hatte ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt. Sie hatte beharrlich während der Arbeitszeit auf dem Flughafengelände Flaschen für eigene Zwecke gesammelt. Trotz wiederholter Abmahnungen war dies geschehen. Dass es sich um geringwertige Gegenstände handelte, war für die Beurteilung von keiner Bedeutung, da der Vertrauensbrauch entscheidend war.

Hinweis: Die Arbeitnehmerin dieses Falls hat es geradezu herausgefordert. Und nun ist es klar: Ein wiederholtes Sammeln von Pfandflaschen während der Arbeitszeit trotz Verbots und bereits erteilter Abmahnung vom Arbeitgeber kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Quelle: BAG, Urt. v. 23.8.2018 – 2 AZR 235/18

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Drogenabhängige Arbeitnehmer

Drogen und Alkohol haben am Arbeitsplatz nichts zu suchen. Zu einfach darf es sich ein Arbeitgeber bei einer Kündigung aber auch nicht machen.

Ein Arbeitgeber kündigte einem seiner Mitarbeiter fristlos und ordentlich fristgerecht. Ein Zeuge hatte gesehen, wie der Mitarbeiter ein weißes Pulver zu sich genommen hatte. Angehört wurde der Arbeitnehmer allerdings nicht mehr von seinem Arbeitgeber. Gegen die Kündigung legte der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage ein. Das Gericht entschied, dass die Kündigung rechtswidrig war. Drogenkonsum eines Arbeitnehmers kann zwar grundsätzlich auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Es macht noch nicht einmal einen Unterschied, ob der Drogenkonsum in der Freizeit oder während der Arbeitszeit erfolgt. Der Konsum von Drogen muss aber stets durch den Arbeitgeber dargelegt und bewiesen werden können. Und nur die Tatsache, dass der Arbeitnehmer ein weißes Pulver zu sich genommen hatte, reichte nicht aus. Auch eine Verdachtskündigung wäre unwirksam gewesen, da der Arbeitnehmer nicht zuvor angehört worden war.

Hinweis: Die Kündigung eines abhängigen und süchtigen Arbeitnehmers ist stets schwierig. Grundsätzlich kann der Drogenkonsum eines Arbeitnehmers eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss aber den Drogenkonsum des Arbeitnehmers darlegen und beweisen können.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.08.2018 – 2 Sa 992/18

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Reisezeit ins Ausland ist Arbeitszeit

Mit diesem Paukenschlag des Bundesarbeitsgerichts hatten wohl nur die wenigsten gerechnet.

Ein Arbeitnehmer war bei einem Bauunternehmen als technischer Mitarbeiter beschäftigt. Er war verpflichtet, auf wechselnden Baustellen im In- und Ausland zu arbeiten. Dann wurde er für drei Monate auf eine Baustelle in China entsandt. Auf seinen Wunsch hin buchte die Arbeitgeberin für die Hin- und Rückreise statt eines Direktflugs in der Economy-Class einen Flug in der Business-Class mit Zwischenstopp in Dubai. Für die vier Reisetage zahlte sie dem Arbeitnehmer die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung für jeweils acht Stunden. Der Arbeitnehmer machte jedoch die Vergütung für weitere 37 Stunden mit der Begründung geltend, die gesamte Reisezeit von seiner Wohnung bis zur auswärtigen Arbeitsstelle und zurück sei wie Arbeit zu vergüten. Das Gericht sah das differenzierter: Entsendet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, erfolgen die Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und sind deshalb regelmäßig wie Arbeit zu vergüten. Erforderlich ist dabei jedoch grundsätzlich nur die Reisezeit, die bei einem Flug in der Economy-Class anfällt. Deshalb muss nun das Landesarbeitsgericht nochmals Feststellungen zum Umfang der tatsächlich erforderlichen Reisezeiten treffen.

Hinweis: Entsendet also ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zur Arbeit ins Ausland, sind die für Hin- und Rückreise erforderlichen Reisezeiten wie Arbeitszeit zu vergüten.

Quelle: BAG, Urt. v. 17.10.2018 – 5 AZR 553/17

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Urlaub setzt keinen Antrag mehr voraus

Dieses Urteil wirft einen langjährigen Grundsatz des deutschen Urlaubsrechts über den Haufen.

Eine Arbeitgeberin bat einen Arbeitnehmer, seinen Resturlaub vor Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Der nahm aber nur zwei Urlaubstage und wollte die Bezahlung einer Vergütung für nicht genommene Urlaubstage später erhalten und klagte das Geld ein. Das Bundesarbeitsgericht fragte nun beim Europäischen Gerichtshof nach, ob Urlaub verfallen kann, wenn der Arbeitnehmer ihn zuvor nicht beantragt hat. Der EuGH lehnte einen automatischen Verlust der Ansprüche ab, da dies mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sei. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses. Er kann daher davon abgeschreckt sein, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen. Die Einforderung der Rechte kann den Arbeitnehmer Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Die Ansprüche können allerdings untergehen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber durch eine angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich rechtzeitig wahrzunehmen. Dann steht das Unionsrecht dem Verlust dieses Anspruchs und dem entsprechenden Verlust der finanziellen Vergütung nicht entgegen.

Hinweis: Nun sind also die Arbeitgeber gefordert. Ein Arbeitnehmer verliert seinen Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb, weil er keinen Urlaub beantragt hat. Die Ansprüche können künftig nur noch untergehen, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen Jahresurlaub zu nehmen.

Quelle: EuGH, Urt. v. 06.11.2018 – C-684/16

http://curia.europa.eu

 

Urlaubsabgeltungsansprüche sind vererbbar 

Auch das höchste europäische Gericht stellt sich hinter die Arbeitnehmer und deren Erben.

Es ging um einen verstorbenen Arbeitnehmer, der vor seinem Tod noch nicht alle ihm zustehenden Urlaubstage für das Jahr genommen hatten. Die Ehefrau des Verstorbenen verlangte nun vom Arbeitgeber die Auszahlung des Urlaubs. Der Rechtsstreit ging bis zum Bundesarbeitsgericht und das wandte sich an den Europäischen Gerichtshof. Nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub mit dem Zweck, dem Arbeitnehmer Erholung zu ermöglichen. Dies könne nach dem Tod nicht mehr verwirklicht werden. Der EuGH sah das anders: Der Anspruch von Arbeitnehmern auf bezahlten Jahresurlaub geht nach dem Unionsrecht nicht mit dem Tod unter. Die Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers können von dem ehemaligen Arbeitgeber eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub verlangen. Zwar hat der Tod des Arbeitnehmers zur Folge, dass er die bezweckte Erholung nicht mehr wahrnehmen kann. Es gibt aber auch eine finanzielle Komponente, und zwar einen Anspruch auf Bezahlung im Urlaub und damit verbunden den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub. Diese Komponente ist dazu bestimmt, in das Vermögen des Arbeitnehmers überzugehen, so dass der tatsächliche Zugriff dem Vermögen des Arbeitnehmers und in der Folge, denjenigen, auf die es im Wege der Erbfolge übergehen soll, durch den Tod des Arbeitnehmers rückwirkend nicht mehr entzogen werden kann.

Hinweis: Die Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers können also eine finanzielle Vergütung für den vom Erblasser nicht genommenen Jahresurlaub verlangen.

Quelle: EuGH, Urt. v. 06.11.2018 – C-569/16

http://curia.europa.eu

 

Betriebliche Mitbestimmung bei Twitter

Nach der Facebook-Entscheidung steht nun fest, dass auch bei Twitter der Betriebsrat ein Wörtchen mitzureden hat.

Eine Arbeitgeberin betrieb Kinos. Der Gesamtbetriebsrat meinte nun, der Twitter-Account, der unternehmensübergreifend für den Kinobetrieb genutzt wurde, sei mitbestimmungspflichtig. Denn über Twitter können angemeldete Nutzer Kurznachrichten verbreiten. Die Tweets der Arbeitgeberin sind für jedermann sichtbar. Antworten von angemeldeten Nutzern auf Tweets der Arbeitgeberin sind für die Arbeitgeberin und, sofern es sich nicht um geschützte Antworten handelt, zumindest für alle Twitter-Nutzer einsehbar. Die Arbeitgeberin kann die Antworten nicht eigenständig löschen. Ebenso kann die Antwort-Funktion auch nicht deaktiviert werden. Und deshalb hatte der Betriebsrat auch einen Unterlassungsanspruch aus § 81 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht ist darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schutzwerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind. Eine tatsächliche Überwachungsabsicht des Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Die Antwort-Funktion bei Twitter ermöglicht es den Twitter-Nutzern, auf die Tweets der Arbeitgeberin Antworten zum Verhalten und zur Leistung der Arbeitnehmer auf Twitter einzustellen. Diese Antworten sind sowohl für die Arbeitgeberin als auch für die Nutzer sichtbar. Je nach dem Inhalt der Antwort kann die Arbeitgeberin diese namentlich und situationsbedingt einem bestimmten Arbeitnehmer zuordnen und zur Verhaltens- und Leistungskontrolle verwenden.

Hinweis: Möchte der Arbeitgeber Social Media betreiben und kann auf dem jeweiligen Portal die Leistung von Arbeitnehmern beurteilt und bewertet werden, wird dem Betriebsrat in aller Regel ein Mitbestimmungsrecht zustehen.

Quelle: LAG Hamburg, Beschl. v. 13.09.2018 – 2 TaBV 5/18

https://justiz.hamburg.de/landesarbeitsgericht

 

Betriebsvereinbarung benötigt Beschluss des Betriebsrats

Selbst wenn sich fast alle einig sind, gibt es meistens doch noch jemanden, der dagegen ist. Und für solche Fälle sollten Verfahrensvorschriften genau eingehalten werden.

Ein Arbeitgeber präsentierte seiner Belegschaft mehrere Entwürfe einer Betriebsvereinbarung. Der dritte Vorschlag fand eine entsprechende Mehrheit. Daraufhin wurde die Betriebsvereinbarung zwischen dem Vorsitzenden des Betriebsrats und der Geschäftsführung unterzeichnet. Dann kamen Zweifel auf, der Arbeitgeber meinte jedoch, sämtliche Betriebsratsmitglieder hätten auf der Betriebsversammlung der Betriebsvereinbarung zugestimmt und damit sei diese auch wirksam. Der Betriebsrat beantragte allerdings beim Arbeitsgericht festzustellen, dass die Betriebsvereinbarung keine Rechtswirkung entfaltet. Das LAG sah das genauso. Die Betriebsvereinbarung war nicht wirksam zustande gekommen. Eine vom Arbeitgeber und dem Vorsitzenden des Betriebsrats unterzeichnete Betriebsvereinbarung entfaltet keine Rechtswirkungen, wenn eine wirksame Beschlussfassung im Gremium des Betriebsrats nicht stattgefunden hat.

Hinweis: Eine Betriebsvereinbarung ist also ohne den formellen Beschluss des Betriebsrats, der auf einer Betriebsratssitzung zu beschließen ist, unwirksam.

Quelle: LAG Düsseldorf, Beschl. v. 27.04.2018 – 10 TaBV 64/17

www.lag-duesseldorf.nrw.de

 

Darf ein Filialleiter Betriebsratsmitglied werden?

Nicht jeder ist als Betriebsrat geeignet, das gilt insbesondere für Führungskräfte des Betriebs. Doch wo liegt die Grenze?

Eine Schnellimbisskette hatte eine Vielzahl von Filialen. Ein Filialleiter war Vorsitzender eines Betriebsrats, der für mehrere Filialen zuständig war. Nach seinem Arbeitsvertrag war er nicht befugt, gegenüber Arbeitnehmern Arbeitgeberentscheidungen zu treffen. Der Filialleiter wurde dann nach einer neuen Betriebsratswahl wiederum in den Betriebsrat und sogar zu dessen Vorsitzendem gewählt. Das passte der Arbeitgeberin aber nicht und sie erklärte die Anfechtung der Betriebsratswahl. Sie meinte, der Filialleiter sei leitender Angestellter und deshalb hätte er nicht als Betriebsrat gewählt werden dürfen. Das Arbeitsgericht war jedoch andere Auffassung. Aus dem Arbeitsvertrag des Filialleiters ergab sich nicht der Status eines leitenden Angestellten. Wer leitender Angestellter ist, steht im Betriebsverfassungsgesetz. Ein wesentliches Merkmal ist dabei die Befugnis zur selbstständigen Einstellung von Arbeitnehmern. Und das durfte der Filialleiter dieses Falls aber gerade nicht. Damit war die Betriebsratswahl rechtmäßig und nicht anfechtbar.

Hinweis: Ein Filialleiter im Bereich der Systemgastronomie kann also grundsätzlich in den Betriebsrat gewählt werden. Nicht jeder Arbeitnehmer ist auch gleich ein leitender Angestellter im Sinne des Gesetzes.

Quelle: ArbG Neumünster, Beschl. v. 27.06.2018 – 3 BV 3a/18

https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/LAG/Arbeitsgerichte/_documents/Arbeitsgericht_neumuenster.html

 

Neues zur Videoüberwachung von Arbeitnehmern

Nach dem Bundesarbeitsgericht können Videoüberwachung von Arbeitnehmern rechtmäßig sein. Dieses Urteil des Bundesarbeitsgerichts sollten Sie kennen!

Der Arbeitgeber hatte in seinem Tabak- und Zeitschriftenhandel mit Lottoannahmestelle eine offene Videoüberwachung aus Schutz vor Straftaten installiert. Dann wurde ein Fehlbestand bei Tabakwaren festgestellt und im August wertete der Arbeitgeber die Videoaufzeichnungen aus. Darauf war erkennbar, dass eine Arbeitnehmerin an zwei Tagen im Februar vereinnahmte Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt hatte. Der Arbeitgeber kündigte außerordentlich fristlos und die Arbeitnehmerin klagte dagegen. Sie meinte, die Videoüberwachung sei nach so langer Zeit gerichtlich nicht mehr verwertbar. Dem entsprach aber das Bundesarbeitsgericht nicht. Allerdings hat es die Angelegenheit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, da es nicht selbst abschließend beurteilen konnte, ob die offene Videoüberwachung rechtmäßig war. Ist das der Fall, ist auch die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen zulässig gewesen und hätte dementsprechend nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin verletzt. Denn der Arbeitgeber musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er durfte hiermit solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah. Sollte die Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt sein, stünden auch die Vorschriften der seit dem 25.5.2018 geltenden DSGVO einer gerichtlichen Verwertung im weiteren Verfahren nicht entgegen.

Hinweis: Die Speicherung von Bildern aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die strafrechtlich relevante Handlungen eines Arbeitnehmers zeigen, wird also nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig.

Quelle: BAG, Urt. v. 23.08.2018 – 2 AZR 133/18

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Dann sind Überstunden zu bezahlen

Längst nicht alle Überstunden muss ein Arbeitgeber auch bezahlen. Das sollten alle Beteiligten wissen.

Ein Arbeitnehmer war vom 01.10.2014 bis 31.7.2016 in Vollzeit zu einem Bruttostundenlohn von 12 € bei einem Arbeitgeber beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Erhalt der letzten Abrechnung machte der Arbeitnehmer unter anderem die Vergütung von im Jahr 2015 weiteren angefallenen Überstunden geltend. Wegen der eingeklagten Überstunden hatte der Mann keinen Erfolg. Denn der Arbeitnehmer hatte die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Arbeitsvergütung für die Überstunden nicht ordnungsgemäß dargelegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat ein Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, dass er Arbeit in einem Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Er muss dazu im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Außerdem setzt der Anspruch auf Vergütung von Überstunden voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind. Die Darlegungs- und Beweislast trägt auch hierfür der Arbeitnehmer. Hier war der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast nicht nachgekommen. Er hätte genau vorgetragen müssen, wer wann Überstunden angeordnet hat oder zumindest damit einverstanden gewesen war. Auch bei einer Duldung der Überstunden hätte genau dargelegt werden müssen, wann und wie der Arbeitgeber von den Überstunden Kenntnis erlangt hatte. Alleine die Entgegennahme der Anwesenheitszeiten reicht nicht aus.

Hinweis: Überstunden müssen also vom Arbeitgeber nur bezahlt werden, wenn sie von ihm angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind.

Quelle: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 08.05.2018 – 8 Sa 14/18

https://lagrp.justiz.rlp.de

 

Widerruf des Dienstwagens

Unter welchen Umständen der Arbeitgeber die Vereinbarung zur Überlassung eines Dienstwagens widerrufen darf, zeigt dieser Fall.

Ein Arbeitnehmer durfte seinen Dienstwagen auch privat nutzen. In der Vereinbarung zur Dienstwagenüberlassung stand, dass die Arbeitgeberin berechtigt ist, jederzeit für die Zukunft aus sachlichen Gründen, insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens, die Überlassung des Dienstwagens zu widerrufen und die Herausgabe zu verlangen. In den Folgejahren machte das Unternehmen Defizite in erheblicher Höhe. Es wurde deshalb die unternehmerische Entscheidung getroffen, künftig Poolfahrzeuge einzusetzen, die ausschließlich zu dienstlichen Zwecken genutzt werden durften. Der Arbeitnehmer erhielt ein Schreiben von seiner Arbeitgeberin, in dem diese wegen der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung die Überlassung des Dienstwagens widerrief. Dagegen klagte der Arbeitnehmer und verlangte eine Nutzungsentschädigung – mit Erfolg. Die Ausübung des Widerrufsrechts war nämlich unwirksam, da der Dienstwagenüberlassungsvertrag nicht rechtmäßig war. Die Widerrufsklausel war nämlich unwirksam. Der Widerrufsvorbehalt genügte nicht den formellen Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB. Danach ist ein Leistungsänderungsrecht gerechtfertigt, wenn dieses unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Erforderlich ist zudem, dass die Klausel in ihren Voraussetzungen und Folgen für den anderen Vertragsteil zumindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderung gewährleistet. Der Sachgrund, wann ein Widerruf möglich ist, muss deshalb in der Klausel in einer Weise konkretisiert werden, die für den Arbeitnehmer deutlich macht, was auf ihn zukommt. Und das reicht hier nicht aus. Der Grad der Störung hätte konkretisiert werden müssen. Der Schaden für den Nutzungsausfall war auf der Grundlage der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit mit monatlich 1% des Listenpreises (33.000 €) des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung anerkannt worden.

Hinweis: Der Widerrufsvorbehalt einer Dienstwagenüberlassung muss also im Arbeitsvertrag konkret vereinbart sein. Der Arbeitnehmer muss erkennen können, wann er mit einem Widerruf zu rechnen hat.

Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 28.03.2018 – 13 Sa 304/17

https://www.landesarbeitsgericht.niedersachsen.de/startseite/

 

Streikbruchprämien sind zulässig

Einen Streik kann jeden treffen. Deshalb sollten Sie dieses Urteil kennen.

 Ein Einzelhandelsunternehmen wurde bestreikt. Der Arbeitgeber versprach allen Arbeitnehmern, die sich nicht am Streik beteiligen, die Zahlung einer Prämie von 200 € brutto pro Streiktag. Teilzeitkräfte sollten eine anteilige Zahlung erhalten. Ein Arbeitnehmer war als Verkäufer mit einer Bruttomonatsvergütung von 1.480 € bei einer 30-Stunden-Woche vollzeitbeschäftigt tätig. Der Verkäufer streikte an mehreren Tagen und legte die Arbeit nieder. Trotzdem klagte er dann später die Zahlung der Prämien ein, da er meinte, der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei verletzt worden. Es ging um einen eingeklagten Anspruch von 1.200 € brutto. Der Arbeitnehmer hat den Rechtsstreit allerdings verloren. Zwar lag eine Ungleichbehandlung zwischen den streikenden und nicht streikenden Beschäftigten vor. Das hat das Bundesarbeitsgericht aber aus arbeitskampfrechtlichen Gründen als gerechtfertigt angesehen. Letztendlich war die Zahlung der Prämien ein Mittel im Arbeitskampf. Grundsätzlich gibt es bei dem Streik eine Kampfmittelfreiheit sowohl für Gewerkschaften als auch für Arbeitgeber. Außerdem war die Streikbruchprämie verhältnismäßig, auch wenn sie den Tagesverdienst streikender um ein Mehrfaches überstieg.

Hinweis: Ein bestreikter Arbeitgeber ist nach dem Urteil also berechtigt, zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer durch Zahlung einer Streikbruchprämie von der Beteiligung am Streik abzuhalten. Kein gutes Urteil für die Gewerkschaften.

Quelle: BAG, Urt. v. 14.08.2018 – 1 AZR 287/17

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Wenn Auszubildende weiter beschäftigt werden

Dieser Fall zeigt deutlich, dass Arbeitgeber am Ende einer Berufsausbildung aufpassen müssen.

Werden Auszubildende im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis weiter beschäftigt, ohne dass hierüber ausdrücklich etwas vereinbart worden ist, so gilt ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet. So steht es im Berufsbildungsgesetz. Und in dem Fall hier entschiedenen Fall ging es um einen Berufsausbildungsvertrag zum Verwaltungsfachangestellten in der Zeit vom 01.09.2011 bis zum 31.08.2014. Dann fanden im Juni und Juli 2014 die Abschlussprüfungen statt. Die Prüfungsergebnisse lagen im August 2014 vor. Da der Auszubildende in zwei Prüfungsbereichen durchgefallen war, legte er am 22.08.2014 erfolgreich die mündliche Ergänzungsprüfung ab. Der Prüfungsausschussvorsitzende unterrichtete den Auszubildenden noch am gleichen Tag über das Ergebnis und das Bestehen der Ergänzungsprüfung. Mit einem von der Ausbildungsleiterin mit „im Auftrag" des Landrats unterzeichneten Schreiben vom 25.08.2014 teilte der Arbeitgeber dem Auszubildenden mit, dass die Abschlussprüfung am 22.08.2014 erfolgreich bestanden sei und die Ausbildung am 29.08.2014 mit der Zeugnisausgabe ende. Vom 25. bis zum 29.08.2014 war der Auszubildende jedoch für den Arbeitgeber tätig gewesen und hatte sogar weiterhin seine Ausbildungsvergütung erhalten. Am 29.08.2014 schlossen die Parteien dann einen sachgrundlosen befristeten Arbeitsvertrag für ein Jahr, der dann nochmals um ein weiteres Jahr verlängert wurde. Als dieser Befristungszeitraum endete, beantragte der ehemalige Auszubildende festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der vereinbarten Befristung beendet worden war – mit Erfolg. Die Befristung war unwirksam, da ein befristetes Arbeitsverhältnis dann nicht zulässig ist, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Und das war hier in der Zeit vom 25. bis zum 29.8.2014 der Fall gewesen. Die anschließende Befristung war unwirksam.

Hinweis: Die gesetzliche Fiktion des Berufsbildungsgesetz, durch die bei Beschäftigung des Auszubildenden im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet wird, setzt also grundsätzlich voraus, dass der Ausbildende Kenntnis von der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses und der Weiterbeschäftigung hat. Arbeitet ein Auszubildender dann trotzdem weiter, kommt ein Arbeitsverhältnis zustande.

Quelle: BAG, Urt. v. 20.03.2018 – 9 AZR 479/17

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Aufgepasst bei einer Kündigung wegen einer Erkrankung in der Probezeit

Manchmal haben Arbeitnehmer mehr Ansprüche, als sie selbst wissen.

Es ging um eine Spedition, in der ein Arbeitnehmer neu eingestellt wurde. Am 01.07. begann der Arbeitnehmer. Ab dem 18.07. erkrankte er und am 26.07. wurde die Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit bis zum 12.08. festgestellt. Der Arbeitgeber kündigte noch am 26.07. zum 10.08. Der Arbeitgeber stellte mit dem 10.08. die Entgeltfortzahlung Krankheitsfall ein und der Arbeitnehmer beantragte Krankengeld. Die zahlende Krankenkasse machte nun einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Krankengeldes gegen die Spedition geltend. Sie berief sich dabei auf § 8 Entgeltfortzahlungsgesetz, in dem folgendes steht: „Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts wird nicht dadurch berührt, daß der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlaß der Arbeitsunfähigkeit kündigt.“ Hier hatte der Arbeitgeber aus Sicht der Richter tatsächlich das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit gekündigt. Dafür genügte es, dass die Kündigung ihre objektive Ursache in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hat und den entscheidenden Anstoß für den Kündigungsentschluss gegeben hat. Die Arbeitsunfähigkeit muss nicht alleiniger Grund für die Kündigung sein. Sie muss den Kündigungsentschluss aber wesentlich beeinflusst haben. Deshalb musste der Arbeitgeber zahlen.

Hinweis: Die Pflicht zur Entgeltfortzahlung endet für den Arbeitgeber also nicht mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt!

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 01.03.2018 – 10 Sa 1507/17

https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht

 

Die Briefwahl bei der Betriebsratswahl

Bei Wahlen zu Arbeitnehmergremien gelten besondere Vorschriften, die auch zu beachten sind. Das gilt insbesondere für die Voraussetzungen der Briefwahl.

In einem Betrieb der Stahlindustrie fanden im März 2018 Betriebsratswahlen statt. Die Wahl wurde nach Beschluss des Wahlvorstands in den Bereichen Werksfeuerwehr, Werkschutz und Betriebsärztlicher Dienst als Briefwahl durchgeführt. Denn nach § 24 Abs. 3 S. 1 Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz kann der Wahlvorstand für Betriebsteile und Kleinstbetriebe, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, die schriftliche Stimmabgabe beschließen. Vier Arbeitnehmer fochten die Wahl allerdings an und machten geltend, dass die Voraussetzungen für die Briefwahl nicht vorgelegen hätten. Das sah das Gericht genauso. Das Betriebsgelände hatte eine maximale Ausdehnung von nur etwa zwei Kilometern. Und eine Auswirkung auf das Wahlergebnis war nicht ausgeschlossen, da zwei der acht Wahlvorschlagslisten nur um sechs Stimmen auseinander lagen. Deshalb hatte die Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG Erfolg und die Betriebsratswahl wurde für unwirksam erklärt.

Hinweis: Wird demnach eine Betriebsratswahl in bestimmten Bereichen durch eine Briefwahl durchgeführt und ist dieses nicht zulässig gewesen, ist in der Regel die Betriebsratswahl anfechtbar und für unwirksam zu erklären.

Quelle: ArbG Krefeld, Beschl. v. 01.08.2018 – 3 BV 8/18

www.arbg-krefeld.nrw.de

 

Manchmal können Ansprüche verwirken

Insbesondere Arbeitnehmer müssen aufpassen, dass sie Ansprüche rechtzeitig geltend machen.

Eine Arbeitgeberin befand sich in der Liquidation, stellte ihren Betrieb ein und sprach Kündigungen aus. Über ein Jahr später forderte einer der Arbeitnehmer dann noch fehlendes Geld, welches bezahlt wurde. Nochmals ein weiteres Jahr später verlangte der Arbeitnehmer dann noch eine Urlaubsabgeltung für 19 Urlaubstage und klagte schließlich 1.300 € brutto ein. Das Geld musste die Arbeitgeberin nicht zahlen, da ein Fall der Verwirkung vorgelegen hat. Ein Zeitablauf für sich alleine genommen kann nicht die Verwirkung eines Rechts rechtfertigen. Es müssen zudem besondere Umstände sowohl im Verhalten des Gläubigers als auch des Schuldners zu dem Zeitmoment hinzutreten. Der Gläubiger muss den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen will. Und das war hier der Fall. Die Arbeitgeberin hatte im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs ihren Geschäftsbetrieb seit über zwei Jahren stillgelegt und zwischenzeitlich abgewickelt. Außerdem hatte der Arbeitnehmer ein Jahr vorher ausschließlich Geld gefordert, welches er bereits erhalten hatte. Die Arbeitgeberin musste nicht damit rechnen, dass der Arbeitnehmer zehn weitere Monate später eine Urlaubsabgeltung einfordert. Damit war der Anspruch des Arbeitnehmers verwirkt.

Hinweis: Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung kann also wie andere Ansprüche auch verwirken, wenn zum nötigen Zeitablauf auch das Umstandsmoment, hinzutritt. Hier war das eine neue Arbeitsstelle und die Stilllegung des Betriebs des Arbeitgebers.

Quelle: ArbG Karlsruhe, Urt. v. 16.03.2018 – 7 Ca 214/17

www.arbg-karlsruhe.de/pb/,Lde/Startseite

 

Darf der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zum Arzt?

Eine gute Frage, die nun ein Landesarbeitsgericht abschließend entschieden hat.

Ein Monteur war seit vielen Jahren bei seiner Arbeitgeberin beschäftigt. Nach dem anzuwendenden Tarifvertrag erhielt er in allen Fällen unverschuldeter Arbeitsversäumnis das Entgelt für die unumgänglich notwendige Abwesenheit, höchstens jedoch bis zur Dauer von 4 Stunden, weiter. Der Monteur musste dann an einem Tag zu einem Orthopäden und hatte dort von 10:15 Uhr bis 11:45 Uhr einen Arzttermin. Für die Zeit nach diesem Termin stellte er einen Antrag auf Freizeitausgleich, sodass er an diesem Tag rechtmäßiger Weise nicht am Arbeitsplatz erschienen. Die Arbeitgeberin zahlte für den Tag die Arbeitsvergütung und belastete das Arbeitszeitkonto mit den vollen 8,25 Stunden. Der Monteur konnte aber keinen Arzttermin außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit wahrnehmen, da die Sprechstundenzeiten des Orthopäden bis 15:00 Uhr bzw. 12:00 Uhr waren. Schließlich klagte er erfolgreich eine Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto von 1,5 Stunden ein. Er hatte nämlich einen Anspruch auf Vergütung für die Dauer seines Arztbesuchs aus dem Tarifvertrag. Er war für die Dauer von 1,5 Stunden unverschuldet an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert. Es war dem Arbeitnehmer unmöglich einen Arzttermin außerhalb seiner Arbeitszeit wahrzunehmen.

Hinweis: Arbeitnehmer sollten also möglichst außerhalb der Arbeitszeit ihren Arzt aufsuchen. Sie sollten versuchen, eine Arbeitsversäumnis wegen eines Arztbesuchs möglichst zu vermeiden und Sprechstunden außerhalb der Arbeitszeiten wahrzunehmen, wenn keine medizinischen Gründe für einen sofortigen Besuch vorliegen.

Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 08.02.2018 – 7 Sa 256/17

https://www.landesarbeitsgericht.niedersachsen.de/landesarbeitsgericht/

 

Vergleichsverhandlungen hemmen Ausschlussfrist

Ausschlussfristen in Arbeits- oder Tarifverträgen können gerade für Arbeitnehmer weit reichende Folgen haben. Sie sind aber nicht so sicher, wie bislang angenommen. Das zeigt dieses Urteil.

Im Arbeitsvertrag hatte ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer eine Ausschlussklausel vereinbart worden. Danach mussten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend gemacht und bei Ablehnung innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung bei Gericht anhängig gemacht werden müssten, ansonsten waren sie verfallen. Der Arbeitnehmer war bis zum 31.07.2015 beschäftigt. Erst am 14.09.2015 machte er gegenüber seinem Arbeitgeber geltend, es sei noch Urlaub abzugelten und Überstunden zu bezahlen. Insgesamt ging es um etwa 11.000 €. Der Arbeitgeber lehnte das ab, wies allerdings darauf hin, er strebe eine einvernehmliche Lösung an. Dann führten die Parteien Vergleichsverhandlungen, die bis zum 25.11.2015 dauerten, jedoch erfolglos blieben. Daraufhin erhob der Arbeitnehmer am 21.01.2016 eine Klage. Ob die Ansprüche des Arbeitnehmers verfallen waren, musste nun das Bundesarbeitsgericht entscheiden. Der Arbeitnehmer hatte die dreimonatige Ausschlussfrist zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche gewahrt, weil die Frist für die Dauer der Vergleichsverhandlungen entsprechend § 203 S. 1 BGB gehemmt war. Der Zeitraum, während dessen die Vergleichsverhandlungen andauern, wird entsprechend § 209 BGB in die Ausschlussfrist nicht eingerechnet. Der § 203 S. 2 BGB, der bestimmt, dass die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt, findet auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen keine entsprechende Anwendung. Also wurde die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückverwiesen. Jedenfalls sind die Ansprüche nicht wegen der Ausschlussklausel verwirkt.

Hinweis: Eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist ist während vorgerichtlicher Vergleichsverhandlungen also gehemmt. Damit kann in vielen Fällen eine Ausschlussfrist von Arbeitnehmern umgangen werden.

Quelle: BAG, Urt. v. 20.06.2015 – 5 AZR 262/17

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Wenn der Kunde den Neuwagen nicht zurückbringt

Arbeitnehmer, die gegen ausdrückliche Weisungen handeln, können auch für größere Schäden zur Rechenschaft gezogen werden. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer allerdings einmal Glück gehabt.

Ein angestellter Autoverkäufer hatte die Weisung erhalten, ein Neufahrzeug nur vollständig bezahlt an den Kunden zu übergeben. Daran hielt er sich allerdings nicht, sondern gab einem Kunden einen Wagen, für den lediglich eine Anzahlung geleistet worden war. Und dann verschwand der Kunde mit dem Fahrzeug. Das Auto wurde samt Kunden zwar noch in Italien gefunden, dann aber von den dortigen Behörden wieder freigegeben. Auch eine Detektei konnte nicht weiterhelfen. Erst 14 Monate später forderte das Autohaus den Verkäufer auf, seine Verpflichtung zum Schadenersatz dem Grunde nach anzuerkennen und ein Schuldanerkenntnis zu unterschreiben. Schließlich wurde der Verkäufer auf rund 30.000 € verklagt. Für das Gericht war die Sache einfach und es hat sich nicht mit der Frage beschäftigt, ob der Verkäufer gegen Pflichten verstoßen hatte. Hier hatten die Parteien nämlich im Arbeitsvertrag eine Ausschlussklausel vereinbart, nach da sämtliche Ansprüche binnen drei Monaten nach Kenntnis hätten geltend gemacht werden müssen. Diese Frist war hier bereits abgelaufen gewesen. Außerdem fragte sich das Gericht, ob die Aufforderung zur Abgabe eines Schuldanerkenntnisses überhaupt eine ordnungsgemäße Geltendmachung darstellt. Dafür hätte das Autohaus einmal genau schreiben müssen, welche Summe es haben möchte.

Hinweis: Natürlich ist es ärgerlich, wenn ein Arbeitnehmer einen Schaden verursacht und der Arbeitgeber darauf sitzen bleibt. Ist ein Kunde mit einem Neuwagen verschwunden, der ihm von einem Verkäufer weisungswidrig überlassen worden war, haftet der Verkäufer jedoch nicht, wenn der Arbeitgeber die Einhaltung der Ausschlussfristen nicht beachtet

Quelle: BAG, Urt. v. 07.06.2018 – 8 AZR 96/17

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Rechtsprechungsänderung zum Befristungsrecht

Dieser Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist ein Paukenschlag und stellt sich gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Ein Mann war bereits in früheren Jahren bei einem Unternehmen beschäftigt gewesen, das ihn dann erneut sachgrundlos befristet beschäftigt. Das ist jedoch wegen des Vorbeschäftigungsverbots aus § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verboten. Das Bundesarbeitsgericht hatte in einem anderen, vorherigen Verfahren allerdings entschieden, dass eine erneute sachgrundlose Befristung nach Ablauf von drei Jahren wieder zulässig sei. Das sah das  Bundesverfassungsgericht allerdings anders und erklärte die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts für verfassungswidrig. Das Vorbeschäftigungsverbot aus § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG konnte nicht dahingehend ausgelegt werden, dass eine weitere sachgrundlose Befristung zwischen denselben Vertragsparteien zulässig ist, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen ein Zeitraum von mehr als drei Jahren liegt. Unzumutbar ist ein generelles Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber allerdings, wenn und soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt oder ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist, wie etwa das geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studienzeit oder der Familienzeit, die Tätigkeit von Werkstudierenden oder die lang zurückliegende Beschäftigung von Menschen, die sich später beruflich völlig neu orientieren.

Hinweis: Das Befristungsrecht ist damit arbeitnehmerfreundlicher geworden. Denn eine zweite sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses zwischen denselben Vertragsparteien ist auch dann nicht zulässig, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen ein Zeitraum von mehr als drei Jahren liegt.

Quelle: BVerfG, Beschl. v. 06.06.2018 – 1 BvR 1375/14

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Selbstständige Tagesmütter erhalten keinen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld

Wer sich für eine Selbstständigkeit entscheidet, muss auch die Folgen tragen.

Es ging um eine selbständige Tagespflegemutter in einer Kindertagespflegeeinrichtung. Die Betreuungszeiten sprach sie mit den Eltern persönlich ab. Für die Betreuung zahlte der zuständige Landkreis 3,90 € pro Kind und Betreuungsstunde. Dieser Betrag wurde pro Betreuungsjahr für bis zu sechs Wochen Urlaub und bis zu zwei Wochen Krankheit weitergezahlt. Dann bekam die Frau ein Kind und verlangte vom Landkreis für den Zeitraum der Mutterschutzfristen Zahlung von Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, als wäre sie eine Arbeitnehmerin. Das Geld erhielt sie auch nach Anrufung des Gerichts nicht, da die Frau als Tagespflegeperson keine Arbeitnehmerin des Landkreises war. Sie verrichtet für den Landkreis keine Tätigkeiten nach dessen Weisung. Das war so auch mit EU-Recht vereinbar.

Hinweis: Wird eine selbstständige Tagesmutter schwanger, hat sie also keinen Anspruch auf einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Das sollte vor der Entscheidung, sich selbstständig zu machen, bedacht werden.

Quelle: BAG, Urt. v. 23.05.2018 – 5 AZR 263/17

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Das Prinzip der Bestenauslese

Dieses Urteil sollten Menschen, die sich für den öffentlichen Dienst bewerben, kennen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte aufgrund des hohen Flüchtlingsstroms mehrere 1000 Mitarbeiter befristet für zwei Jahre neu eingestellt. Dann schrieb das BAMF kurz vor Ablauf der Befristung die Stellen intern neu aus und führte Bewerbungsverfahren durch. Eine Arbeitnehmerin erhielt nur eine durchschnittliche Beurteilung wurde daher abgelehnt und das befristete Arbeitsverhältnis nicht verlängert. Dagegen zog sie vor Gericht und meinte, das Auswahlverfahren sei mangelhaft gewesen. Ihre durchschnittliche Beurteilung sei nicht mit ihrer erhaltenen Leistungsprämie und ihrem Zwischenzeugnis mit einer überdurchschnittlichen guten Note vereinbar. Das BAMF erklärte, dass es die besten Mitarbeiter in einem mehrstufigen Auswahlverfahren ausgewählt habe und der Mitarbeiterin aufgrund dieses erstellten Rankings abgesagt werden musste. Es konnte aber gegenüber dem Gericht nicht nachvollziehbar erklären, wie genau das Auswahlverfahren abgelaufen war und weshalb die Beurteilung so deutlich von dem Zwischenzeugnis abgewichen war. Das ist aber Voraussetzung im öffentlichen Dienst, um zu überprüfen, ob das Auswahlverfahren tatsächlich die Voraussetzungen der Bestenauslese für die Vergabe von Stellen im öffentlichen Dienst erfüllt hatte. Denn das BAMF war wie jeder andere öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, die freien unbefristeten Stellen an die am besten qualifizierten Bewerber zu vergeben.

Hinweis: Öffentliche Arbeitgeber haben freie unbefristete Stellen an die am besten qualifizierten Bewerber zu vergeben. Nichts anderes besagt das Prinzip der Bestenauslese. Und damit ist Mauscheleien im öffentlichen Dienst ein Riegel vorgeschoben.

Quelle: ArbG Bonn, Urt. v. 14.06.2018 – 3 Ca 406/18

www.arbg-bonn.nrw.de

 

Kirche muss auch Andersgläubige beschäftigen

Es liegt nahe, dass Beschäftigte einer Kirche auch dem entsprechenden Glauben angehören sollten. Die Frage ist nur, ob das tatsächlich rechtmäßig ist.

Das Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung hatte eine befristete Referentenstelle für ein Projekt, das die Erstellung des Parallelberichts zum Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung zum Gegenstand hatte, ausgeschrieben. Nach der Ausschreibung mussten die Bewerber Mitglied einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland sein. Nun bewarb sich eine Frau, die keiner Konfession angehörte. Als sie die Stelle nicht erhielt, klagte sie wegen einer Benachteiligung eine Entschädigung ein. Das Bundesarbeitsgericht legte die Entscheidung dem Europäischen Gerichtshof vor. Und der urteilte, dass kirchliche Arbeitgeber nicht bei jeder Stelle eine Religionszugehörigkeit der Bewerber fordern dürfen. Gefordert werden darf dieses nur, wenn es notwendig und angesichts des Ethos der Kirche aufgrund der Art der betreffenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten ist.

Hinweis: Ein kirchlicher Arbeitgeber darf nach diesem Urteil nicht bei jeder ausgeschriebenen Stelle eine Religionszugehörigkeit der Bewerber fordern. Und wenn das der Fall ist, wird er auch nicht nach der Konfession fragen dürfen.

Quelle: Europäischer Gerichtshof, Urt. v. 17.04.2018 – C-414/16

https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de

 

Völlige Flexibilisierung der Arbeitszeit rechtswidrig

Arbeitgeber möchten gerne flexible Arbeitszeiten. Das geht aber nur in bestimmten Grenzen.

Ein in einem Hotel beschäftigter sogenannter Roomboy war für die Reinigung der Zimmer zuständig. Im Arbeitsvertrag hatte er mit seinem Arbeitgeber vereinbart, dass sich die Arbeitszeit nach den Dienst- und Einsatzplänen richtet soll. Der Roomboy behauptete nun, er habe Stundenzettel im Voraus blanko unterschreiben müssen. Tatsächlich habe er monatlich bis zu 243 Stunden gearbeitet. Er forderte nun die Nachzahlung des Arbeitslohns von ca. 10.000 € für mehrere Monate. Das Geld erhielt er. Denn das Gericht war der Auffassung, dass die im Arbeitsvertrag vereinbarte Regelung zur Arbeitszeit unwirksam war, da sie das Betriebsrisiko einseitig auf den Arbeitnehmer verlagerte. So wäre sogar eine Arbeitszeit von 0 bis 48 Wochenstunden möglich gewesen. Daher war die tatsächliche Arbeitszeit mit dem Betrag in der geforderten Höhe zu vergüten, da von den Aufzeichnungen des Arbeitnehmers auszugehen war und sich daraus die tatsächliche Arbeitszeit ergab.

Hinweis: Eine arbeitsvertragliche Regelung, wonach sich die Arbeitszeit nach den Dienst- und Einsatzplänen richtet, ist also unwirksam. Sie würden nämlich eine Arbeitszeit von 0 bis 48 Wochenstunden möglich machen.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 09.05.2018 – 7 Sa 278/17

www.lag-duesseldorf.nrw.de

 

Die schwierige betriebsbedingte Kündigung eines Zeitarbeitnehmers

Was in anderen Unternehmensbereichen schon schwierig ist, gelingt bei der Zeitarbeit fast nie: die betriebsbedingte Kündigung.

Eine Kassiererin war bei einem Zeitarbeitsunternehmen als Leiharbeiterin eingestellt. Eingesetzt war sie bei einem Kunden des Zeitarbeitsunternehmens, einem Einzelhändler. Sein kleines Unternehmen wollte nun die Kassiererin vorübergehend für einen Zeitraum von drei Monaten nicht mehr einsetzen. Das Zeitarbeitsunternehmen kündigte daraufhin betriebsbedingt wegen einer fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit das Arbeitsverhältnis. Das sah die Kassiererin aber nun gar nicht ein und erhob eine Kündigungsschutzklage – mit Erfolg. Ein Zeitraum von drei Monaten reicht nicht aus für ein Zeitarbeitsunternehmen, um darzulegen, dass Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen sind. Denn das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz soll gerade dafür sorgen, dass Leiharbeitnehmer nicht Daueraufgaben bei nur einem Arbeitgeber erledigen. Das Kündigungsschutzgesetz wurde praktisch aufgehoben werden, wenn allein die fehlende Einsatzmöglichkeit bei einem Kunden eine Kündigung rechtfertigen würde. Die Kündigung war unwirksam.

Hinweis: Eine Leiharbeitsfirma kann also einem Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres kündigen, wenn sie nur vorübergehend keine Einsatzmöglichkeit für den Mitarbeiter hat. Für den Arbeitnehmer bedeutet dies, dass er schnellstmöglich, wenn er eine Kündigung erhält, den Rechtsanwalt seines Vertrauens aufsuchen sollte.

Quelle: ArbG Mönchengladbach, Urt. v. 20.03.2018 – 1 Ca 2686/17

www.arbg-moenchengladbach.nrw.de

 

Das ist Arbeitgeber bei Leiharbeitern

Wer der Arbeitgeber von Leiharbeitern ist, musste das Bundesarbeitsgericht beurteilen.

Ein Pharmareferent war als Zeitarbeitnehmer tätig. Er wurde von seinem Arbeitgeber bei einem Unternehmen eingesetzt, bei dem eine Prämienregelung bestand. Alle Teammitglieder, die teilweise direkt bei dem Unternehmen beschäftigt waren und teilweise auch nur als Leiharbeiter tätig waren, hatten Prämien erhalten – bis auf den Pharmareferenten. Deshalb kam er auf die Idee, das Unternehmen, bei dem er eingesetzt war, zu verklagen. Er wollte die Prämien erhalten, hatte allerdings Pech. Das Arbeitsgericht war nämlich gar nicht zuständig und die Klage daher unzulässig. Es handelte sich nicht um eine Streitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeber. Und nur dafür sind die Arbeitsgerichte zuständig. Bei einer Arbeitnehmerüberlassung ist der Verleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers. Der Leiharbeitnehmer schließt mit ihm seinen Arbeitsvertrag. Mit dem Entleiher besteht bei einer wirksamen Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis.

Hinweis: Bei einer Arbeitnehmerüberlassung ist und bleibt also der Verleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers. Mit dem Entleiher besteht bei einer wirksamen Arbeitnehmerüberlassung gerade kein Arbeitsverhältnis. Ist die Arbeitnehmerüberlassung allerdings unwirksam, gilt etwas anderes!

Quelle: BAG, Urt. v. 24.04.2018 – 9 AZB 62/17

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Kopftücher im Berliner Schuldienst

Deutlich hat das Arbeitsgericht Berlin diese Klage einer abgelehnten Lehrerin abgewiesen.

In Berlin existiert ein Neutralitätsgesetz. Danach sind religiöse oder weltanschauliche Symbole in öffentlichen Schulen – mit Ausnahme von beruflichen Schulen – von Lehrkräften nicht getragen werden dürfen. Trotzdem wollte eine Lehrerin eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erhalten. Sie war nämlich als Lehrerin nicht eingestellt worden war, da sie ein muslimisches Kopftuch trug. Die Klage war allerdings vergeblich. Die Richter hielten das Gesetz für verfassungsgemäß, denn die staatliche Neutralität der öffentlichen Schulen ist im Hinblick auf die Vielzahl von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen in der Bevölkerung von besonderer Bedeutung. Zudem muss auch berücksichtigt werden, dass den Lehrkräften eine besondere Vorbildfunktion zukommt. Die Einschränkung der Religionsfreiheit war daher gerechtfertigt. Zudem hätte die Lehrerin auch an einer beruflichen Schule arbeiten können. Dort gilt das Neutralitätsgesetz nicht.

Hinweis: In Berlin ist also das Tragen von Kopftüchern an öffentlichen Schulen mit Ausnahme von Berufsschulen nicht erlaubt. Das Urteil wird entsprechend auch in anderen Bundesländern gelten.

Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 24.05.2018 – 58 Ca 7193/17

www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht

 

Urlaubs- und Feiertagen sind keine Ausgleichstage

Urlaubstage und gesetzliche Feiertage dürfen bei der Berechnung der Höchstarbeitszeit nicht als Ausgleichstage berücksichtigt werden. Was eigentlich selbstverständlich klingt, musste erst durch das höchste deutsche Verwaltungsgericht bestätigt werden.

In einem Universitätsklinikum gab es sogenannte Arbeitszeitschutzkonten. Damit sollte die Einhaltung der zulässigen Höchstarbeitszeit insbesondere für Ärzte sichergestellt werden. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit wurde als Soll verbucht und die tatsächlich geleistete Arbeitszeit als Haben erfasst. Tage des gesetzlichen Mindesturlaubs wurden so verbucht, als wäre an ihnen regulär gearbeitet worden. Die darüberhinausgehenden Urlaubstage und die gesetzlichen Feiertage, die auf einen Werktag fielen, wurden als Ausgleichstage mit einer Arbeitszeit von 0 Stunden erfasst. Damit konnten diese Tage zum Ausgleich für überdurchschnittlich geleistete Arbeit verwendet werden. Die zuständige Bezirksregierung war allerdings anderer Auffassung und sah einen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz. Gegen eine entsprechende Verbotsverfügung klagte das Universitätsklinikum – allerdings vergeblich. Denn Urlaubstage dürfen, auch wenn sie über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nicht als Ausgleichstage gewertet werden. Aus dem systematischen Zusammenhang des Arbeitszeitgesetzes und des Bundesurlaubsgesetzes ergibt sich, dass als Ausgleichstage nur die Tage verwendet werden können, an denen der Arbeitnehmer nicht schon wegen einer Urlaubsgewährung von der Arbeitspflicht freigestellt ist. Auch dürfen gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen, nicht bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit als Ausgleichstage herangezogen werden. Gesetzliche Feiertage sind keine Werktage und grundsätzlich beschäftigungsfrei. Sie dürfen nicht bei der Berechnung der täglichen Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz in den Ausgleich einbezogen werden.

Hinweis: Auf die Idee dieses Arbeitgebers muss man erst einmal kommen! Das Urteil ist zwar für einen öffentlichen Arbeitgeber ergangen, gilt jedoch genauso in der Privatwirtschaft.

Quelle: BVerwG, Urt. v. 09.05.2018 – 8 C 13.17

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Der Teilzeitantrag in der Elternzeit

Eltern dürfen in der Elternzeit in Teilzeit arbeiten. Der Arbeitgeber darf einen entsprechenden Wunsch ablehnen, aber nicht aus jedem beliebigen Grund.

Eine Frau teilte ihrem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft mit. Der stellte bereits vor Beginn der Mutterschutzfrist eine Ersatzkraft ein, damit diese eingearbeitet werden konnte. Dann kam die Geburt und anschließend der Antrag der jungen Mutter auf Elternzeit und gleichzeitig die Mitteilung durch die Frau, dass sie im zweiten Jahr der Elternzeit in Teilzeit 25 Stunden pro Woche gerne arbeiten würde. Diesen Antrag stellte sie dann auch für das zweite Jahr der Elternzeit. Der Arbeitgeber lehnte das ab, da er bereits eine Vertretungskraft eingestellt hatte. So ging es aber nicht. Einen Teilzeitantrag in der Elternzeit kann ein Arbeitgeber grundsätzlich nur aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen. Ein solcher Grund kann auch die Einstellung einer Ersatzkraft für die Dauer der Elternzeit sein. Ein Arbeitgeber, der Kenntnis von einem Teilzeitwunsch der Arbeitnehmerin hatte, muss aber die Befristung der Ersatzkraft entsprechend anpassen.

Hinweis: Die Ablehnung eines Antrags auf eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit kann demnach nicht ohne Weiteres wegen der Einstellung einer Vertretung erfolgen. So einfach kann es sich der Arbeitgeber nicht machen.

Quelle: ArbG Köln, Urt. v. 15.03.2018 – 11 Ca 7300/17

www.arbg-koeln.nrw.de

 

Die Fehlentscheidung der Einigungsstelle

In vielen Fällen, in denen sich der Betriebsrat mit seinem Arbeitgeber streitet, ist die sogenannte Einigungsstelle zuständig. Deren Spruch kann dann noch vom Arbeitsgericht überprüft werden.

Die Arbeitgeberin des Falls, eine Klinik, und ihr Betriebsrat stritten über die Frage der Mindestbesetzung im Pflegedienst auf bestimmten Stationen. Dann wurde eine Einigungsstelle zum Arbeits- und Gesundheitsschutz gebildet. Es wurden Vereinbarungen geschlossen und auch drei Gutachten zur Gefährdungssituation des Pflegepersonals eingeholt. Trotzdem konnten sich die Parteien nicht abschließend einigen, sodass die Einigungsstelle entscheiden musste. Der Spruch der Einigungsstelle sah dann eine Schichtbesetzung mit einer bestimmten Zahl von Pflegekräften vor. Dagegen zog die Arbeitgeberin vor Gericht. Sie wollte die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs erreichen. Das ist dann der Fall, wenn die Einigungsstelle ihre Kompetenzen überschreitet – wie in diesem Fall. Der Betriebsrat hat aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz. Eine Handlungspflicht des Arbeitgebers, deren Umsetzung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, besteht jedoch erst, wenn Gefährdungen konkret festgestellt werden. Eine Einigungsstelle selbst darf aber das Bestehen einer Gefährdung nicht eigenständig feststellen. Aber selbst bei Annahme einer konkreten Gefährdung hatte die Einigungsstelle mit ihrem Spruch die Grenzen dessen, was erzwingbar ist, auch inhaltlich überschritten. Bei der Personalplanung kann der Betriebsrat nicht erzwingbar mitbestimmen. Der Überlastungsschutz muss durch andere Maßnahmen gewährleistet werden.

Hinweis: Eine Einigungsstelle kann also beim Gesundheitsschutz keine Vorgaben an den Arbeitgeber über eine personelle Mindestbesetzung beschließen. Der Arbeitgeber hat gewonnen, weil die Einigungsstelle ihre Kompetenzen überschritten hatte.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 26.04.2018 – 6 TaBV 21/17

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Neu: Die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung

Dieses Urteil zeigt, wann genau die Schwerbehindertenvertretung vor einer Kündigung vom Arbeitgeber zu beteiligen ist.

Der Arbeitgeber des Falls wollte einem schwerbehinderten Menschen kündigen – im Wege der Änderungskündigung. Das ist eine Kündigung verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu anderen Bedingungen fortzusetzen. Wie bei jeder Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist zudem die Zustimmung des Integrationsamtes durch den Arbeitgeber einzuholen. In dem hier entschiedenen Fall wurde zunächst beim Integrationsamt die Zustimmung zur beabsichtigten Änderungskündigung beantragt und erst danach, nämlich zwei Tage später, die Schwerbehindertenvertretung angehört und um Stellungnahme gebeten. Der gekündigte Arbeitnehmer meinte nun, dass alleine schon deshalb die Änderungskündigung unwirksam sei. Das Gericht stellte sich hinter diese Auffassung. Die Schwerbehindertenvertretung hätte bereits vor der Stellung des Zustimmungsantrags beim Integrationsamt unterrichtet und angehört werden müssen. Denn nach dem Gesetz muss die Schwerbehindertenvertretung unverzüglich und umfassend unterrichtet werden. Somit war die Kündigung unwirksam.

Hinweis: Das Gesetz sagt eindeutig, dass vor der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen die Schwerbehindertenvertretung anzuhören ist. Diese Anhörung hat vor dem Antrag auf Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt zu erfolgen. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam.

Quelle: ArbG Hagen, Urt. v. 06.03.2018 – 5 Ca 1902/17

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Die Klage gegen die Betriebsvereinbarung

Betriebsvereinbarungen sind Verträge zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat.

Der Betriebsrat in diesem Fall bestand nur aus einer Person. Er hatte eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit mit Regelungen zum Arbeitszeitkonto und Überstunden abgeschlossen. Dann schied das einzige Betriebsratsmitglied aus einem Arbeitsverhältnis aus. Einige verbliebene Arbeitnehmer meinte nun, die Betriebsvereinbarung würde deshalb auf ihre Arbeitsverhältnisse keine Anwendung finden und wollten das vom Bundesarbeitsgericht festgestellt erhalten. Das war aber so nicht möglich. Für das Feststellungsbegehren ist ein besonderes Feststellungsinteresse erforderlich. Das liegt aber nicht vor, wenn die begehrte Feststellung zu keiner Klärung des zwischen den Parteien bestehenden Streits führen kann. Das ist etwa der Fall bei einem negativen Feststellungsantrag darauf, dass eine bestimmte Betriebsvereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anzuwenden ist. Durch eine Feststellung wäre eine endgültige Streitlösung nicht erzielt worden. Denn die Betriebsvereinbarung war mit Wegfall des Betriebsrats gegenstandslos geworden. Die Arbeitgeberin machte nun von ihrem Weisungsrecht Gebrauch. Daher bliebe bei einer gerichtlichen Entscheidung über das Feststellungsbegehren ungeklärt, in welchem zeitlichen Umfang die Arbeitgeberin Arbeit zuweisen darf oder muss und wann die Mehrarbeitsvergütung fällig ist. Einzelne weitere Klagen von Arbeitnehmern würden nicht vermieden.

Hinweis: Eine Klage mit dem Ziel der Feststellung, dass eine bestimmte Betriebsvereinbarung auf ein Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet, ist also unzulässig.

Quelle: BAG, Urt. v. 20.02.2018 – 1 AZR 361/16

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Diskriminierung durch Bevorzugung interner Bewerber

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gibt es nun schon seit dem Jahr 2006. Zunächst wurde es belächelt, bis die ersten Arbeitgeber tatsächlich Entschädigungen zahlen mussten. Und viele Rechtsstreitigkeiten werden von Bewerbern tatsächlich gewonnen.

In einer Veraltung musste Geld gespart werden. Deshalb wurde beschlossen, freie Stellen vorrangig mit internem Personal zu besetzen. Damit sollten auch betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden. Es wurden dann dementsprechend mehrere Planstellen zunächst nur intern und später auch extern ausgeschrieben. Eine externe schwerbehinderte Frau bewarb sich auf eine der Stellen. Dann wurden jedoch sämtliche Stellen doch mit internen Bewerbern besetzt und alle externen Bewerber erhielten eine Absage. Die schwerbehinderte Frau verlangte daraufhin eine Entschädigungszahlung aufgrund einer Diskriminierung – zu Unrecht. Bei einer internen und externen Ausschreibung war ein mehrstufiges Verfahren zulässig, nachdem Bewerber auf die externe Ausschreibung erst nach erfolglosem internen Bewerbungsverfahren überhaupt berücksichtigt werden. In einem solchen Fall liegt keine ungünstigere Behandlung eines externen Bewerbers wegen seiner Behinderung vor. Denn völlig unabhängig von der fachlichen Eignung des schwerbehinderten Bewerbers war überhaupt keine zu vergebende Stelle existiert.

Hinweis: Wird also in einem Bewerbungsverfahren auf externe Bewerber erst dann zurückgegriffen, wenn interne Bewerber nicht vorhanden sind, liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung vor.

Quelle: ArbG Lübeck, Urt. v. 19.12.2017 – 3 Ca 2041 b/17

https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/LAG/Arbeitsgerichte/_documents/Arbeitsgericht_luebeck.html

 

Was gilt: Arbeitsvertrag über Tarifvertrag?

Wenn verschiedene Vertragsgrundlagen auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden, kann das zu Problemen führen. Meistens geht das jedoch gut für den Arbeitnehmer aus.

Es ging um einen Masseur in einem Senioren- und Pflegezentrum. In seinem Arbeitsvertrag stand, dass er nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) bezahlt werden sollte. Dann schloss die Arbeitgeberin mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung. Die Bestimmungen der Betriebsvereinbarung verwiesen auch auf die Bestimmungen des BAT. Sie sollten automatisch Bestandteil der Arbeitsverträge werden. Dann wurde die Betriebsvereinbarung jedoch durch die Arbeitgeberin gekündigt und sie meinte nun, den BAT, bzw. den nachfolgenden Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) nicht anwenden zu müssen. Der Arbeitnehmer sah das anders und wollte auch weiterhin die Bezahlung aufgrund des TVöD – wegen der Verweisung im Arbeitsvertrag. Und das zu Recht. Die Arbeitgeberin war verpflichtet, den Masseur nach der jeweiligen Entgelttabelle des TVöD zu vergüten. Die Betriebsvereinbarung hatte diese Vereinbarung nicht abgeändert.

Hinweis: Der Fall zeigt deutlich, dass ein Arbeitnehmer sich in solchen Fällen fast immer auf die für ihn günstigere Regelung berufen kann. Denn eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung, die sich an einen Tarifvertrag anlehnt, kann nicht durch eine Betriebsvereinbarung zu Lasten des Arbeitnehmers geändert werden.

Quelle: BAG, Urt. v. 11.04.2018 – 4 AZR 119/17

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Straftaten außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Straftaten zulasten des Arbeitgebers oder zulasten von Kolleginnen und Kollegen, können sehr schnell eine Kündigung rechtfertigen. Doch was ist mit Straftaten, die mit dem Arbeitsverhältnis nicht zu tun haben?

Es ging um einen in einem Chemieunternehmen im Labor beschäftigten Arbeitnehmer. Er war seit ca. 25 Jahren im Bereich der Qualitätsanalyse mit der Herstellung und Prüfung von Silikonprüfplatten beschäftigt. Dann fand die Polizei in seiner Wohnung 1 kg Betäubungsmittel und 1,5 kg chemische Stoffe, die sie als gefährlich einstufte. Der Arbeitnehmer wurde wegen des Versuchs eines Sprengstoffvergehens verurteilt. Als die Arbeitgeberin davon aus der Presse erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis fristlos und später nochmals ordentlich fristgemäß. Gegen die fristlose Kündigung erhob der Arbeitnehmer Klage – mit Erfolg. Es lagen keine personenbedingten Kündigungsgründe vor. Grundsätzlich kann zwar auch bei einem außerdienstlichem Fehlverhalten eine fristlose Kündigung in Betracht kommen, wenn das Fehlverhalten, die Zuverlässigkeit des Arbeitsnehmers entfallen lässt. Dabei kommt es aber auf die Art und Schwere des Delikts, die konkret nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Tätigkeit sowie insbesondere auch auf die Stellung im Betrieb an. Hier ging es um außerdienstliche Vorwürfe. Die konkrete Arbeitsleistung war nicht betroffen und die lange Betriebszugehörigkeit rechtfertigte keine fristlose Kündigung. Über die fristgemäße Kündigung musste das Gericht nicht entscheiden, da der Mann nicht gegen sie geklagt hatte.

Hinweis: Der Fall zeigt deutlich, dass außerdienstliche Straftaten grundsätzlich keine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können. Es darf eben keine Beziehung zum Arbeitgeber hergestellt werden können.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 12.04.2018 – 11 Sa 319/17

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Die schwierige Verdachtskündigung

Bei einer Verdachtskündigung besteht eben nur der Verdacht einer rechtswidrigen Handlung durch einen Arbeitnehmer. Trotzdem kann das bereits eine Kündigung rechtfertigen.

Ein Ingenieur war längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt. Er hatte dann nach einer ganzen Reihe von Rechtsstreitigkeiten mit seinem Arbeitgeber mit seinem Firmenlaptop eine größere Menge Daten während der Arbeitsunfähigkeit heruntergeladen. An einem Donnerstagabend erreichte den Ingenieur die Aufforderung seines Arbeitgebers zur Stellungnahme zu dem Vorfall. Ihm war eine Frist gesetzt worden bis zum nächsten Montag um 13:00 Uhr. Als der Ingenieur die Frist verstreichen lassen hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos durch eine Verdachtskündigung. Die war jedoch unwirksam. Denn vor einer Verdachtskündigung muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in jedem Fall anhören. Hier hatte er ihm eine Frist zur Stellungnahme gesetzt, die jedoch viel zu kurz war. In Anbetracht des Umstands, dass sich die Parteien bereits in anderen Auseinandersetzungen befunden hatten, in welchen sich der Ingenieur stets anwaltlich vertreten ließ, war die gesetzte Frist zur Stellungnahme zu den Vorwürfen mit nicht einmal zwei vollen Arbeitstagen bis Montagmittag zu kurz berechnet. Denn der Arbeitgeber hätte dem Arbeitnehmer mehr Zeit geben oder eben auch direkt dem Rechtsanwalt das Anhörungsschreiben zukommen lassen müssen. Die Kündigung war unwirksam.

Hinweis: Vor Ausspruch einer Verdachtskündigung muss der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber angehört werden. Soll das schriftlich erfolgen, muss dem Arbeitnehmer auch eine angemessene Frist gewährt werden.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 21.03.2018 – 3 Sa 398/17

www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/LAG/lag_node.html

 

Im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer

Das grenzüberschreitende Arbeiten weitet sich immer mehr aus. Und das ist auch ein Problem für das Betriebsverfassungsrecht. Denn wann muss ein deutscher Betriebsrat angehört werden, wenn der Arbeitnehmer bereits seit Jahren im Ausland arbeitet?

Es ging um einen weltweit tätigen Konzern der Öl- und Erdgasindustrie. Eines der Konzernunternehmen, welches in Deutschland seinen Betriebssitz hatte, organisierte den gesamten europäischen Bohrbetrieb. Außerdem wurden dort administrative Tätigkeiten, wie zum Beispiel die Buchhaltung und das Personalmanagement für Europa durchgeführt. Bei dieser Gesellschaft befand sich auch ein Betriebsrat. Ein Arbeitnehmer war nun seit 1978 bei dieser deutschen Gesellschaft beschäftigt. Er war als Bohranlagenmanager tätig und seit 1999 durchgehend im Ausland. Nun erhielt er die Kündigung. Er klagte dagegen und meinte, der Betriebsrat seiner Arbeitgeberin in Deutschland hätte vor der Kündigung beteiligt werden müssen. Und damit lag er richtig. Aus dem persönlichen Geltungsbereich des BetrVG folgt, dass grundsätzlich nur solche Arbeitnehmer der Geltung des BetrVG unterfallen, die in inländischen Betrieben beschäftigt sind. Von diesem Grundsatz ist für im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer dann eine Ausnahme zu machen, wenn der inländische Betrieb auf diesen Arbeitnehmer eine ausstrahlende Wirkung hat. Es kommt dabei darauf an, ob die Auslandstätigkeit des Arbeitnehmers dem Betriebszweck des inländischen Betriebs dient und er dem Direktionsrecht des inländischen Betriebsinhabers unterfällt. Das war hier der Fall und die Dauer des Auslandseinsatzes hat keine entscheidende Rolle gespielt.

Hinweis: Vor jeder Kündigung ist zunächst einmal der Betriebsrat anzuhören. Viele Kündigungen sind alleine deshalb unwirksam, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden ist.

Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 09.11.2017 – 5 Sa 1006/16

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Radikale Islamisten als Arbeitnehmer

Ein Arbeitgeber kann einem seiner Arbeitnehmer, nur weil er vielleicht radikale Ansichten vertritt, nicht ohne weiteres kündigen.

Ein bei Volkswagen seit vielen Jahren beschäftigter Montagewerker war durch die Polizei zur Kontrolle und Grenzfahndung ausgeschrieben. Es bestand der Verdacht, dass er sich dem militanten „Jihad" anschließen wollte. Deshalb wurde auch eine Flugreise nach Istanbul von der Bundespolizei verboten. Der Reisepass wurde ihm entzogen und eine dagegen gerichtete Klage des Montagewerkers vor dem Verwaltungsgericht war erfolglos. Der Arbeitgeber kündigte schließlich das Arbeitsverhältnis, da er den Betriebsfrieden und die Sicherheit im Unternehmen gefährdet sah. Dagegen legte der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage ein – mit Erfolg. Denn es hatte keine konkreten Störungen und keinen konkreten dringenden Verdacht gegeben, dass der Arbeitnehmer den Frieden und die Sicherheit im Betrieb stören könnte. Es handelte sich also um rein außerdienstliche Umstände. Die können aber in den seltensten Fällen eine Kündigung rechtfertigen. Allein der bloße Verdacht einer Zugehörigkeit zur radikal militanten „Jihad-Bewegung" und der damit begründete Entzug des Reisepasses waren kein ausreichender Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Hinweis: Alleine der Verdacht der Zugehörigkeit zu einer radikalislamischen Bewegung verbunden mit einem präventiven Entzug des Reisepasses rechtfertigt also noch lange keine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Das wird auch für andere extreme Lebensrichtungen gelten.

Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 12.03.2018 – 15 Sa 319/17

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Die Einstellung des Chefarztes

Der Betriebsrat hat bei der Einstellung von Arbeitnehmern mitzubestimmen. Doch wie ist das zu einem Chefarzt?

Es sollte ein neuer Chefarzt der Chirurgie in einem Krankenhaus eingestellt werden. Der Betriebsrat hatte die Zustimmung zur Einstellung jedoch verweigert. Der Klinikbetreiber meinte, dieses wäre egal, da der Betriebsrat gar nicht zustimmen müsse, da es sich um einen leitenden Angestellten handeln würde. Das Gericht hielt die Zustimmung des Betriebsrats für erforderlich. Allerdings ersetzte es diese dann auch gleich. Denn ein Chefarzt ist nicht immer automatisch leitender Angestellter. Dies ist er nur dann, wenn er laut Arbeitsvertrag und der tatsächlichen Stellung in der Klinik der Leitungs- und Führungsebene zuzurechnen ist und zudem auch als Unternehmens- oder Betriebsleiterentscheidungen selbst trifft. Daher war hier grundsätzlich die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich. Diese war aber durch das Gericht zu ersetzen, da eine Benennung des Chefarztes der Chirurgie dringend erforderlich war.

Hinweis: Die Zustimmung des Betriebsrats bei einer Einstellung eines Chefarztes ist nicht immer entbehrlich, da nicht jeder Chefarzt automatisch ein leitender Angestellter ist. Denn leitende Angestellte unterfallen nicht dem Betriebsverfassungsgesetz und bei personellen Maßnahmen muss der Betriebsrat nicht gefragt werden.

Quelle: ArbG Hamburg, Beschl. v. 21.04.2016 – 5 BV 24/15

http://justiz.hamburg.de/arbeitsgericht/

 

Begünstigung von Betriebsräten durch Abfindung?

Betriebsräte dürfen durch den Arbeitgeber weder benachteiligt noch begünstigt werden.

Dem Vorsitzenden eines Betriebsrats sollte außerordentlich aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt werden. Dazu ist die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich. Als der Betriebsrat nicht zustimmte, beantragte der Arbeitgeber ein sogenanntes Zustimmungsersetzungsverfahren. Dann schloss der Betriebsratsvorsitzende mit seinem Arbeitgeber einen außergerichtlichen Aufhebungsvertrag. Er wurde noch für zweieinhalb Jahre von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt und erhielt eine Abfindung in Höhe von 120.000 € netto. Nachdem er die Abfindung erhalten hatte, klagte der Betriebsratsvorsitzende allerdings auf Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses. Er war der Auffassung, durch den Aufhebungsvertrag in unzulässiger Weise als Betriebsratsmitglied begünstigt worden zu sein. Die Klage war allerdings vergeblich. Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder begünstigt noch benachteiligt werden. Getroffene Vereinbarungen, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind nach § 134 BGB nichtig. Das war hier aber nicht der Fall.

Hinweis: Ein Aufhebungsvertrag mit einem Mitglied des Betriebsrats führt demnach nicht zu einer verbotenen Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern.

Quelle: BAG, Urt. v. 21.03.2018 – 7 AZR 590/16

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Die Vollstreckung der Weiterbeschäftigung

Wird der Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers verurteilt, muss er sich auch daran halten.

Ein Arbeitnehmer hatte eine Kündigung erhalten und war dagegen erfolgreich durch eine Kündigungsschutzklage vorgegangen. Nun lag ein rechtskräftiges Urteil vor, nach dem die Arbeitgeberin dazu verpflichtet war, den Arbeitnehmer zu unveränderten Arbeitsbedingungen zu beschäftigen. Dann wollte der Arbeitnehmer diesen Anspruch vollstrecken lassen. Dagegen erhob die Arbeitgeberin eine sogenannte Vollstreckungsabwehrklage. Sie meinte, der Arbeitsplatz sei weggefallen und damit eine Beschäftigung unmöglich. Das sah das Bundesarbeitsgericht allerdings anders. Selbst wenn die Beschäftigung infolge des Wegfalls des Arbeitsplatzes unmöglich geworden sein sollte, konnte die Arbeitgeberin mit dieser Einwendung im Vollstreckungsabwehrklageerfahren nicht durchdringen. Durch die Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers verstieß die Arbeitgeberin gegen die Beschäftigungspflicht. Sie muss dem Arbeitnehmer eine andere vertragsgemäße Beschäftigung zuweisen. Die Arbeitgeberin hatte nicht behauptet, dass ihr dies nicht möglich oder zuzumuten sei.

Hinweis: Wird vom Arbeitnehmer also ein Weiterbeschäftigungsanspruch vollstreckt, kann ein Arbeitgeber nicht einwenden, der Arbeitsplatz sei entfallen, wenn er dem Arbeitnehmer einen anderen vertragsgemäßen Arbeitsplatz zuweisen könnte. Alle Beteiligten sollten es aber soweit gar nicht kommen lassen.

Quelle: BAG, Urt. v. 21.03.2018 – 10 AZR 560/16

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Genehmigung von Urlaub

Arbeitnehmer müssen Rechtssicherheit haben, wann sie Urlaub bekommen und wann nicht. Andernfalls ist die Buchung einer Reise schlicht unmöglich.

Bei dem Arbeitgeber dieses Falls mussten sich die Arbeitnehmer zu Beginn des Jahres in einen Urlaubskalender eintragen. Eine Woche vor Urlaubsantritt musste dann noch zur Genehmigung des Urlaubs ein Urlaubsschein eingereicht werden. Eine Arbeitnehmerin hatte in ihren Urlaubsplan zwei Wochen Urlaub eingetragen. In der ersten Woche ihres Urlaubs erkrankte sie allerdings und in der zweiten Woche erschien sie nicht zur Arbeit, sondern befand sich im Urlaub. Einen gesonderten Urlaubsantrag hatte sie zuvor nicht mehr gestellt. Daraufhin erhielt sie vom Arbeitgeber die Kündigung wegen eines angeblich eigenmächtigen Urlaubsantritt, gegen die die Arbeitnehmerin Klage einreichte – mit vollem Erfolg. Das Arbeitsverhältnis war nicht beendet worden. Es lag kein Fall der Selbstbeurlaubung vor. Der Arbeitgeber hätte nach der Eintragung in den Urlaubsplan kurzfristig widersprechen müssen. Die Regelung über die fehlende Genehmigung des Urlaubs war nach den Richtern sogar unwirksam. Denn die von dem Arbeitgeber erlassenen Urlaubsbestimmungen waren allgemeine Geschäftsbedingungen, die teilweise von den gesetzlichen Grundgedanken abwichen. Denn nach dem Bundesurlaubsgesetz sind bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Es gab hier in dem Fall durch den Vorbehalt der Genehmigung des Urlaubs keine Planungssicherheit. Durch die Unwirksamkeit des Genehmigungsvorbehalts war alleine die Regelung zum Urlaubsplan wirksam. Und hier musste vom Arbeitgeber verlangt werden, dass er kurzfristig dem Urlaubswunsch widerspricht, wenn er nicht beabsichtigt, dem Arbeitnehmer dem Urlaub wie beantragt zu gewähren. Als angemessene Zeit ist nach dem Gericht ein Zeitraum von einem Monat anzusehen.

Hinweis: Erstellt also der Arbeitgeber zu Beginn des Jahres einen Urlaubsplan, muss er in angemessener Zeit dem Urlaubswunsch des Arbeitnehmers widersprechen, wenn er den Urlaub nicht gewähren will. Denn eine allseits verbindliche langfristige Lösung ist sicherlich für sämtliche Beteiligte besser.

Quelle: ArbG Chemnitz, Urt. v. 29.01.2018 – 11 Ca 1751/17

https://www.justiz.sachsen.de/lag/content/arbgc.htm

 

Geschäftsführungsgesellschaft ist kein Arbeitgeber

Arbeitgeber sind durchaus erfinderisch, wenn es darum geht, die geltenden Gesetze zu umgehen. So wie dieser Arbeitgeber es gemacht hat, geht es aber gerade nicht.

Eine Arbeitgeberin schloss mit einer Drittfirma einen Vertrag. Diese Drittfirma sollte die komplette Produktion durchführen und für die Arbeitgeberin die gesamte Betriebsführung übernehmen. Der Drittfirma wurde Generalshandlungsvollmacht erteilt. Die Arbeitnehmer wurden darüber unterrichtet, dass ihre Arbeitsverhältnisse durch einen Betriebsübergang auf die Drittfirma übergegangen seien. Drei Jahre später kündigte die Drittfirma dann das Arbeitsverhältnis mit einem der Arbeitnehmer, einem Schlosser. Dagegen klagte der Schlosser und die Klage wurde abgewiesen, da nach Auffassung des Arbeitsgerichts gar kein Arbeitsverhältnis mit der Drittfirma bestanden hatte. Darauf erhob die (ursprüngliche) Arbeitgeberin Klage und wollte festgestellt haben, dass zwischen ihr und dem Schlosser kein Arbeitsverhältnis mehr besteht. Damit kam sie aber nicht weiter. Denn das Arbeitsverhältnis war nicht im Wege des Betriebsübergangs auf die Drittfirma übergegangen. Ein Betriebsübergang setzt voraus, dass die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die insoweit die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt. Diese Voraussetzung war hier nicht erfüllt. Es lag kein Betriebsübergang vor, da kein Wechsel der verantwortlichen Person stattgefunden hatte.   

Hinweis: Wenn also lediglich ein Dritter mit Vollmacht des bisherigen Arbeitgebers die Betriebsführung übernimmt, liegt kein Betriebsübergang vor. Generell ist ein Betriebsübergang rechtlich so kompliziert, dass eine weitere Beratung sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber dringend zu empfehlen ist.

Quelle: BAG, Urt. v. 25.01.2018 – 8 AZR 338/16

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Wem gehört der betriebliche Facebook-Auftritt?

Dieses Urteil zeigt eindeutig, dass Arbeitgeber sich bei Social-Media-Auftritten mehr Gedanken machen sollten.

Das Arbeitsverhältnis zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber wurde durch einen Aufhebungsvertrag beendet. In diesem Vertrag war unter anderem geregelt, dass sämtliche gegenseitigen Ansprüche erledigt sein sollten. Dann meinte die Arbeitgeberin allerdings, Inhaberin eines Facebook-Account zu sein, der auf den Namen des Arbeitnehmers lief. Schließlich beantragte die Arbeitgeberin vor dem Amtsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der dem Arbeitnehmer untersagt werden sollte, Änderungen auf der Facebook-Seite vorzunehmen und bereits vorgenommene Änderungen wieder rückgängig zu machen. Der Antrag war aber bereits unzulässig, denn hier wären die Arbeitsgerichte zuständig gewesen. Das Amtsgericht wies allerdings noch darauf hin, dass ein Arbeitgeber einen auf seinen Namen lautenden Account grundsätzlich herausverlangen könnte. Das war hier jedoch anders. Angemeldet hatte der Arbeitnehmer den Account auf seinen Namen und war damit Vertragspartner von Facebook. Außerdem nutzte er den Account auch privat. Der Antrag der Arbeitgeberin war also unzulässig und zudem unbegründet.

Hinweis: Auch wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet wurde, ist für Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber fast immer das Arbeitsgericht zuständig. Und das gilt auch für einen Facebook-Auftritt.

Quelle: AG Brandenburg, Urt. v. 31.01.2018 – 31 C 212/17

www.ag-brandenburg.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.342701.de

 

Keine Betriebsratsbeteiligung bei Mitarbeiterbefragung

Dieser Beschluss des Bundesarbeitsgerichts ist alles andere als gut für die betriebliche Mitbestimmung.

Eine Universitätsklinik hatte einen Konzernbetriebsrat sowie eine Tochtergesellschaft, ein Herzzentrum, mit einem örtlichen Betriebsrat. Die Universitätsklinik wollte eine konzernweite Mitarbeiterbefragung durchführen. Sie beauftragte damit eine GmbH. Die Fragebögen wurden vom Universitätsklinikum per Post an die Mitarbeiter verschickt. In der Post fanden die Mitarbeiter den Hinweis, dass die Befragung anonym sei und keine Rückschlüsse auf die Teilnehmer möglich seien. Außerdem sei die Teilnahme freiwillig und die Fragebögen würden bei der GmbH verbleiben ohne Möglichkeit der Sichtung durch die Universitätsklinik. Der örtliche Betriebsrat des Herzzentrums meinte, er hätte vor der Befragung beteiligt werden müssen und zog vor das Arbeitsgericht. Dort musste er allerdings erfahren, dass ihm kein Mitbestimmungsrecht zustand. Da die Mitarbeiterbefragung eine ausschließliche Maßnahme des Universitätsklinikums als Konzernobergesellschaft war, unterlag sie allenfalls der Beteiligung des Konzernbetriebsrats. Aber auch dieser hätte kein Mitbestimmungsrecht gehabt. Eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer schied aus, da die Teilnahme freiwillig war und ich jeder Arbeitnehmer somit den Umfang seiner Auskünfte selbst bestimmen konnte.

Hinweis: Eine konzernweite anonyme Mitarbeiterbefragung unterliegt also nicht der Mitbestimmung. Der Betriebsrat dieses Falls hat damit für andere Betriebsräte ein echtes Eigentor geschossen, das Arbeitgeber freuen wird. Sie müssen künftig auf Mitbestimmungsrechte keine Rücksicht mehr nehmen.

Quelle: BAG, Beschl. v. 21.11.2017 – 1 ABR 47/16

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Die Bereitschaftszeit ist Arbeitszeit

Auch Bereitschaftsdienste können in der Praxis sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Das zeigt dieser Fall ganz klar.

Es ging um einen freiwilligen Feuerwehrmann in Belgien. Er war neben seiner Feuerwehrtätigkeit als Arbeitnehmer tätig. Während seiner Bereitschaftszeit musste er nicht nur erreichbar sein, sondern war sogar verpflichtet, einem Ruf zum Einsatzort innerhalb von 8 Minuten Folge zu leisten und musste dazu an einem bestimmten Ort persönlich anwesend sein. Nun klagte der Feuerwehrmann auf Entschädigung für seine zu Hause geleisteten Bereitschaftsdienste. Diese seien seiner Auffassung nach als Arbeitszeit einzuordnen. Der Europäische Gerichtshof stellte dazu klar, dass die zu Hause geleistete Bereitschaftszeit unter bestimmten Umständen Arbeitszeit sein kann. Denn die Möglichkeit, anderen Tätigkeiten nachzugehen, war bei dem Feuerwehrmann extrem eingeschränkt, da er innerhalb von 8 Minuten am Einsatzort sein musste. Für die Einordnung als „Arbeitszeit" ist es entscheidend, dass sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort Leistung erbringen zu können. Und das war hier der Fall gewesen. Es handelte sich tatsächlich bei den Bereitschaftsdiensten um Arbeitszeit.

Hinweis: Ein wichtiges Urteil für alle Arbeitnehmer, die Bereitschaftszeiten leisten. Aber auch Arbeitgeber sollten dieses Urteil kennen. Ab sofort gilt: Wenn ein Arbeitnehmer während einer Bereitschaftszeit zu Hause bleiben muss und er die Verpflichtung hat, innerhalb kurzer Zeit bei der Arbeit zu erscheinen, ist die Bereitschaftszeit wie Arbeitszeit anzusehen.

Quelle: EuGH, Urt. v. 21.02.2018 – C-518/15

http://curia.europa.eu

 

Erlaubte Beeinflussung der Betriebsratswahl

Dieser Beschluss des Bundesarbeitsgerichts erstaunt, da er die Neutralität des Arbeitgebers bei Betriebsratswahlen eindeutig infrage stellt.

Vor einer Betriebsratswahl hatte der Personalleiter eines Unternehmens mitgeteilt, dass jeder, der einer bestimmten Kandidatin seine Stimme gebe, Verrat begehe. Auch hatte er Mitarbeiter angesprochen, ob sie sich zur Wahl stellen. Er hatte ganz offen angeregt, eine alternative Liste aufzustellen und auch gezielt um Kandidaten geworben. Die Intervention der Geschäftsleitung führte dann zur Gründung einer weiteren Liste und damit zu einer Beeinflussung des Wahlergebnisses. Das wollten drei Arbeitnehmer nicht hinnehmen und klagten. Das Bundesarbeitsgericht war aber der Auffassung, dass nicht gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit über das Wahlverfahren verstoßen worden war. Es darf niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen. Untersagt ist danach jede Benachteiligung oder Begünstigung etwa durch eine finanzielle Unterstützung der Kandidaten mit dem Ziel der Wahlbeeinflussung und der Stimmenkauf der Arbeitnehmer. Die Vorschrift untersagt aber nicht jede Handlung, die geeignet sein könnte, die Wahl zu beeinflussen. Es ergibt sich gerade kein striktes Neutralitätsgebot des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen. Die Äußerungen des Personalleiters waren weder eine Androhung von Nachteilen noch das Versprechen von Vorteilen. Auch die Anregung, eine alternative Liste aufzustellen und gezielt zu bewerben, war keine verbotene Wahlbeeinflussung.

Hinweis: Das Verfahren hätten die Betriebsräte besser nicht angestrebt. Denn nun steht fest, dass es bei Betriebsratswahlen kein striktes Neutralitätsgebot des Arbeitgebers gibt und der Arbeitgeber sogar dazu auffordern kann, eine arbeitgeberfreundliche Liste zu gründen.

Quelle: BAG, Beschl. v. 25.10.2017 – 7 ABR 10/16

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Leugnen des Holocaust am Arbeitsplatz

Manche Arbeitnehmer lernen aber auch einfach nicht dazu.

Im Dienstwagen eines Außendienstlers wurden mehrere Musik-CDs mit rechtsradikaler Musik gefunden. Aus diesem Anlass kam es im Betrieb zwischen dem Arbeitnehmer und einer Mitarbeitern der Arbeitgeberin zu einem Gespräch über den Holocaust. Dabei leugnete der Arbeitnehmer den Holocaust und machte weitere volksverhetzende Äußerungen. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer erhob dagegen Kündigungsschutzklage – vergeblich. Denn die außerordentliche Kündigung war wirksam. Der Arbeitnehmer hatte seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin verletzt, indem er in der Betriebsöffentlichkeit volksverhetzende und den Betriebsfrieden störende Äußerungen getätigt hatte. Eine vernommene Zeugin hatte sogar bestätigt, dass der Arbeitnehmer gesagt hatte, dass die Judentransporte nicht in dem Maße stattgefunden hätten. Juden seien nicht vergast worden.

Hinweis: Die Verleugnung oder Relativierung des Holocaust in der Betriebs-Öffentlichkeit rechtfertigt also eine fristlose Kündigung. Das sollten sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber wissen.

Quelle: ArbG Hamburg, Urt. v. 18.10.2017 – 16 Ca 23/17  

http://justiz.hamburg.de/arbeitsgericht/

 

Zeugnis darf geknickt werden

Hier hat ein Landesarbeitsgericht noch mal deutlich gesagt, wie ein Zeugnis übersendet werden darf.

Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer des Falls hatten sich in einem gerichtlichen Vergleich auf die Erteilung eines Zeugnisses geeinigt. Der Arbeitnehmer erhielt dann auch das Zeugnis, dieses war allerdings zusammengetackert und geknickt. Das wollte sich der Arbeitnehmer nicht bieten lassen und meinte, er habe Anspruch auf Erteilung eines ungetackerten und ungeknickten Zeugnisses. Ansonsten sei das Zeugnis nicht als Bewerbungsunterlage geeignet. Das Gericht war allerdings anderer Auffassung. Ein Arbeitgeber erfüllt nämlich den Zeugnisanspruch, wenn das von ihm erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen entspricht, was hier der Fall war. Insbesondere hatte der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf ein ungetackertes und ungeknicktes Arbeitszeugnis. Nach ständiger BAG-Rechtsprechung erfüllt ein Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitsnehmers auf Erteilung eines Zeugnisses auch mit einem Zeugnis, das er zweimal faltet, um es in einem Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Originalzeugnis kopierfähig ist und die Knicke im Zeugnisbogen sich nicht auf den Kopien abzeichnen.

Hinweis: Arbeitnehmer haben also keinen Anspruch auf ein ungeknicktes und ungetackertes Arbeitszeugnis, wenn das Originalzeugnis kopierfähig ist. Um solchen unnötigen Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen, macht es für Arbeitgeber natürlich Sinn, gleich das Zeugnis ungeknickt zu übersenden.

Quelle: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 09.11.2017 – 5 Sa 314/17

https://lagrp.justiz.rlp.de

 

Prämien und Mindestlohn

Hier kommt ein neues Urteil zum Mindestlohn, das Arbeitnehmer und Arbeitgeber kennen sollten.

Ein Arbeitgeber zahlte neben einem Grundgehalt bei Einhalten bestimmter Verhaltensregeln eine „Immerda-Prämie" von 95 € (für durchgehende Arbeitsfähigkeit), eine Prämie für „Ordnung und Sauberkeit“ von 50 € und eine „Leergutprämie" von 155 € (für den korrekten Umgang mit Leergut). Einer der Arbeitnehmer klagte dagegen, da er der Auffassung war, ohne die Zahlung dieser Prämien unter den gesetzlichen Mindestlohn zu rutschen. Die Zahlung der Prämien sei nicht mindestlohnwirksam. Das Bundesarbeitsgericht war anderer Auffassung. Prämien für durchgehende Arbeitsfähigkeit, Sauberkeit und Ordnung sind mindestlohnwirksam. Das gleiche gilt für alle im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen mit Ausnahme der Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen.

Hinweis: Es gibt also Prämien, die mindestlohnwirksam sind. Das gilt insbesondere für Prämien für durchgehende Arbeitsfähigkeit, Sauberkeit und Ordnung.

Quelle: BAG, Urt. v. 08.11.2017 – 5 AZR 692/16

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Was passiert, wenn der Arbeitnehmer im Gefängnis sitzt?

Für den Arbeitnehmer ist eine Strafhaft sicherlich höchst unangenehm. Aber auch der Arbeitgeber freut sich nicht gerade darüber, wenn ein Arbeitnehmer deshalb nicht zur Arbeit erscheinen kann, weil er im Bau sitzt. Doch was passiert eigentlich mit dem Arbeitsverhältnis? Nur wegen der Haft, wird sich sicherlich nicht automatisch aufgehoben.

Der Arbeitnehmer des Falls wurde wegen seiner Beteiligung an einem versuchten Raubüberfall zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Nach seinem Haftantritt erhielt der Arbeitnehmer die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dagegen erhob er aus der Haft heraus Kündigungsschutzklage. Er war nämlich der Auffassung, wegen seiner günstigen Sozialprognose vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden. Das interessierte das Gericht allerdings nicht. Denn ein Arbeitgeber darf eine Kündigung aussprechen, wenn damit zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer länger als zwei Jahre ausfallen wird Zum Zeitpunkt des Antritts der Haftstrafe stand nämlich nicht sicher fest, ob der Arbeitnehmer seine Strafe vollständig verbüßen oder zum Beispiel früh in den offenen Vollzug wechseln würde. Umstände, die sich während der Vollzugszeit ergeben und erst nach der Kündigung eintreten, sind für die Beurteilung unerheblich.

Hinweis: Ein Arbeitgeber darf ein Arbeitsverhältnis also kündigen, wenn sein Arbeitnehmer eine mehr als zweijährige Haftstrafe vor sich hat und eine vorzeitige Entlassung nicht mit Sicherheit feststeht.

Quelle: LAG Hessen, Urt. v. 21.11.2017 – 8 Sa 146/17

https://arbeitsgerichtsbarkeit.hessen.de/LAG-Frankfurt

 

Betriebliche Hinterbliebenenversorgung bei jüngerem Partner

Betriebliche Altersversorgung gibt es viele. Doch auch Arbeitgeber wollen sich absichern und schließen einige Hinterbliebene von der Versorgung aus.

Der Ehemann und Arbeitnehmer des Falls war 18 Jahre älter als seine Frau. Als er verstarb, dachte die Witwe, nun Ansprüche aus der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung des Arbeitgebers des verstorbenen Ehemanns zu haben – zu Unrecht. Die Versorgungsordnung sah nämlich einen Anspruch auf Leistungen der Hinterbliebenenversorgung an den Ehegatten nur vor, wenn der Ehegatte nicht mehr als 15 Jahre jünger ist als der Versorgungsberechtigte ist. Und das von der jungen Witwe angerufene Gericht meinte, die Regelungen des Arbeitgebers seien zwar diskriminierend, aber gerechtfertigt. Denn der Arbeitgeber wollte sein finanzielles Risiko eingrenzen. Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren ist nach Ansicht der Richter bei der gemeinsamen Lebensplanung der Ehepartner davon auszugehen, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringen wird.

Hinweis: Eine betriebliche Versorgungsordnung, nach der Ehegatten nur dann eine Hinterbliebenenversorgung erhalten, wenn sie nicht mehr als 15 Jahre jünger als der Versorgungsberechtigte sind, stellt also keine ungerechtfertigte Diskriminierung wegen des Alters dar.

Quelle: BAG, Urt. v. 20.02.2018 – 3 AZR 43/17

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Streichung des Weihnachtsgelds

Bei weitem nicht alle Arbeitnehmer bekommen überhaupt noch Sonderzahlungen am Jahresende. Und die können in manchen Fällen sogar vom Arbeitgeber reduziert werden.

Eine Arbeitnehmerin hatte in ihrem Arbeitsvertrag einen Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation ausgehandelt, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben werden sollte. Maximal sollte es ein zusätzliches Gehalt geben. Zudem wurde im Juni eines jeden Jahres ein Vorschuss in Höhe von bis zu einem halben Monatsgehalt gezahlt. In einem Jahr erhielt die Arbeitnehmerin zwar noch ein halbes Bruttomonatsgehalt im Juni, die zweite Hälfte der Weihnachtsgratifikation wurde aber nicht mehr gezahlt. Die Begründung des Arbeitgebers: Er machte Verluste. Die Arbeitnehmerin klagte trotzdem die zweite Hälfte ihrer Weihnachtsgratifikation ein – vergeblich. Der Arbeitgeber hatte sich zwar grundsätzlich im Arbeitsvertrag zur Zahlung verpflichtet. Die Höhe konnte er jedoch einseitig bestimmen nach billigem Ermessen nach § 315 BGB. Dieses Ermessen hatte der Arbeitgeber auch ausgeübt. Er hatte entschieden, dass der zweite Teil der Gratifikation aus wirtschaftlichen Gründen nicht ausbezahlt werden konnte. Die Richter meinten, diese Entscheidung hätte der Billigkeit entsprochen, da der Arbeitgeber im Einzelnen dargelegt hatte, welche wirtschaftlichen Faktoren ihn zu der Entscheidung bewogen hatte.

Hinweis: Hat der Arbeitgeber also bei der Höhe einer Weihnachtsgratifikation ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, kann eine Kürzung rechtmäßig sein.

Quelle: BAG, Urt. v. 23.08.2017 – 10 AZR 376/16

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Befristete Arbeitsverträge mit Profisportler

Dieses Urteil ist für einen Bundesligaprofi ergangen. Es gilt aber auch für andere Sportarten.

Der Fall handelt von einem seit dem Jahr 2009 bei einem Verein in der Fußballbundesliga beschäftigten Torwart. Der Arbeitsvertrag war zuletzt bis 2014 befristet. Er sah eine Verlängerungsoption um ein Jahr vor, wenn der Torwart in der letzten Saison mindestens bei 23 Bundesligaspielen aufgelaufen wäre. Dann verletzte sich der Torwart und wurde in dem Jahr auch nach seiner Genesung nicht mehr in der Bundesliga eingesetzt. Daraufhin zog er vor Gericht und meinte unter anderem, die Befristung sei unwirksam. Das sah das Bundesarbeitsgericht allerdings anders. Der Arbeitgeber konnte sich auf den Sachgrund aus § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) berufen. Die Befristung war nämlich wegen der Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt. Für die Richter war klar, dass die sportlichen Höchstleistungen eines Bundesligaspielers nur für eine begrenzte Zeit vorhanden sind. Und das ist eine Besonderheit, die regelmäßig ein berechtigtes Interesse an der Befristung des Arbeitsverhältnisses begründet.

Hinweis: Nach dem Urteil gab es bei den Sportvereinen eine große Erleichterung. Arbeitsverträge mit Fußballspielern aus der Bundesliga und anderen Profisportler dürfen auch künftig mit einem Sachgrund befristet werden.

Quelle: BAG, Urt. 16.01.2018 – 7 AZR 312/16

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Schwere Schäden nach Impfung

Ob der Arbeitgeber haftet, wenn der Betriebsarzt eine Impfung vornimmt, muss das Bundesarbeitsgericht entscheiden.

Es ging um eine in der Verwaltung eines Herzzentrums beschäftigte Arbeitnehmerin. Ihre  Arbeitgeberin bot ihr zusammen mit einer freiberuflichen Betriebsärztin die Teilnahme an einer Grippeschutzimpfung an. Die Kosten wollte die Arbeitgeberin übernehmen. Die Betriebsärztin impfte unter anderem die Arbeitnehmerin in den Betriebsräumen der Arbeitgeberin. Die Mitarbeiterin wurde dabei jedoch erheblich verletzt und wollte sich nun die Schäden von der Arbeitgeberin ersetzen lassen. Unter anderem meinte sie, von der Ärztin nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden zu sein. Die Arbeitgeberin hatte allerdings keine Pflichtverletzung begangen. Die Richter meinten, dass zwischen Arbeitnehmerin und Arbeitgeberin insbesondere kein Behandlungsvertrag zustande gekommen war. Insoweit bestand für die Arbeitgeberin noch keine Aufklärungsverpflichtung. Etwaige Pflichtverletzungen der Ärztin musste sie sich nicht zurechnen lassen.

Hinweis: Der Arbeitgeber haftet also nicht für Schäden einer vom Betriebsarzt durchgeführten Impfung. Ein gutes und wichtiges Urteil zum Schutz von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Wäre das Urteil anders ausgefallen, würde wohl kein Arbeitgeber mehr die Kosten für eine Impfung übernehmen.

Quelle: BAG, Urt. v. 21.12.2017 – 8 AZR 853/16

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Der Geschäftsführer ohne Kündigungsschutz

Es kann auch Arbeitnehmer mit einem Bruttoverdienst im Monat von 90.000 € geben. Das gilt aber nicht für diesen Geschäftsführer hier.

Im Jahr 2004 wurde ein Arbeitnehmer bei einer Internationalen Management- und Beratungsgesellschaft eingestellt. Ein Jahr später schlossen die Parteien eine weitere Vertragsabsprache. Der Mann wurde zum Geschäftsführer und Senior-Partner ernannt und in ein entsprechendes Dienstverhältnis übernommen. Der Geschäftsführer hatte keine festen Arbeitszeiten und auch keinen festen Arbeitsort. Die beruflichen Reisen konnte er ohne Genehmigung durchführen und sein monatliches Gehalt belief sich auf über 90.000 € brutto. Das zuvor bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die Vereinbarung aufgehoben. Dann erhielt er viele Jahre später die Kündigung, gegen die er Kündigungsschutzklage erhob. Die Klage vor dem Arbeitsgericht war unbegründet. Der Geschäftsführer war kein Arbeitnehmer, da eine typische Weisungsabhängigkeit fehlte. Damit hatte er auch keinen Kündigungsschutz und der Arbeitgeber benötigte für die Kündigung des Geschäftsführervertrags keinen Grund.

Hinweis: Der Senior-Partner und Geschäftsführer einer internationalen Managementberatungsgesellschaft ist kein Arbeitnehmer und hat damit keinen Kündigungsschutz.

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 18.01.2018 – 7 Sa 292/17

www.lag-koeln.nrw.de

 

Ein Mann als Gleichstellungsbeauftragte?

Ein interessanter Fall einer sachlich gerechtfertigten Diskriminierung. Denn es ging um die Frage, ob Gleichstellungsbeauftragte auch männlichen Geschlechts sein dürfen.

Ein Mann forderte eine Entschädigung, weil er diskriminiert worden war. Insgesamt wollte er drei Monatsverdienste erhalten, weil er wegen seines Geschlechts nicht eingestellt worden war. Und das kam so: Die Stelle einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten war ausgeschrieben worden, auf die er sich dann beworben hatte. Der Mann wurde jedoch aufgrund seines Geschlechts nicht genommen. Ihm wurde unter Berufung auf eine Auskunft des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung eine Absage erteilt mit der Begründung, dass in Schleswig-Holstein nur Frauen die Funktion einer Gleichstellungsbeauftragten im öffentlichen Dienst ausüben könnten. Und das sahen die Richter genauso. Zwar war der Mann diskriminiert worden wegen seines Geschlechts, diese Benachteiligung war aber gerechtfertigt. Nach den gesetzlichen Grundlagen des Bundeslandes kamen nur weibliche Gleichstellungsbeauftragte in Betracht. Und diese Vorschrift war nach den Richtern auch verfassungsgemäß, da sie die Beseitigung nach wie vor vorhandener struktureller Nachteile von Frauen bezweckt.

Hinweis: Gleichstellungsbeauftragte müssen nach dem Urteil jedenfalls in Schleswig-Holstein weiblich sein.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 02.11.2017 – 2 Sa 262 d/17

www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/LAG/lag_node.html

 

Keine Schwärzungen der Lohn- und Gehaltslisten

Jeder Betriebsrat hat das Recht, in die betriebliche Brutto-Lohn- und Gehaltsliste einsehen zu dürfen. Doch darf der Arbeitgeber hier Anonymisierungen vornehmen? Oder muss er das aus Datenschutzgründen vielleicht sogar?

Ein Betriebsrat wollte in die Gehaltslisten des Betriebs eine Einsichtnahme erhalten. Der Arbeitgeber hatte ihm in den Vorjahren die Einsicht in die Bruttoentgeltlisten gewährt, dann aber nicht mehr. Deshalb machte der Betriebsrat seinen Anspruch gerichtlich geltend und die Parteien einigten sich auf ein Einsichtsrecht. Trotzdem stellte sich der Arbeitgeber quer und anonymisierte die Gehaltslisten. Sie enthielt die Personalstammdaten der Arbeitnehmer sowie Angaben zum Grundgehalt, weiteren Vergütungsbestandteilen und den Zulagen. Die Namen der Arbeitnehmer fehlten. Der Arbeitgeber meinte, er dürfe das aus Gründen des Datenschutzes nicht mitteilen. Diese Auffassung war aber nicht richtig. Der Betriebsrat hat Anspruch auf eine umfassende Einsichtnahme. Und dazu gehörte auch die Angabe der Namen der Mitarbeiter. Der Anspruch ergibt sich aus dem allgemeinen Informationsanspruch aus § 80 Abs. 2 BetrVG. Das sich daraus ergebende Einsichtsrecht umfasst auch alle Lohn- und Gehaltsbestandteile. Ohne die Angabe der Namen kann ein Betriebsrat aber das mit der Einsichtnahme verbundene Ziel, Kenntnis über die effektiv gezahlten Vergütungen zu erlangen, um prüfen zu können, ob innerbetriebliche Lohngerechtigkeit existiere, nicht erreichen.

Hinweis: Lohn- und Gehaltslisten dürfen vor der Übergabe an den Betriebsrat nicht anonymisiert werden und der Betriebsrat hat ein Einsichtsrecht.

Quelle: LAG Hamm, Beschl. v. 19.09.2017 – 7 TaBV 43/17

www.lag-hamm.nrw.de

 

Das Anbieten der Arbeitsleistung

Ohne Arbeit, gibt‘s auch keinen Lohn. Das ist der Grundsatz. Davon gibt es jedoch eine Vielzahl von Ausnahmen, beispielsweise, wenn sich der Arbeitgeber in einem Annahmeverzug befindet.

Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer dieses Falls kannten sich bereits länger. Denn der Maler dieses Falls war bereits zuvor bei dem Malermeister als Leiharbeiter tätig. Dann wollte der Arbeitnehmer in ein festes Arbeitsverhältnis bei dem Malermeister wechseln. Kurz vor Aufnahme der Tätigkeit erlitt der Maler dann einen Unfall und erbrachte ab September keine Arbeitsleistung mehr für den Malermeister. Erst im folgenden Jahres klagte er seinen Annahmeverzugslohn für fast ein Jahr ein. Er behauptete, er habe seine Arbeitsleistung wiederholt telefonisch, per E-Mail oder Fax angeboten. Das reichte den Richtern aber nicht. Der Arbeitnehmer hatte bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn aus dem Arbeitsvertrag. Er hätte die Arbeitsleistung ab Beginn des Arbeitsverhältnisses tatsächlich anbieten müssen. Die Leistung muss so angeboten werden, wie sie zu bewirken ist, also am richtigen Ort, zur richtigen Zeit und in der richtigen Art und Weise entsprechend dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Ein Angebot per Telefon, Fax oder E-Mail reicht dafür nicht aus.

Hinweis: Die Arbeitsleistung ist vom Arbeitnehmer also tatsächlich anzubieten. Ein wörtliches Angebot kann das tatsächliche Angebot nicht ersetzen. Das bedeutet im Klartext, dass der Arbeitnehmer in aller Regel auf der Arbeitsstelle erscheinen muss.

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 08.09.2017 – 4 Sa 62/17

www.lag-koeln.nrw.de

 

Ist eine Prügelei unter Kollegen ein Arbeitsunfall?

Handgreiflichkeiten sollten vor allem am Arbeitsplatz tabu sein.

Nach der Arbeit auf einer Baustelle fuhren mehrere Arbeitnehmer mit einem Firmentransporter gemeinsam nach Hause. Zwischen den Kollegen gab es dann allerdings Streit um die Frage, ob Fenster zum Lüften des Autos geöffnet werden sollten oder nicht. Nachdem ein Kollege abgesetzt worden war und ein anderer bei dieser Gelegenheit die Beifahrertür öffnete, eskalierte die Situation und ein Kollege schlug einem anderen mit der Faust ins Gesicht und dieser fiel zu Boden. Mit dem Sicherheitsschuh trat er dann noch auf den Kopf ein. Dadurch erlitt der eine Arbeitnehmer eine Schädelprellung. Die Berufsgenossenschaft wollte dieses Ereignis nicht als Arbeitsunfall anerkennen und so musste der verletzte Arbeitnehmer klagen. Und er bekam recht. Auch der Heimweg von der Arbeitsstätte zur Wohnung steht unter dem Schutz der gesetzlichen Wegeunfallversicherung. Der Versicherungsschutz wurde auch nicht unterbrochen, denn das Zurücklegen des Weges war die maßgebliche Ursache für die Schläge und Tritte durch den Täter. Auch wollte der Schläger den verletzten Arbeitnehmer daran hindern, die Fahrzeugtür zu schließen, um die Weiterfahrt zu stoppen. Damit lag die Ursache des Streits nicht im privaten Bereich, sondern in der versicherten Tätigkeit.

Hinweis: Eine Prügelei unter Kollegen kann also ein Arbeitsunfall sein. Stets sollte berücksichtigt werden, dass Handgreiflichkeiten unter Kollegen den Arbeitgeber zum Ausspruch einer Kündigung berechtigen.

Quelle: LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 22.11.2017 – L 1 U 1277/17

www.lsg-baden-wuerttemberg.de

 

Drohung mit Selbstmord

Was macht der Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer, der mit Selbstmord droht?

Im öffentlichen Dienst war ein Mann seit vielen Jahren beschäftigt. Er war mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gleichgestellt und tariflich unkündbar. Nun sollte er nach einer längeren Arbeitsunfähigkeit ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchlaufen und wurde zu einer Gesprächsrunde eingeladen. Dort wurde vereinbart, dass eine Wiedereingliederung von 3-4 Arbeitsstunden täglich durchgeführt werden sollte. Dann gab es einige Wochen später ein weiteres Gespräch innerhalb des betrieblichen Eingliederungsmanagements. In diesem Gespräch äußerte sich der Arbeitnehmer und drohte mit Selbstmord und sprach von „Amok“. Er wurde daraufhin in die Psychiatrie gebracht. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos und das Integrationsamt stimmte der außerordentlichen Kündigung zu. Trotzdem erhob der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage. Ob die Kündigung das Arbeitsverhältnis beenden konnte, hat das Bundesarbeitsgericht noch nicht feststellen können. Die Drohung mit Selbstmord kann jedoch bereits einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen, wenn es dem Arbeitnehmer darum geht, mit der Drohung Druck auf den Arbeitgeber auszuüben, um bestimmte eigene Interessen durchzusetzen. Hat der Arbeitnehmer ernstliche Drohungen bei der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ausgesprochen, schließt dies die Verwertung der betreffenden Erkenntnisse im Kündigungsschutzprozess nicht aus. Das Landesarbeitsgericht hatte sich jedoch nur mit der Drohung des „Amok“ beschäftigt, dabei wäre auch die Drohung des Selbstmords für sich gesehen ein Grund, eine Kündigung auszusprechen. Nun muss das vorinstanzliche Landesarbeitsgericht die Angelegenheit nochmals prüfen.

Hinweis: Alleine schon die Drohung mit einem Selbstmord durch einen Arbeitnehmer kann eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber rechtfertigen. Da sollten Arbeitnehmer also vorsichtig sein, was sie sagen.

Quelle: BAG, Urt. v. 29.06.2017 – 2 AZR 47/16

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Heimliche Aufnahme des Personalgesprächs

Wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zum Personalgespräch einlädt, rechnet er nicht damit, dass das Personalgespräch vom Arbeitnehmer aufgezeichnet wird.

Ein Arbeitnehmer soll Kolleginnen und Kollegen beleidigt und bedroht haben. Er wurde deshalb abgemahnt und dann noch zu einem Personalgespräch geladen. Dieses Gespräch zwischen dem Arbeitnehmer, seinem Vorgesetzten und einem Vertreter des Betriebsrats zeichnete der Arbeitnehmer mit seinem Smartphone auf, ohne das den anderen mitzuteilen. Als der Arbeitgeber davon erfuhr, kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos. Die dagegen eingelegte Kündigungsschutzklage war erfolglos. Denn der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs ist grundsätzlich geeignet, sowohl eine ordentliche verhaltensbedingte als auch eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei kommt es auf die mit diesem Verhalten verbundene Verletzung der Interessen des Arbeitgebers an. Das heimliche Mitschneiden des Gesprächs durch den Arbeitnehmer ist rechtswidrig, weil aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht das Recht auf die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes folgt. Dazu gehört in bestimmten Grenzen das Recht am gesprochenen Wort. Deshalb darf grundsätzlich jedermann selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und von wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf. Das Grundgesetz schützt die Befugnis des Menschen, selbst zu bestimmen, ob seine Worte einzig seinem Gesprächspartner, einem bestimmten Kreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen.

Hinweis: Es steht also glasklar fest, dass einem Arbeitnehmer, der ein Personalgespräch heimlich mit seinem Smartphone aufnimmt, fristlos gekündigt werden darf.

Quelle: LAG Hessen, Urt. v. 23.08.2017 – 6 Sa 137/17

https://arbeitsgerichtsbarkeit.hessen.de/LAG-Frankfurt

 

Mehr freizustellende Betriebsräte

Durch eine Gesetzesänderung, die nun auch vom Bundesarbeitsgericht nochmals bestätigt wurde, kann es mehr Rechte für Betriebsräte auf Freistellungen geben.

In einem Betrieb wurden über mehrere Jahre ca. 150 Leiharbeitnehmer eingesetzt. Zählte man diese Leiharbeitnehmer zu der Beschäftigtenzahl hinzu, betrug die durchschnittliche Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer im Jahr 2012 insgesamt 758,17 Arbeitnehmer, im Jahr 2013 insgesamt 661,5 Arbeitnehmer und im Jahr 2014 insgesamt 634,17 Arbeitnehmer. Ein Betriebsratsmitglied war von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt, die Freistellung eines weiteren Mitglieds lehnte die Arbeitgeberin ab – zu Unrecht. Nach § 38 Abs. 1 S. 1 BetrVG sind in Betrieben mit in der Regel 501 bis 900 Arbeitnehmern zwei Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen. Leiharbeitnehmer sind dabei mit zu berücksichtigen, wenn sie zu dem regelmäßigen Personalbestand des Betriebs zählen. Denn nach § 14 Abs. 2 S. 4 AÜG in der seit dem 01.04.2017 geltenden Fassung sind Leiharbeitnehmer auch im Entleiherbetrieb zu berücksichtigen, wenn Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetztes eine bestimmte Anzahl an Arbeitnehmern voraussetzen. Daher sind Leiharbeitnehmer bei der nach § 38 Abs. 1 S. 1 BetrVG maßgeblichen Beschäftigtenanzahl für die Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder mitzuzählen.

Hinweis: Betriebsräte sollten nach diesem Urteil prüfen, ob Leiharbeitnehmer dauerhaft beschäftigt und dadurch Grenzen des Betriebsverfassungsrechts durchbrochen werden. Unter Umständen kann das sogar zu einer weiteren Freistellung eines Arbeitnehmers für die Betriebsratstätigkeit führen.

Quelle: BAG, Beschl. v. 02.08.2017 – 7 ABR 51/15

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Ende der sachgrundlosen Befristung?

Es ist selten, dass sich Landesarbeitsgerichte so offen gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Wehr setzen.

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist zwar bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren die dreimalige Verlängerung eines sachgrundlosen befristeten Arbeitsvertrags möglich. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gilt dies jedoch nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ein Arbeitnehmer war in den Jahren 2005 bis 2008 bei einem Arbeitgeber beschäftigt und wurde dann ab Juli 2014 nochmals durch eine sachgrundlose Befristung eingestellt. Er meinte nun, die Befristung sei unwirksam und hatte eine entsprechende Entfristungsklage erhoben. Ausdrücklich folgte das Landesarbeitsgericht nicht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach das Anschlussverbot zeitlich begrenzt ist und Arbeitnehmer, die nicht in den letzten drei Jahren beschäftigt wurden, erneut sachgrundlos beschäftigt werden dürfen. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts verstößt die Auslegung des Bundesarbeitsgerichts gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut. Zu der Frage wird nun das Bundesverfassungsgericht Stellung nehmen.

Hinweis: Dieses Urteil wird nicht das Aus für befristete Arbeitsverträge ohne Sachgrund sein. Aber es schränkt die Möglichkeiten des Arbeitgebers weiter ein. Ob dieses tatsächlich auch im Sinne der Arbeitnehmer ist, bleibt abzuwarten.

Quelle: LAG Hessen, Urt. v. 11.07.2017 – 8 Sa 1578/16

https://lag-frankfurt-justiz.hessen.de

 

Ausländerfeindliche WhatsApp-Nachrichten

Ein Fall zum Fremdschämen, den Sie kennen sollten.

Vier städtische Arbeitnehmer tauschten in einer kleinen privaten WhatsApp-Gruppe fremdenfeindliche Bilder aus. Der städtische Arbeitgeber erfuhr davon und kündigte fristlos. Dagegen legten die vier Arbeitnehmer Kündigungsschutzklagen ein. Und tatsächlich gewannen sie, da kein Kündigungsgrund vorgelegen hatte. Die Arbeitnehmer durften darauf vertrauen, dass der Inhalt nicht nach außen getragen wird. Es darf arbeitsrechtlich nicht zulasten eines Arbeitnehmers gehen, wenn ein Gesprächspartner eine vereinbarte Vertraulichkeit aufhebt und den Arbeitgeber informiert. Private Textnachrichten mit fremdenfeindlichem Inhalt in einer kleinen WhatsApp-Gruppe stellen demnach keinen Kündigungsgrund dar.

Hinweis: Manche Dinge sollte man einfach gar nicht tun, auch nicht in vertraulichen Social-media-Gruppen. Die Arbeitnehmer haben hier viel Glück gehabt!

Quelle: ArbG Mainz, Urt. v. 15.11.2017 – 4 Ca 1240/17, 4 Ca 1241/17, 4 Ca 1242/17, 4 Ca 1243/17

https://arbgmz.justiz.rlp.de

 

Die Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich

Wer einen Vergleich abschließt, sollte sich dann auch daran halten.

Nach einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht hatte der Arbeitgeber ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, welches mindestens die Gesamtnote „gut" enthalten sollte. Das tat er aber nicht und der Arbeitnehmer erhob eine erneute Klage. Innerhalb dieses Verfahrens einigten sich die Parteien dann auf die Erteilung eines Zeugnisses. Dieses Mal wurde jedoch der Zeugnisinhalt wörtlich festgelegt und der Text wurde dem Vergleich als Anlage beigefügt. Daraufhin erhielt der Arbeitnehmer das Zeugnis, der Arbeitgeber wich jedoch nun von dem vereinbarten Inhalt ab. Daraufhin beantragte der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber die Festsetzung eines Zwangsgelds, ersatzweise Ordnungshaft. Der Antrag hatte Erfolg. Das bisher erteilte Zeugnis entsprach nicht der Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Vergleich. Er war vom inhaltlich wörtlich vereinbarten Text abgewichen. Der Arbeitnehmer hat den Rechtsstreit gewonnen und der Arbeitgeber muss sich wortwörtlich an den vereinbarten Text halten.

Hinweis: Wollen Arbeitnehmer beim Thema Zeugnis auf Nummer sichergehen, sollte tatsächlich der gesamte Zeugnistext Gegenstand eines gerichtlichen Vergleichs sein. Denn dann steht fest, was für ein Zeugnis der Arbeitgeber genau auszustellen hat.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 25.07.2017 – 1 Ta 78/17

www.schleswig-holstein.de/LAG

 

Betriebsratswahl nach d’Hondtschem Höchstzahlverfahren

Die Verteilung der Betriebsratssitze nach der bisherigen Praxis ist rechtmäßig. Ein guter Beschluss des Bundesarbeitsgerichts!

Anlässlich der letzten Betriebsratswahl wurden in einem Betrieb 17 Arbeitnehmer, die für verschiedene Listen kandidiert hatten, in den Betriebsrat gewählt. Die Sitzverteilung wurde nach dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren vorgenommen. Einige Arbeitnehmer erklärten dann die Anfechtung der Wahl und zogen vor das Gericht. Sie waren der Auffassung, dass das vorgenommene d’Hondtsche Höchstzahlverfahren verfassungswidrig sei und sowohl gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl als auch gegen die Koalitionsfreiheit verstoße würde. Insbesondere bemängelten sie, dass kleine Gruppierungen benachteiligt werden würden. Die in § 15 Abs. 1 und 2 der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz (WO BetrVG) vorgesehene Verteilung der Betriebsratssitze nach dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren ist jedoch verfassungsgemäß. Mit keinem der gängigen Sitzungsverteilungsverfahren lässt sich bei einer Verhältniswahl, bei der die Stimmen in Sitze umgerechnet werden, eine vollständige Gleichheit des Wertes der Wählerstimmen im Verhältnis zu den Sitzen erzielen.

Hinweis: Die bisherigen Betriebsratswahlen sind also rechtmäßig und für die regelmäßigen Wahlen, die im Jahr 2018 stattfinden werden, gibt es endlich eine Rechtssicherheit.

Quelle: BAG, Beschl. v. 22.11.2017 – 7 ABR 35/16

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Wiedereinstellungsanspruch von Arbeitnehmern

Auch nach dem Ausspruch einer an sich rechtmäßigen Kündigung, kann Arbeitnehmern ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen. Wie das im Kleinbetrieb aussieht, zeigt dieser Fall.

Der Angestellten einer Apotheke hatte von seinem bisherigen Arbeitgeber ebenso wie sämtliche Kolleginnen und Kollegen die Kündigung erhalten. Der Arbeitgeber wollte den Betrieb schließen. Dann führte der Arbeitgeber den Betrieb noch einige Wochen weiter und ein anderer Arbeitgeber übernahm den Betrieb sowie drei Arbeitnehmer, aber nicht den Beschäftigten dieses Falls. Deshalb klagte dieser auf eine Weiterbeschäftigung bei dem neuen Arbeitgeber. Das Bundesarbeitsgericht wies darauf hin, dass ein Wiedereinstellungsanspruch nur Arbeitnehmern zustehen kann, die zum Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz haben. In einem kleinen Betrieb kann sich ein solcher Wiedereinstellungsanspruch im Einzelfall aus dem Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB ergeben. Hier hätte der Arbeitnehmer jedoch gegen den ehemaligen Arbeitgeber, der die Apotheke noch einige Wochen fortgeführt hatte, unter Umständen einen Anspruch gehabt. Dagegen war er jedoch in der zweiten und dritten Instanz nicht mehr vorgegangen und hatte somit den Falschen verklagt und damit seine Klage verloren.

Hinweis: Arbeitnehmer in Kleinbetrieben haben keinen allgemeinen Kündigungsschutz. Allerdings gibt es immer für solche Fälle noch ein Auffangbecken: den Grundsatz von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte.

Quelle: BAG, Urt. v. 18.10.2017 – 10 AZR 47/17

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Kein betriebliches Eingliederungsmanagement bei einer Versetzung

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM) ist vor nahezu jeder Kündigung durchzuführen. Doch wie sieht das bei einer Versetzung aus?

Ein Arbeitnehmer wurde seit Jahren in der Nachtschicht beschäftigt. Nach längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten und suchtbedingten Therapiemaßnahmen versetzte die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer in eine Tätigkeit in Wechselschicht. Das wollte der sich aber nicht gefallen lassen und meinte, die Versetzung sei unwirksam. Vor der Versetzung hätte die Arbeitgeberin ein bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchführen müssen. Das Bundesarbeitsgericht war anderer Auffassung. Die Durchführung eines bEM ist keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung ist. Dies gilt ausdrücklich auch in den Fällen, in denen die Anordnung (auch) auf Gründe gestützt wird, die im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers stehen. Trotzdem verwies es die Angelegenheit an die Vorinstanz zurück. Es musste noch geprüft werden, ob die Arbeitgeberin die Versetzung nach billigem Ermessen durchgeführt hatte.

Hinweis: Das bEM ist für Arbeitgeber zu einer großen Falle geworden. Es ist nicht einfach durchzuführen und vor einer Vielzahl von Personalentscheidungen, insbesondere bei krankheitsbedingten Kündigungen, unerlässlich.

Quelle: BAG, Urt. v. 18.10.2017 – 10 AZR 47/17

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Alte Regelungen und neue Betriebsräte

Dieses ein spannender Fall und er dreht sich um die Frage, wie alte Regelungen zu beurteilen sind, wenn erstmals ein Betriebsrat in einem Betrieb gewählt wird.

Bei einem Paketzustelldienst war ein Betriebsrat gewählt worden war. Vor dieser Zeit gab es im Betrieb schriftliche Arbeitsverträge, die unter anderem auf eine Arbeitszeit-Betriebsordnung verwiesen, die die wöchentliche Arbeitszeit von bis zu 52 Stunden regelte. Der neue Betriebsrat teilte dann der Arbeitgeberin mit, dass er die Arbeitszeit-Betriebsordnung für unverbindlich halte. Die Arbeitgeberin sah das anders und schließlich forderte der Betriebsrat unter anderem die Unterlassung der Anordnung von Mehrarbeit – zu recht. Alles, was über 39 Stunden hinausging, verletzte den Betriebsrat in seinem Mitbestimmungsrecht. Denn dieser hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG beim Beginn und beim Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen mitzubestimmen, ebenso, wie bei einer vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Die alten Betriebsordnungen hätten zwar grundsätzlich noch weiter fortbestanden mit der Folge, dass der Betriebsrat nur eine Verhandlungsoption und das Recht zur Anrufung der Einigungsstelle gehabt hätte. Die Regelungen waren jedoch nicht wirksam mit den einzelnen Arbeitnehmern in deren Arbeitsverträgen vereinbart worden. Denn Arbeitsbedingungen, die einseitig durch den Arbeitgeber geändert werden können, sind formularmäßig nicht in Arbeitsverträgen vereinbar.

Hinweis: „Das ist hier schon immer so gewesen!“ gilt also nicht, wenn es erstmals einen Betriebsrat gibt.

Quelle: LAG Hamm, Beschl. v. 09.05.2017 – 7 TaBV 125/16

www.lag-hamm.nrw.de

 

Stasi und öffentlicher Dienst

Es gibt noch immer Arbeitnehmer, die ihre ehemalige Stasi-Arbeit nicht offenbart haben und verheimlichen. Problematisch wird das insbesondere im öffentlichen Dienst.

Der stellvertretende Direktor des Landesinstituts für Rechtsmedizin des Landes Brandenburg hatte ein Problem mit seiner Vergangenheit. 1988 und 1989 war er in seiner Funktion als Militärarzt in der DDR inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gewesen. Im Rahmen seiner Befragung hatte er 1991 wahrheitswidrig diese Tätigkeit verleugnet. Als er sich dann für die Stelle des Direktors beworben hatte, erfuhr das Land von der MfS-Tätigkeit. Der Arbeitnehmer bestritt das noch immer. Schließlich kündigte das Land das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund. Dagegen klagte der Arbeitnehmer erfolgreich, denn die Kündigung war unwirksam. Das Ausmaß der Tätigkeit für das MfS war als eher gering einzustufen. Sie wog nicht so schwer, als das eine spätere Verheimlichung, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unmöglich machte. Aufgrund seiner langen, unbeanstandet gebliebenen Tätigkeit konnte dem Bundesland eine Weiterbeschäftigung zugemutet werden. Auch die mehrfache Leugnung der Tätigkeit änderte an dieser Entscheidung nichts.

Hinweis: Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR sorgt also noch immer für Gesprächsstoff, auch bei den Gerichten. Ein dunkles Kapitel der deutschen Vergangenheit, mit dem viele noch immer nicht wirklich umzugehen wissen.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.10.2017 – 5 Sa 462/17

https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht

 

Die 3-jährige Kündigungsfrist

Auch lange Kündigungsfrist können im Arbeitsrecht vereinbart werden. Aber irgendwo ist auch eine Grenze zu ziehen, jedenfalls in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Ein Speditionskaufmann war seit Ende 2009 bei einer 45-Stunden-Woche und einer Bezahlung in Höhe von 1.400 € brutto tätig war. Im Jahr 2012 schlossen die Parteien dann eine Zusatzvereinbarung. Die gesetzliche Kündigungsfrist erhöhte sich für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende und das Bruttogehalt wurde ergebnisabhängig auf ca. das Doppelte angehoben. Dann stellten einige Arbeitnehmer fest, dass die Arbeitgeberin zur Überwachung der Arbeitnehmer ein Spionageprogramm auf den PCs installiert hatte. Daraufhin kündigten mehrere Arbeitnehmer, ebenso wie der Speditionskaufmann, der seine 3-jährige-Kündigungsfrist allerdings nicht einhielt. Die Arbeitgeberin verklagte den Arbeitnehmer auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis ist noch drei Jahre fortbestehen sollte. Vor Gericht scheiterte sie jedoch damit. Bei dem Arbeitsvertrag handelte es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Regelungen zur Kündigungsfrist waren unwirksam, da sie von wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, nämlich den gesetzlichen Kündigungsfristen, abwichen. Die Kündigung durch den Arbeitnehmer war rechtmäßig.

Hinweis: Was halten Sie von dieser 3-jährigen-Kündigungsfrist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Ein großes Wagnis für beide Seiten, wie immer bei einem lange laufenden Vertrag. In aller Regel dürfte bei so etwas jedoch der Arbeitgeber sich ins eigene Fleisch schneiden. Denn schließlich wird er den Arbeitnehmer im Zweifel nicht so schnell los.

Quelle: BAG, Urt. v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Kündigung nach sexueller Belästigung

Bei jeder Form der sexuellen Belästigung steht der Bestand des Arbeitsverhältnisses für einen Arbeitnehmer auf dem Spiel.

In einem Stahlwerk waren neben der Stammbelegschaft unter anderem zwei Leiharbeiter eingesetzt. Dann geschah etwas Unfassbares: Einer der Arbeitnehmer aus der Stammbelegschaft, bereits seit 1991 beschäftigt, griff einem der Leiharbeiter schmerzhaft von hinten in den Genitalbereich. Dann sagte er zu ihm, dass er dicke Eier habe. Der Arbeitgeber kündigte darauf das Arbeitsverhältnis mit dem Täter. Gegen die Kündigung legte der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage ein und meinte, er habe lediglich unabsichtlich das Hinterteil des Leiharbeiters berührt. Das Bundesarbeitsgericht sagten deutlich, dass ein solches Verhalten grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen kann. Denn es lag eine zweifache sexuelle Belästigung vor, einmal durch den Griff und einmal durch den anschließenden Spruch des Arbeitnehmers. Insbesondere muss keine sexuelle Motivation des Täters vorliegen. Es kommt nur darauf an, ob das Verhalten die Würde des Betroffenen verletzt. Letztendlich muss das Landesarbeitsgericht nochmals über die Angelegenheit entscheiden und auch eine ordnungsgemäße Interessenabwägung vornehmen.

Hinweis: Bei der absichtlichen Berührung von Geschlechtsteilen kommt es also auf eine sexuelle Motivation des Täters nicht an.

Quelle: BAG, Urt. v. 29.06.2017 – 2 AZR 302/16

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„Mein Kampf“ gehört nicht an den Arbeitsplatz

Manche Verhaltensweisen von Arbeitnehmern machen einfach nur sprachlos.

Ausgerechnet ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes in Berlin las im Pausenraum während der Dienstzeit eine Originalausgabe des Buchs „Adolf Hitler, Mein Kampf". Auf dem Buch war ein Hakenkreuz aufgedruckt. Als der Arbeitgeber davon erfuhr, sprach er eine ordentliche fristgerechte Kündigung zum nächstmöglichen Termin aus. Dagegen klagte der Arbeitnehmer – vergeblich. Der Arbeitnehmer hatte nämlich einen erheblichen Pflichtverstoß begangen, der noch nicht mal zuvor abgemahnt werden musste. Der Arbeitnehmer trat sie als Repräsentant des Landes Berlin auf und war verpflichtet, besonders für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Das ist jedoch nicht in Einklang zu bringen mit einem öffentlichen Zurschaustellen eines Hakenkreuzes.

Hinweis: Die Kündigung eines Mitarbeiters des Ordnungsamts, der während seiner Dienstzeit „Adolf Hitler, Mein Kampf " liest, ist also gerechtfertigt. Das gilt zumindest dann, wenn das Hakenkreuz auf dem Buch nicht verdeckt wird. Dämlich ist ein solches Verhalten alle Mal.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 25.09.2017 – 10 Sa 899/17

https://www.berlin.de/gerichte/landesarbeitsgericht

 

Querulant im Gerichtsverfahren

Der Weg zu den Gerichten steht allen Bürgerinnen und Bürgern offen. Es sei denn, sie versuchen, die Justiz zu missbrauchen.

Eine Frau hatte sich auf eine Stelle als Softwareentwicklerin beworben und wurde abgelehnt. Daraufhin fühlte sie sich aus mehreren Gründen diskriminiert und machte Ansprüche auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geltend. Sie fühlte sich diskriminiert wegen ihres Alters, ihres Geschlechts und ihrer Herkunft und verlangte 14.000 €. Das Problem des Falls: Zuvor hatte sie in den vergangenen 10 Jahren allein am Landesarbeitsgericht Hamburg einige 100 Verfahren geführt. Diese waren überwiegend aussichtslos. Sie hatte enorme Gerichts- und Anwaltskosten verursacht. Und nun hat das Landesarbeitsgericht die Reißleine gezogen. Abgesehen davon, dass die Frau für die Stelle objektiv gar nicht geeignet war, unterstellten die Richter eine Prozessunfähigkeit. Die Frau wurde als reine Querulantin eingestuft. Sie gingen von einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit aus. Die Frau war absolut uneinsichtig und übertrug den Kampf gegen den ursprünglichen Gegner auf andere Menschen und andere Instanzen. Sie war auch nicht mehr in der Lage, die Behandlung der Ansprüche durch die Gerichte nachzuvollziehen. Das hatte auch in einem vorherigen Verfahren bereits ein Gutachter bestätigt.

Hinweis: Ein Querulant ist also prozessunfähig, wenn er unzählige aussichtlose Verfahren wegen vermeintlicher Diskriminierung führt und dabei absolut uneinsichtig ist.

Quelle: LAG Hamburg, Urt. v. 09.08.2017 – 3 Sa 50/16

http://justiz.hamburg.de/landesarbeitsgericht/

 

Detektiveinsätze können rechtmäßig sein

Das Bundesarbeitsgericht hatte über einen Fall zu entschieden, in dem ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer durch einen Detektiv hat überwachen lassen.

Ein Arbeitnehmer war längerfristig erkrankt. Sein Arbeitgeber erfuhr dann von einer Kundin, dass die Söhne des Arbeitnehmers eine Konkurrenz-Firma gegründet hatten und der Arbeitnehmer dort arbeiten würde. Darauf angesprochen, äußerte sich der Arbeitnehmer nicht. Der Arbeitgeber beauftragte dann einen Detektiv, um dem Verdacht nachzugehen. Als sich dieser bestätigte, kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos. Dagegen klagte der Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht verwies die Angelegenheit an das Landesarbeitsgericht zurück. Das war nämlich der Meinung gewesen, sich mit den Erkenntnissen des Detektivs gar nicht mehr befassen zu müssen, da der Detektiveinsatz gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoßen hätte. Und genau das sah das Bundesarbeitsgericht anders. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) regelt, in welchem Umfang Eingriffe zulässig sind. Bei der Observation eines Arbeitnehmers durch einen Detektiv handelt es sich um eine Datenerhebung. Die Maßnahme ist nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG zulässig, da die Datenerhebung zur Aufklärung des konkreten Verdachts einer schweren Pflichtverletzung erfolgte und damit die Daten für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erhoben wurden. Voraussetzung ist jedoch stets, dass ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers sowie ein konkreter Verdacht vorliegen.

Hinweis: Die Überwachung eines Arbeitnehmers durch einen Detektiv zur Aufdeckung einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann demnach zulässig sein. Es kommt, wie so häufig im Arbeitsrecht, immer auf den Einzelfall an.

Quelle: BAG, Urt. v. 29.06.2017 – 2 AZR 597/16

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Low Performer

Arbeitnehmer, die nicht die gewünschte Arbeitsleistung erbringen, werden Low Performer genannt. Kein schöner Ausdruck, aber leider Realität.

Ein Arbeitnehmer hatte bereits wegen schlechter Arbeitsleistungen in der Kfz-Werkstatt drei Abmahnungen erhalten. Nun warf der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer vor, bei einem Kfz-Werkstatttest nur vier von sechs Fehlern erkannt sowie bei einem Auftrag anstehende Servicearbeiten nicht durchgeführt zu haben. Dies schade dem Ruf des Autohauses. Deshalb sprach der Arbeitgeber eine Kündigung wegen schlechter Arbeitsleistungen aus. Dagegen klagte der Arbeitnehmer und das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers statt. Der Arbeitgeber hatte weder die Leistungen des Arbeitnehmers über einen repräsentativen Zeitraum noch die Fehlerquote vergleichbarer Arbeitnehmer dargelegt. So konnte das Gericht nicht erkennen, ob der Arbeitnehmer seine vertraglichen Verpflichtungen vorwerfbar verletzt hatte.

Hinweis: Will der Arbeitgeber einem Low Performer kündigen, muss er darlegen, dass bei dem Arbeitnehmer eine unterdurchschnittliche Leistung vorliegt.

Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 25.08.2017 – 3 Ca 1305/17

www.arbg-siegburg.nrw.de

 

Betriebsausflug und Weihnachtsfeier

Hat ein Arbeitnehmer Anspruch darauf, an Betriebsausflügen und Feierlichkeiten des Betriebs teilzunehmen?

Es ging um einen Arbeitnehmer, der bei einem Verein angestellt und unmittelbar dem Vorstand unterstellt war. Zwischen dem Arbeitnehmer und dem Vorstandsvorsitzenden gab es dann Streit und die Parteien einigten sich darauf, dass der Arbeitnehmer unwiderruflich seit dem 01.01.2016 bis zur Beendigung des Vertrags durch den Renteneintritt am 28.02.2018 von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt wird. Nun veranstaltete der Arbeitgeber jedoch regelmäßig Betriebsausflüge, Weihnachtsfeiern sowie Karnevalsfeiern für die bei ihm beschäftigten Mitarbeiter. Im Jahr 2016 wurde der freigestellte Arbeitnehmer noch eingeladen. Dann gab es einen Wechsel beim Vorstandsvorsitzenden und die Einladungen unterblieben in der Folgezeit. Zu einer Veranstaltung ging der Arbeitnehmer ohne Einladung, er wollte die Frage jedoch grundsätzlich geklärt haben und zog vor das Arbeitsgericht. Und das Arbeitsgericht Köln urteilte, dass der Arbeitnehmer zwar keinen Anspruch darauf hat, dass der Arbeitgeber die Veranstaltungen überhaupt durchführt. Wenn solche Veranstaltungen jedoch für alle Arbeitnehmer durchgeführt werden, hat der Arbeitnehmer auch ein Recht aufgrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingeladen zu werden.

Hinweis: Auch ein freigestellter Arbeitnehmer hat also grundsätzlich einen Anspruch auf Teilnahme an Betriebsausflügen sowie Weihnachts- und Karnevalsfeiern.

Quelle: ArbG Köln, Urt. v. 22.06.2017 – 8 Ca 5233/16

www.arbg-koeln.nrw.de

 

Unwirksame Vertragsstrafe

Führt ein unwirksames Wettbewerbsverbot auch zur Unwirksamkeit einer Vertragsstrafe? Ein spannender Fall für diese Arbeitnehmerin.

Es ging um eine seit 16 Jahren angestellte Reiseverkehrsfrau. Im Arbeitsvertrag hatten sich die Parteien auf ein Wettbewerbsverbot für die Dauer von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und eine Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern bei Verstoß gegen das Verbot geeinigt. Auch eine Entschädigungszahlung durch den Arbeitgeber war für die Zeit des Verbots vereinbart worden. Als sich die Arbeitnehmerin dann nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht an das Wettbewerbsverbot hielt, klagte der Inhaber des Reisebüros die Vertragsstrafe ein. Er wollte drei Monatsgehälter von seiner Arbeitnehmerin erhalten – erfolglos. Das Wettbewerbsverbot war unverbindlich, da es nicht dem Schutz der berechtigten geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers diente. Denn das Interesse, allein die Konkurrenz einzudämmen, reichte nicht aus. Der Arbeitgeber hätte darlegen müssen, dass das Wettbewerbsverbot dem Schutz von Betriebsgeheimnissen dienen sollte oder dass das Verbot den Einbruch des Kundenkreises verhindern sollte. Beides war nicht geschehen. Das Gericht nahm an, dass Vieles dafür sprach, dass der Arbeitgeber nur einen Arbeitsplatzwechsel erschweren wollte. Da das Wettbewerbsverbot damit unverbindlich war, hatte dies auch Auswirkung auf die Vertragsstrafenklausel. Diese war unwirksam, denn Voraussetzung eines Anspruchs auf Zahlung einer Vertragsstrafe ist, dass die Vereinbarung über das Wettbewerbsverbot eigenständig wirksam ist.

Hinweis: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zu vereinbaren, kann für Arbeitgeber sinnvoll sein, ist es in den meisten Fällen jedoch nicht. Dann hat der ehemalige Arbeitgeber nämlich eine teure Karenzentschädigung an seinen Ex-Arbeitnehmer zu zahlen. Außerdem sind entsprechende vertragliche Regelungen nicht ganz einfach zu formulieren, wie auch dieser Fall zeigt.

Quelle: ArbG Solingen, Urt. v. 20.06.2017 – 3 Ca 153/17

www.arbg-solingen.nrw.de

 

Neues Urteil zu Ausschlussklauseln

Seit 2015 gibt es das Mindestlohngesetz, nach dem Arbeitnehmer auf den Mindestlohn gar nicht verzichten können oder dürfen. Und entsprechende Regelungen gab es bereits Jahre zuvor in einzelnen Branchen. Was ist aber mit den Ausschlussklauseln, die dieses nicht berücksichtigen?

Arbeitnehmer und Arbeitgeber hatten im Arbeitsvertrag vereinbart, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit gegenüber der Gegenseite geltend gemacht werden. Ebenso verfallen die Ansprüche auch, wenn sie nach Ablehnung der Gegenseite nicht innerhalb weiterer drei Monate eingeklagt werden. Nun machte der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf eine Urlaubsabgeltung für nicht genommene Urlaubstage und auf eine Bezahlung für geleistete Überstunden geltend. Die Ausschlussfrist verpasste er jedoch. Nach seiner Ansicht musste er die Frist auch gar nicht einhalten, da die Klausel unwirksam sein sollte, da sie Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausgeschlossen hat. Das Gericht hielt die Ausschlussklausel für wirksam und damit die Klage für verspätet. Die Ausschlussklausel war insbesondere nicht insgesamt unwirksam. Vereinbarungen, die den Mindestlohnanspruch beschränken oder seine Geltendmachung ausschließen sind unwirksam. Aber diese Regelung führt nur zur Unwirksamkeit der Klausel, soweit sie Mindestlohnansprüche betrifft. Die Wirkung umfasst nicht die Klausel insgesamt. Ziel des Gesetzgebers war es, die Arbeitnehmer vor niedrigen Löhnen zu schützen, aber nicht generell Ausschlussklauseln zu untersagen.

Hinweis: Ausschlussklauseln in Arbeitsvertragen sind vor allem bei Arbeitgebern sehr beliebt. In aller Regel müssen Ansprüche danach binnen drei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, andernfalls sind sie verwirkt. Diese Frist sollten Arbeitnehmer im Blick haben.

Quelle: LAG Nürnberg, Urt. v. 09.05.2017 – 7 Sa 560/16

www.lag.bayern.de/nuernberg/lag

 

Kein Geld bei verweigertem Urlaub

Dem Arbeitnehmer wird beantragten Urlaub verweigert und nun kann er ihn nicht mehr nehmen. Hat er einen Anspruch auf einen Geldersatz?

Eine Redakteurin hatte einen tariflichen Urlaubsanspruch von 31 Tagen. Dann vereinbarte sie mit ihrer Arbeitgeberin ein Altersteilzeitverhältnis im Blockmodell für den Zeitraum vom 1.4.2012 bis zum 31.3.2018. Die Arbeitsphase sollte mit dem 31.3.2015 enden. Es wurde vereinbart, dass ihr während der aktiven Altersteilzeit Erholungsurlaub, in dem ihr laut Arbeitsvertrag zustehenden Umfang, gewährt wird und der Urlaub während der passiven Freistellungszeit entfällt. Am 12.12.2014 beantragte die Redakteurin für 2015 noch 31 Urlaubstage, woraufhin ihr die Rundfunkanstalt nur acht Tage gewährte und den Antrag im Übrigen ablehnte. Daraufhin klagte sie das Geld für 23 Urlaubstage für das Jahr 2015 ein. Die Klage hat allerdings keinen Erfolg. Die Redakteurin hatte weder Anspruch auf Schadenersatz in Geld noch auf Abgeltung der Urlaubstag. Denn der Ersatzurlaub für den Erholungsurlaub konnte wegen des Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht mehr realisiert werden. Und Anspruch auf eine Abgeltung, also Bezahlung des Urlaubs, hat sie frühestens mit Ende des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2018.

Hinweis: Gewährt ein Arbeitgeber also den beantragten Urlaub nicht, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Ersatzurlaub. Einen Anspruch auf Bezahlung des Ersatzurlaubs hat er allerdings erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Quelle: BAG, Urt. v. 16.05.2017 – 9 AZR 572/16

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Arbeitnehmerüberwachung: alle 3 Minuten

Manche Fälle machen einfach sprachlos, so wie dieser. Die Arbeitnehmerüberwachung nimmt immer krassere Formen an.

In der Hauptstadt gibt es viele Taxen. Bei dem Taxameter im Taxi des Arbeitnehmers dieses Falls ertönte nach einer Standzeit von drei Minuten ein Signal. Der Fahrer hatte dann zehn Sekunden Zeit, eine Taste zu drücken. Drückt er die Taste innerhalb der Zeit, wurde seine Standzeit als Arbeitszeit erfasst. Drückt er die Taste nicht, wurde die Standzeit nicht als Arbeitszeit, sondern als unbezahlte Pause gewertet. Der Arbeitnehmer klagte dann auf Zahlung seiner Arbeitsvergütung in Höhe des Mindestlohns für die Standzeit – mit Erfolg. Er hatte einen Anspruch auf Zahlung der Arbeitsvergütung in Höhe des Mindestlohns für die Standzeiten, allerdings abzüglich der gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeiten. Standzeiten, in denen ein Taxifahrer bereit ist, einen Auftrag zu übernehmen, sind Arbeitsbereitschaft oder zumindest ein Bereitschaftsdienst und daher mindestlohnpflichtig. Außerdem verstieß die Signaltaste gegen das Bundesdatenschutzgesetz.

Hinweis: Ein Taxifahrer muss also nicht alle drei Minuten eine Taste drücken, um seine Arbeitsbereitschaft während einer Standzeit dem Arbeitgeber anzuzeigen. Und das gilt entsprechend natürlich auch für alle anderen Arbeitsplätze.

Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 10.08.2017 – 41 Ca 12115/16

https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht

 

Mitarbeiter-Coaching als Bildungsmaßnahmen

In vielen Fällen muss der Arbeitgeber seinen Betriebsrat beteiligen. Das gilt insbesondere für die Berufsbildung. Aber nicht alles, was bildet, ist eine Berufsbildung.

Ein Unternehmen führte Telefonate mit Kunden durch. Die Geschäftsführung entschied dann, dass Trainer die Kundentelefonate mithören und anschließend den Mitarbeitern konkrete Tipps zur Verbesserung der Gesprächsführung geben sollten. Das wird auch als Side-by-side-Coaching-Maßnahme bezeichnet. Der Betriebsrat des Unternehmens meinte allerdings, dass es sich dabei um eine betriebliche Bildungsmaßnahme handeln würde und er mitzubestimmen habe. Sein Recht folge aus § 98 Abs. 1 BetrVG, da es sich bei der Coaching-Maßnahme um eine Durchführung von betrieblichen Bildungsmaßnahmen handeln würde. Das vom Betriebsrat angerufene Gericht sah die Angelegenheit allerdings anders. Der Betriebsrat hatte kein Mitbestimmungsrecht. Nach Meinung des Gerichts war sofort erkennbar, dass das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kam. Ein lehrplanartiges, systematisches Vorgehen eines Trainers war ausgeschlossen, da er jeden einzelnen Mitarbeiter individuell coachte und ihm konkrete Tipps für die Verbesserung seiner Gesprächsführung gab. Damit bestand kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Hinweis: Wenn Arbeitnehmern durch einen Trainer konkrete Tipps zur Verbesserung der Gesprächsführung gegeben werden sollen, handelt es sich um ein sogenanntes Side-by-side-Coaching, bei dem der Betriebsrat nicht zu beteiligen ist.

Quelle: LAG Köln, Beschl. v 16.01.2017 – 9 TaBV 77/16

www.lag-koeln.nrw.de

 

Tarifeinheitsgesetz doch rechtmäßig

Es geht um das Problem von mehreren Gewerkschaften und Tarifverträgen in einem Unternehmen.

Das Tarifeinheitsgesetz regelt, dass in einem Betrieb, in dem mehrere Tarifverträge gelten, der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft, die die Mehrheit an Mitgliedern hat, den Tarifvertrag der Minderheitsgewerkschaft verdrängt. Gegen diese relativ neue gesetzliche Regelung klagten mehrere kleinere Gewerkschaften mit dem Argument, dass die im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit für Gewerkschaften aus Art. 9 Abs. 3 GG unzulässig eingeschränkt werde. Das sah das Bundesarbeitsgericht jedoch in weiten Teilen anders. Mit dem Grundgesetz unvereinbar ist das Gesetz nur insofern, als dass Vorkehrungen dagegen fehlen, dass die Interessen der Angehörigen einzelner Berufsgruppen oder Branchen bei der Verdrängung bestehender Tarifverträge einseitig vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber hat eine Neuregelung bis zum 31.12.2018 zu treffen. Bis dahin darf ein Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft im Fall einer Kollision den Tarifvertrag einer Minderheitengewerkschaft nur dann verdrängen, wenn deren Belange im Tarifvertrag ernsthaft und wirksam berücksichtigt werden. Das Tarifeinheitsgesetz ist also weitgehend verfassungsgemäß.

Hinweis: Endlich steht also fest, dass die komplizierten Regelungen des Tarifeinheitsgesetzes überwiegend rechtmäßig sind. Eine Entscheidung, auf die Arbeitgeber, Bahnreisende und Flugreisende wohl lange gewartet haben. Streiks kleinerer Gewerkschaften dürften künftig unterbleiben.

Quelle: BVerfG, Urt. v. 11.07.2017 – 1 BvR 1571/15 u.a.

www.bundesverfassungsgericht.de

 

Altersgrenze von Piloten

Der Europäische Gerichtshof hat zu einer Altersgrenze ein weiteres grundlegendes Urteil gefällt.

Es ging um einen Flugkapitän und Ausbilder. Als er 65 Jahre alt wurde, beschäftigte ihn die Fluggesellschaft im Einklang mit dem geltenden Recht nicht mehr. Trotzdem verlangte er sein Gehalt weiter, da sein Arbeitsverhältnis noch bestand und er eine Fluglizenz hatte. Außerdem hatte er die Berechtigung als Ausbilder und Prüfer. Die Altersgrenze verstieß seine Auffassung nach gegen das Diskriminierungsverbot aufgrund des Alters. Schließlich klagte er. Das Bundesarbeitsgericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof vor, der urteilte, dass die Altersgrenze eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters darstellen würde. Die Ungleichbehandlung war jedoch durch das Ziel der Gewährleistung der Sicherheit der Zivilluftfahrt gerechtfertigt. Die Altersgrenze findet nur auf den gewerblichen Luftverkehr Anwendung. Er darf als Pilot im nicht gewerblichen Luftverkehr mehr tätig sein, aber als Ausbilder oder Prüfer an Bord eines Luftfahrzeugs fungieren, sofern er kein Mitglied der Flugbesatzung ist.

Hinweis: Die Altersgrenze von 65 Jahren für im gewerblichen Luftverkehr tätige Piloten ist also rechtmäßig. Das Urteil wird sicherlich auch Auswirkungen auf andere Berufsgruppen haben.

Quelle: EuGH, Urt. v. 05.07.2017 – C-190/16

http://curia.europa.eu

 

Die unzulässige Überwachung von Arbeitnehmern

Der Arbeitnehmerüberwachung setzen die geltenden Datenschutzgesetze enge Grenzen.

Eine Arbeitgeberin des Falls informierte ihre Mitarbeiter, dass sie künftig sämtliche Internet-Aktivitäten aufzeichnen werde. Sie installierte auf dem PC eines Arbeitnehmers eine Software, die alle Tastatureingaben protokollierte und in regelmäßigen Abständen Bildschirmfotos erstellte. Als sich nach Auswertung der Daten dann herausstellte, dass tatsächlich eine Privatnutzung des PC durch den Arbeitnehmer erfolgt war, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis. Dagegen legte der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage ein und meint, die Daten dürften im Prozess vor dem Arbeitsgericht gar nicht verwendet werden. Und das sah das Bundesarbeitsgericht genauso. Die mittels einer Keylogger-Software erstellten Daten über die private Nutzung des PC durch den Arbeitnehmer durften im gerichtlichen Prozess nicht verwertet werden. Denn der Einsatz der Software verletzte den Arbeitnehmer in seinen Grundrechten. Die Arbeitgeberin hatte ohne ersichtlichen Grund eine solche Überwachungsmaßnahme vorgenommen. Es gab keinen begründeten Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung. Und damit war die Maßnahme unverhältnismäßig und rechtswidrig.

Hinweis: In diesem neuen Fall zur Überwachung von Arbeitnehmern ist sehr schön zu erkennen, was erlaubt ist und was nicht. Der Einsatz einer Keylogger-Software, die sämtliche Tastatureingaben an einem PC verdeckt protokolliert, ist unzulässig, selbst wenn der Arbeitnehmer zuvor auf eine grundsätzliche Überwachung hingewiesen wurde.

Quelle: BAG, Urt. v. 27.07.2017 – 2 AZR 681/16

www.bundesarbeitsgericht.de

 

Das Kopftuch in der hessischen Justiz

Im Bundesland Hessen gibt es einen Erlass, der genau regelt, wann aus religiösen Gründen in der Justiz ein Kopftuch getragen werden darf und wann nicht.

In Hessen dürfen Rechtsreferendarinnen aus religiösen Gründen kein Kopftuch tragen bei Verhandlungen im Gerichtssaal während sie auf der Richterbank sitzen und Sitzungsleitungen und Beweisaufnahmen durchführen oder Sitzungsvertretungen für die Amtsanwaltschaft übernehmen. Dagegen ging eine Referendarin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor – vergeblich. Denn der Eingriff in ihre Grundrechte durch das Kopftuchverbot während bestimmter Tätigkeiten im Rechtsreferendariat war zeitlich und örtlich begrenzt. Die weitüberwiegenden Teile der Ausbildung waren davon nicht betroffen. Richter müssen unparteiisch und neutral sein. Und das gilt auch Rechtsreferendare.

Hinweis: Die Rechtsreferendarin ist also mit ihrem Eilantrag gegen das Kopftuchverbot in der hessischen Justiz gescheitert. Wenn religiöse Zeichen verboten werden sollen, dann generell und am besten ohne einen aktuellen Anlass.

Quelle: BVerfG, Urt. v. 27.6.2017 – 2 BvR 1333/17

www.bundesverfassungsgericht.de

 

Kündigung wegen illoyalen Verhaltens

Hauptamtliche Mitarbeiter von Vereinen sollten sich gegenüber dem Vorstand loyal verhalten.

Die angestellte Geschäftsführerin eines Vereins und der Vereinsvorsitzende stritten über Reisekostenabrechnungen und Überstunden. Daraufhin rief die Geschäftsführerin die Mitglieder des Vereins dazu auf, eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen und die Vereinsspitze abzuwählen. Der Vorstand des Vereins erkannte in diesem Aufruf ein extrem illoyales Verhalten und kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Gegen diese Kündigung klagte die Geschäftsführerin mit mäßigem Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass illoyales und intrigantes Verhalten grundsätzlich ein Grund für eine fristlose Kündigung sein können. Durch dieses Verhalten wird die erforderliche Vertrauensbasis zerstört und der Betriebsfriede erheblich gestört. Allerdings muss der Arbeitgeber binnen zwei Wochen nach Kenntniserlangung der Kündigungsgründe die fristlose Kündigung aussprechen. Ob dieses erfolgt war, muss nun die Vorinstanz nochmals untersuchen.

Hinweis: Geschäftsführer sind alles andere als vor Kündigungen geschützt. Die rechtliche sehr schwache Stellung sollte Geschäftsführern bewusst sein. Aber dafür bekommen sie auch monatlich in aller Regel viel mehr Geld als der durchschnittliche Arbeitnehmer.

Quelle: BAG, Urt. v. 01.06.2017 – 6 AZR 720/15

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Neue Rechtsprechung zum Direktionsrecht

Innerhalb des Weisungsrechts kann der Arbeitgeber Ort, Zeit und Art der Beschäftigung des Arbeitnehmers festlegen. Grenzen gibt es nur durch das Gesetz, einen Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder den Arbeitsvertrag. Zudem hat der Arbeitgeber stets eine rechtmäßige Ermessensentscheidung zu treffen.

Zwischen dem Arbeitnehmer des Falls und seinem Arbeitgeber gab es eine Reihe von Streitigkeiten. Nach einem verlorenen Kündigungsrechtsstreit wollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von Dortmund nach Berlin versetzen. Als der Arbeitnehmer sich weigerte, erhielt er zunächst Abmahnungen und schließlich eine fristlose Kündigung wegen Arbeitsverweigerung. Gegen die Kündigung klagte er und die Angelegenheit landete bei der Zehnten Kammer des Bundesarbeitsgerichts. Diese konnte allerdings nicht abschließend entscheiden. Grundsätzlich schlossen sich die Richter den Vorinstanzen an und meinten, die Versetzung von Dortmund nach Berlin würde eine unbillige Ermessensentscheidung darstellen. Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte jedoch in einem ähnlichen Fall entschieden, dass der Arbeitnehmer erst e

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